Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung: Leiterin eines integrativen Kindergartens
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eingruppierung der Leiter/Leiterinnen integrativer Kindergärten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte als Leiter/Leiterinnen von Kindertagesstätten der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anl. 1 a zum BAT.
2. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß spezielle Tätigkeitsmerkmale für Leiter/Leiterinnen in integrativen Kindergärten in den Tarifregelungen nicht geschaffen worden sind.
Normenkette
DVO der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen § 12; DVO der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen § 2 Abs. 1; BAT 1975 § 22; Anlage 1a Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) VergGr. IV b Fallgr. 3 u. BAT/BL; Anlage 1a Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) VergGr. IV b Fallgr. 4 BAT/BL; Anlage 1a Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) VergGr. IV a.F.allgr. 4 zum BAT/BL; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Februar 2000 – 16 Sa 922/99 E– wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Eingruppierung der als Leiterin eines integrativen Kindergartens mit höchstens 79 Plätzen angestellten Klägerin.
Die Klägerin ist seit 1983 in Einrichtungen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Hannover im Erziehungsbereich beschäftigt, insbesondere als Kindertagesstättenleiterin. Im Arbeitsvertrag ist die Dienstvertragsordnung der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen vereinbart. Nach § 2 Abs. 1 DVO sind auf die Dienstverhältnisse der Angestellten die Bestimmungen des BAT vom 23. Februar 1961 und der zusätzlichen Regelungen der für das Land Niedersachsen jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 12 DVO ist § 22 BAT mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Eingruppierung der Angestellten sich nach der Anlage 1 richtet, soweit diese kircheneigene Tätigkeitsmerkmale vorsieht. Für den Erziehungsbereich sind kircheneigene Tätigkeitsmerkmale nicht vorhanden. Für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst gelten die Vorschriften des Abschnitts G des Teils II der Anlage 1 a zum BAT. Seit dem 1. August 1994 war die Klägerin zunächst mit vorbereitenden Arbeiten befaßt. Sie ist seitdem als Leiterin der neu eingerichteten zum 1. Oktober 1994 eröffneten Kindertagesstätte der Beklagten in G, Stadtteil O tätig. Sie erhält als Leiterin der Kindertagesstätte Vergütung nach VergGr. IV b BAT zuzüglich einer monatlichen Vergütungsgruppenzulage von 7,5 % nach Fn. 1 zur VergGr. IV b der Vergütungsgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst.
Die Kindertagesstätte O wurde von Beginn an als integrativer Kindergarten mit insgesamt vier Gruppen geführt. Zunächst wurden insoweit in zwei der vier Gruppen, zuletzt in drei der vier Gruppen auch Kinder betreut, die behindert sind. Im Jahre 1998 befanden sich in zwei der integrativen Gruppen je 17 Kinder, in der dritten integrativen Gruppe 18 Kinder, darunter je drei oder vier behinderte Kinder. Die vierte Gruppe wurde mit 25 Kindern geführt.
Nach der Betriebserlaubnis des Niedersächsischen Landesjugendamts vom 29. Juni 1995 für diese Kindertagesstätte gilt die Erlaubnis mit Wirkung vom 1. August 1995 für den Betrieb der Einrichtung als integrativer Kindergarten in den genutzten Räumlichkeiten und für die gleichzeitige Aufnahme von höchstens 79 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren in vier Gruppen, davon einer Regelgruppe à 25 Kinder und drei Integrativgruppen mit maximal 14 nichtbehinderten und vier behinderten Kindern pro Gruppe.
Für die Kindertagesstätte bestand eine Warteliste auch nichtbehinderter Kinder, so daß bei der Aufnahme dieser Kinder mehr als 100 Kinder betreut worden wären.
Nach Abschluß der Tarifverhandlungen zwischen der ÖTV, Hauptverwaltung Stuttgart und ua. der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände über die Eingruppierung der Angestellten im Sozial- und Erziehungsdienst, die zu dem Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 geführt hatten, der am 1. Januar 1991 rückwirkend in Kraft gesetzt worden war, vertrat die Gewerkschaft ÖTV im Schreiben vom 17. Juni 1992 an die VKA ua. die Auffassung, in Kindertagesstätten mit Integrationsgruppen würden die Angestellten in der Leitung der Einrichtung gegenüber Kindertagesstätten ohne Integrationsgruppen benachteiligt. In den Integrationsgruppen würden weniger Kinder aufgenommen, um das Ziel der Arbeit besser erreichen zu können. Da es sich nicht um Kindertagesstätten für Behinderte handele, fänden weiterhin die Tätigkeitsmerkmale für Kindertagesstättenleiter/-innen mit den Belegungszahlen Anwendung. Es sei eine Regelung anzustreben, daß die Leitung der Kindertagesstätten, die auch Integrationsgruppen hätten, nicht schlechter gestellt werde. Dies könne durch eine Gleichstellung der Integrationsgruppe mit der Gruppenstärke der anderen Gruppe bei der Berechnung der Durchschnittsbelegung erfolgen (abgedruckt bei Hofmann, Eingruppierung von A – Z L 760 S 14 f.). Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) erwiderte mit Schreiben vom 9. Juli 1992 (Hofmann aaO S 15), die Frage, ob in den Tätigkeitsmerkmalen für Leiter von Kindertagesstätten, in denen Integrationsgruppen vorhanden seien, geringere Zahlen bei der Durchschnittsbelegung angesetzt werden könnten, sei bei den Tarifverhandlungen, die zum Abschluß des Tarifvertrages vom 24. April 1991 geführt hätten, ausdrücklich erörtert und verneint worden. Es bestehe daher keine Möglichkeit, die vereinbarten Durchschnittszahlen für bestimmte Kindertagesstätten herabzusetzen.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 19. November 1996 und vom 3. März 1997 gegenüber dem Landeskirchenamt erfolglos Vergütung nach VergGr. IV a BAT geltend mit dem Hinweis, sie erfülle die Voraussetzungen der VergGr. IV b Fallgruppe 4 der Vergütungsgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst und sei aus der VergGr. IV b im Wege der Bewährung in die VergGr. IV a aufgestiegen. Die entsprechende Klage wurde mit Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 10. Juni 1998 – 4 Ca 5/98 E – rechtskräftig als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit ihrer vorliegenden, am 17. November 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage ihr Begehren weiter, ab 1. Oktober 1998 nach VergGr. IV a BAT vergütet zu werden. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei als angestellte Leiterin einer Kindertagesstätte mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 100 Plätzen zu behandeln. Ihr stehe deshalb nach vierjähriger Bewährung in VergGr. IV b die VergGr. IV a BAT zu. Es komme insoweit nicht auf die tatsächliche Belegungszahl an, diese sei vielmehr hochzurechnen, da tatsächlich 100 Kinder in der Kindertagesstätte betreut werden könnten. Die Gruppenstärke sei nur wegen der Aufnahme der behinderten Kinder reduziert. Die Gruppenstärke von je 25 Kindern pro Gruppe könne aufgrund der Warteliste erreicht werden. Integrative Modelle in Kindertagesstätten seien bei der Vereinbarung der tarifvertraglichen Regelungen übersehen worden. Es seien nur Kindertagesstätten mit behinderten Kindern oder Kindertagesstätten mit nichtbehinderten Kindern erwähnt. Entsprechende Gespräche hätten die Tarifvertragsparteien erst nach der Tarifvertragsänderung geführt. Die Rechtsprechung habe die entstandene Regelungslücke zu schließen, wie zB bei neu entstandenen Berufen, die sich nicht im BAT wiederfänden. Es sei von der Belastungsquote pro Kind auszugehen. Die Reduzierung der Platzzahlen in Integrationsgruppen erfolge, um wegen der besonderen Anforderungen eine Entlastung der Mitarbeiter zu schaffen. Pro behindertem Kind sei eine mindestens dreimal so hohe Belastung vorhanden wie für ein nichtbehindertes Kind, so daß fiktiv von zumindest 25 Kindern ausgegangen werden müsse. Demzufolge sei die Klägerin so zu behandeln, als ob die Gruppen vollständig mit 25 Kindern besetzt seien. Die Integrationsgruppen erforderten zusätzliche qualitative Arbeit. Kindertagesstätten mit integrativen Gruppen stellten weitaus höhere Anforderungen an die Leitung als eine „normale” Kindertagesstätte. Auch seien mehr Mitarbeiterinnen insgesamt zu betreuen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Oktober 1998 Vergütung nach der VergGr. IV a BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei in der VergGr. IV b BAT eingruppiert. Sie erfülle das Tätigkeitsmerkmal der Fallgruppe 3 der VergGr. IV b der Vergütungsgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst. Es komme auf die tatsächliche Belegung an. In der Kindertagesstätte seien nur 77 Kinder betreut worden. 100 Plätze wären auch dann nicht vergeben worden, wenn die Kindertagesstätte nicht mit integrativen Gruppen geführt worden wäre. Dies ergebe sich bereits aus der Betriebserlaubnis vom 29. Juni 1995.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT gegen die Beklagte. Sie ist nicht im Wege der Bewährung aus der VergGr. IV b in die VergGr. IV a BAT aufgestiegen. Die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin des integrativen Kindergartens O mit (höchstens) 79 Kindern entspricht nicht derjenigen eines „Leiters einer Kindertagesstätte mit einer durchschnittlichen Belegung von mindestens 100 Plätzen” iSd. VergGr. IV b Fallgr. 4 der Vergütungsgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT.
I. Die als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage ist nur begründet, wenn die die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge im tariflich geforderten Umfang die Anforderungen des von ihr für sich in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV b Fallgruppe 4 der Anlage 1 a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT). Nur dann kann sie im Wege der Bewährung aus der VergGr. IV b in die VergGr. IV a aufgestiegen sein. Daran fehlt es.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft vertraglicher Vereinbarung die Dienstvertragsordnung der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen Anwendung. Nach § 2 Abs. 1 DVO sind auf die Dienstverhältnisse der Angestellten die Bestimmungen des BAT und der zusätzlichen Regelungen der für das Land Niedersachsen jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 12 DVO ist § 22 BAT mit der Maßgabe anzuwenden, daß sich die Eingruppierung der Angestellten nach der Anlage 1 richtet, soweit diese kircheneigene Tätigkeitsmerkmale vorsieht. Für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst sind kircheneigene Tätigkeitsmerkmale nicht vorhanden. Die Eingruppierung dieser Angestellten richtet sich nach den Vorschriften des Abschn. G des Teils II der Anlage 1 a zum BAT.
2. Die tariflichen Tätigkeitsmerkmale, die für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, lauten:
Vergütungsgruppe IV b
…
3. Angestellte als Leiter von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 70 Plätzen1
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 2 und 4)
Die Fn. 1 lautet:
Diese Angestellten erhalten nach vierjähriger Bewährung in dieser Fallgruppe eine monatliche Vergütungsgruppenzulage iHv. 7,5 v.H. der Anfangsgrundvergütung (§ 27 Abschn. A Abs. 1) der VergGr. IV b.
4. Angestellte als Leiter von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 100 Plätzen.
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 2 und 4)
Vergütungsgruppe IV a
…
4. Angestellte als Leiter von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 100 Plätzen,
nach vierjähriger Bewährung in VergGr. IV b Fallgruppe 4.
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 2 und 4)
Die Protokollnotizen Nrn. 2 und 4 lauten:
Der Ermittlung der Durchschnittsbelegung ist für das jeweilige Kalenderjahr grundsätzlich die Zahl der vom 1. Oktober bis 31. Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres vergebenen, je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze zugrunde zu legen.
Kindertagesstätten im Sinne des Tätigkeitsmerkmals sind Krippen, Kindergärten, Horte, Kinderbetreuungsstuben, Kinderhäuser und Tageseinrichtungen der örtlichen Kindererholungsfürsorge.
3. Die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin des integrativen Kindergartens O ist als ein einziger großer Arbeitsvorgang anzusehen. Als Leiterin des integrativen Kindergartens hat die Klägerin eine einzige Funktion zu erfüllen. Alle Einzelaufgaben dieser Leitungstätigkeit – gleich wie diese tariflich zu bewerten sind – dienen einem Arbeitsergebnis. Sie bilden daher einen einzigen großen Arbeitsvorgang. Das hat das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zu Leitungstätigkeiten(zB 13. Dezember 1995 – 4 AZR 738/94 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 1, zu II 1 der Gründe) zutreffend erkannt.
4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der Ausgangsvergütungsgruppe IV b nicht. Die Durchschnittsbelegung von 100 Plätzen im Sinne des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV b Fallgr. 4 in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 2 sei nicht gegeben. Die Durchschnittsbelegung werde pro Kind gerechnet. Es komme auf die tatsächlich vergebenen Plätze an, nicht auf eine fiktive Berechnung. Die Tarifvertragsparteien knüpften die höhere Vergütung an die Zahl der vergebenen Plätze und nicht an andere Kriterien. In dem integrativen Kindergarten O, den die Klägerin leite, würden nur 77 Kinder betreut. Es seien nicht durchschnittlich mindestens 100 Kinder vorhanden.
a) Das ist vom Wortlaut des Tarifvertrages her zutreffend. Die Vergütung der Kindertagesstättenleiter/-innen ist nach der Durchschnittsbelegung von einer Mindestzahl von Plätzen gestaffelt. Die Durchschnittsbelegung ist in der Protokollnotiz Nr. 2 dahin erläutert, daß grundsätzlich die Zahl der vom 1. Oktober bis 31. Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres vergebenen, je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze zugrunde zu legen ist. Die Tarifvertragsparteien haben die Vergütung damit an die Zahl der Plätze geknüpft, die im letzten Quartal des Vorjahres vergeben waren. Der Begriff „je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze” schließt eine Doppelzählung der Plätze aus, die vormittags und nachmittags jeweils an andere Kinder vergeben werden. Damit wird auch ausgeschlossen, daß behinderte Kinder mit einem Mehrfachen zu rechnen sind. Die Tarifvertragsparteien sind in einer pauschalierten Betrachtungsweise davon ausgegangen, daß die Anforderungen an die Leiterin, an den Leiter einer Kindertagesstätte steigen, je mehr Plätze vergeben sind, also je mehr Kinder die Einrichtung gleichzeitig betreut.
b) Entgegen der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Begriff „vergebene Plätze” nicht unzutreffend interpretiert. Die Revision meint, die von der Klägerin geleitete Einrichtung umfasse „100 Plätze”, nämlich vier Gruppen zu jeweils „25 Plätzen”. Es seien alle Plätze vergeben. Angesichts der Tatsache, daß die Kindertagesstätte als Integrationsmodell in zwei bis drei Gruppen gemäß der Betriebserlaubnis geführt werde, seien die jeweils 25 Plätze in zwei oder drei Gruppen dann vergeben, wenn neben einer Regelgruppe mit 25 Kindern drei Integrativgruppen mit maximal 14 nichtbehinderten und vier behinderten Kindern pro Gruppe belegt seien. Dies bedeute, daß die Betriebserlaubnis selbst die Belegung mit behinderten Kindern so bewerte, daß hierdurch bis zu 11 Plätze belegt würden. Die Betriebserlaubnis stelle also selbst die Regelgruppe mit 25 Kindern einer Integrativgruppe beispielsweise 14 nichtbehinderten und vier behinderten Kindern gleich. Damit gelte die Integrativgruppe, die an sich 25 Kinder ohne Behinderung als Regelgruppe umfassen könnte, als vollständig belegt.
Die Revision verkennt, daß nach der Betriebserlaubnis die Einrichtung, die die Klägerin leitet, lediglich 79 Plätze aufweist. Mehr dürfen nicht „vergeben” werden. Von dieser Anzahl Plätze dürfen bei den drei Integrationsgruppen je maximal drei oder vier mit behinderten Kindern belegt werden. Entgegen der Auffassung der Revision dürfen pro Integrationsgruppe nicht bis zu 25 Kinder aufgenommen werden, wenn nicht genügend behinderte Kinder vorhanden sind. Das gibt die Betriebserlaubnis nicht her. Im übrigen gibt es im Tarifvertrag vom 24. April 1991 keinen Anhaltspunkt dafür, daß vergütungsrelevant mehrere Plätze einem behinderten Kind zugeordnet werden mit der Folge, daß die Zahl der Plätze fiktiv höher ist als die der tatsächlich gleichzeitig betreuten Kinder.
5. Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, der Gesamtzusammenhang der tarifvertraglichen Regelung ergebe gerade nicht, daß von einer Belastungsquote pro Kind ausgegangen werden könne und damit behinderte Kinder mit einem Mehrfachen zu rechnen seien, so daß die Zahl von 100 fiktiv erreicht werde. Die Tarifvertragsparteien unterschieden bei der Eingruppierung der Angestellten im Sozial- und Erziehungsdienst danach, ob eine bestimmte Durchschnittsbelegung vorliege, so auch in Erziehungsheimen und anderen Einrichtungen, und danach, ob sich Tätigkeiten durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraushöben, oder ob besonders schwierige fachliche Tätigkeiten verrichtet würden(vgl. zB Protokollnotiz Nrn. 5, 8 und 11). Daraus ergebe sich, daß die Tarifvertragsparteien nicht nur danach differenzierten, welche zusätzlichen Belastungen durch eine erhöhte Kinderzahl bestünden, sondern auch danach, ob die Tätigkeit aufgrund der betreuten Personen besondere Anforderungen stelle.
Das ist zutreffend. Die Eingruppierung der Leiter und der stellvertretenden Leiter von Kindertagesstätten, Kindertagesstätten für Behinderte und Erziehungsheimen richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen danach, in welcher Art von Einrichtung die Leitungstätigkeiten ausgeübt werden und wie viele Plätze durchschnittlich belegt sind. Für andere Tätigkeiten ist auf andere Kriterien abgestellt worden.
6. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob eine unbewußte Tariflücke vorliegt, da sowohl bei einer unbewußten Tariflücke als auch bei einer bewußten Tariflücke eine Schließung im Sinne der Klägerin nicht möglich sei.
a) Es hat ausgeführt, für eine bewußte Regelungslücke spreche, daß die Tarifvertragsparteien bei der Regelung der Eingruppierung für den Sozial- und Erziehungsdienst Tätigkeiten in Integrationsgruppen gesehen hätten. In der Protokollnotiz Nr. 8 a) seien als Beispiel für besonders schwierige fachliche Tätigkeiten solche in Integrationsgruppen genannt. Es sei deshalb davon auszugehen, daß das Problem von Integrationsgruppen bereits bei Abschluß des Tarifvertrages bewußt gewesen sei und die Tarifvertragsparteien dieses für besondere Fälle geregelt hätten. Wenn dies für den Bereich der Leitung von Kindertagesstätten mit integrativen Gruppen nicht erfolgt sei, sondern insoweit allein auf die Durchschnittsbelegung abgestellt worden sei, so sei daraus der Schluß gerechtfertigt, daß die Tarifvertragsparteien diesen Bereich nicht hätten regeln wollen.
b) Für eine bewußte Tariflücke kann das Schreiben der VKA vom 9. Juli 1992 an die ÖTV sprechen, nach dem die Frage, ob in den Tätigkeitsmerkmalen für Leiter von Kindertagesstätten, in denen Integrationsgruppen vorhanden seien, geringere Zahlen bei der Durchschnittsbelegung angesetzt werden könnten, bei den Tarifverhandlungen, die zum Abschluß des Tarifvertrages vom 24. April 1991 geführt hätten, ausdrücklich erörtert und verneint worden sei. Geht man von einer bewußten Regelungslücke aus, kann sie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats von der Arbeitsrechtsprechung nicht geschlossen werden. Das wäre ein dem Grundgesetz widersprechender Eingriff in die Tarifautonomie(vgl. Senat 6. März 1996 – 4 AZR 771/94 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 210 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 6, zu II 4 b aE der Gründe mwN).
c) Unterstellt man eine unbewußte Tariflücke, kann der Senat sie nicht in der von der Klägerin gewünschten Form schließen. Denn selbst wenn eine gesonderte Regelung für integrativ geführte Kindertagesstätten unterblieben sein sollte, weil es im Zeitpunkt der Tarifverhandlungen und des Abschlusses des Tarifvertrages vom 24. April 1991 lediglich Modellprojekte gab und gesetzliche Regelungen noch fehlten, ist eine Schließung dieser Lücke nicht möglich.
aa) Die Revision meint zwar, die Regelungslücke müßte so behandelt werden, wie wenn nach Abschluß der Tarifverhandlungen ein neues Berufsbild entstanden wäre. Damit wird ersichtlich die Rechtsprechung des Senats zu Berufsgruppen angesprochen, deren Eingruppierung die Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen haben, wobei es sich in der Regel um bewußte Regelungslücken handelte(vgl. zB 15. Juni 1994 – 4 AZR 330/93 – BAGE 77, 94 „Musiktherapeut”; 6. März 1996 – 4 AZR 771/94 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 210 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 6 „Arbeitserzieher”). Die Revision sieht aber selbst, daß es sich bei Leitern/-innen integrativer Kindertagesstätten nicht um ein neues Berufsbild handelt, sondern meint, nach den Regelungen der Betriebserlaubnis verdränge ein behindertes Kind etwa 2,25 nichtbehinderte Kinder, nehme also deren Plätze ein. Die Belegung der Plätze erfolge also variabel, ausgehend davon, daß jede Gruppe 25 Plätze für nichtbehinderte Kinder habe. Wenn aufgrund der konkreten Belegung Kinder nicht mehr aufgenommen werden könnten, sei diese Anzahl der Plätze vollständig belegt. Es seien dann also alle 25 Plätze in der Gruppe vergeben, so daß weder ein weiteres behindertes noch ein weiteres nichtbehindertes Kind aufgenommen werden könnten. Es gehe also letztendlich nicht um zusätzliche Belastung, sondern um die vollständige Belegung der vorhandenen 25 Plätze pro Gruppe.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber zutreffend darauf hingewiesen, eine unbewußte tarifliche Regelungslücke sei von den Gerichten durch eine ergänzende Auslegung nur dann zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergäben. Fehle es hieran, komme eine Lückenschließung nur dann in Betracht, wenn eine bestimmte Regelung nach objektiver Betrachtung zwingend geboten sei. Gebe es bei tatsächlicher und rechtlicher Betrachtung mehrere Möglichkeiten, eine festgestellte Tariflücke zu schließen, bedürfe es einer Entscheidung der Tarifvertragsparteien.
cc) Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Tarifvertragsparteien, hätten sie das Problem erkannt, davon ausgegangen wären, daß „ein behindertes Kind etwa 2,25 nichtbehinderte Kinder verdrängt”, wie die Klägerin meint, und so auf eine andere, höhere Zahl von Plätzen einer Durchschnittsbelegung geschlossen hätten. Sie hätten vielmehr auf eine etwa erhöhte Belastung abgestellt, die mit der Leitung integrativer Kindergärten wegen der Betreuung behinderter Kinder einhergehen kann oder einhergeht. Dabei hätten ihnen mehrere Regelungsmöglichkeiten offengestanden. Es wäre möglich gewesen, spezielle Tätigkeitsmerkmale für Leiter/-innen integrativer Kindertagesstätten einzuführen. Sie hätten es aber auch bei (weiteren) Vergütungsgruppenzulagen belassen können. Sie hätten auch zusätzlich auf die Zahl der betreuten behinderten Kinder abstellen können. Eine bestimmte Lösung drängt sich nicht auf. Daher muß es den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben, gegebenenfalls die Berufsgruppe der Leiter/-innen integrativer Kindertagesstätten besonderen Eingruppierungsbestimmungen zu unterwerfen.
7. Die Revision stellt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ab. Das ist schon im Ansatz verfehlt. Die Klägerin trägt nicht vor, die Beklagte vergüte Leiter/-innen integrativer Kindergärten unter „Abgleich” oder Hochrechnung der Plätze für behinderte Kinder mit bzw. auf Plätze für nichtbehinderte Kinder.
8. Sollte der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gemeint sein, gilt folgendes:
a) Das Korrektiv bei Tarifverträgen war bislang die Gebundenheit der Tarifverträge an die Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, von der die Rechtsprechung des BAG ausgegangen ist(vgl. zB Senat 21. Oktober 1992 – 4 AZR 88/92 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 165 mwN). Im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1999(–- 1 BvR 726/98 – EzA GG Art. 3 Nr. 72 a, zu II Abs. 2 der Gründe) hat der Senat es ausdrücklich dahingestellt bleiben lassen, ob Tarifvertragsparteien an die Grundrechte, insbesondere an Art. 3 Abs. 1 GG und an den daraus abgeleiteten allgemeinen Gleichheitssatz gebunden sind(Senat 5. Oktober 1999 – 4 AZR 668/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 70 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 40; 26. April 2000 – 4 AZR 177/99 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 16 = EzA GG Art. 3 Nr. 90). Im Urteil vom 30. August 2000(– 4 AZR 563/99 – zVv.) hat der Senat der Tarifautonomie den Vorrang vor dem allgemeinen Gleichheitssatz eingeräumt und Art. 9 Abs. 3 GG hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs von Tarifverträgen nur durch das Verbot der Willkür des Art. 3 Abs. 1 GG und durch die Diskriminierungsverbote begrenzt gesehen. Daran hält der Senat fest. Aber selbst wenn man von einer stärkeren Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 Abs. 1 GG ausgeht, liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht vor.
b) Es sind zwar verschiedene Anknüpfungspunkte für die Eingruppierung von Kindertagesstättenleitern/-leiterinnen denkbar. Wenn die Tarifvertragsparteien es aber bisher dabei belassen haben, bei der Eingruppierung an die Zahl der Plätze anzuknüpfen, so bewegen sie sich damit noch innerhalb des ihnen eingeräumten Gestaltungsspielraums. Es ist Sache der Tarifvertragsparteien, über den Zeitpunkt einer Anpassung tarifvertraglicher Bestimmungen an eine im Laufe der Jahre eingetretene Änderung der Verhältnisse zu befinden. Ebenso obliegt es nur ihnen, aus den verschiedenen für eine Eingruppierungsregelung in Betracht kommenden Kriterien – beispielsweise Qualifikation, Schwierigkeit der Tätigkeit, Umfang der Verantwortung – diejenigen auszuwählen, die für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe ausschlaggebend sein sollen. Schließlich muß es den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben, darüber zu befinden, wie fein sie in Anbetracht der Vielzahl tatsächlich ausgeübter Tätigkeiten das Eingruppierungssystem abstufen wollen. Immerhin ist bei den Tarifverhandlungen zu der Eingruppierung von Leitern von Einrichtungen eingehend geprüft worden, ob andere Abgrenzungsmerkmale – wie etwa die Zahl unterstellter Mitarbeiter – treffender wären. Den Ausschlag hat schließlich gegeben, daß der dem Leiter obliegende Erziehungsauftrag und die Leitung um so schwieriger zu erfüllen sind, je stärker die Belegung als solche ist. Die Tarifvertragsparteien sind also bei der Leitung von Einrichtungen mit Bezug auf die Abgrenzung in den einschlägigen Fallgruppen der Vergütungsgruppen davon ausgegangen, daß der Verantwortungsgrad am ehesten an der Zahl der belegten Plätze und damit an der Zahl der gleichzeitig zu betreuenden Personen abgelesen werden kann(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2001 VergO/BL Bd. 2 Anm. 239 S 406 v2). Dann aber hielten sich die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraumes, wenn sie bei der Eingruppierung von Leitern/Leiterinnen von Kindertagesstätten nicht auf besondere Belastungen etwa durch die Betreuung auch von behinderten Kindern zumindest zusätzlich abgestellt haben. Vielleicht haben sie diese Belastungen als nicht hinreichend objektivierbar angesehen. Möglicherweise ist eine solche Gewichtung im Vergleich zu der numerischen Anzahl der Plätze als nicht unangreifbar erschienen. Wenn die Tarifvertragsparteien der Auffassung waren, es sei am sinnvollsten, an die Anzahl der durchschnittlich gleichzeitig zu betreuenden Kinder anzuknüpfen, so ist es nicht zu beanstanden, wenn ein erhöhter Betreuungsbedarf oder ein sonstiger erhöhter Aufwand wegen der Betreuung behinderter Kinder außer Betracht bleibt. Sieht man die Tarifvertragsparteien innerhalb ihrer Kompetenz grenzenfreier als den Gesetzgeber, weil sie nicht hoheitlich in Grundrechte eingreifen, so erhellt ohnehin, daß mit der von der Klägerin vermißten Gewichtung der drei oder vier Plätze für behinderte Kinder in den drei Integrativgruppen Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt ist. Die Tarifvertragsparteien haben einen Entscheidungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative. Den Tarifvertragsparteien wird von den Koalitionen und von der Verfassung besondere Sachnähe zugetraut. Die Sachgerechtigkeit einer Gruppenbildung können sie in der Regel besser einschätzen als ein Gericht. Im übrigen sind tarifliche Regelungen oft das kompromißhafte Ergebnis kontroverser Vertragsverhandlungen, weshalb an ihre Systemgerechtigkeit nur äußerst geringe Anforderungen gestellt werden können(vgl. Senat 28. Januar 1998 – 4 AZR 491/96 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 11 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44, zu II 4 der Gründe).
9. Sonach erfüllt die Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b Fallgruppe 4 der Vergütungsgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst nicht. Sie ist daher nicht aus VergGr. IV b im Wege der Bewährung in die VergGr. IV a aufgestiegen. Sie hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Kiefer, Görgens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.04.2001 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 614696 |
BAGE, 251 |
BB 2001, 1640 |
ZTR 2001, 512 |
AP, 0 |
MDR 2001, 1173 |
NZA-RR 2002, 331 |
PersR 2001, 441 |
PersV 2002, 563 |