Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klage nach Löschung der beklagten GmbH. Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Prozeßrecht
Leitsatz (amtlich)
- Eine GmbH bleibt im Passivprozeß auch nach ihrer Löschung parteifähig, wenn sie möglicherweise noch einen Ersatzanspruch gegen den Liquidator gem. § 73 Abs. 3 GmbHG hat.
- Eine vor der Löschung erteilte Prozeßvollmacht besteht fort.
Orientierungssatz
- Wird eine GmbH von der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) wegen Beitragsansprüchen zu den Sozialkassen des Baugewerbes auf Auskunft in Anspruch genommen und bestreitet sie, im fraglichen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht erfüllt zu haben, so darf in der Liquidation der GmbH die Verteilung des Vermögens grundsätzlich nur erfolgen, wenn der ZVK wegen der möglichen Beitragsansprüche Sicherheit geleistet ist.
- Die Löschung der GmbH im Handelsregister steht der Fortführung der Auskunftsklage nicht entgegen, wenn die GmbH im Zeitpunkt der Löschung durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war.
Normenkette
ZPO § 50 ff., §§ 56, 81, 86, 398, 579 Abs. 1 Nr. 4; GmbHG §§ 11, 60, 66, 73-74; VTV § 1 Abschn. V Nrn. 22, 36, § 25; BGB § 197 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die klagende Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe VVaG (im folgenden: ZVK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, die nach näherer Maßgabe der tariflichen Bestimmungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) Beiträge zu den Sozialkassen von den Arbeitgebern einzieht, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum von Januar 1997 bis November 1997 in Anspruch.
Das Stammkapital der Beklagten hielt ihr vormaliger Geschäftsführer Herr S… allein. Am 20. Mai 1998 beschloß er die Auflösung der Gesellschaft und seine Bestellung zum Liquidator. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 3. Juni 1998. Mit Schreiben vom 10. August 1999 widersprach die ZVK der Löschung der Beklagten im Handelsregister. Am 9. Oktober 2000 wurde in das Handelsregister eingetragen, daß die Beklagte erloschen ist.
Die ZVK hat behauptet, die gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten hätten im Klagezeitraum zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Gesamtarbeitszeit folgende Tätigkeiten ausgeführt: Kanalbauarbeiten, Aushub von Kanalgräben, Verlegen der Kanalrohre, Verfüllen der zuvor ausgehobenen Gräben, Erdbewegungsarbeiten, dh. Aushub von Baugräben, Gräben und Schächten und anschließendes Abtransportieren des angefallenen Erdreichs mittels eigener LKW. Dementsprechend sei die Beklagte beitragspflichtig.
Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wie viele Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Dezember 1997 bis April 1998 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme für diese Arbeitnehmer und die Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind;
1.2 wie viele Angestellte insgesamt mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinn von § 8 SGB IV ausübten, in den Monaten Dezember 1997 bis April 1998 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und in welcher Höhe Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,
2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunfterteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1: |
DM 12.700,00 und |
zu Nr. 1.2: |
DM 225,00 |
3. an die Klägerin DM 20.128,12 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig geworden, nachdem mit ihrer Löschung der bisherige Liquidator seine Stellung als gesetzlicher Vertreter verloren habe, ohne daß es zur Bestellung eines neuen gesetzlichen Vertreters gekommen sei. Sie sei nach der Löschung auch nicht mehr parteifähig. Die Beklagte hat behauptet, die Liquidationsschlußbilanz stehe vor der Erstellung. Liquide Mittel seien nicht mehr vorhanden; eine Schlußausschüttung sei nicht beabsichtigt.
Die Beklagte hat darüber hinaus den Anspruch dem Grund und der Höhe nach bestritten und behauptet, die beschäftigten Mitarbeiter hätten zu mehr als 50 % der Arbeitszeit baufremd gearbeitet. Es seien in dem Klagezeitraum Fuhrleistungen und Containerdienste (nicht für eigene Baustellen) zu ca. 35 %, Baustoffhandel zu ca. 5 %, Tiefbauarbeiten einschließlich des Einsatzes von Subunternehmen inkl. baulicher Zusammenhangstätigkeiten zu ca. 30 %, Abbrucharbeiten einschließlich des Einsatzes von Subunternehmen zu ca. 10 %, Werkstatt- und Lagerarbeiten ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 15 % und Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Verleih von Baumaschinen (Pumpen) ohne Personal und ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 5 % erbracht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die von der ZVK behaupteten Tätigkeitsanteile im Klagezeitraum. Nach Mitteilung der Löschung der Beklagten hat es die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die ZVK ihren Zahlungsantrag weiter. Im übrigen hat sie die Klage zurückgenommen.
Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte sei trotz ihrer Löschung parteifähig geblieben. Solange der Passivprozeß schwebe, fehle es an einer Vollbeendigung der Abwicklung. Da ein Insolvenzantrag nicht gestellt worden und zudem unter der gleichen Anschrift eine “S… Erdbau GmbH” tätig sei, bestehe der Verdacht, daß Auflösung und Löschung ausschließlich dem Zweck dienten, Gläubiger zu benachteiligen und die Geschäfte unter der anderen Firma fortzuführen. Da auch eine Haftung des Liquidators in Betracht zu ziehen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Beitragsansprüche noch realisiert werden könnten.
Obwohl der bisherige Liquidator durch die Löschung der Gesellschaft seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten in Liquidation verloren habe, sei die Beklagte auch nach wie vor handlungsfähig, weil die einmal wirksam erteilte Prozeßvollmacht durch den Verlust der Prozeßfähigkeit nicht berührt werde. Dies folge aus dem Normzweck von § 86 ZPO, den Prozeßgegner vor Auswirkungen von Veränderungen auf der Gegenseite zu schützen.
Die Beklagte vertritt demgegenüber weiter die Auffassung, für die Zulässigkeit der Prozeßfortsetzung fehle es auf Grund ihrer Löschung an ihrer Partei- und Prozeßfähigkeit. Ferner macht sie geltend, da die ZVK bis zur Löschung nur Auskunftsansprüche erhoben habe, habe die Liquidation bis zur Vollbeendigung betrieben werden dürfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der ZVK ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die gelöschte GmbH im Passivprozeß noch parteifähig sei. Nachdem mit der Löschung der Beklagten im Handelsregister der bisherige Liquidator seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten verloren habe, ohne daß es zur Bestellung eines neuen gesetzlichen Vertreters gekommen sei, fehle es an einer Prozeßvoraussetzung. § 86 ZPO sei über seinen Wortlaut hinaus nicht analog auf Fälle anzuwenden, in denen die gesetzliche Vertretung einer juristischen Person weggefallen, aber ein Prozeßbevollmächtigter mit fortbestehender Prozeßvollmacht vorhanden sei. Insofern bestehe die Möglichkeit, auf die Bestellung eines Nachtragsliquidators hinzuwirken.
Dem folgt der Senat nicht. Die Beklagte ist nach wie vor als parteifähig zu behandeln. Die Veränderung in der Prozeßfähigkeit infolge der Löschung der Beklagten hindert die Prozeßfortsetzung wegen der zuvor erteilten Prozeßvollmacht ebenfalls nicht.
1. Die Beklagte ist trotz ihrer Löschung im Handelsregister am 9. Oktober 2000 nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig.
a) Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Eine GmbH entsteht als juristische Person und wird rechtsfähig nach § 11 Abs. 1 GmbHG mit der Eintragung; sie erlischt mit Eintritt der Vollbeendigung, wobei diese die Vermögenslosigkeit und die Eintragung der Löschung voraussetzt (BAG 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – AP ZPO § 50 Nr. 6 = EzA ZPO § 50 Nr. 2; OLG Stuttgart 30. September 1998 – 20 U 21/98 – ZIP 1998, 1880; Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 74 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner GmbHG 4. Aufl. § 60 Rn. 54). Mit dem Wegfall der Rechtsfähigkeit erlischt grundsätzlich auch die Parteifähigkeit der juristischen Person.
b) Gleichwohl wird eine Gesellschaft auch im Passivprozeß in einer Reihe von Konstellationen als parteifähig behandelt, wenn sie wegen Vermögenslosigkeit oder nach vollzogener Liquidation im Handelsregister gelöscht worden ist. Werden zB mit der Klage vermögensrechtliche Ansprüche verfolgt, reicht grundsätzlich die substantiierte Behauptung des Klägers aus, die GmbH habe noch Aktivvermögen (BAG 7. Februar 1990 – 8 AZR 469/88 –; BGH 2. Juni 1999 – VIII ZR 112/99 – BGHR ZPO § 398 Abs. 1 Ermessen Nr. 31; 6. Februar 1991 – VIII ZR 26/90 – BGHR BGB § 675 Bautreuhandvertrag Nr. 7). Vermögen in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn der Gläubiger im Liquidationsverfahren zu Unrecht übergangen worden ist und die Gesellschaft deshalb einen Ersatzanspruch gegen die Liquidatoren hat (BGH 10. Oktober 1988 – II ZR 92/88 – BGHZ 105, 259; BAG 9. Juli 1981 – 2 AZR 329/79 – BAGE 36, 125).
c) Es kann dahinstehen, ob im bereits laufenden Passivprozeß trotz der Löschung stets von einer fortbestehenden Parteifähigkeit der GmbH auszugehen ist. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, daß weder ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt war noch zum Zeitpunkt der Löschung eine Liquidationsschlußbilanz vorgelegen hat. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß noch verteilungsfähiges Vermögen, gegebenenfalls in Form von Regreßansprüchen der Gesellschaft gegenüber dem Liquidator nach § 73 Abs. 3 GmbHG, vorhanden ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Liquidation unter Verstoß gegen § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ohne vorherige Leistung von Sicherheiten zugunsten der Klägerin erfolgte (vgl. Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 73 Rn. 25 ff.). Für den Fall des Obsiegens der Klägerin in der Sache besteht dann weiterer Abwicklungsbedarf und es hat eine Nachtragsliquidation stattzufinden (vgl. Scholz/Karsten Schmidt aaO; § 74 Rn. 18 ff.).
Die Beklagte beruft sich nunmehr darauf, die Klägerin habe bis zur Löschung nur Auskunftsansprüche geltend gemacht, die die Vollbeendigung nicht gehindert hätten. Dabei übersieht sie, daß auch der Höhe nach noch unklare, dem Grunde nach aber als möglicherweise bestehend zu beurteilende Forderungen eine Sicherheitsleistung durch den Liquidator gem. § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG notwendig machten (vgl. Hachenburg/Hohner GmbHG 8. Aufl. § 73 Rn. 24). Gegen die völlige Vermögenslosigkeit der Beklagten spricht ferner, daß offenbar keine Löschung von Amts wegen aus diesem Grund erfolgte (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG; § 141a FGG). Bei Eintragung der Löschung wurde nämlich nicht vermerkt, die Löschung sei von Amts wegen gemäß den genannten Vorschriften erfolgt, was ggf. gem. § 19 Abs. 2 HRV geboten gewesen wäre. Die Beklagte ist deshalb trotz ihrer Löschung im Handelsregister weiter als parteifähig zu behandeln.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte auch prozeßfähig nach § 51 Abs. 1, § 52 ZPO.
a) Prozeßfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozeßhandlungen selbst oder durch selbstbestellte Vertreter wirksam vor- oder entgegenzunehmen (Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 51 Rn. 2). Eine GmbH ist als juristische Person als solche nicht fähig, Prozeßhandlungen selbst vorzunehmen. Sie wird nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihre Geschäftsführer und im Fall der Liquidation nach § 66 Abs. 1 GmbHG durch die Liquidatoren gesetzlich vertreten (vgl. Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 66 Rn. 2). Zwar hat der vormalige Geschäftsführer und spätere Liquidator der Beklagten, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, mit der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten verloren (BAG 19. März 2002 – 9 AZR 752/00 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BFH 27. April 2000 – I R 65/98 – BFHE 191, 494). Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, daß der Wegfall der Prozeßfähigkeit dann ohne Bedeutung ist, wenn dem Prozeßbevollmächtigten wirksam Prozeßvollmacht erteilt worden ist, weil die Vollmacht nach § 86 ZPO weiter wirkt (vgl. BAG 19. März 2002 – 9 AZR 752/00 – aaO; 20. Januar 2000 – 2 AZR 733/98 – BAGE 93, 248; BGH 18. Januar 1994 – XI ZR 95/93 – NJW-RR 1994, 542; 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – BGHZ 121, 263; BFH 27. April 2000 – I R 65/98 – BFHE 191, 494; Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 86 Rn. 5; Baumbach/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 86 Rn. 9; aA Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 86 Rn. 12).
b) Durchgreifende Gründe, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, enthält die Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht. Der bloße Hinweis auf ein durch § 56 Abs. 2, § 57 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 246 Abs. 1 ZPO “auf die Konstellation abgestimmtes und ausreichendes Instrumentarium, welches für die Fälle der Löschung einer GmbH gem. § 141a FGG flankiert wird durch die Möglichkeiten, auf die Bestellung eines Nachtragsliquidators hinzuwirken,” überzeugt nicht. Die Betrachtungsweise des Landesarbeitsgerichts widerspricht dem Normzweck des § 86 ZPO, den Prozeßgegner vor den Auswirkungen von Veränderungen auf der Gegenseite zu schützen und einen einmal begonnenen Rechtsstreit möglichst ohne Verzug zu Ende zu führen (BGH 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – BGHZ 121, 263). Die prozeßunfähig gewordene Partei ist bei fortwirkender Prozeßvollmacht im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO “nach den Vorschriften der Gesetze vertreten”, obwohl für sie zunächst kein gesetzlicher Vertreter bestellt ist und ein Mangel der Prozeßfähigkeit gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu beachten ist (BAG 20. Januar 2000 – 2 AZR 733/98 – BAGE 93, 248 mwN). Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts würde zu dem unpraktikablen Ergebnis führen, daß auch in sonstigen Fällen des Wegfalls der Vertretungsbefugnis (Abberufung des Geschäftsführers etc.) trotz Fortbestands der Prozeßvollmacht die klagende Partei jeweils gehalten wäre, auf die Notbestellung eines gesetzlichen Vertreters nach § 29 BGB oder eines Prozeßpflegers nach § 57 ZPO hinzuwirken, und daß das Verfahren nur mit den Einschränkungen des § 56 Abs. 2 ZPO betrieben werden könnte. Die beklagte Partei hätte es dann in der Hand, einen Prozeß durch Manipulation ihrer Vertretungsverhältnisse zu beeinflussen.
c) Daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten wirksam Prozeßvollmacht zu einem Zeitpunkt erteilt worden ist, als die Beklagte noch gesetzlich vertreten war, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Beklagte ist deshalb nach wie vor als prozeßfähig zu behandeln.
Die Klage ist nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO entscheidungsreif.
1. Sie kann nicht aus anderen Gründen (als unbegründet) abgewiesen werden.
a) Die Klage ist schlüssig. Die von der ZVK als im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend behaupteten Tätigkeiten sind bauliche Tätigkeiten iSv. § 1 Abschnitt V Nr. 22 und Nr. 36 VTV (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 458/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253); die ZVK hat unter Angabe der Beschäftigungszeiträume die im Betrieb der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter als Zeugen benannt.
b) Die geltend gemachten Beitragsansprüche für den Zeitraum Januar 1997 bis November 1997 sind nicht verjährt.
Die Verjährung der Beitragsansprüche richtet sich nicht nach § 195 BGB in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung, sondern gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB nach § 197 BGB aF (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 458/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253) und betrug damit vier Jahre beginnend mit dem Schluß des Jahres 1997 (§ 201 BGB aF).
Mit dem beim Landesarbeitsgericht am 27. Dezember 2001 eingegangenen und an den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 9. Januar 2002 zugestellten Schriftsatz wurde die Verjährung insoweit nach § 209 Abs. 1 BGB aF iVm. § 270 Abs. 3 ZPO unterbrochen.
c) Die geltend gemachten Ansprüche sind für diesen Zeitraum auch nicht nach § 25 Abs. 1 VTV verfallen. Danach verfallen Ansprüche der ZVK, wenn sie nicht innerhalb von vier Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Für den Beginn der Frist gilt § 201 BGB aF entsprechend.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2001 den geltend gemachten Auskunftsanspruch auf Zahlung der Mindestbeiträge umgestellt und mitgeteilt, sie habe mit Schreiben gleichen Datums an den gegnerischen Prozeßbevollmächtigten den drohenden Verfall durch außergerichtliche Geltendmachung unterbrochen. Dies hat die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.
Damit sind die Ansprüche im Sinne von § 25 VTV geltend gemacht. Die Geltendmachung gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ist ausreichend, da die Entgegennahme dieser Erklärung von der Prozeßvollmacht nach § 81 ZPO erfaßt wird.
Nach § 81 ZPO ermächtigt die Prozeßvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen. Zu den Prozeßhandlungen gehört auch die Geltendmachung materieller Rechte und die Abgabe der erforderlichen Erklärungen. Auch Erklärungen außerhalb des Prozesses sind Prozeßhandlungen im Sinne von § 81 ZPO, soweit es sich um streitgegenstandsbezogene Erklärungen handelt, die im Dienste der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des jeweiligen Rechtsstreits stehen (Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 81 Rn. 10).
In denselben Grenzen, in denen die Vollmacht zur Vornahme von Prozeßhandlungen ermächtigt, ist der Prozeßbevollmächtigte auch befugt zur Entgegennahme von Prozeßhandlungen des Gegners (Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 81 Rn. 11), soweit sie sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits beziehen (BAG 20. Mai 1998 – 2 AZR 739/87 – AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 16 = EzA MuSchG § 9 nF Nr. 27 zur Entgegennahme der Anzeige der Schwangerschaft nach § 9 MuSchG). Dies gilt auch für die Entgegennahme streitgegenstandsbezogener Erklärungen, die außerhalb des Prozesses abgegeben werden können (Stein/Jonas/Bork aaO).
Regelmäßig ist eine Klage auf Auskunftserteilung als unbegründet abzuweisen, wenn der sich aus der Auskunft ergebende Zahlungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann (für verjährte Ansprüche BAG 22. Juni 1994 – 10 AZR 656/93 –). Mit der rechtzeitigen Geltendmachung der Beitragsansprüche wird die Abweisung der Auskunftsklage für den jeweiligen Beitragszeitraum auf Grund Verfalls der Ansprüche verhindert. Die Geltendmachung der Beitragsansprüche bezieht sich deshalb auf den Gegenstand des Rechtsstreits und konnte gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erfolgen.
2. Der Klage kann auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts auch nicht stattgegeben werden.
Ob die Klage begründet ist, hat das Landesarbeitsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – nicht mehr entschieden und eine Würdigung des erhobenen Beweises unterlassen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts und von diesem nachzuholen. Auch die Entscheidung über die von der Klägerin beantragte wiederholte Vernehmung des Zeugen K… steht nach § 398 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Prozeßgerichts und muß von diesem getroffen werden.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, v. Baumgarten, Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 961108 |
BAGE 2004, 217 |
BB 2003, 1960 |
DB 2003, 2659 |
HFR 2004, 62 |
NWB 2003, 2602 |
ARST 2004, 21 |
FA 2003, 286 |
KTS 2003, 684 |
NZA 2003, 1049 |
ZAP 2003, 911 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 11 |
EzA |
AUR 2003, 358 |
GmbHR 2003, 1009 |