Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Naßbaggerei. Urteil auf Vornahme einer Handlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Naßbaggerei ist aus dem fachlichen Geltungsbereich des BauRTV ausgenommen. Dazu gehören Betriebe, die Naßbagger zur Förderung von Erdmassen und Geröll aus dem Wasser einsetzen.
2. Dagegen fallen Betriebe, in denen der auf diese Weise ausgebaggerte Aushub weggeschafft, verteilt oder planiert wird, als Baubetriebe unter den fachlichen Geltungsbereich des BauRTV.
3. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren in erster Linie Auskunftserteilung begehrt und außerdem ein Antrag auf Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung für den Fall der Nichterfüllung gestellt, so darf die Entschädigung im Sinne des § 61 Abs 2 ArbGG der Höhe nach nicht dem Betrag entsprechen, der der mit der Leistungsklage zu verfolgenden Hauptleistung (hier Beitragsforderungen) entspricht. Vielmehr ist ein der Klage auf Auskunftserteilung entsprechender Abschlag vorzunehmen.
4. Bei der Bestimmung der Frist des § 61 Abs 2 Satz 1 ArbGG sind allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze zu berücksichtigen, wie sie etwa in der Länge der allgemeinen prozeßrechtlichen Rechtsmittelfristen ihren Ausdruck finden. Insoweit wird das freie gerichtliche Ermessen eingeschränkt.
Normenkette
TVG § 1; BauRTV § 1; ZPO § 510 b; ArbGG § 61 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 23.08.1983; Aktenzeichen 5 Sa 145/83) |
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.12.1982; Aktenzeichen 7 Ca 1359/81) |
Tatbestand
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die Beiträge für Zusatzversorgung, Lohnausgleich und Urlaub der Arbeitnehmer des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung der Beiträge einholt. Sie verlangt von dem beklagten Arbeitgeber die Auskünfte nach § 2 Abschnitt I Ziff. 6 Verfahrens-TV (Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und Höhe der Bruttolohnsumme) für die Monate Dezember 1980 bis Mai 1981.
Der Beklagte ist in seinem Betrieb u.a. damit befaßt, Aushub, den Naßbagger eines anderen Unternehmens meist aus Flüssen - etwa zur Vertiefung einer Fahrrinne - gefördert haben, zu beseitigen. Das von den Naßbaggern aus dem Fluß geholte Material wird kontinuierlich - meist mittels Pumpen oder Schuten - auf die dafür bestimmten Felder oder Inseln (sogenannte Spülfelder oder Spülinseln) befördert. Von der Ablagerungsstelle aus haben die Arbeitnehmer des Beklagten den Aushub mit Erdbaugeräten, z. B. Planierraupen, sofort zu verteilen, weil nach dem Vortrag des Beklagten sonst nicht weiter gepumpt oder abgeladen werden könnte und das Baggern auf den Schiffen eingestellt werden müßte. Bei der Verteilung des Aushubs legen die Arbeitnehmer des Beklagten auch Böschungen und Spüldeiche an, damit das meist flüssig herangepumpte und herangeschaffte Baggergut nicht wieder verfließt. Hierbei arbeiten die Arbeitnehmer des Beklagten meist im Wasser.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Arbeiten des Beklagten auf den Spülfeldern und Spülinseln überwögen im Betrieb des Beklagten nicht. Während des überwiegenden Teils der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer betreibe er vielmehr das Vermieten von Baumaschinen mit Personal, Erdbewegungs- und Landgewinnungsarbeiten, Straßenbauarbeiten sowie Tiefbauarbeiten. Im übrigen würden auch die Arbeiten auf den Spülfeldern vom Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV--Bau) und demzufolge auch des Verfahrens-TV erfaßt. Insoweit liege keine Naßbaggerei im Sinne von § 1 Abschnitt VII Nr. 7 BRTV-Bau vor.
Die Klägerin hat demgemäß beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. der Klägerin auf dem vorgeschriebe-
nen Formular Auskunft zu erteilen,
1.1. wieviele Arbeitnehmer, die eine nach
den Vorschriften der Reichsversi-
cherungsordnung über die Rentenver-
sicherung der Arbeiter (RVO) ver-
sicherungspflichtige Tätigkeit aus-
üben, in den Monaten Dezember 1980
und Januar, Februar, März, April und
Mai 1981 in dem Betrieb des Beklag-
ten beschäftigt wurden, sowie in
welcher Höhe die Bruttolohnsumme
insgesamt für diese Arbeitnehmer
und die Beiträge für die Sozial-
kassen des Baugewerbes in den ge-
nannten Monaten angefallen sind,
1.2. wieviele technische und kaufmänni-
sche Angestellte sowie Poliere und
Schachtmeister in den Monaten De-
zember 1980, Januar, Februar, März,
April und Mai 1981 in dem Betrieb
des Beklagten beschäftigt wurden,
und in welcher Höhe Beiträge für
die Zusatzversorgungskasse des Bau-
gewerbes in den genannten Monaten
angefallen sind.
2. Für den Fall, daß diese Verpflich-
tung zur Auskunftserteilung inner-
halb einer Frist von zwei Wochen
nach Urteilszustellung nicht erfüllt
wird, an die Klägerin folgende Ent-
schädigung zu zahlen:
Zu 1.1. DM 21.600,--
Zu 1.2. DM 315,--
------------
insgesamt DM 21.915,--
-----------------------
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, das Vermieten von Baumaschinen mit Personal nehme noch nicht einmal ein Fünftel der betrieblichen Gesamtarbeitszeit in Anspruch. Vielmehr werde im Betrieb des Beklagten bei weitem überwiegend auf den Spülfeldern und Spülinseln gearbeitet. Diese Arbeiten gehörten zur Naßbaggerei, die gemäß § 1 Abschnitt VII Nr. 7 BRTV-Bau nicht vom tariflichen Geltungsbereich der Bautarife erfaßt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag mit der Maßgabe weiter, daß sie die Höhe der geforderten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellt. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Verurteilung des Beklagten, der Klägerin die begehrten Auskünfte nach den Verfahrenstarifverträgen für das Baugewerbe zu erteilen. Denn der Betrieb des Beklagten wird vom Geltungsbereich dieser Verfahrenstarifverträge erfaßt.
Im Klagezeitraum (Dezember 1980 bis Mai 1981) galten hinsichtlich der Arbeitnehmer mit einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tätigkeit der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 (Verfahrens-TV) zunächst in der Fassung vom 28. Dezember 1979 und ab 1. Januar 1981 in der Fassung vom 17. November 1980 sowie hinsichtlich der Angestellten der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes vom 30. Oktober 1975 in der Fassung vom 28. Dezember 1979 (Verfahrens-TV Angestellte). Diese Verfahrenstarifverträge finden kraft ihrer Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Nach § 2 Abschnitt I Ziff. 6 Verfahrens-TV und § 2 Abschnitt II Nr. 2.2 Verfahrens-TV Angestellte ist danach der Beklagte verpflichtet, auf dem tariflich vorgeschriebenen Formblatt die von der Klägerin mit ihren Klageanträgen begehrte Auskunft über die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und die Höhe der Bruttolohnsummen zu erteilen. Danach richtet sich die Beitragspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin.
Der Betrieb des Beklagten wird vom fachlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfaßt. Der Verfahrens-TV in der Fassung vom 28. Dezember 1979 und der Verfahrens-TV Angestellte enthalten hinsichtlich des fachlichen Geltungsbereichs jeweils in ihrem § 1 Abs. 2 folgende übereinstimmende Regelung:
"Betriebe, die unter den fachlichen Geltungs-
bereich des Tarifvertrags über eine zusätzli-
che Alters- und Invalidenbeihilfe im Bauge-
werbe vom 28. Dezember 1979 fallen."
Der fachliche Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrags über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Baugewerbe stimmt wörtlich mit dem fachlichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) überein. Der Verfahrens-TV in der Fassung vom 17. November 1980 enthält nunmehr eine eigenständige Regelung des fachlichen Geltungsbereichs, der aber ebenso wörtlich mit dem fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau übereinstimmt. Wegen der Identität der fachlichen Geltungsbereiche kann der Senat auch im vorliegenden Rechtsstreit seine Rechtsprechung zum fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau zugrunde legen.
Der fachliche Geltungsbereich des BRTV-Bau und der anderen Bautarife ist durch den Tarifvertrag vom 1. März 1980 mit Wirkung vom 1. Januar 1980 geändert worden. Nach der früheren Fassung des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau wurden nur solche Betriebe vom fachlichen Geltungsbereich erfaßt, die einmal im Sinne der einleitenden allgemeinen Tarifnormen Bauten erstellten oder sonstige bauliche Leistungen erbrachten und außerdem Arbeiten ausführten, die in der den allgemeinen Bestimmungen der Tarifnorm folgenden Einzelaufstellung besonders aufgeführt waren (vgl. BAG 36, 211, 214 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m. w. N.). Nunmehr bestimmen die Tarifvertragsparteien in den fünf Abschnitten des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau erschöpfend, welche Betriebe unter dessen fachlichen Geltungsbereich fallen sollen. Hierbei sind in dem Katalog des Abschnitts V im einzelnen Tätigkeiten zusammengestellt, bei denen es sich nach dem ausdrücklichen Tarifwortlaut um Beispielsfälle für Betriebe der in den Abschnitten I bis III genannten Art handelt. In den Abschnitten I bis III werden allgemeine Merkmale für Betriebe des Baugewerbes aufgeführt. Diese allgemeinen tariflichen Merkmale brauchen aber nicht mehr überprüft zu werden, wenn eine Tätigkeit ausdrücklich von den Tarifvertragsparteien als unter eine bestimmte abstrakte Tarifnorm fallend betrachtet wird. Demgemäß fallen Betriebe, in denen überwiegend in den Beispielen des Abschnitts V genannte Tätigkeiten ausgeführt werden, unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale des Abschnitts I bis III zu überprüfen sind. Nur wenn eine Tätigkeit nicht von Abschnitt V erfaßt wird, muß noch auf die allgemeinen Merkmale des Abschnitts I bis III zurückgegriffen werden, um zu prüfen, ob ein Betrieb des Baugewerbes vorliegt (BAG Urteil vom 18. Januar 1984 - 4 AZR 41/83 -, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
Nach diesen Grundsätzen fällt der Betrieb des Beklagten unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau. Soweit der Beklagte Straßenbauarbeiten ausführt, fällt er unter Nr. 31 des Abschnitts V, Tiefbauarbeiten werden von Nr. 35 des Abschnitts V erfaßt, das Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal zur Erbringung baulicher Leistungen von Nr. 38 des Abschnitts V, Erdbewegungs- und Landgewinnungsarbeiten von Nr. 9 des Abschnitts V des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau.
Soweit der Beklagte auf den Spülfeldern und Spülinseln den von Naßbaggern geförderten Aushub verteilt, planiert, Böschungen und Spüldeiche anlegt, wird diese Tätigkeit zwar entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht von den Tätigkeitsbeispielen des Abschnitts V erfaßt, wohl aber von Abschnitt III des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau und fällt damit unter den fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau.
Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Tätigkeiten des Beklagten seien insoweit als Erdbewegungsarbeiten im Sinne von § 1 Abschnitt V Nr. 9 BRTV-Bau zu qualifizieren, teilt der Senat nicht. Die Erdbewegungsarbeiten in Nr. 9 des Abschnitts V werden durch einen Klammerzusatz näher und erschöpfend erläutert, da die dort genannten Arbeiten - anders etwa als die in Abschnitt V Nr. 8 im Klammerzusatz aufgeführten Arbeiten - nicht als bloße Beispielsfälle angeführt sind. Mit den im Klammerzusatz zu Abschnitt V Nr. 9 angeführten Arbeiten wird der vorangestellte Begriff der Erdbewegungsarbeiten von den Tarifvertragsparteien damit für den Senat bindend bestimmt (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1982 - 4 AZR 642/79 -, AP Nr. 39 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Gemäß dem Klammerzusatz fallen unter die Erdbewegungsarbeiten
"Wegebau-, Meliorations-, Landgewinnungs-,
Deichbauarbeiten, Wildbach- und Lawinenver-
bau, Sportanlagenbau sowie Errichtung von
Schallschutzwällen und Seitenbefestigungen
an Verkehrswegen."
Hierbei kommen für die Tätigkeit des Beklagten auf den Spülfeldern und Spülinseln allein die Merkmale der Landgewinnungs- und Deichbauarbeiten in Betracht. Darunter fällt aber die Tätigkeit des Beklagten nicht. Unter Landgewinnung versteht man die Trockenlegung von Meeren und Seen (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl., Bd. 11, 1970, S. 85). Damit ist der Beklagte aber nicht befaßt. Deichbauarbeiten sind Arbeiten zur Errichtung oder Instandsetzung von Deichen, durch die das Festland vor hereinbrechenden Wasserfluten eines größeren Flusses oder Meeres geschützt werden soll. Auch damit ist der Beklagte ersichtlich nicht befaßt. Ebensowenig trifft das Tätigkeitsbeispiel des Abschnitts V Nr. 39 "Wasserbauarbeiten" für den Beklagten zu, da durch seine Tätigkeit auf den Spülfeldern und Spülinseln weder Wasserstraßen unterhalten noch Fahrwasser gesichert bzw. damit zusammenhängende Aufgaben erledigt werden.
Die allgemeinen Merkmale des Abschnitts I des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau, die die Erstellung "Bauten aller Art" betreffen, werden vom Beklagten nicht erfüllt, da unter solchen Bauten Gebäude zu verstehen sind (BAG Urteil vom 8. Mai 1985 - 4 AZR 516/83 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Auch die Merkmale des Abschnitts II des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau erfassen nicht die Tätigkeit des Beklagten auf den Spülfeldern und Spülinseln, da diese Tätigkeit nicht der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient. Jedoch wird die Tätigkeit des Beklagten von Abschnitt III des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau erfaßt, der wie folgt lautet:
"Betriebe, die, soweit nicht bereits unter
Abschnitt I und II erfaßt, nach ihrer durch
die Art der betrieblichen Tätigkeit gepräg-
ten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieb-
lichen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung
von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich son-
stige bauliche Leistungen erbringen."
Bauliche Leistungen in diesem Sinne liegen vor, wenn die Arbeiten dazu beitragen, ein Gebäude oder sonstiges Bauwerk seinem bestimmungsgemäßen Zweck zuzuführen (BAG Urteil vom 18. Januar 1984 - 4 AZR 41/83 -, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Diese Voraussetzungen erfüllt die Tätigkeit des Beklagten auf den Spülfeldern und Spülinseln. Die Spülfelder und Spülinseln sind als Bauwerk anzusehen, weil sie dazu bestimmt sind, Aushub aus dem Wasser zu sammeln, vom Wasser zu trennen und mit festem Boden zu verbinden. Diesem Bauwerk diente die Tätigkeit des Beklagten. Er hat die Arbeiten auch mit typischen Geräten des Baugewerbes, z. B. Planierraupen, ausgeführt. Damit ist insoweit sein Betrieb nach der durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach den betrieblichen Einrichtungen als Betrieb des Baugewerbes im tariflichen Sinne anzusehen.
Obwohl auch das Landesarbeitsgericht für die Tätigkeit des Beklagten auf den Spülfeldern und Spülinseln unter Bejahung des Merkmals des Abschnitts V Nr. 9 (Erdbewegungsarbeiten) einen Betrieb des Baugewerbes annimmt, meint es dennoch, daß der Betrieb des Beklagten nicht unter den fachlichen Geltungsbereich der Bautarife falle, weil die Arbeiten auf den Spülfeldern und Spülinseln zur Naßbaggerei gehörten. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Das Landesarbeitsgericht geht bei seinen Erwägungen von Abschnitt VII des § 1 BRTV-Bau aus, wo es heißt:
"Nicht erfaßt werden Betriebe
...
7. der Naßbaggerei,
..."
Damit bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, daß Betriebe der Naßbaggerei, auch wenn sie unter Merkmale der vorangehenden Abschnitte des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau fallen, trotzdem nicht vom fachlichen Geltungsbereich der Bautarife erfaßt werden sollen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die Tätigkeiten des Beklagten auf den Spülfeldern und Spülinseln aber nicht zur Naßbaggerei gezählt werden.
Naßbagger sind Baumaschinen zum Abtragen von Erdmassen und Geröll in stetiger oder absetzender Weise in nicht zu tiefen Gewässern; sie sind in Schiffskörper eingebaut und fördern das Gut entweder in den eigenen Schiffsraum oder durch Rohre oder Rinnen an Land oder in Lastkähne (Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl., Bd. II, 1967, S. 219). Demgemäß sind Betriebe der Naßbaggerei Betriebe, die solche Naßbagger zur Förderung von Erdmassen und Geröll aus dem Wasser einsetzen. Hierunter fällt der Betrieb des Beklagten nicht. Er setzt weder Naßbagger ein noch fördert er etwas aus dem Wasser. Er hat nicht einmal behauptet, daß in seinem Betrieb überhaupt mit Baggern (z. B. Trockenbaggern) gearbeitet wird. Das Wegschaffen und die Verteilung des ausgebaggerten Aushubs läßt sich begrifflich und tatsächlich vom Baggern unterscheiden. Der vorliegende Fall zeigt dies besonders deutlich. Gebaggert wird von einem anderen Unternehmen. Dessen Tätigkeit ist beendet, wenn das Baggergut an Land gebracht ist. Dann beginnt die Arbeit des Beklagten. Dies verkennt auch das Landesarbeitsgericht nicht. Es meint nur, zur Naßbaggerei gehörten alle Arbeiten, die unmittelbar dem Ausbaggern im Wasser dienten, eine solche Unmittelbarkeit sei hier zu bejahen, weil ohne die Tätigkeit des Beklagten mit dem Beiseiteräumen des Aushubs auf den Baggerschiffen nicht weitergearbeitet werden könnte und das Baggern deshalb eingestellt werden müßte. Dieses Ineinandergreifen der Arbeiten des Naßbaggers und des Beklagten mit dem Beiseiteräumen des Aushubs macht aber die Tätigkeit des Beklagten noch nicht zur Naßbaggerei. Bei Bauwerken aller Art ist es fast die Regel, daß bestimmte Arbeiten ineinandergreifen. Der Zimmerer kann den Dachstuhl nicht erstellen, bevor das Mauerwerk hochgezogen ist. Der Dachdecker kann die Ziegel nicht decken, bevor die Dachbalken stehen. Gleichwohl sind alle diese Tätigkeiten tatsächlich trennbar und verschiedenen Berufszweigen zuzuordnen. So ist es auch hier.
Beim Ausbaggern aus Flüssen werden ferner von dem Baggerführer ganz andere Fertigkeiten und Fähigkeiten verlangt als etwa bei demjenigen, der den Aushub mit Planierraupen verteilt. Mit dem Ausnahmekatalog in Abschnitt VII des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau wollen die Tarifvertragsparteien ersichtlich den Besonderheiten der dort genannten Spezialarbeiten Rechnung tragen (z. B. die weiter aufgeführten Betriebe des Dachdeckerhandwerks, des Glaserhandwerks). Mit den Besonderheiten der Naßbaggerei hat der Beklagte aber nichts zu tun. Was er macht, gehört zur üblichen Tätigkeit beim Hoch- und Tiefbau, nämlich Verteilen und Planieren von Aushub. Daran ändert nichts, daß die Arbeiten des Beklagten zum Teil im Wasser ausgeführt werden. Auf vielen Baustellen muß nämlich unter Umständen im Wasser gearbeitet werden, z. B. wenn Grundwasser eindringt. Im übrigen gehört der Wasserbau als solcher zum fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau.
Da der Betrieb des Beklagten unter den fachlichen Geltungsbereich der Bautarife fällt, hat er die von der Klägerin geforderten Auskünfte zu erteilen. Danach ist auch der Klageantrag zu 2) im wesentlichen begründet. Da die von der Klägerin begehrte Auskunft des Beklagten die Vornahme einer Handlung darstellt, kann die Klägerin zugleich für den Fall, daß der Beklagte diese Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vornimmt, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung begehren (§ 61 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick darauf, daß die von der Klägerin in den Vorinstanzen geforderten Entschädigungsbeträge nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in etwa den erwarteten Beiträgen nach der Auskunftserteilung entsprechen, erschien es dem Senat geboten und angemessen, unter Zugrundelegung der von der Klägerin errechneten Beträge einen Abschlag von 20 v. H. von diesen Beträgen vorzunehmen, da das Interesse der Klägerin an der Auskunftserteilung geringer zu bewerten ist als der Betrag der zu erwartenden Beiträge, die durch entsprechende Zahlungsklage geltend gemacht werden müßten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl. 1985, Anhang nach § 3, Stichwort: "Auskunft"). Demgemäß hat der Senat die Entschädigung für die Klageforderung nach Nr. 1.1 auf DM 17.000,-- und für die Klageforderung nach Nr. 1.2 auf DM 250,-- festgesetzt (vgl. auch das Urteil des Senats vom 10. September 1975 - 4 AZR 456/74 -, AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, mit weiteren Nachweisen).
Die Frist, die dem Beklagten zur Auskunftserteilung einzuräumen ist, bevor die Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung wirksam wird, war jedoch nicht - wie von der Klägerin beantragt - auf zwei Wochen, sondern auf einen Monat nach Urteilszustellung festzusetzen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren beträgt wie im allgemeinen Zivilprozeß (§ 516 und § 552 ZPO) die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels (Berufung, Revision) gegen ein erst- oder zweitinstanzliches Urteil jeweils einen Monat nach Urteilszustellung (§§ 66, 74 ArbGG). Damit erhält eine vor dem Arbeitsgericht oder Landesarbeitsgericht unterlegene Partei eine Überlegungsfrist von einem Monat, damit sie in dieser Zeit prüfen kann, ob und mit welchem Erfolg sie ein Rechtsmittel gegen das ihr ungünstige Urteil einlegen soll. In diese vom Gesetz aus allgemeinen rechtsstaatlichen Gründen eingeräumte Überlegungsfrist würde in unzulässiger Weise eingegriffen, wenn in den Fällen der § 61 Abs. 2 ArbGG und § 510 b ZPO der Beklagte bereits vor Ablauf der Monatsfrist entscheiden müßte, ob er die Verurteilung nach dem ersten Klageantrag (Auskunftserteilung) oder nach dem zweiten Klageantrag (Zahlung einer Entschädigung) wirksam werden lassen will. In eine solche Lage würde der Beklagte gebracht, falls sich die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bereits zwei Wochen nach Urteilszustellung bei Untätigkeit des Beklagten in die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung umwandelte. Wenn nach dem Willen des Gesetzgebers einer Partei eine Überlegungsfrist von einem Monat zur Prüfung eingeräumt ist, ob sie gegen ein Urteil Rechtsmittel einlegen soll, muß ihr nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung zumindest die gleiche Frist zur Prüfung der Frage eingeräumt werden, in welcher Form sie das Urteil wirksam werden bzw. ob sie den Rechtsstreit sich nunmehr endgültig auf die Geldentschädigung konkretisieren lassen will. Die Festsetzung einer kürzeren Frist ist daher insoweit unzulässig und wird auch nicht von dem freien Ermessen gedeckt, das § 61 Abs. 2 ArbGG dem Gericht einräumt. Das freie Ermessen des Gerichts beschränkt sich insoweit darauf, ob es der verurteilten Partei im Einzelfall eine längere als diese Mindestfrist zubilligen will.
Diese Grundsätze entsprechen auch rechtsstaatlichen Geboten. Bevor eine Partei sich entschließt, ob sie ein Urteil in der einen oder anderen Form wirksam werden lassen will, muß sie ausreichend Gelegenheit erhalten, Rechtsrat einzuholen. Deshalb ist selbst bei einer revisionsgerichtlichen Verurteilung, die mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbar ist und somit sofort rechtskräftig wird, dennoch eine Frist von einem Monat einzuräumen, innerhalb derer die entsprechenden Auskünfte erteilt werden können. Erst wenn der Beklagte einen Monat untätig geblieben ist, wird daher die Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung wirksam.
Der Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Dr. Feller Matthes Dr. Etzel
Wiese Wehner
Fundstellen
Haufe-Index 439426 |
BAGE 48, 390-400 (LT1-4) |
BAGE, 390 |
AP § 1 TVG Tarifverträge - Bau (LT1-4), Nr 67 |
AR-Blattei, Baugewerbe VIII Entsch 72 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 1890 Nr 43 (LT3-4) |
AR-Blattei, ES 370.8 Nr 72 (LT1-2) |
AR-Blattei, Zwangsvollstreckung Entsch 43 (LT3-4) |
EzA § 4 TVG Bauindustrie, Nr 30 (LT1-4) |