Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzuwendung – konstitutive Verweisung auf Tarifvertrag
Orientierungssatz
1. Vereinbart ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber im Arbeitsvertrag einen nach seinem betrieblichen Geltungsbereich nicht einschlägigen Tarifvertrag, stellt dies in der Regel eine konstitutive Abrede und keine sog. große dynamische Verweisungsklausel dar.
2. Regelt ein einzelvertraglich vereinbarter Tarifvertrag Ansprüche auf Sonderzuwendungen, während ein für allgemeinverbindlich erklärter, für den Betrieb einschlägiger Tarifvertrag hierzu keine Regelung enthält und der für diese Branche bestehende besondere Tarifvertrag über Sonderzuwendungen nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, entsteht insoweit keine Tarifkonkurrenz.
3. Eine sog. abändernde betriebliche Übung, wonach Sonderzahlungen sich nach einem anderen Tarifvertrag als zuvor vereinbart richten sollen, setzt ua. voraus, daß der Arbeitgeber ein eindeutiges annahmefähiges Angebot abgibt, daß er nunmehr auf Grund des anderen, genau bezeichneten Tarifvertrags leisten will.
4. Ausschlußfristenregelungen, die lediglich eine schriftliche Geltendmachung vorsehen, sind für Arbeitnehmer in einem Gesamtvergleich günstiger als solche, die in ihrer zweiten Stufe eine gerichtliche Geltendmachung erfordern.
Normenkette
Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel vom 2. April 1985 (MTV-Einzelhandel Berlin), §§ 1, 10, 15; MTV-Einzelhandel Berlin i.d.F. vom 16. Oktober 1996 und 10. Oktober 1997 § 12 B, § 18; Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten im Kraftfahrzeuggewerbe in Berlin vom 18. März 1988 §§ 19, 22
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 26. Januar 2001 – 8 Sa 2435/00 und 8 Sa 149/01 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. August 2000 – 9 Ca 28194/99 – wird zurückgewiesen.
3. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird dieses Urteil insoweit abgeändert, als es die Klage abgewiesen hat. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 726,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. Oktober 1999 zu zahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Ansprüche auf Sonderzuwendungen für die Jahre 1997 und 1998 zustehen, auf Grund welchen Tarifvertrags sich diese ergeben und ob Ausschlußfristen sie haben verfallen lassen.
Die Beklagte betreibt ein Autohaus mit angeschlossener Werkstatt. Sie verkauft, repariert und wartet Kraftfahrzeuge. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer war und ist in der Werkstatt tätig. Die Beklagte gehört und gehörte keinem tarifschließenden Verband an.
Die Klägerin, die Mitglied der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) ist, war seit dem 24. März 1986 als kaufmännische Angestellte, zuletzt als Kassenführerin, bei der Beklagten tätig. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug 4.100,00 DM brutto.
Ihr mit den Worten „Anstellungsvertrag für Angestellte in den Betrieben des Kraftfahrzeuggewerbes” überschriebener Vertrag enthält folgende Bestimmungen:
„1. Der Manteltarifvertrag sowie der Gehaltstarifvertrag für den Berliner Einzelhandel sind in ihrer jeweils letzten Fassung Bestandteil dieses Vertrages.
2. Der Angestellte wird als Kfm.-Angestellte eingestellt und in die Beschäftigungsgruppe K 2 des Gehaltstarifvertrages eingestuft.
…
13. Ergänzungen und Abänderungen des Anstellungsvertrages, von dem beide Vertragspartner ein Exemplar erhalten haben, bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform.”
Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses waren folgende Tarifverträge in Kraft:
1. Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel vom 2. April 1985 (MTV Einzelhandel), abgeschlossen zwischen dem Gesamtverband des Einzelhandels e.V. und dem Fachverband Deutscher Eisenwaren- und Hausrathändler e.V. Berlin einerseits und den Gewerkschaften DAG und Handel, Banken und Versicherungen (HBV) andererseits. Hierin heißt es:
„§ 1
Geltungsbereich
A. Räumlicher Geltungsbereich
…
B. Fachlicher Geltungsbereich
Der Tarifvertrag gilt für alle Betriebe im Einzelhandel sowie deren Betriebsabteilungen, Hilfs- und Nebenbetriebe*) der nachstehend genannten Einzelhandelsgruppen:
…
Kraftfahrzeuge und Anhänger, Kraftfahrzeugteile und Zubehör, Kraftfahrzeugbereifung
*) Protokollnotiz I:
Die Tarifparteien sind sich darüber einig, daß Betriebsabteilungen, die nicht zum Einzelhandel gehören, diesem Tarif nur dann unterliegen, wenn für sie kein anderer Tarifvertrag zum Inhalt des Einzelarbeitsvertrages gemacht worden ist.
…
C. Persönlicher Geltungsbereich
Der Tarifvertrag erfaßt alle beschäftigten kaufmännischen und technischen Angestellten, die gewerblichen Arbeitnehmer sowie die Auszubildenden. Ausgenommen sind Personen, die nach § 5 Abs. 2 und Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten.
…
§ 10
Sonderzahlungen
A. Urlaubsgeld
…
B. Sonderzuwendung
1. Anspruch auf Sonderzuwendung für ein Kalenderjahr haben Arbeitnehmer sowie Auszubildende und denen Gleichzustellende, die jeweils am 1. Dezember des Jahres dem Betrieb/Unternehmen mindestens 12 Monate ununterbrochen angehören.
2. Die Sonderzuwendung beträgt 40 % des individuell dem Anspruchsberechtigten für den Monat November bzw. den Monat des Austritts zustehenden Tarifentgeltes.
Die Sonderzuwendung ist spätestens zum 30.11. des laufenden Jahres zu zahlen.
3. Vom 13. Monat einer ununterbrochenen Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit an erhalten Ausscheidende im Austrittsjahr für jeden vollen Monat der Beschäftigung (30 Kalendertage) 1/12 der ihnen nach Ziff. 2 zustehenden Sonderzuwendung.
4. Scheidet ein Anspruchsberechtigter wegen verschuldeter fristloser Kündigung oder wegen einer vertragswidrigen Lösung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses aus dem Betrieb aus, so entfällt der Anspruch auf die Sonderzuwendung für das laufende Kalenderjahr. Eine bereits gezahlte Sonderzuwendung ist in voller Höhe zurückzuzahlen.
5. Zurückzuzahlende Sonderzuwendung gilt als Entgeltvorschuß.
…
§ 15
Ausschlußfristen
1. Ansprüche auf Zahlung oder Rückzahlung von Gehalt oder Lohn, tarifliche Eingruppierung und höhere tarifliche Eingruppierung verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ende des Abrechnungszeitraumes, in dem sie hätten berücksichtigt werden müssen, schriftlich geltend gemacht werden.
Vorsätzliche untertarifliche Bezahlung fällt nicht hierunter. Sie liegt vor, wenn ein Arbeitgeber in Kenntnis des Gehalts- und Lohntarifs unter Tarif bezahlt.
2. Scheidet der Arbeitnehmer aus, sind alle Ansprüche auf Zahlung oder Rückzahlung von Entgelt, tarifliche Eingruppierung und höhere tarifliche Eingruppierung spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden oder, falls dieser Termin später liegt, einen Monat nach erfolgter Endabrechnung schriftlich geltend zu machen.
3. Urlaubs- und Urlaubsgeldansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Urlaubsjahres, in dem sie entstanden sind, spätestens jedoch einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich geltend gemacht werden.
4. Vorstehende Fristen gelten als Ausschlußfristen für beide Seiten.”
2. Manteltarifvertrag für das Metallverarbeitende Handwerk Berlin vom 20. Oktober 1972, in dem es heißt:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Vertrag gilt
…
2. Fachlich:
Für alle Betriebe und Nebenbetriebe des
…
c) Kraftfahrzeug-Handwerks
…
3. Persönlich:
Für alle in diesen Betrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben.”
Dieser Tarifvertrag enthält keine Regelungen über Sonderzahlungen.
3. Tarifvertrag über Sonderzahlungen für das Kraftfahrzeug- und Karosseriebauer-Handwerk vom 10. Januar 1977, abgeschlossen zwischen der Innung des Kraftfahrzeughandwerks Berlin und der Karosseriebauer-Innung Berlin einerseits und der Gewerkschaft IG Metall andererseits, der persönlich für alle in diesen Betrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, galt.
4. Rahmenvertrag für die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in der Bundesrepublik Deutschland, gültig ab 1. Januar 1975 idF vom März 1975, abgeschlossen auf Arbeitgeberseite von dem Zentralverband des Kraftfahrzeughandels e.V., dem Zentralverband des Kraftfahrzeughandwerks und auf Arbeitnehmerseite von der DAG, dessen § 1 lautet:
„§ 1
Geltungsbereich
Der Tarifvertrag gilt:
räumlich:
für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
fachlich:
- für alle Betriebe des Handels mit Kraftfahrzeugen und Anhängern, Ersatzteilen, Zubehör und Reifen, mit Ausnahme des reinen Teile- und Zubehörgroßhandels.
- für alle Betriebe des Kraftfahrzeugmechanikerhandwerks sowie für Motoreninstandsetzungsbetriebe, Kraftfahrzeugelektrikerbetriebe, Kühlerbauer und die hiermit verbundenen zum Zweck der Kraftfahrzeugreparatur unterhaltenen Nebenbetriebe.
persönlich:
für alle Angestellten im Sinne des § 3 Abs. I Ziffer 1 bis 4 des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes, auch wenn sie nicht versicherungspflichtig sind, ausgenommen leitende Angestellte, für welche Einzelverträge vorliegen, die über den Rahmen dieser Regelung hinausgehen.”
In diesem Tarifvertrag sind bis auf ein zusätzliches Urlaubsgeld keine Sonderzuwendungen geregelt.
Am 18. März 1988 wurde zwischen der Innung des Kraftfahrzeughandwerks Berlin, der Karosseriebauer-Innung Berlin und dem Verband des Kraftfahrzeughandels einerseits und den Gewerkschaften IG Metall und HBV andererseits derManteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten im Kraftfahrzeuggewerbe in Berlin (im folgenden: MTV Kfz-Gewerbe), der mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 für allgemeinverbindlich erklärt wurde, geschlossen. Hierin heißt es:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Vertrag gilt
- räumlich: innerhalb des Landes Berlin
fachlich: für alle Betriebe und Nebenbetriebe des
- Kraftfahrzeugmechaniker-Handwerks
- Kraftfahrzeugelektriker-Handwerks
- Vulkaniseur-Handwerks
- Karosseriebauer-Handwerks
- Handels mit Kraftfahrzeugen und Anhängern, Ersatzteilen, Zubehör und Reifen, mit Ausnahme des reinen Teile- und Zubehör-Groß- und Einzelhandels
- persönlich: für alle Arbeitnehmer (Angestellte und gewerbliche Arbeitnehmer) mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 2 + 3 BetrVG und der Auszubildenden.”
§ 19
Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis
1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind beiderseits innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach ihrer Fälligkeit, jedoch spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen.
2. Sind die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht, ist ihre Erfüllung jedoch abgelehnt worden oder ist eine Erklärung hierzu innerhalb von 2 Wochen nicht erfolgt, so ist innerhalb weiterer 6 Wochen Klage beim Arbeitsgericht zu erheben oder die tarifliche Gütestelle anzurufen.
3. Die in vorstehenden Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Fristen sind Ausschlußfristen derart, daß mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist das geltend zu machende Recht erlischt.
4. Die Ausschlußfristen der Absätze 1 und 2 gelten nicht für die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund bewußter Unterschreitungen tariflicher Bestimmungen. Solche Ansprüche sind spätestens innerhalb von 6 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen.
5. Die Ausschlußfristen beginnen bei Lohn-/Gehaltsforderungen im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage von dem Zeitpunkt an zu laufen, zu dem das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt wurde.
§ 22
Schlußbestimmungen
1. Bestehende günstigere Regelungen der Arbeitsbedingungen werden durch diesen Manteltarifvertrag nicht berührt.
…”
Regelungen über Sonderzuwendungen sind in diesem Tarifvertrag nicht enthalten.
Im MTV Kfz-Gewerbe in der Fassung vom 13. Januar 1997, gültig ab 1. Januar 1997, ist § 19 betreffend die Geltendmachung von Ansprüchen unverändert, ebenso wie im MTV Kfz-Gewerbe in Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2001.
Erstmals am 19. Februar 1991 wurde ein Tarifvertrag über Sonderzahlungen für das Kfz-Gewerbe in Berlin (West) für Arbeiter und Angestellte abgeschlossen. Dieser und die Folgetarifverträge waren jeweils nicht für allgemeinverbindlich erklärt.
Im Manteltarifvertrag für den Einzelhandel im Land Berlin vom 6. Juli 1994 idF vom 16. Oktober 1996, gültig ab 1. November 1996 heißt es:
„§ 12 Sonderzahlungen
…
B. Sonderzuwendungen
1. Anspruch auf die Sonderzuwendung für ein Kalenderjahr haben Arbeitnehmer/innen …, die jeweils am 1. Dezember des Jahres dem Betrieb/Unternehmen mindestens 12 Monate ununterbrochen angehören.
2. Die Sonderzuwendung beträgt bis 31.12.1996 50 %, ab 1.1.1997 52,5 % des individuell dem/der Anspruchsberechtigten für den Monat November bzw. den Monat des Austritts zustehenden Tarifentgelts.
Für die westlichen Bezirke Berlins gilt ab 01.01.1995 § 5 des Tarifvertrags über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel in den westlichen Verwaltungsbezirken des Landes Berlin.
Die Sonderzuwendung ist spätestens zum 30.11. des laufenden Jahres zu zahlen.
3. Vom 13. Monat einer ununterbrochenen Betriebs/Unternehmenszugehörigkeit an erhalten Ausscheidende im Austrittsjahr für jeden vollen Monat der Beschäftigung (30 Kalendertage) 1/12 der ihnen nach Ziff. 2 zustehenden Sonderzuwendung.
4. Scheidet ein/e Anspruchsberechtigte/r wegen verschuldeter fristloser Kündigung oder wegen einer vertragswidrigen Lösung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses aus dem Betrieb aus, so entfällt der Anspruch auf die Sonderzuwendung für das laufende Kalenderjahr. Eine bereits gezahlte Sonderzuwendung ist in voller Höhe zurückzuzahlen.
…”
§ 5 des oben in § 12 B.2 Abs. 2 bezeichneten Tarifvertrages lautet:
„B. Sonderzuwendung
Die Sonderzuwendung gemäß § 12 B MTV Einzelhandel beträgt in den westlichen Bezirken
ab 01.01.1996 |
60,0 % |
ab 01.01.1997 |
62,5 % …” |
Im Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel idF vom 10. Oktober 1997, gültig ab 1. Januar 1998, heißt es in § 12 B Ziff. 2:
„Die Sonderzuwendung beträgt 52,5 %, in den westlichen Bezirken Berlins 62,5 % des individuell dem/der Anspruchsberechtigten für den Monat November bzw. den Monat des Austritts zustehenden Tarifentgelts.”
Die übrigen die Sonderzuwendung betreffenden Vorschriften sind unverändert. Die gegenüber dem MTV Einzelhandel vom 2. April 1985 unveränderte Ausschlußfristenregelung befindet sich unter § 18.
Die Beklagte sprach am 29. September 1997 eine außerordentliche Kündigung aus, die die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage angriff. Nachdem sie in erster Instanz obsiegt hatte, machte sie mit Schreiben vom 24. Juni 1998 ihre „ausstehenden Gehälter seit Ende September 1997” geltend. Mit Schreiben vom 31. August 1998, nachdem die Beklagte Berufung eingelegt hatte, stellte die Klägerin klar, daß sie mit dem vorgenannten Schreiben auch die Sonderzahlung für 1997 habe geltend machen wollen. In einem „1998-12-30” datierten Schreiben verlangte die Klägerin die Ansprüche auf Gehaltszahlung für die Monate September bis Dezember 1998 und auf die Sonderzuwendung 1998.
Am 16. Dezember 1998 schlossen die Parteien im Berufungsverfahren des Kündigungsrechtsstreits folgenden Vergleich:
- „Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten durch deren fristgemäße Kündigung vom 29. September 1997 aus betrieblichen Gründen am 31. Januar 1998 geendet hat.
- Die Beklagte verpflichtet sich, die Vergütung der Klägerin bis zum Beendigungszeitpunkt abzurechnen und auszuzahlen, wobei etwaige Forderungsübergänge aufgrund Leistungen Dritter zu berücksichtigen sind.
- …
- Durch diesen Vergleich sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem vorliegenden Rechtsstreit und dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen. Die Ausschlußregelung gilt nicht für die Rechte aufgrund vorsätzlicher unerlaubter Handlung.”
Nach Abschluß des Vergleichs übersandte die Beklagte an die Klägerin Abrechnungen, die der Klägerin jedenfalls vor dem 27. April 1999 zugingen und in denen eine Sonderzuwendung nicht enthalten ist.
Die Klägerin hat mit der am 6. Oktober 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 19. Oktober 1999 zugestellt worden ist, 2.562,50 DM brutto als Sonderzuwendung für das Jahr 1997 und 213,54 DM brutto als anteilige Sonderzuwendung für das Jahr 1998 geltend gemacht.
Sie ist der Ansicht, auf ihr Arbeitsverhältnis sei kraft günstigerer vertraglicher Abrede der jeweilige gültige Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel anwendbar, der – jedenfalls bezüglich der Sonderzuwendungen und der Ausschlußklauseln – nicht durch den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für das Kfz-Gewerbe verdrängt worden sei. Mangels Tarifbindung der Beklagten könne nicht auf eine sogenannte große dynamische Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag geschlossen werden. Sie berechnet ihre Forderung für das Jahr 1997 mit 62,5 % aus 4.100,00 DM brutto als dem ihr „individuell für den Monat November bzw. den Monat des Austritts zustehenden Tarifentgelt”. Für den anteiligen Anspruch für 1998 legt sie § 12 B Ziff. 3 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel des Landes Berlin, gültig ab 1. Januar 1998 zugrunde.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.776,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Ansprüche gem. § 19 MTV Kfz-Gewerbe für verfallen und meint, dieser Tarifvertrag sei auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 2.050,00 DM brutto als Sonderzuwendung nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlungen für das Kfz-Gewerbe vom 11. August 1993 stattgegeben. Nachdem die Klägerin aus dem Urteil vollstreckt hat, hat die Beklagte den vollstreckten Betrag im Wege der Widerklage im Berufungsverfahren geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage auf 2.188,98 DM nebst Zinsen stattgegeben. Die auf die Differenz zu ihrer ursprünglichen Klageforderung gerichtete Anschlußberufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen beide Parteien ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts. Der Klage ist insgesamt stattzugeben. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Sonderzuwendungen für 1997 und anteilig für 1998.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzahlung sei gem. § 19 MTV Kfz-Gewerbe verfallen. Dieser Tarifvertrag sei auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, da er in der Zeit vom 1. Oktober 1988 bis zum 31. Dezember 1996 allgemeinverbindlich gewesen sei und seit diesem Zeitpunkt gem. § 4 Abs. 5 TVG nachwirke. Es spreche viel dafür, daß die Vereinbarung der Parteien im Arbeitsvertrag bereits dahin zu verstehen sei, daß die nach dem betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich jeweils einschlägigen Tarifverträge und somit zunächst der MTV Einzelhandel und ab 1988 der MTV Kfz-Gewerbe auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollten. Im Jahre 1986 sei der MTV Einzelhandel für das Arbeitsverhältnis einschlägig gewesen, denn für beiderseits tarifgebundene vergleichbare Arbeitsvertragsparteien habe allein dieser gegolten, während im Bereich des Kfz-Gewerbes allein gewerbliche Arbeitnehmer vom Geltungsbereich der Tarifverträge erfaßt gewesen seien. Nachdem mit den Manteltarifverträgen vom 18. März 1988 für das Kfz-Gewerbe und vom 21. April 1989 für den Berliner Einzelhandel die Tarifvertragsparteien den betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich in beiden Tarifbereichen dahingehend geändert hätten, daß im Bereich des Kfz-Gewerbes auch die Angestellten in den Betrieben und Nebenbetrieben des Handels dem Geltungsbereich des MTV Kfz-Gewerbe unterfielen, während diese Betriebe aus dem Geltungsbereich des MTV Einzelhandel ausgenommen worden seien, spreche viel für die Annahme einer Gleichstellungsabrede („Große dynamische Klausel”), die dahin korrigierend ausgelegt werden könne, daß die Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag erfolge. Jedenfalls könne keine konstitutive Verweisung auf die Tarifverträge des Berliner Einzelhandels festgestellt werden. Gegen eine solche Annahme spreche nicht nur, daß der Arbeitsvertrag als Vertrag für Angestellte in Betrieben des Kfz-Gewerbes bezeichnet gewesen sei, sondern auch, daß der MTV Einzelhandel der damals allein fachlich einschlägige Tarifvertrag gewesen sei.
Mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des MTV Kfz-Gewerbe sei eine Tarifkonkurrenz zwischen ihm und dem vertraglich vereinbarten MTV Einzelhandel entstanden, die nach den Grundsätzen der Tarifeinheit und Tarifspezialität nur so zu lösen sei, daß der nunmehr fachlich und persönlich einschlägige MTV Kfz-Gewerbe den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen, betrieblich nicht mehr einschlägigen MTV Einzelhandel verdränge. Nach Ablauf der Allgemeinverbindlichkeit hätten die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent eine neue Vereinbarung getroffen, die Vereinbarung im Arbeitsvertrag lebe nicht wieder auf. Danach seien die Ansprüche der Klägerin verfallen, da die Verfallklausel nicht nur die tariflichen, sondern alle Ansprüche erfasse. Ein Günstigkeitsvergleich der Verfallfristen des MTV Einzelhandel mit denen des § 19 MTV Kfz-Gewerbe könne nicht angestellt werden, da der Vorteil, keine oder nur eine einstufige Verfallfrist einhalten zu müssen, bei eigenen Ansprüchen günstig, bei gegnerischen Ansprüchen jedoch ungünstig sein könne.
Auch der gerichtliche Vergleich vom 16. Dezember 1998 schließe die tariflichen Verfallfristen für den Zahlungsanspruch nicht aus. Zwar umfasse die in Ziff. 2 übernommene Verpflichtung auch die Sonderzahlungsansprüche der Klägerin, die Beklagte habe sich aber nur zur Abrechnung der Vergütung und zur Zahlung der sich aus ihren Abrechnungen ergebenden Beträge verpflichtet. Nachdem diese die Sonderzahlungen nicht ausgewiesen hätten, seien sie nicht streitlos gestellt worden und die Klägerin habe für ihre weitergehenden Zahlungsansprüche die Ausschlußfrist des § 19 MTV Kfz-Gewerbe einzuhalten gehabt. Diese sei nicht eingehalten worden. Aus diesem Grund sei die Widerklage der Beklagten begründet (§ 717 Abs. 2 ZPO).
II. Diesen Ausführungen folgt der Senat nicht.
1. Die Ansprüche der Klägerin sind für 1997 in § 12 B Ziff. 2 und für 1998 als anteiliger Anspruch in § 12 B Ziff. 3 des jeweilig gültigen MTV Einzelhandel begründet.
a) Der MTV Einzelhandel ist in seiner jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, da die Arbeitsvertragsparteien dies im Arbeitsvertrag vereinbart haben. Diese Abrede ist als konstitutive Vereinbarung anzusehen, die weder verdrängt noch abgeändert worden ist.
b) Die arbeitsvertragliche Inbezugnahme des MTV Einzelhandel ist nicht ergänzend dahin auszulegen, daß es sich bei ihr um eine sog. große dynamische Verweisungsklausel handele.
aa) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, der – wie aus den in Bezug genommenen anderen Rechtsstreiten von Arbeitnehmern der Beklagten hervorgeht – von der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen gleichlautend verwandt wurde und deshalb über das Arbeitsverhältnis der Parteien hinaus Bedeutung hat. Die Beklagte hat ein vorgefertigtes Formular verwendet, in das lediglich die persönlichen Daten der Klägerin, ihre Funktion, die Beschäftigungsgruppe des Gehaltstarifvertrages und Beginn und Ende der Probezeit eingesetzt worden sind, sowie unter Ziff. 12 die Anrechenbarkeit freiwilliger außertariflicher Gehaltsteile sowie die Notwendigkeit einer Untersuchung durch den Arbeitsmedizinischen Dienst und die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses. Nach dem Vortrag der Beklagten hat sie erst Mitte der 90er Jahre festgestellt, daß der MTV Kfz-Gewerbe auch für die Angestellten gelte. Es besteht daher ein Bedürfnis nach einheitlicher Auslegung der Verweisungsklausel in § 1 des Arbeitsvertrages. Derartige typische Vertragsklauseln sind wie Rechtsnormen zu behandeln, ihre Auslegung kann daher vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden(BAG 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 12 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 13 – auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).
bb) In der Entscheidung des Vierten Senats vom 4. September 1996(– 4 AZR 135/95 – BAGE 84, 97) hat dieser angenommen, daß eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die auf einen konkret benannten Tarifvertrag Bezug nimmt, bei einem Verbandswechsel des Arbeitgebers in der Regel dahingehend korrigierend ausgelegt werden müsse, daß die Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag erfolge; dies gelte jedenfalls dann, wenn die Tarifverträge von derselben Gewerkschaft abgeschlossen worden seien. Dabei ist der Vierte Senat davon ausgegangen, daß es bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in solchen Fällen nicht darum gehe, mit dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Tarifwerk auf Dauer des Arbeitsverhältnisses als anwendbar zu vereinbaren, sondern nur darum, ihn mit solchen Arbeitnehmern gleichzustellen, die an die jeweils einschlägigen Tarifverträge kraft Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG gebunden seien. Diese Rechtsprechung hat der Vierte Senat im Urteil vom 30. August 2000(– 4 AZR 581/99 – aaO) fortentwickelt. Eine korrigierende Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, wonach anstelle der darin als anwendbar vereinbarten Tarifverträge andere, nicht benannte Tarifverträge anzuwenden sein sollen, in deren Geltungsbereich der Arbeitgeber später fällt, ist danach nur möglich, wenn diese Vereinbarung als Gleichstellungsabrede zu verstehen ist und bei Abschluß des Arbeitsvertrages besondere Umstände vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die Parteien des Arbeitsvertrages den Arbeitsvertrag anderen – nicht benannten Tarifverträgen – unterstellen wollten, falls der Arbeitgeber in den Geltungsbereich anderer Tarifverträge wechsele. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf bestimmte Tarifverträge kann nur dann als Gleichstellungsabrede verstanden werden, wenn der Arbeitgeber zumindest dem Geltungsbereich der in Bezug genommenen Tarifverträge unterfällt, dieser also einschlägig sind(BAG 25. Oktober 2000 – 4 AZR 506/99 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 13 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 15).
cc) Nach diesen Grundsätzen kann Ziff. 1 des Arbeitsvertrages nicht als Gleichstellungsabrede angesehen werden. Die Beklagte gehörte keinem tarifschließenden Verband an. Ein Bedürfnis, die tarifgebundenen Arbeitnehmer den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichzustellen, konnte daher nicht bestehen. Eine Gleichstellungsabrede kann nicht den Zweck haben, unabhängig von jedweden Organisationszugehörigkeiten einen Tarifvertrag zu vereinbaren, sondern zielt nur darauf, aus Gründen sozialpolitischer Gerechtigkeit und einfacherer Abwicklung der Arbeitsverhältnisse unter Zugrundelegung der Tarifverträge, an die der Arbeitgeber kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband gebunden ist, alle Arbeitnehmer gleichzustellen(BAG 4. September 1996 – 4 AZR 135/95 – aaO). Die Beklagte konnte jedoch nicht den Wunsch haben, tarifgebundene Arbeitnehmer mit nichttarifgebundenen gleichzustellen, da sie gar nicht tarifgebunden war.
Zum anderen war der MTV für den Berliner Einzelhandel niemals der für den Betrieb der Beklagten einschlägige Tarifvertrag. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um ein Einzelhandelsgeschäft. Der fachliche Geltungsbereich des MTV Einzelhandel geht zunächst davon aus, daß überhaupt ein Betrieb des Einzelhandels vorliegt. Das bedeutet, daß über 50 % der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit auf den Handel entfallen müssen. Die Beklagte hat jedoch vorgetragen, daß drei Viertel ihrer Arbeitnehmer gewerbliche Arbeitnehmer im Kfz-, Reparatur- und Wartungsbereich sind und waren. Damit hätte der MTV Einzelhandel nur dann fachlich einschlägig sein können, wenn es sich bei der Abteilung, in der die Klägerin tätig war, um eine organisatorisch abgegrenzte Betriebsabteilung, einen Hilfs- oder Nebenbetrieb gehandelt hätte. Für eine solche Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.
dd) Da ein branchenfremd vereinbarter Tarifvertrag in Bezug genommen worden ist, handelte es sich um eine konstitutive Abrede, die durch Auslegung nicht erweiterbar ist. Ergänzungen und Abänderungen des Anstellungsvertrages, die gemäß Ziffer 13 zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform bedürfen, sind nicht getroffen worden.
c) Der Arbeitsvertrag ist auch nicht durch eine betriebliche Übung, wonach die Sonderzuwendungen nicht mehr nach dem MTV Einzelhandel, sondern nach dem jeweiligen Tarifvertrag über die Sonderzuwendung im Kfz-Gewerbe zu zahlen wären, abgeändert worden. Es bestehen keine Anhaltspunkte für ein eindeutiges annahmefähiges Angebot der Beklagten, den Arbeitsvertrag abzuändern.
Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand zwar festgestellt, daß die Beklagte „seit etwa 1994” an die bei ihr beschäftigten Angestellten, unter anderem der Klägerin, eine Sonderzahlung nach dem entsprechenden Tarifvertrag des Kfz-Gewerbes zahle. Aus dieser Feststellung („etwa”) läßt sich zum einen nicht zweifelsfrei entnehmen, daß die Beklagte vor 1997 dreimalig vorbehaltlos die Sonderzuwendung nach dem Tarifvertrag für das Kfz-Handwerk geleistet hätte. Zum anderen wäre für ein Abänderungsangebot erforderlich, daß die Beklagte ausdrücklich auf den nunmehr zugrunde gelegten Tarifvertrag hingewiesen hätte. Nur aus der Höhe eines Zuwendungsbetrages kann noch nicht auf dessen Berechnungsgrundlage geschlossen werden. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie in der Vergangenheit „früher, jedenfalls teilweise, wenn es wirtschaftlich möglich war” Zahlungen erbracht hat. Dies kann bedeuten, daß die Zahlungen unregelmäßig und auch in unterschiedlicher Höhe erfolgt sind. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß sie ihren Angestellten ausdrückliche Mitteilungen über eine nunmehr andere Anspruchsgrundlage gemacht hätte.
d) Der MTV Kfz-Gewerbe konnte trotz der Allgemeinverbindlicherklärung vom 1. September 1988 bis zum 31. Dezember 1996 die Ansprüche auf Sonderzahlung aus dem MTV Einzelhandel nicht verdrängen, da er keine entsprechenden Regelungen enthielt. Die Tarifverträge über Zuwendungen im Kfz-Gewerbe waren jeweils nicht allgemeinverbindlich, so daß weder eine Tarifkonkurrenz entstand, noch ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen ist. Im übrigen enthält § 22 des MTV Kfz-Gewerbe die Bestimmung, daß bestehende günstigere Regelungen der Arbeitsbedingungen durch diesen Manteltarifvertrag nicht berührt werden. Dadurch werden ua. Sonderzuwendungsansprüche erfaßt, die in diesem Manteltarifvertrag nicht geregelt sind.
2. Die Höhe der Klageforderung hat die Beklagte nicht bestritten, insbesondere nicht, daß die Klägerin das ihr „individuell für den Monat November zustehende Tarifentgelt” zugrunde gelegt hat.
3. Die Ansprüche sind nicht wegen des Eingreifens tariflicher Verfallfristen erloschen.
a) Anwendbar sind die Ausschlußfristen aus dem MTV Einzelhandel. Auch gegenüber der kraft Nachwirkung nach dem Ablauf der Allgemeinverbindlicherklärung grundsätzlich fortwirkenden Verfallklausel des § 19 MTV Kfz-Gewerbe, enthält der Arbeitsvertrag der Klägerin insofern eine günstigere Regelung. Nach dem MTV Einzelhandel genügt eine schriftliche Geltendmachung, um Ansprüche nicht verfallen zu lassen. Nach dem MTV Kfz-Gewerbe verfallen nur solche Ansprüche nicht, die binnen einer weiteren Frist gerichtlich geltend gemacht werden. Dem Landesarbeitsgericht ist nicht darin zu folgen, daß zwischen diesen beiden Regelungen kein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen wäre. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden durch Ausschlußfristen nicht gleichermaßen begünstigt. Das Arbeitsleben wird beherrscht von einer Vielzahl von Ansprüchen der Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgebern, während die umgekehrte Geltendmachung wesentlich seltener ist. Dies wird ua. darin deutlich, daß der Gesetzgeber jedenfalls in der bisher geltenden Fassung der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die kurze zweijährige Verjährungsfrist gem. § 196 Abs. 1 Ziff. 8 und 9 nur für Ansprüche der Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern begründete, während die umgekehrten Ansprüche der üblichen 30jährigen Verjährungsfrist unterliegen. Dies beruht auf dem Gedanken, daß die kurze zweijährige Verjährungsfrist nur für sog. typische, in einer Vielzahl von Fällen vorkommenden Verhältnisse geschaffen werden sollte, weil insoweit ein Bedürfnis der Rechtsordnung an einer schnellen Erledigung besteht(vgl. BAG 15. März 2000 – 10 AZR 101/99 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 24 = EzA BGB § 196 Nr. 12 auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).
Im übrigen liegt es näher, bei Fortgeltung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Forderung aus einem bestimmten Tarifvertrag auch dessen Ausschlußfristen anzuwenden, als diejenigen aus einem lediglich kraft Nachwirkung geltenden Tarifvertrag heranzuziehen(vgl. BAG 28. Mai 1997 – 4 AZR 546/95 – BAGE 86, 43).
b) Die Klägerin hat ihre Forderungen im Sinne des § 18 Ziff. 1 MTV Einzelhandel idF vom 16. Oktober 1996 und 10. Oktober 1997 rechtzeitig geltend gemacht.
aa) Gemäß § 12 B Ziff. 2 MTV Einzelhandel Berlin vom 6. Juli 1994 idF der 2. Änderungsvereinbarung vom 16. Oktober 1996 wäre die Sonderzuwendung für das Jahr 1997 am 30. November 1997 fällig gewesen. Gemäß § 18 Ziff. 1 verfallen Ansprüche auf Zahlung von Gehalt, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Ende des Abrechnungszeitraumes, in dem sie hätten berücksichtigt werden müssen, schriftlich geltend gemacht werden.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits die Ansprüche auf die Sonderzuwendung 1997 geltend gemacht hat. Verlangt eine tarifliche Verfallklausel die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist, so erfaßt die fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage regelmäßig auch Lohnansprüche, ua. ein 13. Gehalt(st. Rechtsprechung vgl. BAG 7. November 1991 – 2 AZR 34/91 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 114 = EzA TVG § 14 Ausschlußfristen Nr. 92). Jedenfalls für den Bereich der privaten Wirtschaft ist die Erhebung der Kündigungsschutzklage ein geeignetes Mittel, die Ansprüche, die während des Kündigungsstreits fällig werden und von dessen Ausgang abhängen, „geltend zu machen”, sofern die einschlägige Verfallklausel nur eine formlose oder schriftliche Geltendmachung verlangt. In derartigen Fällen ist über den prozessualen Inhalt des Kündigungsschutzbegehrens hinaus das Gesamtziel der Klage zu beachten, das sich in der Regel nicht auf die Erhaltung des Arbeitsplatzes beschränkt, sondern zugleich auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet ist, die durch den Verlust der Arbeitsstelle möglicherweise verloren gehen. Im allgemeinen ist dieses Ziel dem Arbeitgeber auch klar erkennbar. Damit ist er ausreichend von dem Willen des Arbeitnehmers unterrichtet, die durch die Kündigung bedrohten Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Anders sind die Fälle der sog. zweistufigen Ausschlußklausel zu beurteilen, die jedoch der MTV Einzelhandel nicht vorsieht(BAG 7. November 1991 aaO).
Jedenfalls begannen die Ausschlußfristen hier erst mit dem Vergleichsabschluß am 16. Dezember 1998 zu laufen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Ausschlußfristen in Tarifverträgen im allgemeinen so auszulegen, daß eine Frist erst dann zu laufen beginnt, wenn die betroffene Forderung dem Grunde nach benennbar und wenigstens annähernd bezifferbar ist(BAG 3. März 1993 – 10 AZR 36/92 – nv.; 22. September 1999 – 10 AZR 801/98 – nv.). Hier hing vom Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auch der Anspruch auf die Sonderzuwendung dem Grunde und der Höhe nach ab.
Bei einer rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der von der Beklagten fristlos ausgesprochenen Kündigung hätte der Klägerin gar kein Anspruch auf eine Sonderzuwendung zugestanden. Gem. § 12 B Ziff. 4 entfällt ein Anspruch auf die Sonderzuwendung für das laufende Kalenderjahr insgesamt, wenn ein Anspruchsberechtigter wegen verschuldeter fristloser Kündigung aus dem Betrieb ausscheidet. Die Beklagte hat die fristlose Kündigung damit begründet, daß nach polizeilichen Ermittlungen feststehe, daß die Klägerin einen Betrag von 20.300,00 DM entwendet habe (vgl. Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Juni 1998 – 76 Ca 43366/97 –). Die Kündigung war vor dem Fälligkeitszeitpunkt der Sonderzuwendung ausgesprochen worden.
Ein anderer Rechtsgrund für eine Sonderzuwendung wäre gemäß § 12 B Ziff. 3 MTV Einzelhandel entstanden, wenn die Klägerin das Ausscheiden nicht verschuldet hätte, aber dennoch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ausgeschieden wäre. Dann hätte sie einen anteiligen Anspruch für jeden vollen Monat der Beschäftigung erworben.
Damit stand erst mit dem Vergleich im Kündigungsrechtsstreit fest, ob und welche Anspruchsvoraussetzungen entstehen konnten. Nach Erteilung der Abrechnungen nach Vergleichsabschluß war die Klägerin nicht nochmals verpflichtet, die Forderungen geltend zu machen, da sie dies bereits getan hatte und die schriftliche Geltendmachung die einzige Voraussetzung für den Erhalt der Rechte aus dem MTV Einzelhandel ist.
bb) Die Klägerin hat ihre Forderung auch der Höhe nach ausreichend geltend gemacht. In der Regel erfordert dies, daß Geldforderungen wenigstens annähernd beziffert werden. Eine Bezifferung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe der gegen ihn geltend gemachten Forderung bekannt oder diese ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht. Dies ist besonders bei Lohn- oder Lohnfortzahlungsansprüchen regelmäßig der Fall. Hier ist der Arbeitgeber auf Grund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung normalerweise sogar eher in der Lage als der Arbeitnehmer(BAG 10. Oktober 1984 – 5 AZR 557/81 – nv.; 30. März 1989 – 6 AZR 769/85 – EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 79).
Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Parteien sich nunmehr darüber streiten, auf Grund welchen Tarifvertrags die Forderung besteht. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Geltendmachung im August und Dezember 1998 noch keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß sie ihren Anspruch auf die Sonderzuwendung auf den arbeitsvertraglich vereinbarten MTV Einzelhandel stützen könne. Dies war auch der Beklagten erkennbar.
4. Die Widerklage der Beklagten ist nicht begründet, da die Klägerin aus dem erstinstanzlichen Urteil zu Recht vollstreckt hat.
5. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 291 BGB aF.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO); soweit ihre Berufung zurückzuweisen ist, hat sie die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Hermann, Kay Ohl
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.12.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 707852 |
NZA 2002, 640 |
EzA-SD 2002, 16 |
EzA |
NJOZ 2002, 1358 |