Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Berufung. Klageänderung. Klageänderung bei unzulässiger Berufung
Orientierungssatz
- Die Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel der Berufung sein. Eine zulässige Klageänderung im Berufungsverfahren setzt die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus. Dazu ist erforderlich, dass der Berufungskläger bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen im ersten Rechtszug erhobenen Anspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt und eine aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer beseitigen will.
- Wiederholt der Berufungsführer in der Berufungsbegründung nur sein erstinstanzliches Vorbringen, fehlt die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung.
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 9. März 2004 – 14 Sa 38/03 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung von Bereitschaftsdienst.
Der Kläger ist im Kreiskrankenhaus des Beklagten als Röntgenassistent beschäftigt. Er hat nach § 1 des Arbeitsvertrags vom 14. Juli 1995 ausschließlich Bereitschaftsdienste zu leisten. § 2 des Arbeitsvertrags regelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richtet und die Sonderregelung 2a zum BAT (SR 2a) Anwendung findet. In § 4 des Arbeitsvertrags ist vereinbart, dass der Kläger gemäß § 22 BAT in Vergütungsgruppe Vc BAT eingruppiert ist und die Zuweisung des Bereitschaftsdienstes endgültig in Stufe C erfolgt. Der Beklagte bewertet die Zeit der sechs bis sieben Bereitschaftsdienste, die der Kläger monatlich leistet, gemäß dieser Stufe mit 40 vH als Arbeitszeit und vergütet diese mit der tariflichen Überstundenvergütung.
Der Kläger hat gemeint, die vom Beklagten als Bereitschaftsdienst behandelte Dienstzeit sei insgesamt Arbeitszeit und als solche zu vergüten. Die ausschließliche Leistung von Bereitschaftsdienst sei im BAT nicht geregelt und deshalb tarifwidrig. § 15 Abs. 6a Unterabs. 1 Satz 1 BAT gestatte dem Arbeitgeber die Anordnung von Bereitschaftsdienst nur für Zeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit. Seine Dienste könnten auch deshalb keiner Bereitschaftsdienststufe zugeordnet werden, weil die Zeit ohne Arbeitsleistung nicht überwiege. Ihm stehe für die in der Zeit vom 1. April 1999 bis zum 30. April 2002 geleisteten Dienste eine weitere Vergütung in Höhe von 12.468,87 Euro brutto zu.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.468,87 Euro brutto zu bezahlen nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 31. Mai 2002.
Hilfsweise:
2. Es wird festgestellt, dass bei der Berechnung der Vergütung der Tätigkeit des Klägers ab dem 1. April 1999 die Stufe D der Erläuterung Nr. 6 Abschnitt B Absatz 2a der Anlage SR 2a zu § 15 Abs. 6a BAT zugrunde zu legen ist.
Diese vom Arbeitsgericht abgewiesenen Anträge hat der Kläger im Berufungsverfahren zunächst weiter verfolgt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat er beide Anträge mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen und folgenden neuen Antrag gestellt:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ab dem 9. Januar 2002 für die vom Kläger geleistete Arbeit (= Anwesenheitszeit) Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT Vc zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil seine Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig war.
1. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers und die Änderung der Klage im Berufungsverfahren für zulässig gehalten.
a) Eine zulässige Klageänderung in der Berufungsinstanz setzt die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus (BGH 15. März 2002 – V ZR 39/01 – MDR 2002, 1085; 7. Mai 2003 – XII ZB 191/02 – BGHZ 155, 21). Das ist nur dann der Fall, wenn der Berufungskläger die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch beseitigen will (BGH 15. März 2002 – V ZR 39/01 – MDR 2002, 1085). Eine Berufung ist danach unzulässig, wenn sie den im ersten Rechtszug erhobenen Anspruch nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt, also die erstinstanzliche Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt (BGH 7. Mai 2003 – XII ZB 191/02 – BGHZ 155, 21). Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel eine zulässige Berufung voraus (BGH 15. März 2002 – V ZR 39/01 – MDR 2002, 1085 mwN).
b) Der Kläger hat seine im ersten Rechtszug erhobenen Klageansprüche in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Er hat damit die erstinstanzliche Klageabweisung bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht in mehr in Zweifel gezogen, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Feststellungsanspruch zur Entscheidung gestellt. Sein Klageziel war damit nicht mehr auf die Beseitigung der im Urteil des Arbeitsgerichts enthaltenen Beschwer gerichtet.
2. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers angenommen würde, dass er mit dem zuletzt nur noch gestellten Feststellungsantrag, soweit er sich auf die Zeit vom 9. Januar 2002 bis zum 30. April 2002 bezieht, seinen im ersten Rechtszug für diese Zeit erhobenen Zahlungsanspruch weiterverfolgt hätte, wäre seine Berufung jedenfalls mangels ordnungsgemäßer Begründung unzulässig.
a) Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO auch im Arbeitsgerichtsverfahren anwendbar (BAG 25. März 2004 – 2 AZR 399/03 – AP BMT-G II § 54 Nr. 5, zu B I 1 der Gründe; 14. Oktober 2004 – 6 AZR 564/03 –, zu III 1 der Gründe). Nach dieser Bestimmung hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will (BAG 15. August 2002 – 2 AZR 473/01 – AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14; 16. Juni 2004 – 5 AZR 529/03 – EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3, zu II 2b der Gründe). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen, lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 6. März 2003 – 2 AZR 596/02 – BAGE 105, 200, 202; 16. Juni 2004 – 5 AZR 529/03 – EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3, zu II 2b der Gründe, jeweils mwN). Hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BAG 21. November 2002 – 6 AZR 82/01 – BAGE 104, 16, 18 mwN).
b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers nicht.
aa) Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag des Klägers mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, es fehle die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Der Kläger habe zwar einen bezifferten Zahlungsantrag gestellt, jedoch nicht konkret dargelegt, wie er den geltend gemachten Betrag errechnet habe. Obwohl er darauf hingewiesen worden sei, dass sein Vorbringen nicht ausreiche, die Klagesumme errechne sich aus der Differenz zwischen der Stufe C (65 vH) und der vollen Stundenbezahlung, habe der Kläger zur Berechnung der Klageforderung keine weiteren Ausführungen gemacht. Dieser hätte aber für jeden Monat des Anspruchszeitraums den jeweiligen Differenzbetrag zwischen der erhaltenen und der beanspruchten Vergütung ermitteln müssen. Den auf eine Zuordnung seiner Dienste zur Bereitschaftsdienststufe D bezogenen Hilfsantrag des Klägers hat das Arbeitsgericht nicht nur mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe eine Arbeitsleistung innerhalb der Bereitschaftsdienste von mehr als 40 vH nicht substantiiert dargelegt. Es hat die von ihm angenommene Unbegründetheit des Hilfsantrags tragend auch auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte endgültige Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Stufe C gestützt.
bb) Mit seiner Behauptung in der Berufungsbegründung, die Höhe des Zahlungsanspruchs ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Entgelt der Stufe C und dem für 100 vH Arbeitsleistung zu zahlendem Entgelt für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 30. April 2002, bekämpft der Kläger die Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils zur Unbestimmtheit des Klageantrags und zur nicht schlüssigen Darlegung der Forderungshöhe nicht. Insoweit wiederholt er nur sein erstinstanzliches Vorbringen. Auch die Bitte des Klägers in der Berufungsbegründung um einen richterlichen Hinweis, falls das Berufungsgericht weiteren Sachvortrag zur Höhe des geltend gemachten Differenzbetrags für erforderlich halte, enthält keine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung. Das gilt auch, soweit der Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Berufungsbegründung zusätzlich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt hat. Die Ausführungen des Klägers zu seinem Anspruch auf Gleichbehandlung betreffen nicht die Höhe der Klageforderung, sondern den Anspruchsgrund. Der Kläger nennt mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz eine weitere Grundlage für den geltend gemachten Anspruch, setzt sich aber nicht mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils zur nicht schlüssigen Darlegung der Höhe der Klageforderung auseinander.
Bezüglich des Hilfsantrags bekämpft die Berufungsbegründung des Klägers die selbstständig tragende rechtliche Erwägung des Arbeitsgerichts nicht, der beanspruchten Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Stufe D stehe die Abrede im Arbeitsvertrag entgegen, wonach der Bereitschaftsdienst endgültig der Stufe C zugewiesen sei. Die erforderliche Auseinandersetzung mit dieser Argumentation des Arbeitsgerichts fehlt vollständig.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, H. Markwat, Beus
Fundstellen
Haufe-Index 1337764 |
NJW 2005, 1884 |
FA 2005, 255 |
NZA 2005, 597 |
AnwBl 2005, 88 |
EzA-SD 2005, 16 |
EzA |