Entscheidungsstichwort (Thema)
Umrechnung. Berechnung der Urlaubsdauer. 9-Tage in der Doppelwoche. Tarifauslegung
Orientierungssatz
1. Die Dauer des tariflichen Urlaubs nach § 25 Ziff. 1.1 MTV bezieht sich auf eine regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage in der Woche.
2. Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger oder an mehr als fünf Tagen in der Woche, verkürzt oder erhöht sich sein Urlaub entsprechend.
3. § 25 Ziff. 2.4 MTV enthält keine abschließende Regelung für die Umrechnung des Urlaubs.
Normenkette
MTV für die Arbeitnehmer der Papierindustrie in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin vom 7. Februar 1997 § 25
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Juni 2000 – 7 Sa 129/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Dauer des Urlaubs für das Jahr 1998.
Der Kläger ist langjährig Arbeitnehmer der Beklagten, einem Unternehmen der Papierindustrie. Auf das Arbeitsverhältnis ist auf Grund Tarifbindung der Parteien der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Papierindustrie in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin vom 7. Februar 1997 (MTV) anzuwenden.
Nach § 6 Ziff. 1.1 MTV beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen werktäglich acht Stunden und darf wöchentlich 40 Stunden, ab 1. Januar 1990 39 Stunden, ab 1. Januar 1991 38 Stunden nicht überschreiten. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage sind nach § 6 Ziff. 2 MTV zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren. Die an einzelnen Werktagen regelmäßig ausfallende Arbeitszeit kann nach § 6 Ziff. 2.1.1 MTV auf die übrigen Werktage der Woche verteilt werden.
Der Kläger ist als Elektromeister im Werkstattbereich beschäftigt. Bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden beträgt sein monatliches Bruttoentgelt rund 6.000,00 DM. Seit April 1997 arbeitet er im Wechsel von fünf und vier Tagen in der Woche (neun Arbeitstage in der Doppelwoche). Dieser Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit liegt die inzwischen vom Betriebsrat gekündigte Betriebsvereinbarung Nr. 5/97 vom 4. März 1997 mit Nachtrag vom 14. April 1997 zugrunde. Dort ist in Ziff. 7 bestimmt:
„Für Urlaubnahme sind in der langen Woche fünf Tage, in der kurzen Woche vier Tage anzurechnen. Daraus ergibt sich für dieses Arbeitszeitmodell ein Urlaubssoll von 27 Tagen, das 228 Stunden (30 Urlaubstage × 7,6 Stunden) entspricht, dh. der Urlaubstag hat 8,44 Stunden.”
In § 25 MTV ist der Urlaub geregelt. Nach § 25 Ziff. 1.1 MTV beträgt die Urlaubsdauer ab Vollendung des 18. Lebensjahres 30 Urlaubstage. Urlaubstage sind alle Arbeitstage mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage (2.3.1). Als Arbeitstage zählen alle Tage, an denen der Arbeitnehmer auf Grund der Verteilung der tariflich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu arbeiten hat (2.3.2). In § 25 Ziff. 2.4 MTV heißt es:
„Teilzeitbeschäftigte, die regelmäßig an weniger und andere Arbeitnehmer z.B. mit Arbeitsbereitschaft gemäß § 6 Ziff. 2.2.1, die regelmäßig an mehr als im Durchschnitt fünf Tagen in einer Kalenderwoche arbeiten, erhalten fünf Arbeitstage für jede volle Urlaubswoche angerechnet.”
Die Beklagte hat dem Kläger 1998 27 Urlaubstage gewährt. Der Kläger hält das nicht für ausreichend. Er macht geltend, nach dem Tarifvertrag habe er Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub. § 25 Ziff. 2.4 MTV enthalte eine abschließende Regelung, unter welchen Voraussetzungen fünf Arbeitstage für jede volle Urlaubswoche anzurechnen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm drei Tage Urlaub für das Urlaubsjahr 1998 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger begehrt keine rückwirkende Befreiung von seiner Arbeitspflicht. Mit der Formulierung, die Beklagte solle verurteilt werden, ihm „Urlaub für das Urlaubsjahr 1998” zu gewähren, kennzeichnet er lediglich das Jahr, in dem der geltend gemachte Urlaubsanspruch entstanden sein soll.
II. Der Kläger hat für das Jahr 1998 einen Anspruch auf 27 Tage Urlaub erworben. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Das haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden.
1. Nach § 25 Ziff. 2.1 MTV beträgt die Urlaubsdauer des Arbeitnehmers ab Vollendung des 18. Lebensjahres 30 Urlaubstage. Wie die Tarifvertragsparteien in § 25 Ziff. 2.3.1 MTV bestimmt haben, sind Urlaubstage alle Arbeitstage mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage. Nach § 25 Ziff. 2.3.2 MTV zählen als Arbeitstage alle Tage, an denen der Arbeitnehmer auf Grund der Verteilung der tariflich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu arbeiten hat. Diese Festlegungen entsprechen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Inhalt des Urlaubsanspruchs als einen Anspruch auf Befreiung von der vertraglichen Arbeitspflicht, ohne daß die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird(vgl. BAG 9. Juni 1998 – 9 AZR 43/97 – BAGE 89, 91 mwN). Urlaub kann nur für solche Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer an sich hätte arbeiten müssen.
2. Sieht ein Tarifvertrag vor, der Arbeitnehmer habe „30 Tage” Urlaub, so ist die Zahl der Urlaubstage nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann gesondert zu ermitteln, wenn die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf weniger oder mehr Wochentage verteilt ist als die Arbeitszeit, von der die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Urlaubsdauer ausgegangen sind(vgl. Senat 22. Oktober 1991 – 9 AZR 621/90 – BAGE 68, 377; 8. August 1998 – 9 AZR 161/97 – BAGE 89, 362 mwN zum Rahmentarifvertrag für die Poliere des Baugewerbes). Andernfalls hätten die Arbeitnehmer je nach der Zahl der Wochentage, an denen sie zur Arbeit vertraglich verpflichtet sind, eine unterschiedlich lange Zeit der Freistellung. In § 125 SGB IX (bisher § 47 SchwbG) ist der Grundsatz der Anpassung der Dauer des Urlaubs an die Zahl der Arbeitstage der Woche inzwischen gesetzlich anerkannt.
Tarifvertragsparteien kann regelmäßig nicht unterstellt werden, die vom Tarifvertrag erfaßten Arbeitnehmer sollten ohne sachlichen Grund einen unterschiedlich langen Urlaub erhalten. Enthält ein Tarifvertrag keine andere ausdrücklich davon abweichende Regelung zur Berechnung des Urlaubs, ist der Urlaubsanspruch deshalb im Verhältnis der regelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit zu der individuellen Verteilung umzurechnen. Insoweit gilt nichts anderes als für den gesetzlichen Urlaub (vgl. zur „Umrechnung” der Werktage iSv. § 3 BUrlG auf Arbeitstage BAG 8. März 1984 – 6 AZR 442/83 – BAGE 45, 199). Bei neun statt zehn Arbeitstagen in der Doppelwoche ergibt sich nach der vom Landesarbeitsgericht zutreffend angewendeten Formel des Bundesarbeitsgerichts: 30 Urlaubstage × 9 Arbeitstage: 10 Arbeitstage = 27 Urlaubstage.
3. Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf weitere drei Urlaubstage für das Jahr 1998 erworben.
a) Der tariflich vereinbarten Urlaubsdauer von 30 Tagen liegt eine Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage/Woche zugrunde. Das wird aus der Arbeitszeitregelung in § 6 Ziff. 1.1.1 MTV deutlich. Eine regelmäßige werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden und deren wöchentliche Begrenzung auf höchstens 40 Stunden/Woche (bis 31. Dezember 1989) ergibt rechnerisch eine 5-Tage-Woche. Die Arbeitszeitverkürzung auf 38 Stunden hat an dieser Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage in der Woche nichts geändert.
Die Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Zahl der wöchentlichen Arbeitstage wird durch § 24 Ziff. 2.4 MTV bestätigt. Dort ist bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage/Woche eine „Anrechnung” von fünf Urlaubstagen für jede volle Urlaubswoche bestimmt. Damit wird erreicht, daß Arbeitnehmer mit fünf und Arbeitnehmer mit weniger als fünf Arbeitstagen in der Woche einen gleich langen Urlaub erhalten, nämlich jeweils sechs Wochen. Bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf vier Tage/Woche und einer zusammenhängenden Inanspruchnahme des Urlaubs wird der Arbeitnehmer wöchentlich vier Tage, insgesamt also 24 Tage, von seiner Arbeitspflicht befreit und muß sich zusätzlich für jede Woche einen Tag als Urlaub „anrechnen” lassen. Rechnerisch entspricht die tariflich bestimmte „Anrechnung” mithin der Umrechnungsformel des Bundesarbeitsgerichts.
b) § 24 Ziff. 2.4 MTV steht der Umrechnung des Urlaubs nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers werden in der Vorschrift die Sachverhalte, in denen die Urlaubsdauer an die Zahl der Arbeitstage/Woche anzupassen ist, nicht abschließend geregelt.
Richtig ist zwar, daß der Fall der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, die an weniger als an fünf Tagen in der Woche arbeiten, nicht ausdrücklich erfaßt ist. Das rechtfertigt aber nicht die Auslegung des Klägers. Der Vorschrift kann nur entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien das Problem der Berechnung des Urlaubs bei unterschiedlicher Verteilung der Arbeitszeit gesehen und beispielhaft vorgegeben haben, wie dieses zu lösen ist. Dabei sind sie ersichtlich von der regelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten auf fünf Tage/Woche ausgegangen, wie sie in § 6.1.1 MTV bestimmt ist. Anhalte für eine beabsichtigte Besserstellung der Vollzeitbeschäftigten mit weniger als fünf Arbeitstagen/Woche im Verhältnis zu den Vollzeitbeschäftigten in der Fünf-Tage-Woche fehlen.
Die Revision verkennt, daß ein anderes Verständnis der Tarifnorm zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten führen würde. Dann wäre zwingend allein der Urlaubsanspruch der Teilzeitbeschäftigten umzurechnen, während Vollzeitbeschäftigte mit einer ebenfalls auf weniger als auf fünf Tage/Woche verteilten Arbeitszeit mehr als sechs Wochen Urlaub hätten. Daß die Tarifvertragsparteien das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten nach § 2 Abs. 1 BeschFG (jetzt: § 4 Abs. 1 TzBfG) beachten wollten, ist zu unterstellen.
III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Schmitz-Scholemann, Reinecke, Fox, Lang
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.12.2001 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
FA 2002, 158 |
NZA 2002, 639 |
SAE 2002, 299 |
NJOZ 2002, 1327 |