Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan im Gemeinschaftsbetrieb. Sozialplan nach Konkurseröffnung. Auslegung von Sozialplänen. gesamtschuldnerische Haftung der einen Gemeinschaftsbetrieb führenden Unternehmen
Leitsatz (amtlich)
Ein Sozialplan, den ein Konkursverwalter über die Vermögen mehrerer einen Gemeinschaftsbetrieb führenden Unternehmen mit dem Betriebsrat abgeschlossen hat, ist nach Möglichkeit geltungserhaltend dahin auszulegen, daß die Arbeitnehmer wegen der Sozialplanabfindungen nur ihren Vertragsarbeitgeber, nicht dagegen alle Unternehmen, die den Gemeinschaftsbetrieb geführt haben, gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen können.
Orientierungssatz
1. Mehrere einen Gemeinschaftsbetrieb führende Unternehmen können in Sozialplänen freiwillig die gesamtschuldnerische Haftung für Abfindungsansprüche der in dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer vereinbaren. Sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet.
2. Dem Konkursverwalter über die Vermögen mehrerer einen Gemeinschaftsbetrieb führenden Unternehmen ist aus Rücksicht auf die Konkursgläubiger verwehrt, in einem Sozialplan Verpflichtungen zur Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer einzugehen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu dem jeweiligen Gemeinschuldner standen. Er darf jedenfalls insoweit keine gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten der mehreren Konkursmassen für die Sozialplanansprüche aller in dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer begründen.
3. Ein vom Konkursverwalter geschlossener Sozialplan ist nach Möglichkeit dahin auszulegen, daß die im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer Abfindungsansprüche nur gegenüber ihrem jeweiligen Vertragsarbeitgeber, nicht gegenüber allen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgebern erwerben sollen.
Normenkette
BetrVG § 112; KO § 3; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 5, § 111 Abs. 1, § 113 Abs. 1, 3; SozplKonkG § 2; SozPlKonkG § 4 S. 1; KO § 3 Abs. 1, § 61 Abs. 1 Nr. 1, §§ 82, 146 Abs. 2 S. 1, Abs. 5; EGInsO § 103; BGB §§ 427, 421, 420; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3, § 253 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2001 – 4 Sa 491/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Feststellung einer Sozialplanforderung zur Konkurstabelle.
Der Kläger war vom 1. Mai 1992 bis zum 30. September 1996 Arbeitnehmer der E. Vertriebs GmbH. An dieser sowie der E. Vertriebs- und Produktions GmbH hielt die E. Beteiligungs GmbH jeweils 100 % der Gesellschaftsanteile. Die Gesellschaftsanteile an der E. Beteiligungs GmbH gehörten zu 100 % der E. AG. Die E. Vertriebs GmbH, die E. Vertriebs- und Produktions GmbH sowie die E. AG führten mit ihren jeweiligen Vertragsarbeitnehmern in H. einen Gemeinschaftsbetrieb. Für diesen war ein Betriebsrat gebildet. Über die Vermögen der drei Unternehmen wurden Konkursverfahren eröffnet und der mittlerweile verstorbene Vorgänger des Beklagten zum Konkursverwalter bestellt. Dieser schloß als „Konkursverwalter der nachfolgenden, am Standort des Gemeinschaftsbetriebs H. vertretenen Firmen E. AG, E. Vertriebs GmbH, E. Vertriebs- und Produktions GmbH” im Hinblick auf die Stillegung des Gemeinschaftsbetriebs am 28. August 1996 „für alle am Standort H. beschäftigten Arbeitnehmer” mit dem Betriebsrat einen Sozialplan. Darin heißt es ua.:
„2. Abfindungszahlungen
Alle in Ziffer 1 genannten Arbeitnehmer, die sich am 15.07.1996 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befunden haben, erhalten bei einer Beendigung ihres Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Abfindung nach folgender Formel:
Abfindungsformel
Alter × Bruttomonatseinkommen × Betriebszugehörigkeit |
multipliziert |
Divisor 36 |
mit einem Faktor (ca. 0,82), der sich berechnet aus dem Verhältnis der Bruttogehaltssumme aller anspruchsberechtigten Mitarbeiter × 2,5 zum ungekürzten Gesamtvolumen des Sozialplananspruches nach vorstehender Formel zuzüglich des nachstehenden Kinderzuschlages.”
In einer am 16. September 1996 vereinbarten Ergänzung zum Sozialplan wurde der Faktor auf 0,7710 festgelegt. Nach Nr. 3 des Sozialplans wird eine zwischen dem anspruchsberechtigten Mitarbeiter und dessen Arbeitgeber für den Verlust des Arbeitsplatzes vereinbarte Abfindung auf den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan angerechnet. Nr. 4 des Sozialplans sieht vor, daß der Betriebsrat die Ansprüche der Mitarbeiter aus dem Sozialplan „zur Konkurstabelle” anmelden wird. Der Kläger meldete seinen Abfindungsanspruch von 8.563,12 Euro nicht zur Konkurstabelle seiner Vertragsarbeitgeberin, sondern zur Konkurstabelle der E. AG an. Dem widersprach der Vorgänger des Beklagten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, jedes an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligte Unternehmen sei gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern zur Erfüllung der Abfindungsansprüche aus dem Sozialplan verpflichtet. Die gemeinschaftliche Betriebsführung führe zu einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit. Außerdem ergebe sich ein Anspruch gegen den Beklagten aus den Grundsätzen der Konzernhaftung.
Der Kläger hat beantragt,
seine Sozialplanforderung in Höhe von 8.563,13 Euro zur Konkurstabelle mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger einen unmittelbaren Anspruch aus dem Sozialplan gegenüber dem Beklagten als Konkursverwalter über das Vermögen der E. AG zur Konkurstabelle festgestellt wissen will. Soweit der Kläger einen abgeleiteten Anspruch nach den Grundsätzen zur Durchgriffshaftung im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern verfolgt, ist die Revision mangels hinreichender Begründung bereits unzulässig.
A. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, hat der Kläger aus dem Sozialplan keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Beklagten als Konkursverwalter über das Vermögen der E. AG.
I. Die Klage ist zulässig. Das Konkursverfahren über das Vermögen der E. AG ist vor dem 1. Januar 1999 eröffnet worden. Damit finden gemäß § 103 EGInsO im Streitfall noch die Konkursordnung (KO) und das Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (SozplKonkG BGBl. I, 369) Anwendung. Ansprüche aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt wurden, waren gemäß § 4 Satz 1 SozplKonkG iVm. § 2 SozplKonkG Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Als Konkursgläubiger iSv. § 3 Abs. 1 KO konnten die Arbeitnehmer diese Sozialplanforderungen gegen den Gemeinschuldner nur nach den Vorschriften der Konkursordnung durchsetzen. Sie mußten ihre Forderungen gemäß §§ 138, 139 KO beim Konkursgericht anmelden. Bestritt der Konkursverwalter das Bestehen der Forderung, konnte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht gemäß § 146 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 KO Klage auf Feststellung seiner Forderung zur Konkurstabelle erheben (vgl. etwa BAG 3. Dezember 1985 – 1 AZR 545/84 – BAGE 50, 221, 223 f.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Sozialplan vom 26. August 1996 begründet Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer nur gegenüber ihrem jeweiligen Vertragsarbeitgeber.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wie Tarifverträge auszulegen. Abzustellen ist deshalb zunächst auf den Wortlaut. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner sind der Gesamtzusammenhang und der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten (vgl. etwa BAG 5. Februar 1997 – 10 AZR 553/96 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 112 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 92, zu II 1 der Gründe mwN; 7. November 2000 – 1 ABR 17/00 – EzA BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 2, zu B I 2 b der Gründe; 23. Januar 2001 – 1 AZR 278/00 – nv., zu 1 der Gründe). Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen (BAG 7. November 2000 – 1 ABR 17/00 – aaO, zu B I 2 b der Gründe). Unter mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist derjenigen der Vorzug zu geben, die sich als gesetzeskonform erweist (vgl. etwa BAG 27. Oktober 1988 – 2 AZR 109/88 – AP BGB § 620 Bedingung Nr. 16 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 9, zu II 4 a aa der Gründe; vgl. für Tarifverträge BAG 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364, 369).
2. Hiervon ausgehend begründet der Sozialplan keine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit der Vermögen aller an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber.
a) Aus dem Wortlaut des Sozialplans ergibt sich nicht eindeutig, wer Abfindungsschuldner sein soll. Die Frage, ob die drei dem Verwaltungsrecht des beklagten Konkursverwalters unterfallenden Konkursmassen gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB), zu gleichen Teilen (§ 420 BGB) oder nur hinsichtlich der Vertragsarbeitnehmer der jeweiligen Gesamtschuldnerin verpflichtet werden sollten, ist nicht klar geregelt.
b) Der Gesamtzusammenhang der Regelung läßt zuverlässige Schlüsse auf den wirklichen Willen der Betriebsparteien nicht zu. Aus Nr. 3 des Sozialplans, wonach eine zwischen einem anspruchsberechtigten Mitarbeiter und „dessen Arbeitgeber” bereits vereinbarte Abfindung anzurechnen ist, folgt nicht, daß nur dieser Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus dem Sozialplan verpflichtet sein soll. Auch der Nr. 4 des Sozialplans, nach welcher der Betriebsrat die individuellen Ansprüche der Mitarbeiter aus dem Sozialplan „zur Konkurstabelle” anmelden werde, läßt sich nicht eindeutig entnehmen, zu welcher Konkurstabelle dies geschehen soll. Der insoweit verwendete Singular ist ein gewisses, aber kein sicheres Indiz dafür, daß die Betriebsparteien nur die jeweils den Vertragsarbeitgeber betreffende Konkurstabelle gemeint haben. Die Berechnungsformel in Nr. 2 des Sozialplans könnte dagegen auf eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit hinweisen, denn sie knüpft – entgegen § 2 SozplKonkG (vgl. dazu noch unten unter II 2 e bb und cc) – an die Bruttogehaltssumme „aller” und nicht nur der beim jeweiligen Vertragsarbeitgeber beschäftigten anspruchsberechtigten Mitarbeiter an. Zwingend ist aber auch diese Schlußfolgerung nicht, denn die Regelung erschöpft sich in einer Vereinheitlichung der Anspruchsgrundlagen, die im gemeinsamen Betrieb angesichts der Befriedungsfunktion des Sozialplans auch bei einer Beschränkung der Ansprüche auf den jeweiligen Vertragsarbeitgeber durchaus sinnvoll erscheinen kann. Für eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit könnte ferner der Umstand sprechen, daß die Sozialplanansprüche in einer Urkunde niedergelegt sind und es sich jedenfalls der äußeren Form und dem Wortlaut nach nur um einen und nicht um drei Sozialpläne handelt. Nach § 427 BGB haften mehrere Personen, die sich durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichten, im Zweifel als Gesamtschuldner. § 427 BGB ist jedoch auf Betriebsvereinbarungen nicht unmittelbar anwendbar. Der ihm etwa zugrunde liegende allgemeine Rechtsgedanke könnte allenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn sich Zweifel auf andere Weise nicht beseitigen ließen.
c) Aus Sinn und Zweck des Sozialplans ergibt sich ebenfalls nicht eindeutig, ob sich die Abfindungsansprüche nur gegen das Vermögen des Vertragsarbeitgebers oder gegen die Vermögen aller am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen richten sollten. Sozialplanabfindungen dienen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die dem Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung entstehen. Die Verwirklichung dieses Zwecks hängt nicht davon ab, wer Schuldner der Abfindungszahlung ist. Allerdings wird die Möglichkeit der tatsächlichen Durchsetzung im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Vertragsarbeitgebers für den Arbeitnehmer verbessert, wenn mehrere Unternehmen gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Abfindungsforderung verpflichtet sind. Dies gebietet jedoch nicht den Schluß, der Sozialplan normiere eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit.
d) Der Grundsatz, wonach im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt, hilft gleichfalls nicht entscheidend weiter. So erscheinen sowohl die Argumentation, der Arbeitnehmer könne sich wegen der Nähe der Abfindungsansprüche zum Arbeitsverhältnis nur an seinen Vertragsarbeitgeber halten, als auch der Hinweis, schließlich hätten alle am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber die Betriebsänderung gemeinsam zu verantworten, vernünftig und sachgerecht (vgl. Wißmann NZA 2001, 409, 411).
e) Da hiernach mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben, ist die Auslegung vorzuziehen, die sich als gesetzeskonform erweist. Dies ist jedenfalls bei einem nach Eröffnung des Konkursverfahrens geschlossenen Sozialplan diejenige, nach welcher nur das Vermögen des jeweiligen Vertragsarbeitgebers haftet.
aa) Eine – ggf. nach Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens noch fortwirkende – gesetzliche Verpflichtung, in einem Gemeinschaftsbetrieb im Falle einer alle Arbeitnehmer betreffenden Betriebsänderung Sozialpläne zu vereinbaren, die eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit aller am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen vorsehen, besteht nicht.
Den einen Gemeinschaftsbetrieb führenden Unternehmen ist es zwar nicht verwehrt, in Sozialplänen gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten einzugehen. Sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Eine Verpflichtung läßt sich insbesondere nicht den §§ 111 ff. BetrVG entnehmen. Allerdings knüpfen die §§ 111 ff. BetrVG grundsätzlich an die Organisation des Betriebs und nicht an die des Unternehmens an. Dabei kann Betrieb iSd. § 111 BetrVG auch ein gemeinsamer Betrieb sein. Dementsprechend ist für die Beurteilung, ob ein Betrieb iSd. § 111 Abs. 1 BetrVG – in der bis 27. Juli 2001 geltenden Fassung – in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt, auf die Gesamtzahl aller im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen (BAG 11. November 1997 – 1 ABR 6/97 – AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 42 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 36, zu II 1 b der Gründe mwN). Auch liegt die Annahme nahe, im Falle einer die gesamte Belegschaft eines Gemeinschaftsbetriebs betreffenden Betriebsänderung könne jedenfalls über einen Interessenausgleich regelmäßig sinnvoll nur mit der Gemeinschaft der den Betrieb führenden Unternehmen verhandelt werden. Es geht insoweit um das Schicksal des gesamten Betriebs. Schließlich mag auch manches dafür sprechen, daß sich in einem solchen Fall beim Unterbleiben des Versuchs eines Interessenausgleichs der durch § 113 Abs. 3, Abs. 1 BetrVG zwingend vorgeschriebene Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf den Nachteilsausgleich nicht nur gegen ihren Vertragsarbeitgeber, sondern gegen alle den Betrieb gemeinschaftlich führenden und daher für den Interessenausgleich verantwortlichen Unternehmen richtet (so Däubler FS Zeuner 19, 27, 28). Gleichwohl bedeutet dies nicht, daß im Falle einer den gesamten Betrieb betreffenden Betriebsänderung ein gemeinschaftlicher Sozialplan mit sämtlichen beteiligten Unternehmen geschlossen oder in einem solchen deren gesamtschuldnerische Verpflichtung zur Erfüllung von Abfindungsansprüchen vereinbart werden müßte. Es geht bei dem Sozialplan nicht um das Schicksal des Betriebs, sondern um Kompensationen für die einzelnen Arbeitnehmer. Die Betriebsparteien sind insoweit in ihrer Befugnis, darüber zu disponieren, ob Sozialplanabfindungen nur vom Vertragsarbeitgeber oder gesamtschuldnerisch von allen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen geschuldet werden sollen, nicht beschränkt.
Die Frage, ob für die Einigungsstelle deshalb etwas anderes gilt, weil diese gemäß § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG „auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen” sowie nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG auf dessen Fortbestand zu achten hat, stellt sich im Streitfall nicht. Ebensowenig bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob im Rahmen des § 112 Abs. 5 BetrVG im Gemeinschaftsbetrieb auf die Leistungsfähigkeit aller Unternehmen oder nur auf die Verhältnisse des jeweiligen Vertragsarbeitgebers abzustellen ist (offen gelassen auch in BAG 11. November 1997 – 1 ABR 6/97 – aaO, zu II 4 der Gründe).
bb) Der Konkursverwalter hatte dagegen nicht die Befugnis, in einem Sozialplan zu Gunsten der abfindungsberechtigten Arbeitnehmer gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten der Konkursmassen zu begründen. Ein derartiger Sozialplan wäre mit konkursrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar.
Gemäß § 3 Abs. 1 KO dient die Konkursmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Gemeinschuldner haben. Diesen Zweck hat der Konkursverwalter bei der ihm obliegenden Verwaltung der Konkursmasse zu beachten. Dementsprechend hat er die Interessen aller Konkursgläubiger des Gemeinschuldners zu wahren. Er ist diesen gegenüber verpflichtet, keine Verbindlichkeiten zu Lasten der Konkursmasse einzugehen, die gesetzlich nicht geboten sind und dem Konkurszweck widerstreiten. Handlungen, die unrechtmäßig sind oder offensichtlich im Widerspruch zum Konkurszweck stehen, sind unwirksam; außerdem setzt sich der Konkursverwalter der Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme nach § 82 KO aus (vgl. etwa Kuhn/Uhlenbruck KO 11. Aufl. § 6 Rn. 37 mit zahlr. Nachw.). Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Vertragsarbeitgebers rückt der Konkursverwalter jeweils in dessen Stellung ein und hat dementsprechend mit dem Betriebsrat einen erforderlichen Sozialplan abzuschließen. Wegen der von ihm zu beachtenden Interessen der Gläubiger des einzelnen Gemeinschuldners darf er in dem Sozialplan jedoch keine Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern eingehen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu diesem Gemeinschuldner standen. Daher ist ihm auch hinsichtlich Sozialplanabfindungen die Begründung einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit gegenüber den in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern eines anderen Vertragsarbeitgebers verwehrt, es sei denn, ausnahmsweise ergäbe sich aus vorkonkurslichen Absprachen der beteiligten Arbeitgeber eine entsprechende Verpflichtung. Durch eine Verbindlichkeit, deren Eingehung nicht geboten ist, würden die anderen Konkursgläubiger entgegen dem Zweck des § 3 KO belastet.
Außerdem darf ein Konkursverwalter beim Abschluß von Sozialplänen keine Verpflichtungen eingehen, die über die durch § 2 SozplKonkG festgelegte absolute Obergrenze hinausgingen. Nach dieser Bestimmung kann in einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellt wird, für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu 2 ½ Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 KSchG) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden. Zu diesen von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmern zählen nur die Arbeitnehmer des jeweiligen Vertragsarbeitgebers, nicht dagegen alle Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs, an dem der Vertragsarbeitgeber als Unternehmer beteiligt ist. Das Konkursverfahren wird nicht über den Gemeinschaftsbetrieb, sondern über das Vermögen eines oder mehrerer Unternehmen eröffnet. Auch wenn Konkursverfahren über die Vermögen aller den Gemeinschaftsbetrieb führenden Unternehmen stattfinden, bilden die Konkursverfahren keine Einheit. Aus § 2 SozplKonkG ergibt sich daher ebenfalls, daß der Konkursverwalter die Konkursmasse nicht durch die Übernahme von gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern belasten darf, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Gemeinschuldner standen.
cc) Hiernach ist der im Streitfall abgeschlossene Sozialplan dahin auszulegen, daß die im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer Abfindungsansprüche nur gegenüber ihrem jeweiligen Vertragsarbeitgeber, nicht aber gegenüber allen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgebern erwerben sollten. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß Konkursverwalter und Betriebsrat mit der in Nr. 2 des Sozialplans festgelegten Berechnungsformel entgegen § 2 SozplKonkG nicht auf die beim jeweiligen Gemeinschuldner beschäftigten Arbeitnehmer, sondern auf alle anspruchsberechtigten Mitarbeiter abgestellt und damit möglicherweise das Vermögen eines der drei am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen mit einer über die Grenzen des § 2 SozplKonkG hinausgehenden Verbindlichkeit belastet haben. Eine etwaige Überschreitung der Obergrenze des § 2 SozplKonkG rechtfertigt keine noch weitergehende Belastung der Konkursgläubiger. Eine solche wäre aber mit einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit aller drei Unternehmen verbunden.
B. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren, wie sein Prozeßbevollmächtigter in der Verhandlung vor dem Senat auf Befragen erklärt hat, auch den abgeleiteten Anspruch nach den Grundsätzen konzernrechtlicher Durchgriffshaftung weiterverfolgt, ist die Revision unzulässig.
I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO aF muß die Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe enthalten. Dies erfordert grundsätzlich, daß sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt. Die Revisionsbegründung muß den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. etwa BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41 mwN). Bei mehreren Streitgegenständen muß für jeden eine auf die angefochtene Entscheidung zugeschnittene Rechtsmittelbegründung gegeben werden. Fehlen Ausführungen zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 18. Februar 1999 – 8 AZR 735/97 – BAGE 91, 49; 22. November 2000 – 4 AZR 608/99 – EzA ZPO § 554 Nr. 10, zu II 1 der Gründe mwN).
II. Vorliegend hat der Kläger seinen Klageantrag in den Vorinstanzen im Wege eines Haupt- und Hilfsvorbringens auf zwei voneinander zu unterscheidende, selbständige Lebenssachverhalte gestützt und damit zwei Streitgegenstände iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anhängig gemacht. Zum einen hat er seinen Anspruch unmittelbar aus dem Sozialplan und dem Umstand hergeleitet, daß der Sozialplan für den Gemeinschaftsbetrieb abgeschlossen worden sei. Das Bestehen dieses Anspruchs ist unabhängig von den konzernrechtlichen Verhältnissen. Zum anderen hat der Kläger einen aus dem Arbeitsverhältnis mit seiner Vertragsarbeitgeberin abgeleiteten Anspruch nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern behauptet. Für diesen Anspruch kommt es auf die Auslegung des Sozialplans und die etwaigen Auswirkungen des Gemeinschaftsbetriebs nicht an. In der Revisionsbegründung hat sich der Kläger ausschließlich mit der Auslegung des Sozialplans und der Bedeutung des Gemeinschaftsbetriebs befaßt. Zum Haftungsdurchgriff auf das Vermögen der E. AG und den dazu gemachten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts verhält sich die Revisionsbegründung dagegen nicht. Es fehlt hierzu an jeder Auseinandersetzung.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wißmann, Kreft, Linsenmaier, Münzer, Buschmann
Fundstellen
Haufe-Index 920334 |
BAGE 2004, 312 |
BB 2003, 2401 |
FA 2003, 216 |
JR 2004, 44 |
KTS 2004, 156 |
NZA 2003, 676 |
SAE 2003, 323 |
AP, 0 |
EzA |