Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensüberschreitender Gesamtbetriebsrat. Auslegung eines Sozialplans. tarifliche Ausschlussfrist. Arbeitgeberseitig veranlasster Aufhebungsvertrag. Auslegung einer tariflichen Ausschlussfrist. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
Für Betriebe verschiedener Rechtsträger kann kein gemeinsamer Gesamtbetriebsrat errichtet werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Gemeinschaftsbetriebe.
Orientierungssatz
- Ein Unternehmen iSv. § 47 Abs. 1 BetrVG setzt einen einheitlichen Rechtsträger voraus. Daher kann ein Gesamtbetriebsrat grundsätzlich nicht unternehmensüberschreitend gebildet werden.
- Ein Aufhebungsvertrag ist vom Arbeitgeber veranlasst, wenn dieser bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor.
- Ein Sozialplananspruch ist im Sinne tariflicher Verfallfristen regelmäßig ein “Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis”. Dies gilt nicht in gleicher Weise, wenn sich die Ausschlussfrist auf “vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” bezieht.
Normenkette
BetrVG § 47 Abs. 1, § 1 Abs. 2, § 112 Abs. 1 Sätze 2-3, § 77 Abs. 4 S. 3; BGB a.F. § 195; BGB n.F. § 195; BGB § 214 Abs. 1; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2; ZPO §§ 239, 246 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan.
Die im November 1964 geborene Klägerin war nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts “seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin zuletzt im Service-Zentrum M… in der Abteilung telefonischer Schadendienst beschäftigt gewesen. Im Zuge unternehmerischer Umstrukturierungen war ihr zunächst mit der T… Versicherung AG geschlossenes Arbeitsverhältnis schließlich bei der Beklagten zu 2) – dies war allerdings die T… Versicherung AG – “unter Beitritt der Beklagten zu 1)” – der nunmehr allein Beklagten – “geführt worden”. Klarstellende Angaben dazu, wer in welcher Zeit Arbeitgeber der Klägerin war, vermochten die Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zu machen. Sie bestätigten jedoch, dass die vormalige Beklagte zu 2), die T… Versicherung AG, – wie es sich aus dem Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Wiesbaden vom 10. Januar 2007 (HRB 21217) ergibt – bereits am 27. Juli 2004 auf die vormalige Beklagte zu 1) – die D… Versicherung AG – als übernehmenden Rechtsträger verschmolzen wurde, und erklärten übereinstimmend, Revisionsklägerin sei nur noch die D… Versicherung AG.
Die Unternehmen der W-Gruppe, zu denen auch die Beklagte zählte, bildeten jedenfalls ab 1995 mit den Unternehmen der D-Gruppe unter dem Dach einer Holding einen Konzern. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schlossen “die W-Versicherungen mit dem Gesamtbetriebsrat” am 17. Mai 1999 einen Rahmeninteressenausgleich und einen Sozialplan. Der Rahmeninteressenausgleich enthält ua. folgende Regelungen:
“1. Geltungsbereich
Dieser Rahmeninteressenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter … wegen der Maßnahmen im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen. …
2. Ziele und Strukturen
Kern der strategischen Neuausrichtung sind die weitere Umsetzung der Bildung von Geschäftsfeldern (Zielgruppen) … sowie die Nutzung von Synergien … Der Gesamtbetriebsrat nimmt dabei zur Kenntnis, dass damit eine Reduzierung von Arbeitsplätzen verbunden ist.
Kernelemente der strategischen Neuausrichtung sind die höhere Kundenorientierung und ein konsequentes Kostenmanagement mit folgenden Elementen:
Kundenorientierte Organisation
Neuer Marktauftritt
Opera/Kosten
Kompass
Profit Center Organisation
…
3. Personelle Maßnahmen
Für die Jahre 1999 bis 2005 ergibt sich der pro Jahr ins Auge gefasste Personalabbau aus dem Ergebnis des Beratungsverfahrens gemäß Ziffer 4. Die Unternehmen verpflichten sich, in einzelnen Teilinteressenausgleichen über eine Überdeckung gegenüber den jeweiligen Jahressollzahlen und über einen Verzicht auf betriebsbedingte Entlassungen (Beendigungskündigungen) zu verhandeln.
4. Beteiligungsverfahren zwischen Unternehmen und Gesamtbetriebsrat
a) Es besteht Einvernehmen darüber, dass die einzelnen Teilmaßnahmen der strategischen Neuausrichtung erst umgesetzt werden dürfen, wenn
Teilinteressenausgleiche iS. von § 112 BetrVG über die jeweils beschriebenen Teilmaßnahmen zustande gekommen sind, …”
Nach Nr. 7 des Rahmeninteressenausgleichs gilt zur Vermeidung oder Milderung möglicher wirtschaftlicher Nachteile der “mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene … Sozialplan vom heutigen Tage”.
Der Sozialplan vom 17. Mai 1999 enthält ua. folgende Regelungen:
Ҥ 2 Geltungsbereich
Dieser Sozialplan findet Anwendung auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit diese ab 1. Januar 1999 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden haben.
…
§ 3 Nachteilsausgleich
1. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Rahmeninteressenausgleich vom heutigen Tage genannten unternehmerischen Maßnahmen endet, sei es durch arbeitgeberseitige (Änderungs-)Kündigung, einen arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung nach Erhalt eines Angebots eines unzumutbaren Arbeitsplatzes, erhalten Leistungen, deren Höhe sich entsprechend nachfolgenden Regelungen ermittelt.
Gleichermaßen anspruchsberechtigt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Beendigungs-/Änderungs-Kündigung endet, auch wenn der Beendigungsgrund nicht im Zusammenhang mit den im Rahmeninteressenausgleich genannten unternehmerischen Maßnahmen steht.
2. Abfindung
…
4. Fälligkeit
Der Anspruch auf die Abfindung entsteht frühestens mit der rechtskräftigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Zahlung wird mit dem nächsten Gehaltslauf fällig.
…
§ 4 Entfallen der Abfindung bei zumutbarem Arbeitsplatzangebot
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Angebot eines zumutbaren neuen Arbeitsplatzes nicht annehmen und deren Arbeitsverhältnis deshalb endet, haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 3.
Ein neuer Arbeitsplatz ist zumutbar, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind.
…
3. Regionale Zumutbarkeit
Die Entfernung zwischen bisherigem und neuem Arbeitsort darf höchstens 50 km betragen, …
§ 11 Inkrafttreten und Dauer
Dieser Sozialplan tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft.
Er ist erstmals zum 31.12.2005 kündbar.”
Auf einer Informationsveranstaltung am 26. und 27. Oktober 1999 teilten die Arbeitgeber den Arbeitnehmern des Servicezentrums M… mit, dieses solle zum 31. Dezember 2001 geschlossen werden; seine Aufgaben würden auf die Zentren H…, K… und W… verlagert. Den Mitarbeitern wurde eine Weiterbeschäftigung in einem dieser Zentren zugesagt. In einem an alle Mitarbeiter des Servicezentrums gerichteten Schreiben vom 3. Dezember 1999 erläuterten die Arbeitgeber die personellen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen. In dem Schreiben heißt es:
“Welche Mitarbeiter von welchen personellen Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt persönlich betroffen sein werden, hängt auch vom Ergebnis unserer noch bevorstehenden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat … ab. … Nach unseren Planungen sollen zum 31.12.2001 sämtliche Arbeiten des Servicezentrums auf die anderen Standorte verlagert sein. Dies wird nicht auf einmal, sondern nur sukzessive möglich sein. … Dies müssen wir u.a. dadurch steuern, dass wir die Zeitpunkte des Wechsels von Mitarbeitern an andere Standorte selbst bestimmen. (Wir weisen darauf hin), dass ein Wechsel eines Mitarbeiters vor dem von uns bestimmten Zeitpunkt nicht in unserem Interesse wäre und daher zum Verlust der Ansprüche aus dem Sozialplan führen würde.”
Mit einem – an beide vormaligen Beklagten gerichteten – Schreiben vom 21. Januar 2000 bat die Klägerin um Aufhebung ihres Arbeitsvertrags zum 29. Februar 2000 und um kurzfristige Bestätigung der Vertragsaufhebung zum gewünschten Zeitpunkt. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 24. Januar 2000 den Eingang des “Kündigungsschreibens vom 21.01.2000” und erklärte sich damit einverstanden, das Arbeitsverhältnis bereits zum 29. Februar 2000 zu beenden. Die Klägerin stellte ihre Arbeit zum 29. Februar 2000 ein. Zum selben Zeitpunkt rechnete die vormalige Beklagte zu 2) das Arbeitsverhältnis der Klägerin ab.
Am 12. Mai 2000 schlossen nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die “W… Versicherungen mit dem Gesamtbetriebsrat” einen ua. die Schließung des Servicezentrums M… betreffenden Teilinteressenausgleich “Opera”. Sie vereinbarten, dass die Regelungen des Rahmeninteressenausgleichs und Sozialplans vom 17. Mai 1999 Anwendung finden sollten.
Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts “galten” die “Regelungen des Manteltarifvertrages D… unmittelbar auch für das Arbeitsverhältnis der Klägerin”. Die D… Holding AG hatte am 27. Januar 1998 “gleichzeitig handelnd für die Unternehmen lt. Vollmachten vom 23.11.1990 und 16.12.1997 – nachstehend Unternehmen genannt –” mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen einen Manteltarifvertrag geschlossen, der nach seinem § 1 “für alle Betriebsstellen der Unternehmen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland” gilt. Dieser MTV sieht unter § 24 “Verfall von Ansprüchen” Folgendes vor:
“Vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, soweit sie nicht spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden. Hierunter fallen nicht Ansprüche aus der Einkommensregelung mit im Angestelltenverhältnis tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Werbeaußendienstes, insbesondere aus einer Provisionsvereinbarung. Entsprechende Ansprüche müssen jedoch innerhalb einer Frist von 12 Monaten wenigstens dem Grunde nach schriftlich geltend gemacht werden.”
Mit der am 19. Dezember 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Zahlung einer – der Berechnung und der Höhe nach unstreitigen – Abfindung aus dem Sozialplan vom 17. Mai 1999 von 21.686,21 Euro nebst Zinsen verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Ausscheiden sei auf eine vom Rahmeninteressenausgleich erfasste Betriebsänderung zurückzuführen. Die Beklagten hätten den Abschluss des zumindest konkludent zustande gekommenen Aufhebungsvertrags veranlasst. § 24 MTV finde auf Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen und damit aus einem Sozialplan keine Anwendung.
Die Klägerin hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 21.686,21 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 4 % seit dem 1. April 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Abfindungsanspruch sei schon nicht entstanden, weil sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht veranlasst habe. Der endgültige Wegfall des Arbeitsplatzes habe noch nicht mit letzter Sicherheit festgestanden. Zumindest sei ein Abfindungsanspruch wegen Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist verfallen. Die in § 24 MTV enthaltene Beschränkung auf “vertragliche” Ansprüche diene lediglich der Abgrenzung zu deliktischen Ansprüchen. Die Verfallklausel umfasse daher nicht nur individualvertragliche, sondern auch kollektivvertragliche Ansprüche, zu denen ein Anspruch aus einem Sozialplan ebenfalls gehöre. Im Übrigen sei ein Anspruch verjährt und verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dessen tatsächliche Feststellungen tragen seine Entscheidung nicht. Zwar sind die Voraussetzungen für einen Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan vom 17. Mai 1999 dem Grunde nach erfüllt. Auch wäre ein entstandener Anspruch weder verfallen noch verjährt oder verwirkt. Es bestehen jedoch erhebliche Bedenken an der Wirksamkeit des Sozialplans. Insbesondere erscheint zweifelhaft, ob der ihn abschließende, nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für mehrere Unternehmen gebildete “Gesamtbetriebsrat” rechtlich existiert. Die Zweifel lassen sich im Revisionsverfahren nicht beseitigen und machen die Zurückverweisung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung erforderlich.
A. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass als Revisionsklägerin zunächst auch die bei Einlegung der Revision rechtlich schon nicht mehr existente, sondern gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG am 27. Juli 2004 mit der Eintragung der Verschmelzung erloschene vormalige Beklagte zu 2) bezeichnet war. Seit deren Verschmelzung auf die durchgehend existente vormalige Beklagte zu 1) war nur noch diese Beklagte des Prozesses. Da die vormalige Beklagte zu 2) im Prozess durchgehend von einem Prozessbevollmächtigen vertreten war, trat die Beklagte zu 1) als ihre Rechtsnachfolgerin gemäß § 246 Abs. 1, § 239 ZPO ohne Unterbrechung des Verfahrens kraft Gesetzes in den Prozess ein, an dem sie ohnehin schon beteiligt war (vgl. BGH 1. Dezember 2003 – II ZR 161/02 – BGHZ 157, 151 = AP BGB § 626 Nachschieben von Kündigungsgründen Nr. 6, zu II 2 der Gründe; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 239 Rn. 6; Stein-Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 239 Rn. 5, 6; Musielak/Stadler ZPO § 246 Rn. 1, § 239 Rn. 5). Die Frage, ob sie als ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin originär Schuldnerin eines etwa entstandenen Abfindungsanspruchs ist, ob sie einer Schuld der vormaligen Beklagten zu 2) beigetreten ist oder ob sie für eine solche als Rechtsnachfolgerin der vormaligen Beklagten zu 2) einzustehen hat, berührt nicht die Zulässigkeit der Revision, sondern ist eine solche des materiellen Rechts.
B. Die Revision ist begründet. Nach den bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass ein Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan vom 17. Mai 1999 entstanden ist. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Sozialplans. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schlossen den Sozialplan “die W-Versicherungen mit dem Gesamtbetriebsrat”. Dies impliziert einen unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrat. Ein solcher ist vom Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich nicht vorgesehen.
I. Nach § 47 Abs. 1 BetrVG wird der Gesamtbetriebsrat für ein Unternehmen gebildet. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt keinen eigenständigen Unternehmensbegriff, sondern setzt ihn voraus. Es knüpft dabei an die in anderen Gesetzen für das Unternehmen vorgeschriebenen Rechts- und Organisationsformen an. Nach den Vorschriften des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes, HGB und des BGB können die Kapitalgesellschaften, die Gesellschaften des Handels- und des bürgerlichen Rechts wie auch Vereine jeweils nur Träger eines einheitlichen Unternehmens sein (vgl. BAG 9. August 2000 – 7 ABR 56/98 – BAGE 95, 269, zu B II 1 der Gründe mwN).
Für das Betriebsverfassungsgesetz folgt die das Unternehmen kennzeichnende Einheitlichkeit seines Rechtsträgers vor allem aus der im Gesetz angelegten Unterscheidung zwischen Konzern und Unternehmen. Ein Konzern ist unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung trotz einer einheitlichen Leitung kein einheitliches Unternehmen, sondern ein Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen, die infolge des Zusammenschlusses ihre rechtliche Selbständigkeit als Unternehmen nicht verlieren. Die rechtliche Selbständigkeit von Kapitalgesellschaften und Gesamthandsgesellschaften des Handelsrechts geht auch nicht dadurch verloren, dass sie mit einem oder mehreren anderen Unternehmen wirtschaftlich verflochten sind oder Personengleichheit der Geschäftsführung besteht (BAG 11. Dezember 1987 – 7 ABR 49/87 – BAGE 57, 144, zu II 2 der Gründe; 29. November 1989 – 7 ABR 64/87 – BAGE 63, 302, zu B II 3a der Gründe). Dementsprechend kann sich ein Unternehmen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes nicht über den Geschäfts- und Tätigkeitsbereich seines Rechtsträgers hinaus erstrecken. Vielmehr markiert der Rechtsträger mit seinem Geschäfts- und Tätigkeitsbereich die Grenzen des Unternehmens. Der Begriff des Unternehmens setzt damit auch in § 47 BetrVG die Einheitlichkeit und rechtliche Identität des betreibenden Unternehmens voraus (BAG 9. August 2000 – 7 ABR 56/98 – BAGE 95, 269, zu B II 1 der Gründe mwN; DKK-Trittin BetrVG 9. Aufl. § 47 Rn. 15; Fitting BetrVG 23. Aufl. § 47 Rn. 10; Kreutz GK-BetrVG 8. Aufl. § 47 Rn. 13; Richardi/Annuß BetrVG 10. Aufl. § 47 Rn. 6; WP/Roloff BetrVG 3. Aufl. § 47 Rn. 3).
Um einen Gesamtbetriebsrat zu bilden, müssen daher die mehreren Betriebe alle von demselben Unternehmen betrieben werden. Für Betriebe verschiedener Rechtsträger kann kein gemeinsamer Gesamtbetriebsrat errichtet werden (BAG 11. Dezember 1987 – 7 ABR 49/87 – BAGE 57, 144, zu II 2 der Gründe; DKK-Trittin aaO; Fitting aaO; Richardi/Annuß aaO). Dies gilt grundsätzlich auch für Gemeinschaftsbetriebe iSv. § 1 Abs. 2 BetrVG. Deren Betriebsräte entsenden jeweils Mitglieder in sämtliche bei den Trägerunternehmen zu errichtenden Gesamtbetriebsräte. Dies folgt zwingend aus § 47 Abs. 9 BetrVG (vgl. Fitting § 47 Rn. 80; Kreutz GK-BetrVG § 47 Rn. 21).
II. Hiernach bestehen nach den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schwerwiegende Zweifel daran, ob der “Gesamtbetriebsrat”, mit dem “die W-Versicherungen” den Sozialplan geschlossen haben, wirksam errichtet wurde. Bislang muss davon ausgegangen werden, dass der den Sozialplan abschließende “Gesamtbetriebsrat” die Unternehmensgrenzen überschritt. Auch ist nicht erkennbar, dass Umstände vorliegen, die ausnahmsweise die Errichtung einer als “Gesamtbetriebsrat” bezeichneten unternehmensüberschreitenden Arbeitnehmervertretung ermöglichten. Die Parteivertreter haben zu dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörterten Frage keine weiterführenden Hinweise geben können.
Die zum selben Sozialplan ergangenen Entscheidungen des Senats vom 25. März 2003 (– 1 AZR 169/02 – EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 6 sowie – 1 AZR 170/02 – und – 1 AZR 171/02 –) führen insoweit nicht weiter. Der Senat musste damals den – nicht verkannten (vgl. 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – aaO, zu I der Gründe) – diesbezüglichen Bedenken nicht nachgehen, da das Landesarbeitsgericht festgestellt hatte, der Sozialplan sei “zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat vereinbart worden” (vgl. 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – aaO, zu II der Gründe). Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass im Unternehmen der Beklagten ein Gesamtbetriebsrat errichtet war. Die bislang im vorliegenden Verfahren vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen lassen dagegen eine solche Annahme nicht zu. Zur näheren Feststellung der Umstände der Bildung des “Gesamtbetriebsrats” bedarf es daher der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.
Falls der gebildete “Gesamtbetriebsrat” mit den zwingenden organisatorischen Vorschriften des BetrVG nicht vereinbar sein sollte, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob das die Nichtigkeit dieses Organs sowie der von ihm gefassten Beschlüsse und abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen zur Folge hat, oder ob etwa trotz Bildung eines so vom BetrVG nicht vorgesehenen Organs die von ihm getroffenen Vereinbarungen eine die Beklagte gegenüber der Klägerin verpflichtende Wirkung entfalten können.
Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung für das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien aus dem Sozialplan außerdem aufzuklären haben, wer zuletzt Arbeitgeberin der Klägerin war, ob also die Beklagte unmittelbar aus dem Sozialplan verpflichtet ist oder sie etwa auf Grund eines Schuldbeitritts oder als Rechtsnachfolgerin der vormaligen Beklagten zu 2) für deren Schuld einzustehen hat. Hierzu obliegt es der Klägerin, konkrete Behauptungen aufzustellen, und sodann der Beklagten, sich hierzu konkret zu erklären.
C. Die Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Sache nach dem festgestellten Sachverhalt aus anderen Gründen iSv. § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif wäre. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb unbegründet, weil die Anspruchsvoraussetzungen des Sozialplans vom 17. Mai 1999 nicht erfüllt wären oder ein etwa entstandener Anspruch verfallen, verjährt oder verwirkt wäre.
I. Wie das Landesarbeitsgericht insoweit zutreffend erkannt hat, ergibt sich der Abfindungsanspruch der Klägerin im Falle der Wirksamkeit des Sozialplans vom 17. Mai 1999 aus dessen § 3 Nr. 1. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat infolge einer der im Interessenausgleich vom selben Tag genannten Maßnahmen durch einen arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrag geendet.
1. Die Klägerin fällt nach § 2 des Sozialplans in dessen Geltungsbereich. Nach Nr. 1 des Rahmeninteressenausgleichs vom 17. Mai 1999 gilt dieser “wegen der Maßnahmen im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen”. Kern der Neuausrichtung ist laut Nr. 2 ua. die Nutzung von Synergien. Zu den Folgen der Umsetzung dieser unternehmerischen Ziele zählt die Schließung des Servicezentrums M…. Dies ergibt sich aus dem Teilinteressenausgleich vom 12. Mai 2000. Nach seinem Einleitungssatz bildet er gemeinsam mit den Regelungen des Rahmeninteressenausgleichs vom 17. Mai 1999 die Grundlage “für die Umsetzung von Betriebsänderungen im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen”. Laut § 2 I 1.1.1 seiner Regelungen werden “die Aufgaben des Servicezentrums M… bis spätestens 31. Oktober 2001 vollständig … verlagert …”. Zwar wurde dieser Teilinteressenausgleich erst nach Abschluss des Aufhebungsvertrags der Parteien geschlossen. Gleichwohl ist aus ihm ersichtlich, dass die Schließung des Servicezentrums M… zu den Maßnahmen gehört, die im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen nach Nr. 1 des Rahmeninteressenausgleichs stehen (vgl. zu derselben Fallgestaltung schon BAG 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 6, zu II 1 der Gründe).
2. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat infolge der beabsichtigten Schließung des Servicezentrums M… durch einen von der Beklagten veranlassten Aufhebungsvertrag geendet.
a) Das Ausscheiden der Klägerin beruhte auf einem Vertrag der Parteien. Die Klägerin hat nicht etwa eine Eigenkündigung ausgesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Auslegung der im Januar 2000 von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen vorgenommen, ist aber im Ergebnis zu Recht vom Abschluss eines Aufhebungsvertrags ausgegangen. Das Schreiben der Klägerin vom 21. Januar 2000 war nach seinem objektiven Erklärungswert keine Kündigung, sondern das Angebot, den Arbeitsvertrag einvernehmlich zum 29. Februar 2000 zu beenden. Dieses Angebot wurde von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 24. Januar 2000 angenommen. Zwar hat sie den Eingang eines Kündigungsschreibens bestätigt, sich im Folgenden mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29. Februar 2000 aber einverstanden erklärt (s. zu einer gleich gelagerten Fallgestaltung schon BAG 25. März 2003 – 1 AZR 170/02 –, zu II 2a der Gründe).
b) Der Aufhebungsvertrag war von der Beklagten veranlasst. Dem steht nicht entgegen, dass die endgültige Schließung des Servicezentrums M… erst zum 31. Dezember 2001 erfolgen sollte.
aa) Der Arbeitgeber hat den Anlass zu einer Eigenkündigung oder einem Aufhebungsvertrag gegeben, wenn er bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers nur zuvor. Ob das geschehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Der bloße Hinweis auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen und die nicht auszuschließende Möglichkeit des Arbeitsplatzverlustes genügt allerdings nicht, um in diesem Sinne einen vom Arbeitgeber gesetzten Anlass anzunehmen. Eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder ein Aufhebungsvertrag ist aber dann vom Arbeitgeber veranlasst, wenn dieser dem Arbeitnehmer zuvor mitgeteilt hat, er habe für ihn nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr (BAG 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 6, zu II 2b aa der Gründe mwN).
bb) Hiernach war der Aufhebungsvertrag von der Beklagten veranlasst. Auf der Informationsveranstaltung vom 26. und 27. Oktober 1999 hat diese die Arbeitnehmer darüber unterrichtet, das Servicezentrum M… werde zum Jahresende 2001 geschlossen, seine Aufgaben würden auf die Zentren H…, K… und W… verlagert. Auf Grund dieser Mitteilung musste die Klägerin davon ausgehen, ihr bisheriger Arbeitsplatz werde spätestens dann entfallen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte bei ihrer Unterrichtung die Absicht hatte, die Klägerin zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu bewegen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erwartung der Klägerin, ihr Arbeitsplatz werde nach der Betriebsänderung entfallen, auf Grund des Verhaltens der Beklagten bei Abschluss des Aufhebungsvertrags objektiv berechtigt war. Dies war hier der Fall (vgl. hierzu schon BAG 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 6, zu II 2b aa der Gründe). Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte auf der Informationsveranstaltung vom 26. und 27. Oktober 1999 allen Beschäftigten zugesagt hatte, sie würden in einem der drei anderen Servicezentren weiterbeschäftigt. Hierdurch entfiel die arbeitgeberseitige Veranlassung des Aufhebungsvertrags nicht (vgl. BAG 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – aaO, zu II 2b bb der Gründe). Die Klägerin traf – anders als im Falle der Eigenkündigung – keine Obliegenheit, ein unzumutbares Weiterbeschäftigungsangebot der Beklagten abzuwarten (vgl. BAG 25. März 2003 – 1 AZR 169/02 – aaO, zu II 2b cc der Gründe).
II. Der bei Wirksamkeit des Sozialplans entstandene Abfindungsanspruch ist nicht wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 24 MTV verfallen. Diese Verfallfrist gilt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht für Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan. Daher kann dahinstehen, ob die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts genügen, um die rechtliche Würdigung zu tragen, der MTV finde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung.
1. Allerdings wird ein Sozialplananspruch regelmäßig als “Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis” im Sinne tariflicher Verfallfristen angesehen (so etwa BAG 18. April 2000 – 1 AZR 386/99 –, zu II 1 der Gründe; 30. November 1994 – 10 AZR 79/94 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 88 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 108, zu 2b der Gründe).
2. Von der Verfallfrist des § 24 MTV werden aber nur “vertragliche” Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst. Hierunter fallen keine Ansprüche aus einem zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Sozialplan. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Bestimmung.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags richtet sich nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben gleichwohl Zweifel, können die Gerichte weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags und die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG 22. November 2005 – 1 AZR 458/04 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15, zu B II 1 der Gründe; 29. September 2004 – 1 ABR 29/03 – BAGE 112, 87, zu B III 2b aa der Gründe). Darüber hinaus sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tarifliche Ausschlussfristen wegen der Schwere der mit ihrer Versäumung verbundenen Folgen im Zweifel eng auszulegen (vgl. 19. November 1968 – 1 AZR 195/68 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 39 = EzA TVG § 4 Nr. 22; 31. Oktober 1984 – 4 AZR 525/82 –; 4. September 1991 – 5 AZR 647/90 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 113 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 92, zu II 2b der Gründe; 7. Februar 1995 – 3 AZR 483/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 54 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 112, zu II 1e der Gründe).
b) Hiernach sind Ansprüche aus einem zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Sozialplan keine “vertraglichen” Ansprüche iSv. § 24 MTV.
aa) Der vom Wortlaut vermittelte Wortsinn der tariflichen Regelung ist nicht eindeutig. Zwar ist nach ganz überwiegender Auffassung eine Betriebsvereinbarung ein privatrechtlicher kollektiver Normenvertrag (vgl. BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 17/02 – BAGE 105, 19, zu B II der Gründe; 27. Januar 2004 – 1 ABR 5/03 – BAGE 109, 227, zu B II der Gründe; Fitting § 77 Rn. 13 mwN; vgl. zu “Vertragstheorie” und “Vereinbarungstheorie” Richardi/Richardi BetrVG § 77 Rn. 24). Die Ansprüche der Arbeitnehmer entstehen aber nicht allein aus der Betriebsvereinbarung. Diese ist nicht etwa ein Vertrag zu Gunsten Dritter iSv. § 328 BGB. Vielmehr ist Geltungsgrund für die Ansprüche der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung deren auf § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG beruhende normative Wirkung.
bb) Die Systematik des Tarifvertrags lässt zuverlässige Schlüsse für die Auslegung des Begriffs der “vertraglichen Ansprüche” ebenfalls nicht zu. Neben dem Begriff “vertraglich” kennt der MTV auch die Begriffe “einzelvertraglich” (vgl. § 2 Nr. 6 Satz 2 MTV) und “tarifvertraglich” (vgl. § 25 MTV). Dies könnte dafür sprechen, im Rahmen des MTV “einzelvertraglich” und “tarifvertraglich” als Unterfälle von “vertraglich” zu verstehen, Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen dagegen nicht als “vertraglich” anzusehen. Zwingend ist dies aber nicht. Vielmehr ist die Verwendung der Begriffe im MTV nicht streng durchgehalten. So wird der in § 24 MTV verwandte Begriff “vertraglich” in § 11 Nr. 2 Abs. 2 MTV ersichtlich iSv. einzelvertraglich verwendet; nach dieser Bestimmung kann die Bezahlung von Mehrarbeit “vertraglich” für bestimmte Mitarbeiter ausgeschlossen werden.
cc) Auch Sinn und Zweck der Regelung zwingen vorliegend nicht zu einem bestimmten Verständnis. Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderungen einstellen, Beweise sichern oder – bei hohen Summen – vorsorglich Rückstellungen bilden können (BAG 20. Februar 2001 – 9 AZR 46/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139, zu II 3a der Gründe mwN). Sinn und Zweck von Verfallfristen können dementsprechend im Einzelfall durchaus zur weiten Auslegung einer tariflichen Ausschlussfrist führen (vgl. BAG 7. Februar 1995 – 3 AZR 483/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 54 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 112, zu II 1c der Gründe). Vorliegend rechtfertigen sie jedenfalls den Schluss, dass unter § 24 MTV nicht nur einzelvertragliche, sondern auch tarifvertragliche Ansprüche fallen. Andernfalls liefe die Bestimmung weitgehend leer. Dies heißt aber nicht, dass Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen wie tarifvertragliche zu behandeln wären. Zwar sind beide kollektivrechtlicher Natur. Gleichwohl gibt es in Entstehungsgrund, Legitimation und Rechtswirkungen bedeutsame Unterschiede. Dementsprechend erscheint es auch durchaus sinnvoll, in tariflichen Ausschlussfristen zwischen tarif- und einzelvertraglichen Ansprüchen einerseits und Ansprüchen aus Betriebsvereinbarungen andererseits zu differenzieren. Dies gilt umso mehr, als die Betriebsparteien gemäß § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG selbst Ausschlussfristen für die von ihnen geschaffenen Ansprüche regeln können.
d) Die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend schon deshalb nicht aussagekräftig, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der von der Beklagten geschlossene MTV dieselbe Geschichte hatte wie der von den Verbänden geschlossene Tarifvertrag für das Private Versicherungsgewerbe. Es ist weder festgestellt noch von der Beklagten vorgetragen, dass es bei ihr einmal einen Haustarifvertrag gegeben hätte, nach dem alle “Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” verfielen, und dieser geändert geworden wäre, um deliktische Ansprüche auszunehmen. Eine solche Geschichte hatte, soweit ersichtlich, allenfalls der Tarifvertrag für das Private Versicherungsgewerbe. Im Übrigen hätte es bei der von den Parteien des Tarifvertrags für das Private Versicherungsgewerbe vorgenommenen Änderung des Tarifvertrags nahe gelegen, die deliktischen Ansprüche als solche zu bezeichnen, wenn nur sie ausgenommen werden sollten, und nicht stattdessen die Ausschlussfrist insgesamt auf “vertragliche” Ansprüche zu beschränken.
e) Hiernach lässt sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungskriterien nicht zuverlässig feststellen, dass “vertragliche Ansprüche” iSv. § 24 MTV auch solche aus Betriebsvereinbarungen sind. Der in einem solchen Fall zur Anwendung kommende Grundsatz, nach dem tarifliche Ausschlussfristen im Zweifel eng auszulegen sind, führt vorliegend dazu, dass der streitbefangene Anspruch aus einem zwischen den Betriebsparteien geschlossenen Sozialplan nicht von der Verfallfrist des § 24 MTV erfasst wird.
III. Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, ist die Beklagte nicht nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Ein etwa entstandener Abfindungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Sozialplanansprüche unterfielen bis zum 31. Dezember 2001 der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB aF (BAG 30. Oktober 2001 – 1 AZR 65/01 – BAGE 99, 226, zu I 2 der Gründe). Zwar verkürzte sich die regelmäßige Verjährungsfrist ab dem 1. Januar 2002 gemäß § 195 BGB nF auf drei Jahre. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird diese Frist aber von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Sie wurde daher durch die am 19. Dezember 2003 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage gewahrt.
IV. Ein möglicher Abfindungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt. Der Verwirkung des Sozialplananspruchs steht bereits das Verbot des § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG iVm. § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG entgegen.
Unterschriften
Schmidt, Kreft, Linsenmaier, Federlin, Spoo
Fundstellen
Haufe-Index 1747974 |
BAGE 2008, 168 |
BB 2007, 1284 |
DB 2007, 1419 |