Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitskontrolle eines Sozialplans
Leitsatz (redaktionell)
Es verstößt nicht gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit, wenn die Betriebspartner in einem Sozialplan Ausgleichsleistungen für ältere Arbeitnehmer nach den mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden tatsächlichen Nachteilen bemessen und für jüngere Arbeitnehmer einen pauschalen Ausgleich in Form von Abfindungszahlungen vorsehen, deren Höhe sich an der Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit orientiert.
Art 6 § 5 Abs 1 Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972 verbietet nicht, bei der Festsetzung von Ausgleichsleistungen in einem Sozialplan den Umstand zu berücksichtigen, daß ältere Arbeitnehmer alsbald das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch nehmen können.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG §§ 75, 112; RRG Art. 6 § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 20.10.1982; Aktenzeichen 2 Sa 105/82) |
ArbG Husum (Entscheidung vom 12.01.1982; Aktenzeichen 1 Ca 784/81) |
Tatbestand
Die drei Kläger waren im Werk Brunsbüttelkoog der Beklagten 42, 32 bzw. 43 Jahre beschäftigt. Die Beklagte hat das Werk Brunsbüttelkoog zum 30. April 1982 stillgelegt und den Klägern deswegen am 25. September 1981 fristgemäß zum 31. März 1982 gekündigt, sie dann jedoch aufgrund befristeter Arbeitsverträge noch bis zum 31. Mai, 15. Mai bzw. 30. Juni 1982 weiterbeschäftigt. Die Kläger waren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre alt.
Anläßlich der Betriebsstillegung hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat am 29. Juni 1981 einen Sozialplan abgeschlossen, der soweit hier von Interesse, wie folgt lautet:
II
Für die von der Kali-Chemie AG aus Anlaß der
Stillegung gekündigten und ausscheidenden
Mitarbeiter wird folgendes vereinbart:
1. Alle ausscheidenden Mitarbeiter erhalten
eine Abfindung in Höhe der vollen betrieb-
lichen Jahresleistung ... für 1981, bei
Ausscheiden im ersten Quartal des Jahres
1982 eine zusätzliche Abfindung in Höhe
von 3/12, bei einem Ausscheiden im zwei-
ten Quartal des Jahres 1982 eine zusätzli-
che Abfindung in Höhe von 6/12 der betrieb-
lichen Jahresleistung für 1981. ...
2. Mitarbeiter, die vor dem 1. September 1981
einen Rentenantrag gestellt haben, erhalten
im Falle der Rentengewährung nur eine Ab-
findung nach Ziff. 1.
Mitarbeiter, die in der Zeit vom 1. September
1981 bis 30. Juni 1982 einen Antrag auf Ren-
te wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit
stellen, erhalten im Falle der Rentengewäh-
rung 50 % der Abfindung nach Ziff. 3 c.
....
3. Weiterhin werden folgende Abfindungen ge-
zahlt:
a) Für Mitarbeiter, die bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses das 59. Lebensjahr
vollendet haben, gelten Ziff. 1 - 4 der
Betriebsvereinbarung vom 5. Oktober 1978
in Verb. mit der Betriebsvereinbarung
vom 15. Dezember 1978.
b) Für Mitarbeiter, die bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr
vollendet haben, gelten ebenfalls die
Ziff. 1 - 4 der Betriebsvereinbarung vom
5. Oktober 1978 in Verb. mit der Be-
triebsvereinbarung vom 15. Dezember 1978.
Diese Mitarbeiter erhalten für die Dauer
einer weiteren Arbeitslosigkeit - läng-
stens bis einschließlich des Monats, in
dem sie das 60. Lebensjahr vollenden -
eine Zuwendung, die gemäß § 138 Abs. 3
Ziff. 7 AFG auf die Arbeitslosenhilfe
nicht angerechnet werden kann. Diese Zu-
wendung beträgt monatlich 20 % des Brut-
tomonatslohns/-gehalts...
c) Alle übrigen Mitarbeiter erhalten für
jedes vollendete Dienstjahr 50 % ihres
Bruttomonatslohns/-gehalts...
d) Mitarbeiter, die bei Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses das 55. Lebensjahr
vollendet haben und nicht unter die Ziff.
3 a oder b fallen, erhalten zusätzlich
zu der Abfindung nach Ziff. 3 c vom 13.
Monat der Arbeitslosigkeit an für die
Dauer der weiteren Arbeitslosigkeit
- längstens jedoch bis einschließlich
des Monats, in dem sie das 60. Lebensjahr
vollenden - eine Zuwendung, die gemäß
§ 138 Abs. 3 Ziff. 7 AFG auf die Arbeits-
losenhilfe nicht angerechnet werden kann.
Diese Zuwendung beträgt monatlich 20 %
des Betrages der Arbeitslosenhilfe.
....
Die in Ziff. II 3 a und b in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom 5. Oktober 1978 lautet, soweit hier von Interesse, wie folgt:
1. Die gekündigten Mitarbeiter erhalten aus
Anlaß ihres Ausscheidens eine steuer-
freie Abfindung, die nach zehn Dienstjah-
ren 300 % des Bruttomonatslohns (-gehalts)
beträgt und für jedes über zehn Jahre hin-
ausgehende Dienstjahr um 5 % steigt. Der
Höchstsatz wird auf 400 % festgesetzt...
2. Nach Ablauf von zwölf Monaten nach dem
Ausscheiden oder bei Gewährung des Alters-
ruhegeldes aus der Sozialversicherung ...
oder des flexiblen Altersruhegeldes ...
wird den Mitarbeitern, die bis zur Vollen-
dung des 65. Lebensjahres die Wartezeit
erfüllt hätten, eine Firmenunterstützung
nach der Satzung der Alters- und Hinter-
bliebenenversorgung der Kali-Chemie auf
der Grundlage der tatsächlich zur Auszah-
lung kommenden Sozialversicherungsrente
gewährt. ...
3. Die unter Ziff. 1 und 2 genannten Leistun-
gen werden auch bei anderweitigem Verdienst
gewährt.
4. Wird die Zahlung des Arbeitslosengeldes vor
Ablauf von zwölf Monaten eingestellt und Ar-
beitslosenhilfe gezahlt, gewährt die Kali-
Chemie zur Ergänzung der Unterstützung aus
der Arbeitslosenhilfe eine Zuwendung, die
gemäß § 138 Abs. 3 Ziff. 7 AFG auf die Ar-
beitslosenhilfe nicht angerechnet werden
kann. Die Zuwendung, die längstens bis zu
zwölf Monaten nach dem Ausscheiden zu zah-
len ist, wird so bemessen, daß insgesamt
ca. 90 % des in den letzten zwölf Monaten
vor dem Ausscheiden durchschnittlich verdien-
ten Nettolohns (-gehalts) erreicht werden.
Die Kläger halten die Regelung des Sozialplans über die Zahlung von Abfindungen für unbillig. Sie beanstanden insbesondere, daß Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre und älter sind, im Höchstfalle nur eine Abfindung in Höhe von vier Monatsgehältern erhalten, während jüngere Arbeitnehmer für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit 1/2 Monatsgehalt erhalten. Würden sie ebenso behandelt, hätten sie angesichts ihrer langen Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 21, 16 bzw. 21,5 Monatsgehältern.
Die Kläger haben schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und zunächst die Feststellung beantragt, daß die Beklagte ihnen beim Ausscheiden aus dem Betrieb Abfindungen gemäß den Ziff. 1, 3 c und 3 d des Sozialplans zu zahlen habe. Hilfsweise haben sie Kündigungsschutzklage erhoben und gleichzeitig beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
Die Beklagte hat die Angemessenheit der Sozialplanregelung verteidigt und geltend gemacht, daß die Betriebspartner bei der Vereinbarung des Sozialplans darauf abgestellt hätten, welche Nachteile für die Arbeitnehmer zu erwarten gewesen seien. Für diejenigen Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre und älter gewesen seien, sei dabei berücksichtigt worden, daß diese nach einem Jahr der Arbeitslosigkeit mit 60 Jahren das vorgezogene Altersruhegeld aus der Sozialversicherung erhalten könnten, so daß sie weitgehend gesichert seien. Diese Arbeitnehmer erhielten weiter die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in voller Höhe sowie eine weitere Zuwendung für die Zeiten, in denen ihnen nur Arbeitslosenhilfe gewährt werde. Die Abfindung und die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung würden auch dann gewährt, wenn die Arbeitnehmer einen anderweitigen Verdienst erzielen würden.
Die Beklagte hat den Klägern gemäß Ziff. IV Abs. 4 des Sozialplans mit Rücksicht darauf, daß diese Kündigungsschutzklage erhoben haben, zunächst überhaupt keine Leistungen - weder aus dem Sozialplan noch aus der Betriebsvereinbarung vom 5. Oktober 1978 - gewährt. Vor dem Landesarbeitsgericht haben sich die Parteien hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der auch nach Ansicht der Beklagten zu gewährenden Leistungen aus dem Sozialplan und der Betriebsvereinbarung vom 5. Oktober 1978 in einem Teilvergleich geeinigt. Die Kläger haben daraufhin nur noch den diese Leistungen übersteigenden Betrag geltend gemacht, der ihnen ihrer Ansicht nach aus dem Sozialplan zusteht. Sie haben, nachdem das Arbeitsgericht ihre Klage abgewiesen hatte, vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen
Urteils - über die im Teilvergleich anerkannten
Beträge hinaus - zu verurteilen,
1. an den Kläger Schunck
45.281,-- DM zu zahlen,
2. an den Kläger Martin
26.889,-- DM zu zahlen,
3. an den Kläger Geschke
50.440,-- DM zu zahlen
jeweils mit 4 % Zinsen seit dem 20. Oktober 1982.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen, ihre Zahlungsanträge also abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger diese Anträge weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Regelungen des Sozialplans für wirksam gehalten und demzufolge Ansprüche der Kläger auf Leistungen, die über die in dem Teilvergleich anerkannten Ansprüche hinausgehen, verneint.
1. Die von den Klägern beanstandete Regelung im Sozialplan verstößt zunächst nicht gegen gesetzliche Vorschriften.
a) Wenn § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Betriebspartner verpflichtet, darauf zu achten, daß Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden, so bedeutet dies nicht, daß damit innerhalb einer betrieblichen Regelung jede Differenzierung zwischen älteren und jüngeren Arbeitnehmern unzulässig ist. Eine Differenzierung aufgrund bestehender tatsächlicher und für die jeweilige Regelung erheblicher Gesichtspunkte bleibt gleichwohl zulässig (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 75 Rz 20; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 75 Rz 13). Grund für die Differenzierung im Sozialplan ist nicht das Alter der Arbeitnehmer schlechthin, sondern der sich lediglich aus dem Alter ergebende Umstand, daß bei älteren Arbeitnehmern Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes zuverlässiger abgeschätzt werden können und anders ausgeglichen werden sollen als bei jüngeren Arbeitnehmern.
b) Die Regelung des Sozialplans verstößt auch nicht gegen Art. 6 § 5 Abs. 1 Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972. Nach dieser Vorschrift ist die Tatsache, daß ein Arbeitnehmer berechtigt ist, vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung zu beantragen, nicht als ein die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedingender Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG anzusehen. Die Tatsache kann auch nicht bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Diese Vorschrift verbietet nur die Kündigung allein mit der Begründung, der Arbeitnehmer könne vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nehmen. Sie will damit ältere Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes insoweit schützen, als dieser nicht durch andere Gründe bedingt ist. Bei der Auswahl unter mehreren zu kündigenden Arbeitnehmern soll die Möglichkeit, das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen, nicht zum Nachteil gereichen.
Im vorliegenden Falle geht es nicht um den Schutz der Kläger vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Dieser war wegen der Stillegung des Betriebes sozial gerechtfertigt. Für den in einem Sozialplan zu vereinbarenden Ausgleich der Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes schreibt Art. 6 § 5 Abs. 1 Rentenreformgesetz nicht vor, daß die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, ein vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen, dabei nicht berücksichtigt werden dürfe. § 112 BetrVG räumt den Betriebspartnern vielmehr die Möglichkeit ein, in den Grenzen von Recht und Billigkeit selbst zu bestimmen, ob und welche Nachteile aus dem Verlust eines Arbeitsplatzes in welcher Weise ausgeglichen werden sollen. Sie können dabei auch berücksichtigen, daß entlassene Arbeitnehmer schon oder bald das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch nehmen können.
2. Die im Sozialplan vorgenommene Regelung des Ausgleichs der durch die Betriebsstillegung entstandenen Nachteile für die einzelnen Arbeitnehmergruppen ist auch mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit vereinbar.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, daß Betriebsvereinbarungen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen (BAG 22, 252 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAG 23, 257 = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG; AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation; AP Nr. 11 und 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unverfallbarkeit). Einer solchen Billigkeitskontrolle hat der Senat bislang auch von den Betriebspartnern abgeschlossene Sozialpläne unterworfen (BAG 35, 80 = AP Nr. 11 zu§ 112 BetrVG 1972; BAG 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972). Als Maßstab dieser Überprüfung hat er die Verpflichtung der Betriebspartner angesehen, das Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer zu berücksichtigen und innerhalb dieser Verpflichtung einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen der Belegschaft und dem Betrieb sowie den Ausgleich zwischen den verschiedenen Teilen der Belegschaft selbst zu suchen (BAG 27, 187 = AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung). Er hat dabei darauf abgestellt, daß die Normen einer Betriebsvereinbarung für eine unbestimmte Zahl von Arbeitnehmern gelten und deshalb an einem verallgemeinernden Maßstab gemessen werden müssen. Es komme darauf an, ob das Regelungsziel und die Mittel, mit denen es erreicht werden soll, die Grundsätze der Billigkeit beachten (BAG 36, 327 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Die Billigkeitskontrolle könne sich daher nur auf den Inhalt der getroffenen Regelung selbst beziehen. Es könne nur darum gehen, ob die vereinbarte Regelung in sich der Billigkeit entspreche oder ob einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen in unbilliger Weise benachteiligt würden (BAG 35, 80 = AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972). Bei ihrer gestaltenden Regelung hätten die Betriebsparteien einen weiten Ermessensspielraum. Sie seien bei der Vereinbarung eines Sozialplans innerhalb der Grenzen von Recht und Billigkeit frei darüber zu entscheiden, welche Nachteile, die der Verlust eines Arbeitsplatzes mit sich bringt, auf welche Weise ausgeglichen werden sollten. Sie dürften dabei nach der Schwere der möglichen Nachteile und nach deren Vermeidbarkeit differenzieren (BAG AP Nr. 3 und 7 zu § 112 BetrVG 1972).
Der vorliegende Rechtsstreit bietet keinen Anlaß, die Frage zu entscheiden, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festgehalten werden kann. Auch wenn man von der Möglichkeit und dem Gebotensein einer solchen Billigkeitskontrolle ausgeht, führt diese entgegen der Ansicht der Revision nicht zu dem Ergebnis, daß die angegriffenen Regelungen des Sozialplans gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit verstoßen.
3. a) Der Sozialplan geht zunächst davon aus, daß Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 59. Lebensjahr vollendet haben, gegenwärtig keine Anschlußbeschäftigung finden und daher auf Dauer arbeitslos bleiben werden. Diese können daher nach § 1248 Abs. 2 RV0 Altersruhegeld erhalten. Davon, daß die versicherungsmäßigen Voraussetzungen für das vorgezogene Altersruhegeld überhaupt erfüllt sein müssen, geht auch die Betriebsvereinbarung vom 5. Oktober 1978 aus. Auch bei den Klägern ist dies der Fall. Für das erforderliche Jahr der Arbeitslosigkeit erhalten diese Arbeitnehmer Arbeitslosengeld. Ab dem Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes erhalten sie weiter die vollen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten. Sie erhalten weiter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von mindestens drei und höchstens vier Monatsgehältern.
Eine zunächst gleiche Regelung ist für diejenigen Arbeitnehmer vorgesehen, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch keine 59 Jahre, aber schon 58 Jahre alt sind. Mit Rücksicht darauf, daß diese Arbeitnehmer nach dem einjährigen Bezug von Arbeitslosengeld bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres und damit bis zum Erhalt des vorgezogenen Altersruhegeldes nur Arbeitslosenhilfe erhalten, wird ihnen zur Aufstockung der Arbeitslosenhilfe eine weitere Zuwendung von monatlich 20 % ihres Bruttogehalts gezahlt.
Für diese Gruppe von Arbeitnehmern geht der Sozialplan daher insgesamt davon aus, daß der Verlust des Arbeitsplatzes und damit des Arbeitseinkommens zunächst durch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und in absehbarer Zeit durch das vorgezogene Altersruhegeld jedenfalls zum Teil ausgeglichen wird und daher von vornherein begrenzt ist. Nachteile, die bei dem bloßen Bezug von Arbeitslosenhilfe auftreten, werden zusätzlich ausgeglichen. Der Umstand, daß das vorgezogene Altersruhegeld in der Regel geringer ist als das erst mit 65 Jahren gewährte Altersruhegeld, findet einen gewissen Ausgleich dadurch, daß die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schon vorzeitig in voller Höhe gewährt werden. Diese bleiben dem Arbeitnehmer auch erhalten, wenn er wider Erwarten doch noch anderweitiges Arbeitsentgelt verdient.
b) Dieser Gruppe von Arbeitnehmern steht die andere Gruppe gegenüber, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch keine 58 Jahre alt ist, auf Leistungen aus der Sozialversicherung also noch mehr als zwei Jahre warten muß. Diese Gruppe erhält an vergleichbaren Leistungen zunächst nur eine Abfindung. Diese bemißt sich allerdings nach der Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit und beträgt für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Monatsentgelt. Das kann zu Abfindungen in Höhe von 20 und mehr Monatsbezügen führen. Diese Abfindung wird auch unabhängig davon gezahlt, ob und wie lange der Arbeitnehmer später arbeitslos ist. Lediglich für Arbeitnehmer, die von anderen Betrieben oder Tochterunternehmen der Beklagten übernommen werden, gilt eine andere Regelung. Hinsichtlich ihrer betrieblichen Altersversorgung behalten diese Arbeitnehmer nur eine Anwartschaft, sofern diese kraft Gesetzes unverfallbar geworden ist.
Eine weitere Zuwendung neben der Abfindung erhalten aus dieser großen Gruppe diejenigen Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits 55 Jahre alt waren. Sind diese länger als ein Jahr arbeitslos und erhalten sie daher nur noch Arbeitslosenhilfe, so wird ihnen - längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres - zur Arbeitslosenhilfe eine Zuwendung gezahlt, die monatlich 20 % des Betrages der Arbeitslosenhilfe beträgt.
c) Eine weitere Gruppe bilden diejenigen Arbeitnehmer, die in unmittelbarer Nähe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Rentenantrag gestellt haben oder stellen werden. Wer vor dem 1. September 1981 schon einen Rentenantrag gestellt hat, erhält nur die an alle Arbeitnehmer zu zahlende betriebliche Jahresleistung gemäß Ziff. II 1 des Sozialplans. Arbeitnehmer, die in der Zeit vom 1. September 1981 bis 30. Juni 1982 eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit beantragen, erhalten im Falle der Rentengewährung die Hälfte der Abfindung nach Ziff. II 3 c, also 25 % des Monatsentgeltes für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit.
d) Eine solche Gruppenbildung ist zunächst vernünftig und angemessen. Sie unterscheidet nach der möglichen Dauer und Höhe der Nachteile, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehen.
Den Klägern ist allerdings zuzugeben, daß der Ausgleich der Nachteile der einzelnen Gruppen nicht kongruent und nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgt. Während für die Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre und älter waren, und bei denjenigen, die schon einen Rentenantrag gestellt haben oder alsbald stellen werden, die Ausgleichsleistungen des Sozialplans sich an einem mehr oder weniger konkret schon feststellbaren tatsächlichen Nachteil orientieren, wird für die Gruppe der jüngeren Arbeitnehmer nicht auf die tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Nachteile abgestellt. Es wird vielmehr generell davon ausgegangen, daß der Verlust des Arbeitsplatzes einen Nachteil für die Arbeitnehmer zur Folge hat, und dieser Nachteil wird mit Leistungen ausgeglichen, die sich nicht an der Größe des Nachteils, sondern ausschließlich vergangenheitsbezogen an der Dauer der Betriebszugehörigkeit orientieren.
Dieser Bruch im System des Ausgleichs von Nachteilen aus dem Verlust des Arbeitsplatzes macht die Regelung insgesamt jedoch nicht unsachlich oder willkürlich. Auch wenn man davon ausgeht, daß Sozialplanleistungen grundsätzlich zukunftsbezogen seien und tatsächlich entstehende Nachteile ausgleichen sollen, kann doch nicht unberücksichtigt bleiben, daß - jedenfalls im Falle der Stillegung eines Betriebes - eine an zukünftigen Nachteilen orientierte Regelung der Ausgleichsleistungen nur insoweit möglich ist, als diese Nachteile einigermaßen sicher vorhergesehen werden können. Das ist im Grundsatz nur bei älteren Arbeitnehmern der Fall, deren künftiges Arbeitsleben von seiner Dauer her überschaubar und daher einigermaßen vorhersehbar ist. Je jünger der ausscheidende Arbeitnehmer ist, um so schwerer ist abzuschätzen, ob der Verlust des Arbeitsplatzes für ihn zu einem Nachteil führt und gegebenenfalls in welcher Weise und damit in welcher Höhe sich dieser Nachteil bemerkbar machen wird.
Von daher ist es nicht willkürlich und sachwidrig, wenn die Betriebspartner die Sozialplanleistungen nicht durchgängig an mit einiger Sicherheit tatsächlich zu erwartenden Nachteilen ausgerichtet haben, sondern für die Gruppe der jüngeren Arbeitnehmer davon ausgegangen sind, daß der Verlust des Arbeitsplatzes auch für sie Nachteile zur Folge haben wird oder haben kann, die auszugleichen und zu mildern sind, wobei sich die Höhe der Ausgleichsleistung dann naturgemäß nicht an der Größe des Nachteils orientieren kann. Dabei mag es durchaus vorkommen, daß die Leistungen aus dem Sozialplan den schließlich tatsächlich eintretenden Nachteil übersteigen. Das aber ist die notwendige Folge der hier weitgehend allein möglichen abstrakten Betrachtungsweise und von daher noch nicht unsachlich. Eine solche Regelung findet eine gewisse zusätzliche Rechtfertigung auch darin, daß diese Gruppe der jüngeren Arbeitnehmer in der Regel einen Verlust von Teilen ihres bisherigen Arbeitseinkommens schwerer verkraften kann als ältere Arbeitnehmer, die kurz vor Erreichung des Rentenalters stehen. Sie befinden sich vielfach noch im Aufbau ihrer Existenz und haben für Familie und insbesondere Kinder in der Ausbildung zu sorgen. Auch von daher ist eine Regelung im Sozialplan nicht zu beanstanden, die tendenziell dazu führt oder dazu führen kann, daß dieser Gruppe mögliche Nachteile in einem weiteren Umfang ausgeglichen werden als dies bei den Nachteilen der Gruppe älterer Arbeitnehmer der Fall ist.
e) Aus dem Gesagten ergibt sich auch, daß der allgemeine Gleichheitssatz, wie er in Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskräftig niedergelegt ist (vgl. Entscheidung des Senats vom 19. April 1983 - 1 AZR 498/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen) nicht verletzt ist. Dieser Gleichheitssatz gebietet auch den Betriebspartnern als denjenigen, die zur Rechtsetzung befugt sind, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dieser Grundsatz ist nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden läßt, wenn also die unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen als willkürlich bezeichnet werden muß. Das ist wie dargelegt nicht der Fall.
Die Bildung von Gruppen und die Grenzziehung zwischen den einzelnen Gruppen muß zwangsläufig dazu führen, daß in Grenzfällen Härten entstehen. Wären die Kläger bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht 58, sondern erst 56 oder 57 Jahre alt gewesen, hätten sie eine höhere Abfindung und bei andauernder Arbeitslosigkeit auch noch eine zusätzliche Leistung zur Arbeitslosenhilfe erhalten. Der Umstand, daß sie wenig älter waren, führt dazu, daß sie - allerdings neben den vollen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung - nur eine Abfindung in Höhe von vier Monatsgehältern erhalten können. Das ist sicherlich eine Härte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen solche mit jeder Gruppenbildung und Stichtagsregelung unvermeidbar verbundenen Härten jedoch hingenommen werden, wenn die Gruppenbildung und die Einführung eines Stichtages überhaupt und die Grenzziehung zwischen den Gruppen am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist (BVerfGE 13, 31, 38). Das ist hier der Fall. Es war sachlich vertretbar, die Grenze bei denjenigen Arbeitnehmern zu ziehen, die im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre alt waren. Für diese Arbeitnehmer war der durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehende Nachteil einigermaßen zuverlässig vorherzusehen. Für diese Arbeitnehmer konnte angesichts ihres Alters auch davon ausgegangen werden, daß sie Einbußen in ihrem Arbeitseinkommen leichter verkraften konnten als jüngere Arbeitnehmer.
Damit erweist sich die Regelung im Sozialplan als wirksam. Den Klägern stehen weitere Ansprüche nicht zu, so daß das Landesarbeitsgericht ihre Klage zu Recht abgewiesen hat.
Dr. Kissel Dr. Seidensticker Matthes
K.H. Janzen Dr. Münzer
Fundstellen
Haufe-Index 437366 |
DB 1984, 1527-1529 (LT1) |
ZIP 1984, 1000 |
ZIP 1984, 1000-1004 (LT1-2) |
AP § 112 BetrVG 1972, Nr 21 |
EzA § 112 BetrVG 1972, Nr 30 |