Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbereitschaft und Zusatzversorgung bei der VBL
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Arbeitgeber durch unrichtige Angaben gegenüber der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zunächst eine mit Tarifvertrag und Satzung in Widerspruch stehende nachteilige Versorgungslage für seinen früheren Arbeitnehmer geschaffen, muß er diese durch Übermittlung einer inhaltlich richtigen Mitteilung auch noch nach Ende des Arbeitsverhältnisses beseitigen.
Normenkette
BetrAVG § 1; MTB II §§ 15, 18, 43; Sonderregelungen für Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung nach § 2 Abs. 1 Abschn. A Buchst. a (SR 2 a MTB II)
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. April 1997 – 7 (3) Sa 1287/96 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19. Juni 1996 – 15 Ca 6415/95 – wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) mitzuteilen, daß sie die von der Beklagten in Bezug auf den Kläger in den Jahren 1985 bis 1989 übermittelten Entgeltjahresmeldungen dahingehend berichtige, daß alle bisher mit der Versicherungsart-Kennziffer „12” gekennzeichneten Entgeltbestandteile (für 1985: 14.604,72 DM, für 1986: 15.775,32 DM, für 1987: 14.714,92 DM, für 1988: 16.561,95 DM und für 1989: 717,96 DM) mit der Versicherungsart-Kennziffer „10” zu kennzeichnen sind.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Zusatzversorgung des Klägers.
Der am 8. Oktober 1935 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 30. April 1989 als Feuerwehrmann bei der Luftwaffenversorgungsgruppe/Horstfeuerwehr in K vollzeitbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die tariflichen Vorschriften des Manteltarifvertrages für Arbeiter des Bundes vom 27. Februar 1964 (MTB II) in der jeweils geltenden Fassung sowie diejenigen des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (im folgenden: Versorgungs-TV) Anwendung. Der am 1. Oktober 1971 geschlossene Arbeitsvertrag wurde durch eine schriftliche Nebenabrede vom 7. Oktober 1977 ergänzt.
Ab dem 1. Mai 1989 erhielt der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der LVA Rheinprovinz. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im folgenden: VBL) gewährt ihm eine Zusatzversorgungsrente gemäß Bescheid vom 7. März 1994.
Bei der Berechnung der Versorgung des Klägers hat die VBL unterschieden zwischen dem laufenden Arbeitsentgelt des Klägers (mit der Versicherungsart-Kennzahl „10”, sog. „ständige” Bezüge), das in voller Höhe in die Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts einfließt, und Entgeltbestandteilen für Arbeitsleistungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit (Versicherungs-Kennzahl „12”, sog. „unständige” Bezüge). Letztere wurden lediglich insoweit in die Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts mit einbezogen, als sie 35% des gesamtversorgungsfähigen Entgelts nicht überschritten. Diese Berechnung entsprach den Entgeltjahresmeldungen der Beklagten. Tatsächlich machte die Vergütung für die von der Beklagten mit der Kennzahl „12” gemeldeten und vom Kläger erbrachten Dienste jedoch durchschnittlich ca. 40% des gesamtversorgungsfähigen Entgelts aus.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, alle über den Monatstabellenlohn hinausgehenden Lohnbestandteile gehörten zur Versicherungsart mit der Kennzahl „10”. Dies ergebe sich aus der Nebenabrede vom 7. Oktober 1977, da seine tatsächliche Beschäftigung die dortigen Zeitvorgaben unstreitig zu keinem Zeitpunkt überschritten und daher innerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit gelegen habe. Die Meldung der Beklagten an die VBL sei deshalb zu berichtigen. Bei Berechnung seiner Zusatzversorgung auf dieser Grundlage erhöhe sich seine monatliche Rente um 130,70 DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die in den Jahren 1985 bis 1989 in den Entgeltjahresmeldungen gegenüber der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mit der Versicherungsart-Kennziffer „12” versehenen Entgeltbestandteile mit der Versicherungsart-Kennziffer „10” neu zu kennzeichnen und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder entsprechend abgeänderte Entgeltjahresmeldungen zu übermitteln.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, ihre Mitteilungen an die VBL entsprächen ebenso wie die Berechnung der Zusatzversorgung den Bestimmungen des Versorgungstarifvertrages und der VBL-Satzung. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und hat zudem die Rechtsauffassung geäußert, der Anspruch des Klägers sei gemäß § 72 MTB II verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Seine Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zulässig und begründet.
I. Der Klageantrag des Klägers ist zulässig.
1. Dem Kläger geht es im Prozeß nicht darum, daß die von der Beklagten jeweils konkret ausgefüllten und an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) übersandten Fomulare zur Entgeltjahresmitteilung abgeändert und im geltend gemachten Umfang mit neuen Kennziffern versehen werden. Die Beklagte soll die erteilten Mitteilungen vielmehr durch eine neue Mitteilung in der Sache abändern. Dementsprechend hat der Kläger seinen Sachantrag in der Revisionsinstanz auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) klargestellt.
2. Der Kläger hat für seine Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Er kann, wenn er mit seiner Klage gegenüber der Beklagten durchdringt, einen dementsprechend erhöhten Zusatzversorgunganspruch gegenüber der VBL durchsetzen.
Die VBL wird von einer Pflicht, ihre Entscheidung über die Höhe der Versorgungsbezüge zu ändern und andere als die von ihr festgestellten Versorgungsleistungen zu erbringen, nach § 63 Abs. 3 Satz 2 VBL-Satzung nur dann frei, wenn der Versorgungsberechtigte innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 61 Abs. 3 Satz 1 VBL-Satzung Klage beim Schiedsgericht der VBL gegen die Entscheidung über die Höhe der Bezüge erhoben hat (Berger/Kiefer, Das Versorgungsrecht für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Stand Februar 1998, B § 61 Rz 5). Der Kläger hat aber wegen der Berücksichtigung der über den Monatstabellenlohn hinausgehenden Lohnbestandteile Klage beim Schiedsgericht der VBL erhoben. Über diese Klage ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Das Schiedsgericht hat die vom ihm als zulässig angesehene Klage abgewiesen, weil die Versorgungsanstalt von den Angaben der Beklagten ausgehen könne, deren sachliche Richtigkeit sie nicht zu überprüfen habe. Nach der Berufung des Klägers hat das Oberschiedsgericht sein Verfahren im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit zum Ruhen gebracht.
II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist aus dem Arbeitsvertrag mit dem Kläger verpflichtet, ihre Angaben gegenüber der VBL durch eine ergänzende Mitteilung dahin zu berichtigen, daß die in den Jahresentgeltmeldungen 1985 bis 1989 mit der Versicherungart-Kennziffer „12” gekennzeichneten Entgeltbestandteile mit der Versicherungsart-Kennziffer „10” zu kennzeichnen sind.
1. Die Beklagte hat aufgrund des mit dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrages eine auch über dessen Beendigung hinaus fortwirkende selbständige Nebenpflicht, gegenüber der VBL inhaltlich richtige Angaben über das zusatzversorgungspflichtige Entgelt des Klägers zu machen.
Daß eine solche Pflicht für die Beklagte im Verhältnis zur VBL besteht, ergibt sich aus § 21 Abs. 2 c VBL-Satzung sowie daraus, daß die Versorgungsanstalt weder in der Lage noch verpflichtet ist, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob An- oder Abmeldung eines Arbeitnehmers nach den maßgeblichen Satzungsbestimmungen erfolgt ist. Eine solche Verpflichtung würde über die Möglichkeiten einer Massenversicherung wie der VBL hinausgehen (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Stand September 1997, B § 21 Amn. 2). Die Versorgungsanstalt muß sich auf die Angaben der Arbeitgeberin verlassen.
Aus diesem Umstand und dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Verschaffung einer tarifvertrags- und satzungsmäßigen Zusatzversorgung ergibt sich zugleich, daß die Beklagte auch im Verhältnis zum Kläger eine entsprechende Mitteilungspflicht hat. Nur die Beklagte kann durch sachlich richtige Mitteilungen an die Versorgungsanstalt sicherstellen, daß der Kläger die ihm von Rechts wegen zustehende Versorgungsleistung erhält. Hat ein Arbeitgeber durch unrichtige Angaben zunächst eine mit Tarifvertrag und Satzung in Widerspruch stehende Versorgungslage für seinen früheren Arbeitnehmer geschaffen, muß er diese durch Übermittlung einer inhaltlich richtigen Mitteilung beseitigen. Auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist der frühere Arbeitnehmer auf diese für die Arbeitgeberin ohne besondere Mühe mögliche Richtigstellung angewiesen. Dem muß der Arbeitgeber Rechnung tragen. Er muß die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (MünchArbR/Blomeyer, Band 1, § 92 Rz 1).
2. Die Mitteilungen der Beklagten an die Versorgungsanstalt für die Jahre 1985 bis 1989 nach § 21 Abs. 2 c VBL-Satzung waren unrichtig. Die umstrittenen Entgeltbestandteile waren mit der Ziffer 10, nicht mit der Ziffer 12 zu kennzeichnen. Dies muß die Beklagte gegenüber der Versorgungsanstalt richtigstellen.
a) Auch bei dem Teil der Entlohnung des Klägers im Streitzeitraum, der über dem Monatstabellenlohn hinausging, handelte es sich um Bezüge, die in vollem Umfang bei der Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgeltes zu berücksichtigen waren.
aa) Die Höhe des für den Kläger maßgeblichen gesamtversorgungsfähigen Entgelts richtet sich nach § 43 Abs. 1 VBL-Satzung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist grundsätzlich hierfür das zusatzversorgungspflichtige Entgelt der letzten drei Kalenderjahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblich. Das zusatzversorgungspflichtige Entgelt seinerseits wird im § 29 Abs. 7 VBL-Satzung näher bestimmt. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, daß die von der Beklagten mit der Kennziffer 12 gemeldeten Entgeltbestandteile zusatzversorgungspflichtig waren.
Ob nur ein Teil dieses zusatzversorgungspflichtigen Entgelts auch gesamtversorgungfähig und nach Kennziffer 12 der Versorgungsanstalt mitzuteilen war, ist anhand von § 43 Abs. 1 Satz 4 VBL-Satzung zu ermitteln. Diese Vorschrift ist nach § 98 a Abs. 2 VBL-Satzung auf den nach dem 31. Dezember 1988 eingetretenen Versicherungsfall des Klägers mit der Maßgabe anwendbar, daß es nicht auf die letzten zehn Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles, sondern die Kalenderjahre zwischen dem 31. Dezember 1984 und dem Versicherungsfall ankommt.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz VBL-Satzung sind nur solche zusatzversorgungspflichtigen Entgelte eingeschränkt durch die festgelegte Obergrenze gesamtversorgungsfähig, die für Arbeitsleistungen oder für sonstige vom Arbeitgeber veranlaßte Inanspruchnahmen außerhalb der tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit – gegebenenfalls pauschaliert – gezahlt worden sind, z. B. für Überstunden einschließlich des Zeitzuschlages für Überstunden, für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft einschließlich des Entgelts für angefallene Arbeit. § 8 Abs. 6 Versorgungs-TV, der nach § 43 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz VBL-Satzung auch für die Versorgungsanstalt verbindlich ist, legt näher fest, welche Entgeltbestandteile als für Arbeitsleistungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit gezahlt gelten. Nach der dortigen abschließenden Aufzählung gehören hierzu die Entgeltteile, die für Arbeitsbereitschaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit und für Bereitschaftsdienst entrichtet worden sind.
bb) Der Kläger hat weder Arbeitsbereitschaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet noch Bereitschaftsdienste. Die an ihn gezahlten Entgelte sind deshalb in vollem Umfang gesamtversorgungsfähig.
(1) Der Kläger hat als Feuerwehrmann für die Beklagte Arbeitsbereitschaft geleistet.
Das Landesarbeitsgericht hat es demgegenüber zwar als unstreitig bezeichnet, daß sämtliche über den Monatstabellenlohn hinausgehenden Lohnbestandteile auf der Ableistung von Bereitschaftsdiensten beruhen. An diese Feststellung ist der Senat aber nicht gebunden. Es ist schon zweifelhaft, ob es sich hier um eine Tatsachenfeststellung oder nur um die untechnische Verwendung eines Rechtsbegriffes handelt. Jedenfalls ist der Tatbestand des Landesarbeitsgerichts in diesem Punkt unklar. Einerseits wird von der Ableistung von Bereitschaftsdiensten gesprochen, andererseits nimmt das Landesarbeitsgericht die Schriftsätze der Parteien in Bezug. In der Berufungsbegründung hat der Kläger aber ausdrücklich darauf hingewiesen, der zuvor von ihm verwendete Begriff des Bereitschaftsdienstes sei untechnisch gemeint gewesen. Rechtlich habe es sich stets um Arbeitsbereitschaft gehandelt. Dies hatte die Beklagte in ihrer Erwiderung vom 10. Januar 1997 unter Hinweis darauf ausdrücklich unstreitig gestellt, daß die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag des Klägers auf eine Sondervorschrift über Arbeitsbereitschaft für Feuerwehrpersonal verweist. Auch in der Revisionsinstanz gehen beide Parteien übereinstimmend davon aus, daß die angesprochenen Lohnbestandteile auf der Leistung von Arbeitsbereitschaft beruhen.
(2) Der Kläger hat diese Arbeitsbereitschaft innerhalb und nicht außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet. Er hat sich stets im Rahmen des in der schriftlichen Nebenabrede Vereinbarten gehalten, welche die von ihm nach Nr. 8 Abs. 4 SR 2 a MTB II regelmäßig abverlangte Arbeitszeit festgelegt hat.
Die Regelung in Abs. 4 SR 2 a MTB II ist, obwohl sie unter der Überschrift „zu § 18 Arbeitsbereitschaft” steht, nicht nur eine für Feuerwehr- und Wachpersonal geltende Sonderregelung zu dieser Tarifbestimmung, sondern zumindest im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung nach § 8 Abs. 6 Versorgungs-TV zugleich auch zu § 15 MTB II „regelmäßige Arbeitszeit” (heute: § 15 MTArb) (Scheuring/ Steingen/Banse/Thivessen, MTArb, Ausgabe Bund, Stand März 1998, Bereich des BMVg-SR 2 a, Rz 3, S. 272; im Ergebnis ebenso Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Band 8, Teil VI/1, § 8 Versorgungs-TV Rz 117; ähnlich auch Berger/Kiefer, Das Versorgungsrecht für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, A 1 § 8 Erl. 26). Die Sonderregelung eröffnet also auch Möglichkeiten für die Verlängerung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit.
Dies ergibt sich aus der Entwicklung sowie dem Sinn und Zweck der einschlägigen Versorgungsbestimmungen sowie aus Besonderheiten in den Arbeitsverhältnissen der in Nr. 8 Abs. 4 SR 2 a MTB II angesprochenen Arbeitnehmergruppen. Bis zum 1. Januar 1985 war das durchschnittliche zusatzversorgungspflichtige Arbeitsentgelt der letzen drei Kalenderjahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalles zugleich auch das gesamtversorgungsfähige Entgelt. Durch die am 1. Januar 1985 in Kraft getretene 19. Änderung der Satzung wurde die Regelung über das gesamtversorgungsfähige Entgelt teilweise geändert. Dies geschah, um Zufälligkeiten auszuschließen, die sich ergaben, wenn in den maßgebenden drei Kalenderjahren mehr oder weniger zusatzversorgungspflichtiges Entgelt aus Arbeitsleistungen außerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (z. B. aus Überstunden, Bereitschaftsdiensten, Rufbereitschaften) zugeflossen war, als dies über einen längeren Zeitraum zuvor durchschnittlich der Fall gewesen war. Darüber hinaus war der Arbeitnehmer ggf. im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber in der Lage, auf die Gesamtversorgung Einfluß zu nehmen, sie insbesondere dadurch erheblich zu erhöhen, daß er in den letzten Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles in nicht unerheblichen Umfang solche „unständigen” Entgelte erzielte. Die Überversorgung, die durch die 19. Änderung der Satzung beseitigt werden sollte, beruhte in einer Vielzahl von Fällen auch darauf, daß in den maßgeblichen Jahren durch derartige unständige Bezüge das gesamtversorgungsfähige Entgelt so anstieg, daß es nicht mehr dem üblichen Entgelt eines Arbeitnehmers in der betreffenden Berufsgruppe entsprach. Dies stand in Widerspruch zum Sinn und Zweck einer Altersversorgung (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, B § 43 Anm. 1, S. B 175). Dieser mit der Satzungsänderung und der daran anschließenden Änderung des Versorgungstarifvertrages verfolgte Zweck betrifft aber nicht diejenigen Arbeitnehmer, die ausschließlich als Wächter oder Feuerwehrleute beschäftigt werden und die nach den tariflichen Vorschriften Arbeitsbereitschaft leisten. Ihre gesamte Entlohnung wird bei regelmäßig verlängerter Arbeitszeit nur für Arbeitsbereitschaft bezahlt. Es würde dem dargelegten Sinn der Vorschriften des Versorgungstarifvertrages widersprechen, würde man in solchen Fällen die Entgelte für Arbeitsbereitschaft innerhalb der nach Nr. 8 Abs. 4 SR 2 a MTB II verlängerten Arbeitszeit zumindest teilweise § 8 Abs. 6 Buchst. c Versorgungs-TV zuordnen und nur eingeschränkt bei der Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts berücksichtigen. Solches Entgelt ist deshalb nicht gesondert mit der Kennzahl „12” an die VBL zu melden (ebenso Berger/Kiefer, aaO, A 1 § 8 Erl. 26).
b) Die Parteien haben ihre schriftliche Nebenabrede nach Nr. 8 Abs. 4 SR 2 a MTB II ausweislich der von den Parteien vorgelegten Unterlagen so wie vereinbart auch tatsächlich gehandhabt. Damit handelt es sich entsprechend der genannten Sonderregelung um regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 8 Abs. 6 Versorgungs-TV. Das Arbeitsentgelt für die innerhalb dieser Arbeitszeit geleistete Arbeitsbereitschaft ist ohne jede Einschränkung gesamtversorgungsfähig. Die Beklagte muß ihre Mitteilungen gegenüber der VBL berichtigen.
3. Der hierauf gerichtete Anspruch des Klägers ist weder verjährt noch verfallen.
a) Bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch geht es nicht um einen einzelnen Anspruch auf Zahlung von Altersversorgung, sondern um die Klarstellung der Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der zutreffenden wiederkehrenden Ansprüche. Die kurze Verjährungsfrist nach § 196 Nr. 9 BGB ist deshalb nicht einschlägig. Hierunter fallen nur auf die Zahlung von Ruhegeldleistungen gerichtete Ansprüche, nicht solche, die der Durchsetzung von Mitwirkungspflichten der Beklagten bei der Verschaffung von Versorgungsansprüchen dienen.
b) Der Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 72 MTB II verfallen. Tarifliche Ausschlußfristen gelten grundsätzlich nicht für den Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Verschaffung einer Zusatzversorgung und auch nicht für einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber wegen unterlassener Zusatzversorgung (BAG Urteil vom 13. Dezember 1988 – 3 AZR 252/87 – AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu 3 der Gründe, m.w.N.). Tarifliche Verfallfristen sollen eine kurzfristige Abwicklung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sicherstellen. Sie sollen nicht Ansprüche beschneiden, die erst entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Ruhestand beginnt (BAG Urteil vom 17. Dezember 1991 – 3 AZR 44/91 – AP Nr. 32 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu 5 der Gründe). Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Streitgegenstand zu übertragen. Es geht nicht um die Abwicklung einzelner Leistungsansprüche des Klägers, sondern um die Berechnungsgrundlagen für den während des gesamten Ruhestandsverhältnisses bestehenden Versorgungsanspruch. Damit ist das Versorgungsstammrecht betroffen. Darauf bezogene Rechte verfallen nicht nach § 72 MTB II.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Schmidt, H. Arntzen
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.10.1998 durch Kaufhold, Regierungssekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436216 |
DB 1999, 1808 |
ARST 1999, 213 |
FA 1999, 199 |
JR 1999, 296 |
NZA 1999, 876 |
RdA 1999, 357 |
ZTR 1999, 324 |
AP, 0 |