Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Aufwendungsersatz bei Lehrabschlußprüfung
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht kein gesetzlicher Anspruch des Auszubildenden gegen den Ausbildenden auf Übernahme der Fahrt- und Übernachtungskosten, die dadurch entstehen, daß die Lehrabschlußprüfung an einem anderen als dem Ausbildungsort durchgeführt wird.
Normenkette
BBiG §§ 7, 73, 14; HwO § 31 Abs. 3; BBiG § 34 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 28.04.1981; Aktenzeichen 7 Sa 1055/80) |
ArbG Kassel (Entscheidung vom 10.09.1980; Aktenzeichen 4 Ca 391/80) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Auslagen zu erstatten hat, die ihm anläßlich der Gesellenprüfung entstanden sind.
Der Kläger ist von der Beklagten aufgrund eines am 11. Juli 1977 abgeschlossenen Berufsausbildungsvertrags zum Fliesenleger ausgebildet worden. In dem Ausbildungsvertrag ist unter § 3 Nr. 5 bestimmt, daß die Beklagte den Kläger für evtl. Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte freizustellen hat. Nach § 5 Nr. 3 des Ausbildungsvertrages hat die Beklagte die Kosten für derartige Ausbildungsmaßnahmen zu tragen. Die Lehrabschlußprüfung (Gesellenprüfung) fand am 23. April 1980 in Aßmannshausen statt. Hierzu wurde der Kläger vom Berufsförderungswerk des Hessischen Baugewerbes e.V. - Ausbildungszentrum Aßmannshausen - über die Beklagte geladen. Da der Kläger für die Reise von Kassel bis zum Ausbildungszentrum bei mehrmaligem Umsteigen mehr als sechs Stunden benötigte, reiste er am Tage vor der Ausbildung an. Ihm entstanden Fahrtkosten in Höhe von 62,-- DM sowie Verpflegungs- und Übernachtungskosten von 41,-- DM. Diese Auslagen hat der Kläger mit seiner Klage gegen die Beklagte geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm diese Kosten zu erstatten, denn bei der Prüfung in Aßmannshausen handele es sich um eine auswärtige Ausbildungsmaßnahme im Sinne des § 5 Nr. 3 des Ausbildungsvertrages.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch interessierend, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 103,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Abschlußprüfung sei keine Ausbildungsmaßnahme im Sinne des Lehrvertrages. Sie sei Ziel der Ausbildung, gehöre aber nicht selbst zur Ausbildung. Die Ausbildung habe nach dem Lehrvertrag zwar in Kassel stattzufinden. Darauf, wo die Prüfung abzulegen sei, habe die Beklagte keinen Einfluß. Die Zusammensetzung der Kommission und der Prüfungsort werde jeweils von den Handwerkskammern bestimmt.
Das Arbeitsgericht hat den in der Revision allein noch interessierenden Antrag auf Erstattung der Auslagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger hat der Handwerkskammer für den Regierungsbezirk Kassel den Streit verkündet. Die Handwerkskammer ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Streithelferin beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Aus dem Berufsausbildungsvertrag kann der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der ihm anläßlich der Prüfung entstandenen Auslagen herleiten. Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 3 HandwerksO oder § 34 Abs. 3, § 6 Abs. 1 BBiG.
I. 1. In § 5 Nr. 3 des Ausbildungsvertrages ist festgelegt, daß Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte gemäß § 3 Nr. 5 des Ausbildungsvertrages vom Ausbildenden zu tragen sind, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Gesellenprüfung keine Ausbildungsmaßnahme im Sinne des § 5 Nr. 3 des Ausbildungsvertrages darstellt und die Beklagte daher die dem Auszubildenden im Zusammenhang mit der Prüfung an einem auswärtigen Ort entstehenden Auslagen nicht zu ersetzen hat.
2. Diese Auslegung des Ausbildungsvertrages durch das Berufungsgericht ist nicht zu beanstanden.
a) Nach § 3 Nr. 1 des Ausbildungsvertrages ist die Ausbildung darauf gerichtet, dem Lehrling Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die zum Erreichen des Ausbildungszieles nach der Ausbildungsordnung erforderlich sind. Ziel der Ausbildung ist die Gesellenprüfung. Nach § 32 HandwerksO, der hier gemäß § 73 BBiG anzuwenden ist, ist durch die Gesellenprüfung festzustellen, ob der Prüfling die erforderlichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen praktischen und theoretischen Kenntnisse besitzt und mit dem ihm vermittelten Lehrstoff vertraut ist. Vom Wortlaut des Vertrags her kann die Prüfung daher nicht als Ausbildungsmaßnahme angesehen werden.
b) Die Revision meint, bei einer natürlichen Betrachtungsweise sei die Abschlußprüfung der Schlußteil der Ausbildung, denn erst mit dem Bestehen der Prüfung sei die Ausbildung abgeschlossen; das Berufungsgericht habe den Ausbildungsvertrag zu eng ausgelegt. Dem kann nicht gefolgt werden. Auch der Gesetzgeber hat z.B. in § 7 BBiG zwischen Ausbildungsmaßnahme und Prüfung unterschieden. Etwas anderes ist, entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung, auch nicht aus § 14 BBiG herzuleiten. Nach § 14 Abs. 2 BBiG endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlußprüfung, wenn der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlußprüfung besteht. Nach § 14 Abs. 3 BBiG verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis, wenn der Auszubildende die Abschlußprüfung nicht besteht. In dem Berufsausbildungsvertrag der Parteien ist eine ähnliche Regelung vorgesehen. Nach § 1 Nr. 3 endet das Lehrverhältnis mit Bestehen der Gesellenprüfung, wenn der Lehrling vor Abschluß der vereinbarten Ausbildungszeit die Gesellenprüfung besteht. Im Falle des Klägers endete das Ausbildungsverhältnis mit Bestehen der Gesellenprüfung am 23. April 1980. Der Kläger hat die Gesellenprüfung zwar innerhalb der Ausbildungszeit abgelegt, sie wird dadurch aber nicht zu einer notwendigen Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte.
c) Gegen die Annahme, der Ausbildende sei verpflichtet, im Zusammenhang mit der Prüfung entstehende Aufwendungen für Fahrtkosten, Verpflegung und Unterbringung zu erstatten, spricht darüber hinaus folgendes:
Die vertraglichen Bestimmungen haben auch die durch Prüfungen entstehenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt gelassen. Insoweit sieht § 3 Nr. 4 des Ausbildungsvertrages vor, daß dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge, Werkstoffe und Fachliteratur zur Verfügung zu stellen sind. Mit der Prüfung befassen sich ferner § 3 Nr. 11 und § 5 Nr. 5 Buchst. a. Danach ist der Auszubildende für die Teilnahme an Abschlußprüfungen freizustellen; er behält insoweit aber seinen Vergütungsanspruch. Die gesamten, bis ins einzelne gehenden und daher als abschließend anzusehenden Regelungen ergeben, daß für die hier streitigen Aufwendungen ein Eintreten des Ausbildenden nicht vorgesehen ist.
II. Dem Kläger steht auch kein gesetzlicher Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten gegen die Beklagte zu. Insoweit ist zunächst § 31 Abs. 3 HandwerksO in Betracht zu ziehen, der nach § 73 BBiG anstelle von § 34 Abs. 3 BBiG gilt.
1. a) Nach § 31 Abs. 3 HandwerksO ist die Prüfung für den Lehrling. gebührenfrei. Der Begriff Gebühr hat einen eindeutigen Inhalt. Nach Creifelds, Rechtswörterbuch, 5. Aufl., Stichwort: Abgaben ist unter Gebühr ein gesetzlich geregeltes Entgelt für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltung zu verstehen. Die Auslagen, die einem Prüfling im Zusammenhang mit der Ablegung der Prüfung entstehen, sind nicht hierunter zu fassen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision sind die hier streitigen Auslagen nicht in analoger Anwendung von § 31 Abs. 3 HandwerksO zu erstatten. Aus dieser Vorschrift kann nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber den Auszubildenden von allen Kosten freistellen wollte, die im Zusammenhang mit der Gesellenprüfung entstehen können. Wenn nichts anderes vereinbart ist, muß der Lehrling die für die Ablegung der Prüfung etwa anfallenden Fahrt- und Übernachtungskosten daher selbst tragen (Kübler/Aberle/Schubert, Die deutsche Handwerksordnung, § 31 Rz 28).
2. Etwas anderes ist auch nicht aus § 6 BBiG zu entnehmen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG hat der Ausbildende wie im übrigen auch in § 3 Nr. 4 des Ausbildungsvertrages vereinbart, dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlußprüfungen erforderlich sind, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift die Ausbildungsmittel erwähnt, die zur Berufsausbildung und zur Ablegung der Prüfungen erforderlich sind. Er hat hierbei beispielhaft Werkzeuge und Werkstoffe aufgeführt. Sonstige Auslagen, die im Zusammenhang mit der Berufsausbildung und der Prüfung stehen, sind nicht erwähnt. Fahrtkosten und Übernachtungskosten sind nicht als Ausbildungsmittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG anzusehen. Für die Fahrtkosten zum Besuch der Berufsschule hat der Senat dies bereits im Urteil vom 11. Januar 1973 - 5 AZR 467/72 - (AP Nr. 1 zu § 6 BBiG) entschieden. Wenn der Gesetzgeber auch andere mit der Ausbildung oder Prüfung im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Ausbilder hätte auferlegen wollen, hätte er dies ausdrücklich getan. Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG scheidet daher ebenfalls aus.
III. 1. Ebenso wie § 6 BBiG legen auch andere gesetzliche Bestimmungen, nämlich §§ 7, 12 BBiG dem Ausbildenden keine weitergehenden Verpflichtungen auf, als sie im Ausbildungsvertrag enthalten sind. Es kann hierzu deshalb auf die Ausführungen zu I 2 verwiesen werden.
2. Entsprechendes gilt für die in Betracht zu ziehenden Vorschriften des Tarifvertrages über die Berufsbildung im Baugewerbe vom 7. Februar 1979 (§ 2 Nr. 2.2 und 4), die - wie der Arbeitsvertrag - darauf abstellen, daß eine überbetriebliche Ausbildungsmaßnahme vorliegt.
Dr. Thomas Michels-Holl Schneider
Dr. Koffka Scherer
Fundstellen
Haufe-Index 440023 |
BAGE 44, 351-355 (LT1) |
BAGE, 351 |
DB 1984, 1204-1204 (LT1) |
EzB HwO § 31, Nr 1 (LT1) |
ARST 1984, 82-83 (LT1) |
BlStSozArbR 1984, 243-244 (T) |
AP § 34 BBiG (LT1), Nr 1 |
MDR 1984, 434-434 (LT1) |