Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen Beschädigung seines Pkw
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Pkw des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden zu ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müßte (im Anschluß an das Urteil des Dritten Senats vom 8. Mai 1980 - 3 AZR 82/79 - BAGE 33, 108 = AP Nr 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers).
2. Wird der Privat-Pkw des Arbeitnehmers nicht während einer Dienstfahrt, sondern in der Zeit zwischen zwei am selben Tage durchzuführenden Dienstfahrten während des Parkens in der Nähe des Betriebes beschädigt, gehört auch dieses Vorhalten des Kraftwagens während der Innendienstzeit des Arbeitnehmers zum Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers. Der anderweitig nicht ersetzte Sachschaden ist vom Arbeitgeber auszugleichen.
Normenkette
BGB §§ 611, 670
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten der Reparatur seines Pkw zu erstatten.
Die Beklagte ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Wuppertal. Der Kläger ist seit dem 20. Mai 1985 als Fachberater in der Geschäftsstelle der Bezirksverwaltung Bad Kreuznach der Beklagten beschäftigt. Der Kläger ist überwiegend im Außendienst eingesetzt. Zu seinem Betreuungsgebiet gehören Teile der Stadt Bad Kreuznach, Teile der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach und Teile Rheinhessens. Für seine Tätigkeit benutzt er mit Einverständnis seiner Vorgesetzten seinen privateigenen Pkw. Die Beklagte erstattet pro Kilometer Fahrtkosten in Höhe von 0,52 DM. Der Kläger beginnt und beendet seine tägliche Arbeit regelmäßig in der Geschäftsstelle Bad Kreuznach, von wo er die einzelnen Dienstreisen antritt.
Am 19. März 1992 unternahm der Kläger gegen 10.30 Uhr mit seinem Pkw eine ca. einstündige Dienstfahrt. Danach parkte er gegen 11.30 Uhr seinen Wagen auf einer öffentlichen Straße in der Nähe der Geschäftsstelle. Anschließend erledigte er Innendienstarbeiten. Als er um 14.15 Uhr wieder den Außendienst antreten wollte, stellte er fest, daß sein Fahrzeug während der Parkzeit von einem Unbekannten beschädigt worden war. Für die Reparatur des Schadens mußte der Kläger 410,40 DM aufwenden. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 9. Juli 1993 die Erstattung des Parkschadens endgültig ab.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 410,40 DM
nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 13. Juli 1993
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, kraft tariflicher Verweisung im Ersatzkassentarifvertrag gelte im Verhältnis der Parteien das Bundesreisekostengesetz. Demgemäß gewähre sie Ersatz für Schäden während einer Dienstreise einschließlich eventueller Parkschäden nur für die während einer Dienstreise entstandenen Schäden. Der Schaden vom 19. März 1992 sei aber nicht während einer Dienstreise entstanden, sondern dem privaten Bereich des Klägers zuzuordnen. Als der Kläger in der Zeit von 11.30 Uhr bis 14.15 Uhr Innendiensttätigkeiten ausgeübt habe, habe er seinen Pkw nicht für Aufgaben der Beklagten eingesetzt. Eine andere Sicht würde zu einer grenzenlosen Haftung der Beklagten führen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision begehrt die Beklagte Klagabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger den an seinem Privat-Pkw am 19. März 1992 entstandenen Schaden in Höhe von 410,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juli 1993 zu ersetzen. Dieser Anspruch folge aus einer analogen Anwendung von § 670 BGB. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei davon auszugehen, daß der dem Kläger erwachsene Schaden dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sei. Das eingetretene Schadensrisiko habe sich zwar nicht während einer Dienstreise selbst realisiert, doch folge die Zuordnung zum Betätigungsbereich der Beklagten daraus, daß der Kläger wegen der Eigenart seiner Außendiensttätigkeit letztlich ganztags auf die Benutzung seines Privat-Pkw und damit auf dessen Vorhaltung auf einem Parkplatz auch während der Unterbrechung angewiesen sei. Es sei unstreitig, daß der Kläger regelmäßig seine Arbeitstätigkeit zunächst in der Arbeitsstelle beginne und von dort aus Außendiensttermine wahrnehme. Damit habe ihm die Möglichkeit, seinen Privat-Pkw lediglich für Dienstreisen zu benutzen, nicht offengestanden. Vielmehr sei er ganztägig zur Benutzung bzw. Vorhaltung seines Privat-Pkw gezwungen gewesen, denn die Einsatzplanung für die Tätigkeit des Klägers sei in der Regel morgens zwischen dem Vorgesetzten des Klägers und dem Kläger abgesprochen worden. Ohne den Einsatz des Kraftfahrzeuges durch den Kläger hätte die Beklagte ihrerseits einen eigenen Kraftwagen einsetzen müssen. Sie habe deshalb den eingetretenen Unfallschaden zu ersetzen, denn eine besondere Vergütung hierfür habe sie dem Kläger nicht geleistet. Insbesondere enthalte die gezahlte Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,52 DM/km keinen Ausgleich für Unfallkosten.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Mai 1980 (- 3 AZR 82/79 - BAGE 33, 108 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB-Gefährdungshaftung des Arbeitgebers) ist es ständige Rechtsprechung, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Pkw des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden ersetzen muß, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müßte.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Kläger seinen Privat-Pkw wegen der gegebenen Arbeitsaufgabe nicht nur während der jeweiligen Dienstfahrten, sondern auch in den Zwischenzeiten im Interesse der Beklagten einsetzte, als er es für weitere Dienstfahrten vorhielt. Angesichts der unstreitig erst zu Beginn eines jeden Arbeitstages erfolgenden Einsatzplanung und der nahezu täglich zu unternehmenden Dienstreisen mußte der Kläger seinen Privat-Pkw jedenfalls während seiner Arbeitszeit vorhalten, um entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen mit diesem Pkw Dienstfahrten unternehmen zu können. Wegen der Eigenart der Außendiensttätigkeit des Klägers hätte die Beklagte anderenfalls einen eigenen Kraftwagen zur Verfügung stellen müssen. Hierzu hätte die Beklagte diesen Kraftwagen auch während der Innendienstzeiten des Klägers vorhalten müssen. Das Risiko eines Unfalls oder der Beschädigung dieses Kraftwagens hätte die Beklagte dann nicht nur während der jeweiligen Dienstreisezeiten, sondern während der gesamten Arbeitszeit des Klägers getragen. Damit hat das Berufungsgericht zu Recht das am 19. März 1992 realisierte Unfallrisiko dem Betätigungsbereich der Beklagten als Arbeitgeberin zugeordnet. Da dem Kläger für die Tragung dieses Unfallrisikos keine besondere Vergütung geleistet worden ist und ihn am Eintritt des Sachschadens kein Mitverschulden trifft, hat ihm die Beklagte analog § 670 BGB den Schaden in voller Höhe zu ersetzen.
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Dr. Wittek Müller-Glöge Mikosch
Dr. Haible Mache
Fundstellen
Haufe-Index 441740 |
BB 1996, 433 |
BB 1996, 433-434 (LT1-2) |
DB 1996, 630 (LT1-2) |
DStR 1996, 1375 (K) |
NJW 1996, 1301 |
NJW 1996, 1301-1302 (LT1-2) |
BuW 1996, 303-304 (K) |
AiB 1996, 681-682 (LT1-2) |
BetrR 1996, 73 (LT1-2) |
ARST 1996, 87-88 (LT1-2) |
JR 1996, 528 |
JR 1996, 528 (L1-2) |
NZA 1996, 417 |
NZA 1996, 417-418 (LT1-2) |
ZAP, EN-Nr 237/96 (S) |
ZTR 1996, 374 (L1-2) |
AP § 611 BGB, Nr 13 |
AR-Blattei, ES 860 Nr 72 (LT1-2) |
AuA 1996, 399 (LT1-2) |
EzA-SD 1996, Nr 4, 7-8 (LT1-2) |
EzA § 611 BGB Arbeitgeberhaftung, Nr 4 (LT1-2) |
EzBAT § 8 BAT Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers, Nr 16 (LT1-2) |
NJ 1996, 616 (L) |
NZV 1996, 278-279 (LT) |
PERSONAL 1996, 445 (L1-2) |
Schaden-Praxis 1996, 344-345 (LT) |
VersR 1996, 783 (L) |
PflR 1997, 28 |