Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung – Befristeter Arbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Befristung des Arbeitsvertrags eines Sporttrainers kann nicht darauf gestützt werden, die Fähigkeit zur Motivation der anvertrauten Sportler lasse regelmäßig nach, wenn die zu betreuenden Sportler ohnehin während der vorgesehenen Befristungsdauer wechseln (im Anschluß an Senatsurteil vom 29. Oktober 1998 - 7 AZR 436/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Entleiher bei einer nach § 1 Abs. 2 AÜG als Arbeitsvermittlung zu bewertenden nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung führt nicht zur Beendigung des mit dem Verleiher begründeten Arbeitsverhältnisses (entgegen BAG Beschluß vom 10. Februar 1977 - 2 ABR 80/76 - BAGE 29, 7, 13 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972).
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 2, § 13; BGB § 620
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 1997 - 5 Sa 429/97 - aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12. Februar 1997 - 3 Ca 4026/96 - abgeändert. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Januar 1997 hinaus unbefristet fortbesteht.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1974 beim Beklagten als Bundestrainer angestellt und sogleich zum Deutschen Kanu-Verband abgeordnet worden. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war zunächst ein unbefristeter Arbeitsvertrag, der zu Beginn des Jahres 1981 in einen auf vier Jahre befristeten Arbeitsvertrag umgewandelt worden war. Der Vertrag wurde in der Folgezeit mehrfach um jeweils vier Jahre verlängert, zuletzt am 29. Januar 1993 zum 31. Januar 1997. Nach der vertraglichen Vereinbarung war der Kläger als Leitender Altersbereichstrainer – Junioren/Juniorinnen – für die Disziplin Kanurennsport tätig. Die Altersgruppe der Junioren/Juniorinnen umfaßt das Lebensalter von 16 bis 18 Jahren.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 1996 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er ihm über den 31. Januar 1997 hinaus keinen neuen Arbeitsvertrag anbieten werde. Ab sofort sei der Deutsche Kanu-Verband sein neuer Arbeitgeber, da das Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auf diesen übergegangen sei. Der Deutsche Kanu-Verband bot dem Kläger einen Arbeitsvertrag an, den dieser vorbehaltlich der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit annahm und auf dessen Grundlage er derzeit tätig ist.
Mit seiner am 9. Dezember 1996 eingereichten Klage hat der Kläger die Wirksamkeit der Befristung und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Deutschen Kanu-Verband in Abrede gestellt. Er hat diesem erstinstanzlich den Streit verkündet und beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Januar 1997 hinaus unbefristet fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Befristung des Arbeitsverhältnisses für wirksam gehalten, da ein Verschleißtatbestand vorliege. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auf den Deutschen Kanu-Verband übergegangen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die vereinbarte Befristung zum 31. Januar 1997 nicht beendet worden, weil es für sie an einem sachlichen Grund fehlte. Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auf den Streitverkündeten übergegangen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristung des Arbeitsvertrags zum 31. Januar 1997 zu Unrecht für wirksam gehalten. Ein Sachgrund für die Befristung liegt nicht vor.
1. Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluß an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 1986 (- 2 AZR 570/85 -, n.v.) einen sachlichen Grund für die Befristung im Vorliegen eines sog. Verschleißtatbestands gesehen. Im Bereich des Spitzensports seien Erfolge der Leistungssportler vornehmlich von der Fähigkeit des Trainers abhängig, Leistungsvermögen und Leistungswillen der von ihm Betreuten zu wecken. Den meisten Sporttrainern ginge nach Ablauf eines unterschiedlich langen Zeitraums die Fähigkeit verloren, die von ihnen betreuten Sportler zu besonderen Leistungen zu motivieren.
Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen dieses Sachgrunds für gegeben gehalten, weil der Kläger Leistungssportler im Bereich des Spitzenkanusports zu betreuen gehabt habe. Dabei sei es ohne Belang, daß es sich dabei lediglich um Junioren gehandelt habe. Auch diese würden dazu ausgebildet, an vielfältigen internationalen Wettbewerben erfolgreich teilzunehmen. Zwar unterscheide sich die Tätigkeit des Klägers von der eines „Seniorentrainers”, weil die ihm anvertrauten Junioren jeweils nur über einen absehbaren Zeitraum zu betreuen seien, bevor sie wegen ihres fortschreitenden Alters in den „Seniorenbereich” überwechselten. Dennoch unterliege die Tätigkeit des Klägers dem angesprochenen Verschleißtatbestand, da auch das jahrelange Bemühen eines Spitzentrainers im Nachwuchsbereich zwangsläufig einem Abnutzungsprozeß unterworfen sei und ungewollt zur nicht mehr begeisterungsfähigen Routine werden könne.
2. Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 29. Oktober 1998 - 7 AZR 436/97 - DB 1999, 853, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) kann die Befristung des Arbeitsvertrags eines Sporttrainers sachlich gerechtfertigt sein, wenn mit der Betreuung von Spitzensportlern oder besonders talentierten Nachwuchssportlern die Gefahr verbunden ist, daß die Fähigkeit des Trainers zur weiteren Motivation der anvertrauten Sportler regelmäßig nachläßt (sog. Verschleißtatbestand). Die Anerkennung dieses besonderen Verschleißtatbestands als sachlichen Befristungsgrund setzt jedoch voraus, daß die vereinbarte Befristung überhaupt geeignet ist, der Gefahr eines Verschleißes in der Beziehung zwischen dem Trainer und den zu betreuenden Sportlern wirksam vorzubeugen. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn die Verweildauer der zu betreuenden Sportler in der Obhut des Trainers kürzer bemessen ist als die vorgesehene Vertragszeit des Trainers. Der Befristungsgrund eines Verschleißes rechtfertigt sich nämlich nicht durch den Wechsel der Sportler, sondern allenfalls durch das Bedürfnis, den auf Dauer im Kader verbleibenden Sportler mit den Anforderungen eines anderen Trainers vertraut zu machen.
Nur der drohende Verschleiß der persönlichen Beziehung des Trainers zu den einzelnen Sportlern kann das Auswechslungsbedürfnis begründen, dem die Befristungsabrede Rechnung tragen soll. Diese für den Trainerberuf spezifische Verschleißgefahr besteht nicht, wenn die Sportler ohnehin in verhältnismäßig kurzen Abständen wechseln. Der Senat weist darauf hin, daß der allgemeine Verschleiß durch längere Ausübung desselben Berufs eine Befristung auch bei Trainern nicht rechtfertigen kann. Zahlreiche Berufstätigkeiten, insbesondere bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, können einem zur bloßen Routine führenden Abnutzungsprozeß unterliegen. Die objektive Umgehung von Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis ist damit nicht zu rechtfertigen.
b) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die vorliegend zu beurteilende Befristungsabrede schon deshalb als unwirksam, weil die Verweildauer der zu betreuenden Sportler jeweils kürzer war als die vierjährige Befristungsdauer des Arbeitsvertrags des Klägers. Als Junioren bzw. Juniorinnen standen die Sportler bzw. Sportlerinnen von ihrem 16. bis zum 18. Lebensjahr unter der Betreuung des Klägers. Soweit während des auf zwei Jahre beschränkten Zeitraums die Motivationsfähigkeit des Klägers gegenüber den von ihm zu betreuenden Nachwuchssportlern nachlassen sollte, konnte dem durch eine vierjährige Befristung nicht vorgebeugt werden.
II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes aufgelöst worden. Der Beklagte macht zu Unrecht geltend, das Arbeitsverhältnis sei beendet, weil es auf den Deutschen Kanu-Verband übergegangen sei. Weder liegt der Tatbestand der unerlaubten gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 AÜG mit der Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 AÜG vor noch rechtfertigt der Tatbestand einer unerlaubten Arbeitsvermittlung i.S.d. § 1 Abs. 2 AÜG die Annahme, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei beendet worden.
1. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Vertrag zwischen dem Kläger und ihm sei nach § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam und es sei gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem Entleiher fingiert. Diese Rechtsfolgen scheiden im vorliegenden Falle schon deshalb aus, weil der Beklagte nicht gewerbsmäßig handelt. Die für den Begriff der Gewerbsmäßigkeit erforderliche Gewinnerzielungsabsicht (vgl. statt aller BAG Urteil vom 21. März 1990 - 7 AZR 198/89 - BAGE 65, 43 = AP Nr. 15 zu § 1 AÜG, m.w.N.) liegt beim Deutschen Sportbund nicht vor.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konnte bei einer als unerlaubte Arbeitsvermittlung anzusehenden Überlassung nach § 1 Abs. 2 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Deutschen Kanu-Verband entstanden sein (Beschluß vom 10. Februar 1977 - 2 ABR 80/76 - BAGE 29, 7 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972; Urteil vom 23. November 1988 - 7 AZR 34/88 - BAGE 60, 205 = AP Nr. 14 zu § 1 AÜG; Urteil vom 1. Juni 1994 - 7 AZR 7/93 - AP Nr. 11 zu § 10 AÜG; Urteil vom 26. April 1995 - 7 AZR 850/94 - BAGE 80, 46 = AP Nr. 19 zu § 1 AÜG). Die Rechtsprechung entnahm diese Rechtsfolge dem § 13 AÜG, der durch Art. 63 AFRG mit Wirkung vom 1. April 1997 aufgehoben worden ist.
Daraus läßt sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht herleiten. Selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, daß durch die Überlassung des Klägers an den Streitverkündeten nach § 1 Abs. 2 AÜG vermutet wird, der Beklagte habe Arbeitsvermittlung betrieben und angenommen wird, der Beklagte könne diese Vermutung nicht widerlegen, führt dies allenfalls zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses des Klägers (auch) zum Streitverkündeten, nicht aber zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum Beklagten.
a) Der Senat läßt dahingestellt, ob auch nach der Aufhebung des § 13 AÜG daran festzuhalten ist, daß eine gemäß § 1 Abs. 2 AÜG als Arbeitsvermittlung zu bewertende nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher kraft Gesetzes führt (zum Streitstand vgl. etwa Düwell, BB 1997, 46; Groeger, DB 1998, 470). Der Senat geht zugunsten des Beklagten davon aus, daß die Aufhebung des § 13 AÜG für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung ist, weil der Kläger bereits im Jahre 1974 zum Streitverkündeten abgeordnet wurde und die Rechtsfolgen des § 13 AÜG daher schon während seiner Geltung eingetreten sein könnten. Damit wären die arbeitsvertraglichen Beziehungen des Klägers zum Beklagten jedoch nicht aufgelöst worden. Die angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, aufgrund des § 13 AÜG entstehe ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher, sollte dem Arbeitnehmer alle arbeitsvertraglichen Ansprüche gegen den Entleiher verschaffen, ohne seine Rechtsstellung gegenüber dem Verleiher zu beeinträchtigen. Die Begründung arbeitsvertraglicher Beziehungen eines Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber bewirkt nicht zwingend die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu einem bisherigen Arbeitgeber. Das gilt auch für ein nach § 13 AÜG entstandenes Arbeitsverhältnis (Schüren, AÜG, § 13 Rz 53 ff.). Es ist nicht gerechtfertigt, eine allein zum Zwecke des Arbeitnehmerschutzes entwickelte erweiternde Auslegung des § 13 AÜG dazu zu verwenden, dem Arbeitnehmer vertraglich begründete Rechte gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber zu nehmen, ohne daß dies, wie bei der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung durch § 9 AÜG, gesetzlich angeordnet ist. Deshalb bleibt auch bei Anwendbarkeit des § 13 AÜG auf den vorliegenden Sachverhalt das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten unberührt.
b) Allerdings hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluß vom 10. Februar 1977 (aaO) ohne nähere Begründung aus § 13 AÜG eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher hergeleitet. An dieser Rechtsprechung hält der nunmehr allein zuständige Senat nicht fest. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber widerspricht dem Schutzgedanken, der der Rechtsprechung zur Anwendung des damaligen § 13 AÜG zugrunde liegt.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Wilke, Straub
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.04.1999 durch Schiege, Justizsekretär z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436103 |
BAGE, 200 |
DB 1999, 2315 |
NWB 1999, 4141 |
ARST 2000, 1 |
FA 1999, 368 |
FA 2000, 21 |
JR 2000, 308 |
NZA 2000, 102 |
ZTR 2000, 38 |
AP, 0 |
AuA 2000, 336 |
JZ 2000, 372 |
MDR 1999, 1514 |
SpuRt 1999, 254 |