Entscheidungsstichwort (Thema)
Freigestelltes Betriebsratsmitglied. Anpassung der Vergütung an die betriebsübliche berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. Festlegung von Vergleichspersonen. Anpassung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
Orientierungssatz
1. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Vergleichbar iSv. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit ist nicht auf den Zeitpunkt der Freistellung, sondern auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen.
2. Vergütungserhöhungen vergleichbarer Arbeitnehmer, die das Betriebsratsmitglied ohne sein Mandat nicht beanspruchen könnte, haben bei der Bemessung der Vergütung nach § 37 Abs. 4 BetrVG außer Betracht zu bleiben. Daher kann ein Betriebsratsmitglied, das bei der Amtsübernahme bereits die höchste Steigerungsstufe der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe erreicht hat, einen Anspruch auf eine Vergütungserhöhung, die die regelmäßigen Tariferhöhungen übersteigt, nach § 37 Abs. 4 BetrVG nur erwerben, wenn ein Aufstieg der bei Amtsübernahme vergleichbaren Arbeitnehmer in den Kreis der außertariflichen Mitarbeiter betriebsüblich ist.
3. Die Betriebsparteien können konkretisierende betriebliche Vereinbarungen zu § 37 Abs. 4 BetrVG – zB zur Ermittlung vergleichbarer Arbeitnehmer – treffen. Solche Regelungen müssen sich allerdings im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG bewegen.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 5. März 2015 – 7 Sa 63/14 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 15.351,29 Euro nebst Zinsen im Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. August 2014 – 9 Ca 636/13 – zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.
Die Beklagte betreibt die Wartung, Instandhaltung und Ausstattung von Flugzeugen im Verbund des Konzerns der Deutsche Lufthansa AG. Der Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin im Betrieb in H beschäftigt. Er wurde nach dem Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1996 seit dem 16. Dezember 1996 bei der Beklagten als „Referent Bilanzen und Finanzen” mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden tätig. Zuletzt war er „Referent (REF 3) Infrastrukturmanagement” mit Schwerpunkt Controlling. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommen die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge zur Anwendung.
Im Betrieb der Beklagten in H ist ein Betriebsrat gebildet, dem der Kläger seit dem Jahr 2006 angehört. Seit dem 17. Mai 2010 ist er nach § 38 BetrVG freigestellt.
Bei Eintritt in den Betriebsrat im Jahr 2006 war der Kläger in der Funktion „Referent Bilanzen und Finanzen” in die höchste Vergütungsgruppe des zu diesem Zeitpunkt anwendbaren Vergütungstarifvertrags eingruppiert. Ab 31. Dezember 2006 kam bei der Beklagten ein neues tarifliches Vergütungssystem zur Anwendung. Im neuen Vergütungstarifvertrag Lufthansa Technik/ Informationstechnologie (VTV) sind für die höchste Vergütungsgruppe 4D ein Eingangs- und ein Endwert festgelegt. § 2 Abs. 5 Satz 1 VTV regelt für die Vergütungsgruppe 4D:
„Die jeweilige Höhe der Grundvergütung, die Vergütungsentwicklung und erreichbare Höchstvergütung in der Vergütungsgruppe 4D richtet sich nach Aufgabenstruktur, Schwierigkeit und Umfang des Arbeitsplatzes einerseits und dem/der jeweiligen Grad und Güte der Aufgabenerfüllung des Mitarbeiters andererseits.”
Zum Zeitpunkt der Überleitung des Klägers in das neue Vergütungssystem betrug seine monatliche Grundvergütung 4.957,14 Euro brutto und lag damit über dem Endwert der Vergütungsgruppe 4D. Der Kläger wurde in die Vergütungsgruppe 4D übergeleitet und erhielt fortan den Endwert in Höhe von 4.950,00 Euro brutto sowie eine Überleitungszulage in Höhe von 7,14 Euro. In der Folgezeit nahm der Kläger an den tariflichen Erhöhungen des Endwerts der Vergütungsgruppe 4D teil. Zum Zeitpunkt seiner Freistellung im Mai 2010 betrug sein Bruttomonatsgehalt 5.510,99 Euro einschließlich der Überleitungszulage, am 1. August 2013 belief es sich auf insgesamt 5.832,35 Euro.
Mit Arbeitnehmern, die auf nach Vergütungsgruppe 4D bewerteten Stellen tätig sind, kann ein außertariflicher Vertrag (AT-Vertrag) vereinbart werden. Bei diesen AT-Verträgen beträgt die Höchstjahresvergütung 105 % des Endwerts der Vergütungsgruppe 4D multipliziert mit 13 zzgl. eines Zuschlags zum Urlaubsgeld.
In einer zwischen der Deutsche Lufthansa AG und dem Konzernbetriebsrat abgeschlossenen „Regelungsvereinbarung über Grundsätze und Verfahren für die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern” vom 1. Januar 1996 (RV) ist auszugsweise bestimmt:
„A |
Grundlagen |
1. |
Die tarifvertraglichen Regelungen des VTV/Bodenpersonal für die Eingruppierung/Einstufung gelten unverändert auch für die Dauer der Freistellung. Zu Beginn der Freistellung erhält das Betriebsratsmitglied die zuletzt gezahlte Vergütung weiter; sie ist Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung. Die gesetzlichen Vorgaben sind |
a) |
die Betriebsüblichkeit |
b) |
das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot. |
2. |
Die betriebsübliche berufliche Entwicklung des freigestellten Betriebsratsmitgliedes soll durch |
a) |
Festlegung von Vergleichspersonen und deren Vergütungsentwicklung … gewährleistet werden. |
… |
|
B |
Verfahren |
I. |
Vergleichspersonen |
1. |
Anzahl |
Bei Beginn der Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes werden grundsätzlich drei Vergleichspersonen – möglichst aus seinem regionalen Einsatzbereich – festgelegt. Lassen sich weniger oder gar keine Vergleichspersonen ermitteln, sind die Gründe hierfür aktenkundig zu machen. … |
2. |
Festlegung |
Die Festlegung der Vergleichspersonen erfolgt in Übereinstimmung zwischen Geschäftsleitung, örtlichem Betriebsrat und dem betroffenen Betriebsratsmitglied. Das Ergebnis der Übereinstimmung ist schriftlich niederzulegen und zur Personalakte zu nehmen; das betroffene Betriebsratsmitglied erhält eine Kopie. |
3. |
Veränderungen |
Wenn einzelne oder alle Vergleichspersonen wegfallen (Pensionierung, Kündigung, Tod) oder aus anderen Gründen nicht mehr vergleichbar erscheinen (z. B. Berufswechsel, eigener beruflicher Umstieg – siehe III unten), sind auf Antrag eines der Beteiligten neue Vergleichspersonen zu suchen und ggf. festzulegen. … |
4. |
Vergütungsentwicklung |
a) |
Das freigestellte Betriebsratsmitglied nimmt an der durchschnittlichen Vergütungsentwicklung der festgelegten Vergleichspersonen teil (s. Anlage). Bei der Berechnung der Vergütungsgruppe werden Zwischenwerte auf- bzw. abgerundet; die Vergütungsstufen der Vergleichspersonen bleiben außer Betracht. |
…” |
|
Als Vergleichspersonen des Klägers wurden am 27. April 2012 die Arbeitnehmer G, M und H festgelegt. Herr G und Herr M sind beide als „Referent 3 Controlling” tätig und waren von Mai 2010 bis November 2013 in die Vergütungsgruppe 4D eingruppiert, hatten aber deren Endwert nicht erreicht. Herr H (REF 3 EDV Projektkoordination Infrastruktur) war bis zum 31. März 2011 in die Vergütungsgruppe 4D eingruppiert und hatte – wie der Kläger – deren Endwert erreicht. Zum 1. April 2011 schloss er mit der Beklagten einen AT-Vertrag. In der Zeit vom 17. Mai 2010 bis zum 19. September 2013 erhöhten sich die Vergütungen der drei Vergleichspersonen durchschnittlich um 13,92 % (G 13,02 %, M 12,09 %, H 16,09 %). Die Vergütung des Klägers stieg in diesem Zeitraum um 5,83 %.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Anpassung seiner Vergütung an die durchschnittliche prozentuale Vergütungsentwicklung der drei Vergleichspersonen im Zeitraum von Mai 2010 bis November 2013 verlangt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch folge aus § 37 Abs. 4 BetrVG iVm. der Regelungsvereinbarung. Nach der Regelung in B. I. 4. RV nehme er an der durchschnittlichen Vergütungsentwicklung der Vergleichspersonen teil. An die Festlegung dieser Vergleichspersonen müsse sich die Beklagte halten. Die Regelungsvereinbarung weiche nicht von § 37 Abs. 4 BetrVG ab, sondern konkretisiere die gesetzlichen Vorgaben. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass der Endwert der Vergütungsgruppe 4D bei Herrn G und Herrn M zu Beginn seiner Freistellung noch nicht erreicht gewesen sei. Unerheblich sei auch, dass Herr H mittlerweile einen AT-Vertrag abgeschlossen habe. Allen Mitarbeitern, die auf einem mit 4D bewerteten Arbeitsplatz beschäftigt werden, dürfe ein AT-Vertrag angeboten werden. Nahezu die Hälfte aller Mitarbeiter auf einem 4D-Arbeitsplatz sei auf der Grundlage eines AT-Vertrags beschäftigt. Der Wechsel in den AT-Bereich sei nicht unüblich.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.375,11 Euro brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 52,27 Euro seit dem 27. Januar 2011,
aus 52,27 Euro seit dem 27. Februar 2011,
aus 52,27 Euro seit dem 27. März 2011,
aus 52,27 Euro seit dem 27. April 2011,
aus 219,30 Euro seit dem 27. Mai 2011,
aus 310,60 Euro seit dem 27. Juni 2011,
aus 207,07 Euro seit dem 27. Juli 2011,
aus 483,35 Euro seit dem 27. August 2011,
aus 207,07 Euro seit dem 27. September 2011,
aus 207,07 Euro seit dem 27. Oktober 2011,
aus 207,07 Euro seit dem 27. November 2011,
aus 310,60 Euro seit dem 27. Dezember 2011,
aus 272,88 Euro seit dem 27. Januar 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. Februar 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. März 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. April 2012,
aus 2.249,11 Euro seit dem 27. Mai 2012,
aus 383,67 Euro seit dem 27. Juni 2012,
aus 311,98 Euro seit dem 27. Juli 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. August 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. September 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. Oktober 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. November 2012,
aus 383,67 Euro seit dem 27. Dezember 2012,
aus 255,78 Euro seit dem 27. Januar 2013,
aus 255,78 Euro seit dem 27. Februar 2013,
aus 255,78 Euro seit dem 27. März 2013,
aus 255,78 Euro seit dem 27. April 2013,
aus 3.525,78 Euro seit dem 1. Mai 2013,
aus 383,67 Euro seit dem 27. Juni 2013,
aus 326,27 Euro seit dem 27. Juli 2013,
aus 255,78 Euro seit dem 27. August 2013,
aus 452,87 Euro seit dem 27. September 2013,
aus 452,87 Euro seit dem 27. Oktober 2013,
aus 679,27 Euro seit dem 27. November 2013,
zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, die Regelungsvereinbarung gewähre keine individuellen Ansprüche. Der Anspruch des Klägers folge auch nicht aus § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Die festgelegten Vergleichspersonen G und M seien mit dem Kläger nicht vergleichbar, weil sie den Endwert der Vergütungsgruppe 4D noch nicht erreicht hatten und ihre Vergütung anders als die des Klägers noch habe gesteigert werden können. Herr H habe keine betriebsübliche berufliche Entwicklung genommen. Der Wechsel in den AT-Bereich sei nicht betriebsüblich. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Abschluss eines AT-Vertrags. Er würde vielmehr unzulässig begünstigt, wenn ihm ein Entgelt gewährt würde, das über dem Endwert der Vergütungsgruppe 4D liege.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil zu einem geringen Teil abgeändert, die Klage in Höhe von 23,82 Euro brutto nebst Zinsen abgewiesen und die Berufung der Beklagten im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, soweit dieses der Klage stattgegeben hat. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe nach § 37 Abs. 4 BetrVG Anspruch auf eine Vergütungsnachzahlung in Höhe von 15.351,29 Euro brutto nebst Zinsen, hält mit der gegebenen Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger Anspruch auf die begehrte Vergütungszahlung hat. Hierzu bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts.
I. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
1. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden (BAG 14. Juli 2010 – 7 AZR 359/09 – Rn. 30; 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 15; 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe). § 37 Abs. 4 BetrVG garantiert dem Betriebsratsmitglied allerdings nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten. Nach dem Zweck der Vorschrift, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen, kommt es vielmehr darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist (BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – aaO).
2. Vergleichbar iSv. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (vgl. BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu II 1 der Gründe; 15. Januar 1992 – 7 AZR 194/91 – zu II 1 a der Gründe; 11. Dezember 1991 – 7 AZR 75/91 – zu II der Gründe). Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Da § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG konkretisiert, darf die Anwendung der Vorschrift auch nicht zu einer Begünstigung des Betriebsratsmitglieds gegenüber anderen Arbeitnehmern führen. Deshalb ist die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht. Nicht ausreichend ist es deshalb, dass das Betriebsratsmitglied bei der Amtsübernahme in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung einem vergleichbaren Arbeitnehmer vollkommen gleichgestanden hat oder die Besserstellung eines oder mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer auf individuellen, nur auf diese bzw. diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen beruht (vgl. BAG 4. November 2015 – 7 AZR 972/13 – Rn. 22; 14. Juli 2010 – 7 AZR 359/09 – Rn. 30).
3. Das Betriebsratsmitglied hat während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts. Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, kommt es darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden. Handelt es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, kann für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden kann (BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe).
II. Danach durfte das Landesarbeitsgericht mit der gegebenen Begründung der Klage nicht in Höhe von 15.351,29 Euro nebst Zinsen stattgeben.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers folge aus § 37 Abs. 4 BetrVG. Dabei seien die Bestimmungen der Regelungsvereinbarung zu berücksichtigen. Zwar erwüchsen dem Kläger aus der Regelungsvereinbarung unmittelbar keine Ansprüche. Diese konkretisiere aber die Ermittlung der Vergütungsentwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG. Der in der Regelungsvereinbarung vorgesehene Weg zur Ermittlung der Vergütungsentwicklung stehe in Übereinstimmung mit § 37 Abs. 4 und § 78 Satz 2 BetrVG. An die Bestimmung der drei Vergleichspersonen nach der Regelungsvereinbarung seien die Parteien gebunden. Der Kläger habe Anspruch auf die durchschnittliche Vergütungssteigerung der drei Vergleichspersonen. Unerheblich sei, dass Herr G und Herr M den Endwert der Vergütungsgruppe 4D nicht erreicht hatten. Der Beklagten sei dieser Umstand bei der Benennung der Vergleichspersonen bekannt gewesen. Es sei auch unerheblich, dass Herr H zum 1. April 2011 einen AT-Vertrag abgeschlossen habe. Zum einen sei auch dieser auf einer 4D-Stelle tätig, zum anderen sei er im Zeitpunkt der Festlegung als Vergleichsperson bereits außertariflicher Mitarbeiter gewesen. Im AT-Bereich sei eine weitere Gehaltsentwicklung möglich. Es sei auch von einer betriebsüblichen Entwicklung der Vergleichspersonen auszugehen. Dabei beschränke sich die Entwicklung vorliegend auf eine Erhöhung der jeweiligen Vergütung, weil die Vergleichspersonen nach ihrer Benennung keine beruflichen oder statusrechtlichen Veränderungen mehr genommen hätten. Allein der Umstand, dass der Kläger den Tabellenendwert der Vergütungsgruppe 4D bereits erreicht habe, stehe seinem Anspruch nicht entgegen, da ein weiterer Aufstieg des Klägers in den AT-Bereich möglich sei.
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger aus der Regelungsvereinbarung keine unmittelbaren Ansprüche erwachsen, da es sich bei dieser um eine Regelungsabrede handelt. Anders als eine Betriebsvereinbarung, die nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend normative Wirkungen gegenüber den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern erzeugt, begründet eine Regelungsabrede nur Rechte und Pflichten der Betriebsparteien untereinander (vgl. BAG 21. Januar 2003 – 1 ABR 9/02 – zu B II 2 c aa (2) der Gründe mwN). Die Betriebsparteien haben die Vereinbarung nicht als Betriebsvereinbarung, sondern als „Regelungsvereinbarung” bezeichnet. Sie enthält im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren relevante Frage der Anpassung an die Vergütungsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer nach § 37 Abs. 4 BetrVG Verfahrensbestimmungen und normiert damit schuldrechtliche Pflichten der (Konzern-)Betriebsparteien untereinander. Sie haben mit diesen Regelungen lediglich die im Gesetz enthaltenen Grundsätze durch konkretisierende Bestimmungen ausfüllen wollen, ohne diesen normative Wirkung iSv. § 77 Abs. 4 BetrVG zu verleihen.
b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Bestimmungen der Regelungsvereinbarung im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 4 BetrVG erfüllt sind, Berücksichtigung finden können. Es ist zulässig, konkretisierende betriebliche Vereinbarungen zu § 37 Abs. 4 BetrVG – etwa zum Verfahren der Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer – zu treffen. Solche Regelungen müssen sich aber im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG bewegen. § 37 Abs. 4 BetrVG ist als Ausprägung des Benachteiligungsverbots des § 78 Satz 2 BetrVG und wesentlicher Teil der Konzeption der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in § 37 BetrVG zwingend und kann weder durch Tarifvertrag noch aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede abgeändert werden. Regelungen zur Durchführung der Vorschrift müssen sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des § 37 BetrVG halten (vgl. zu § 37 Abs. 3 BetrVG: BAG 28. September 2016 – 7 AZR 248/14 – Rn. 33; zu § 37 Abs. 2 BetrVG: BAG 13. Juli 1994 – 7 AZR 477/93 – zu 2 der Gründe, BAGE 77, 195; Fitting 28. Aufl. § 37 Rn. 4; Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 37 Rn. 8).
c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Parteien seien im Rahmen der Prüfung, ob der Kläger nach § 37 Abs. 4 BetrVG eine Erhöhung seiner Vergütung beanspruchen kann, an die nach der Regelungsvereinbarung erfolgte Festlegung der Arbeitnehmer G, M und H als Vergleichspersonen gebunden, ist dies auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat die Bestimmung dieser Arbeitnehmer als Vergleichspersonen für zulässig gehalten, ohne Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob diese bereits im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger im Jahr 2006 mit diesem vergleichbar waren. Nach B. I. 1. RV werden „bei Beginn der Freistellung” eines Betriebsratsmitglieds grundsätzlich drei Vergleichspersonen festgelegt. Die Einigung auf die Vergleichspersonen G, M und H erfolgte demnach am 27. April 2012 offenbar rückwirkend zum Beginn der Freistellung am 17. Mai 2010. Auch die vom Kläger begehrte Teilhabe an der durchschnittlichen Vergütungsentwicklung der drei Vergleichspersonen beschränkt sich auf den Zeitraum ab seiner Freistellung. Das entspricht nicht den Vorgaben des § 37 Abs. 4 BetrVG. Danach sind vergleichbar die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren. Nach dem Zweck der Vorschrift, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen (vgl. BT-Drs. VI/2729 S. 23), kommt es darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der (gesamten) Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist (BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe; 17. Mai 1977 – 1 AZR 458/74 – zu 3 der Gründe). Dazu, ob eine Vergleichbarkeit im Zeitpunkt der Amtsübernahme im Jahr 2006 bestand, hat das Landesarbeitsgericht bislang keine Feststellungen getroffen.
d) Soweit das Landesarbeitsgericht dem Kläger die durchschnittliche prozentuale Vergütungserhöhung der drei Vergleichspersonen in der Zeit von Mai 2010 bis November 2013 zuerkannt hat, ist dies zudem mit den Vorgaben des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht vereinbar, weil der Kläger damit unter Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG unzulässig begünstigt wird.
aa) § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG garantiert einem freigestellten Betriebsratsmitglied nicht den absolut gleichen Lohn wie ihn vergleichbare Arbeitnehmer erhalten. Vergütungserhöhungen, auf die das Betriebsratsmitglied vor seiner Amtsübernahme keinen Anspruch hatte oder, wenn es arbeitete, nicht hätte, haben bei der Bemessung seines Arbeitsentgelts nach der Wahl zum Betriebsratsmitglied außer Betracht zu bleiben. Wollte man dies anders beurteilen, dann erhielte das freigestellte Betriebsratsmitglied uU einen mit § 78 Satz 2 BetrVG nicht zu vereinbarenden Vorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern (vgl. BAG 17. Mai 1977 – 1 AZR 458/74 – zu 2 der Gründe). Deshalb kann ein Betriebsratsmitglied, das – wie der Kläger – bei der Amtsübernahme bereits die höchste tarifliche Vergütungsgruppe erreicht hat und für das eine weitere Vergütungssteigerung innerhalb des tariflichen Vergütungssystems nicht vorgesehen ist, einen Anspruch auf eine – über die regelmäßigen Tariferhöhungen hinausgehende – weitere Vergütungserhöhung nach § 37 Abs. 4 BetrVG nur dann erwerben, wenn innerhalb des Kreises der bei Amtsübernahme vergleichbaren Arbeitnehmer eine Entwicklung in den Kreis der außertariflichen Mitarbeiter betriebsüblich ist.
bb) Damit kann ein Anspruch des Klägers auf eine Erhöhung der Vergütung nicht mit den tariflichen Vergütungssteigerungen der Arbeitnehmer M und G innerhalb der Bandbreite der Vergütungsgruppe 4D im Zeitraum von Mai 2010 bis November 2013 begründet werden. Deren nach § 2 Abs. 5 VTV erfolgten Vergütungsanpassungen hätte der Kläger auch ohne sein Betriebsratsamt nicht mehr erhalten können, da er bereits den Endwert der Vergütungsgruppe 4D erreicht hatte. Die regelmäßigen Tariferhöhungen hat auch der Kläger erhalten. Die Vergütungserhöhungen der Arbeitnehmer M und G haben daher bei der Ermittlung des Anpassungsanspruchs des Klägers nach § 37 Abs. 4 BetrVG außer Betracht zu bleiben. Anderenfalls würde der Kläger unter Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG unzulässig begünstigt. Dies ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb anders zu beurteilen, weil der Beklagten im Zeitpunkt der Festlegung der Arbeitnehmer M und G als Vergleichspersonen bekannt war, dass diese im Gegensatz zum Kläger den Endwert der Vergütungsgruppe 4D noch nicht erreicht hatten. § 78 Satz 2 BetrVG verbietet auch und gerade bewusste Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern. Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungs- oder Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig (vgl. BAG 20. Januar 2010 – 7 ABR 68/08 – Rn. 10).
cc) Ein Anspruch des Klägers auf eine Anpassung an die Gehaltsentwicklung des weiteren in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Arbeitnehmers H kann nur bestehen, wenn ein Aufstieg von Arbeitnehmern der Vergütungsgruppe 4D in den Kreis der AT-Angestellten eine betriebsübliche berufliche Entwicklung darstellt. Das ist nur dann der Fall, wenn nach den betrieblichen Gepflogenheiten die Mehrzahl der im Zeitpunkt der Amtsübernahme vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht hat oder dem Kläger ein AT-Vertrag hätte angeboten werden müssen. Dazu hat das Landesarbeitsgericht bislang keine Feststellungen getroffen.
dd) Schließlich entspricht es auch nicht den Vorgaben des § 37 Abs. 4 BetrVG, dass das Landesarbeitsgericht dem Kläger den Durchschnitt der Vergütungserhöhungen der drei Vergleichspersonen zuerkannt hat. Eine solche Vergütung hätte der Kläger ohne Mandat nicht erreichen können, da er entweder Tarifangestellter der Vergütungsgruppe 4D geblieben wäre – dann hätte er lediglich die regelmäßigen Tariferhöhungen beanspruchen können – oder er einen AT-Vertrag abgeschlossen hätte – in diesem Fall hätte er an den Vergütungssteigerungen der Tarifangestellten nicht mehr teilgenommen.
III. Diese Rechtsfehler führen zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, soweit dieses der Klage stattgegeben hat.
Ein Anspruch des Klägers auf eine Vergütungsnachzahlung kann nur bestehen, wenn eine Entwicklung von Vergleichspersonen, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme des Klägers im Jahr 2006 ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie dieser ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie er fachlich und persönlich qualifiziert waren, in den AT-Bereich betriebsüblich ist. Unter dieser Voraussetzung stünde dem Kläger nach § 37 Abs. 4 BetrVG ein Anspruch auf Anpassung an die Entwicklung des Arbeitsentgelts dieser Personen zu. Ob das der Fall ist, kann der Senat nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen. Das Landesarbeitsgericht wird nach Zurückverweisung – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – insoweit weitere Feststellungen zu treffen und diese zu würdigen haben.
Unterschriften
Gräfl, Kiel, Waskow, R. Gmoser, Jacobi
Fundstellen
Haufe-Index 10851723 |
BB 2017, 1331 |