Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede. Betriebliche Übung
Leitsatz (redaktionell)
1. In der Entscheidung vom 14.12.2005 (– 4 AZR 536/04 – aaO) hat der Senat angekündigt, einzelvertragliche Verweisungsklauseln auf einschlägige Tarifwerke auch bei tarifgebundenen Arbeitgebern nur dann als Gleichstellungsabreden anzusehen, wenn der Gleichstellungswille – d.h. die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und der Wille, das Tarifwerk nur für die Dauer dieser Tarifgebundenheit dynamisch anzuwenden – hinreichend deutlich aus den Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien oder den für beide Seiten erkennbaren Umständen des Vertragsschlusses hervorgeht. Wegen der durch die bisherige Rechtsprechung geschaffenen Vertrauenslage sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen die Auslegungsregel auf dynamische Verweisungsklauseln, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 vereinbart worden seien (sog. Altverträge), jedoch weiterhin anzuwenden.
2. Der Vertrauensschutz für Altverträge ist mit der Übergangsregelung zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der damit spätestens zum 01.01.2003 bewirkten Erstreckung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht vereinbar.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 611; TVG § 1 Tarifverträge: DRK
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 08.03.2006; Aktenzeichen 16 Sa 146/06) |
ArbG Osnabrück (Urteil vom 20.12.2004; Aktenzeichen 5 Ca 235/04) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. März 2006 – 16 Sa 146/05 – wird zurückgewiesen.
2. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. März 2006 – 16 Sa 146/05 – aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers stattgegeben hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 20. Dezember 2004 – 5 Ca 235/04 – wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Vergütungstarifvertrages des öffentlichen Dienstes auf ihr Arbeitsverhältnis sowie eine betriebliche Übung der Beklagten und daraus resultierende Vergütungsansprüche des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 1. November 1989 als Kfz-Mechaniker und -Elektriker bei dem Beklagten beschäftigt und wird derzeit nach VergGr. VIb Anl. 10a zum DRK-TV vergütet.
Der zwischen den Parteien am 1. Dezember 1989 abgeschlossene Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
“3. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde. …
6. Die Beschäftigung beim Deutschen Roten Kreuz, Rettungsdienst und Krankentransport im Landkreis Osnabrück e.V., ist nicht öffentlicher Dienst. …”
Der Beklagte war zunächst Mitglied der DRK-Landestarifgemeinschaft in Niedersachsen GbR (im Folgenden: DRK-LTG Nds.). Die DRK-LTG Nds. ist ihrerseits Mitglied der (Bundes-)Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, die mit der Gewerkschaft ver.di (früher: ÖTV) zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen hat. Am 31. Januar 1984 hatten die Tarifpartner eine Vereinbarung abgeschlossen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
“Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen
Zwischen der
Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Bonn,
einerseits, und der
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand –, Stuttgart,
andererseits, wird unter Berücksichtigung der internationalen und nationalen Stellung und Aufgabenstellung des Deutschen Roten Kreuzes folgende Vereinbarung geschlossen:
TEIL I
§ 1
(1) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß gleichzeitig mit dieser Vereinbarung ein Tarifvertrag zwischen ihnen abgeschlossen wird.
(2) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß der Tarifvertrag nach Abs. 1 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Die Arbeitsbedingungen enthalten dabei Bestandteile, welche mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A), und solche Bestandteile, welche besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten (Katalog B).
§ 2
Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.
§ 3
(1) Die Vertragsparteien führen Verhandlungen über die Materien, die im Katalog B zu regeln sind.
(2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.
§ 4
(1) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit dem BAT inhaltlich nicht identisch sind, verpflichten sich die Vertragsparteien, im Fall der Nichteinigung bei den Tarifverhandlungen alles zu unternehmen, um einen Arbeitskampf zu vermeiden.
(2) Kommt zwischen den Vertragsparteien eine Einigung nicht zustande, so findet das Verfahren nach §§ 5 ff. dieser Vereinbarung Anwendung.
§ 5
(1) Sind zwischen den Parteien die Vertragsverhandlungen gescheitert, oder verweigert eine Vertragspartei Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen, dann kann jede der Vertragsparteien die Schlichtungsstelle anrufen.
(2) Das Nähere regelt die gleichzeitig abgeschlossene Schlichtungsvereinbarung.”
Am selben Tage wurde neben der in § 5 Abs. 2 der Vereinbarung über die Rahmenbedingungen (im Folgenden: RahmenV) angesprochene Schlichtungsregelung auch der “Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes” (im Folgenden: DRK-TV) abgeschlossen, dessen Wirkung seit dem 1. Januar 1991 auf das “Tarifgebiet West” (alte Bundesländer) beschränkt ist, und in dem ua. – in weiten Teilen am BAT orientiert – die materiellen Arbeitsbedingungen der DRK-Mitarbeiter normiert sind.
In der Folgezeit wurden die Tarifabschlüsse für den Bereich BAT Bund/Länder jeweils durch eigene Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ÖTV (später: ver.di) vereinbart.
Am 31. Januar 2003 wurde zwischen der Gewerkschaft ver.di und der dbbtarifunion einerseits und dem Bund und der TdL andererseits auf Grund einer am 9. Januar 2003 erzielten Einigung im Rahmen des 78. Änderungstarifvertrages zum BAT der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 (im Folgenden: VTV 35) sowie für die Arbeiter des Bundes und der Länder der Monatslohntarifvertrag Nr. 5 zum MTArb (MLTV Nr. 5) abgeschlossen. In diesen Tarifverträgen wurde ua. eine Erhöhung der Vergütung der Arbeitnehmer in drei Stufen festgesetzt, nämlich ab 1. Januar 2003 (für die Vergütungsgruppen BAT III – I erst ab 1. April 2003) um 2,4 Prozent sowie ab 1. Januar 2004 und ab 1. Mai 2004 um je ein weiteres Prozent.
Die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft des DRK traten in Verhandlungen ein, die sich ua. auch mit den sich aus dem VTV 35 und den anderen Tarifverträgen vom 31. Januar 2003 ergebenden Änderungen im öffentlichen Dienst befassten. Es kam jedoch zunächst zu keiner Einigung. Gleichwohl gab der Beklagte die Erhöhung von 2,4 Prozent rückwirkend ab dem 1. Januar 2003 an seine Mitarbeiter weiter. In einem Rundschreiben an die Mitarbeiter vom 10. März 2003 informierte der Beklagte wie folgt:
“Tariferhöhung 2003
Im Ergebnis wurde mit der Tarifrunde 2003 beschlossen, die Löhne und Gehälter linear um 2,4 % zu erhöhen. Für die Monate des Vorjahres wurde eine Einmalzahlung vereinbart.
Als Kompensation wurde neben der langen Laufzeit des Tarifvertrages der Wegfall des letzten AZV-Tages vereinbart. Ferner wurde beschlossen, die zweijährigen altersmäßigen Stufensteigerungen betragsmäßig befristet zu halbieren.
Diese Beschlüsse ziehen eine Reihe von Arbeiten nach sich, die sowohl seitens des Rechenzentrums, als auch von uns bewältigt werden müssen.
Aufgrund dessen erfolgen die Gehaltsanpassungen in zwei Schritten:
– Mit der Abrechnung März 2003 werden zunächst einmal die Einmalzahlungen in Höhe von maximal 185,00 Euro berücksichtigt. Ferner erfolgt bereits die Anpassung von Besitzstandswahrungen.
– Mit der Abrechnung April 2003 werden dann rückwirkend die Gehaltssteigerungen nachberechnet. Dann erfolgt auch die Halbierung der altersmäßigen Stufensteigerungen, sofern diese bereits in den abgerechneten Monaten zum Tragen gekommen ist.
Die Kürzung des AZV-Tages wurde schon in den Resturlaubslisten berücksichtigt.”
Zum 31. März 2003 trat der Beklagte aus der DRK-LTG Nds. aus.
Die während des Jahres 2003 zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ver.di geführten Verhandlungen über einen weiteren Änderungstarifvertrag, der ua. auch die Ergebnisse des VTV 35 in der bisher geübten Weise in den Bereich des DRK übertragen sollte, führten am 19. November und 19. Dezember 2003 zur Unterzeichnung des 23. Tarifvertrages zur Änderung des DRK-TV (im Folgenden: 23. ÄndTV-DRK). Dieser sah (“… gemäß § 3 Absatz 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen …”) die Übernahme der “für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit Datum vom 31.01.2003 geschlossenen Tarifverträge zur Anpassung der Vergütungen und Löhne, Ausbildungsvergütungen, Entgelte für Ärzte/Ärztinnen im Praktikum, Praktikantenvergütungen, Orts- und Sozialzuschläge, Zulage usw. einschließlich der Regelung zu einer Einmalzahlung im März 2003” vor; ausdrücklich ausgenommen dagegen wurde die dort gleichfalls vorgesehene Einmalzahlung für November 2004.
Mit Rundschreiben an seine Mitarbeiter vom 18. November 2003 teilte der Beklagte mit, dass er davon ausgehe, dass der VTV 35 nicht anwendbar sei. Er wolle die Rückforderung der 2,4-prozentigen Lohnerhöhung für die Monate Mai bis Oktober 2003 jedoch vorerst nicht “realisieren”. Die Lohnerhöhung werde auch weiter gezahlt, allerdings unter Vorbehalt der Rückforderung. Die Lohnerhöhungen von jeweils einem Prozent zum 1. Januar und 1. Mai 2004 würden nicht gezahlt werden; die im VTV 35 vorgesehenen Verschlechterungen (Wegfall des AZV-Tages, Zahlungstermin Monatsmitte, Steigerung der Altersstufe) würden gleichfalls nicht mehr umgesetzt. Mit weiterem Schreiben vom 13. April 2004 wiederholte der Beklagte seinen Vorbehalt betr. die weiterhin geleistete Erhöhung um 2,4 Prozent, setzte die Rückforderung jedoch bis zur gerichtlichen Klärung aus.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei an den VTV 35 und die Weitergabe der dort vereinbarten Lohnerhöhungen gebunden. Dies ergebe sich schon aus der sog. “Tarifautomatik”, wonach die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst ohne weiteres Bestandteil des DRK-TV würden. Außerdem sei die Geltung der Tarifverträge des DRK einzelvertraglich vereinbart worden. Es handele sich dabei nicht um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung, so dass der Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds. zum 31. März 2003 für den Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien ohne Bedeutung sei und die im 23. ÄndTV-DRK ausdrücklich in den DRK-TV übernommenen Vergütungserhöhungen auch für den Kläger gölten. Im Übrigen handele es sich bei der Gewährung der 2,4-prozentigen Vergütungserhöhung um eine betriebliche Übung des Beklagten, die jedenfalls in dieser Höhe einen eigenständigen Anspruch begründe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 241,50 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 64,04 Euro vom 1. Juni 2004 bis zum 31. März 2005 sowie aus 241,50 Euro seit dem 1. April 2005 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab April 2005 eine lineare Tariferhöhung des Lohnes des Klägers um 1 % zu zahlen,
3. festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, vom Kläger die Rückzahlung der Vergütungserhöhung von 2,4 % für die Monate April 2003 und fortlaufend zu fordern.
Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der VTV 35 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde, weil seine normative Wirkung erst durch Abschluss des 23. ÄndTV-DRK vom 19. November/19. Dezember 2003 und damit nach Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds. und nach dem Ende der Tarifbindung des Beklagten begründet worden sei. Eine anderweitige Geltung des VTV 35 sei auch nicht mit § 3 Abs. 2 RahmenV iVm. § 67 Abs. 3 DRK-TV zu begründen, da diese Regelungen keine unmittelbare Geltung der BAT-Vereinbarungen bewirke. Dies zeige sich auch aus der Praxis der Übernahme der Regelungen des öffentlichen Dienstes durch jeweils eigenständige Tarifverträge im Bereich des DRK. Auch liege eine betriebliche Übung des Beklagten nicht vor, da beide Parteien zunächst davon ausgegangen seien, dass ein Anspruch des Klägers auf die Leistung aus einem anderen Rechtsgrunde, nämlich der Anwendbarkeit des VTV 35 auf das Arbeitsverhältnis bestanden habe. Auch ein nur vermeintlicher Normvollzug hindere die Annahme einer betrieblichen Übung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers dem Feststellungsantrag Ziff. 3 stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger die einprozentige Lohnerhöhung ab 1. Januar 2004 weiter geltend. Der Beklagte verfolgt dagegen seinen umfassenden Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet, die des Beklagten dagegen begründet. Dem Kläger steht die Vergütungserhöhung weder in der von ihm geltend gemachten noch in der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Höhe zu.
A. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsanspruch des Klägers auf die Weiterzahlung der 2,4-prozentigen Vergütungserhöhung unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung für begründet gehalten. Der Beklagte sei wegen des Charakters der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel nach seinem Austritt aus der DRK-LTG Nds. nicht verpflichtet gewesen, die Vergütungserhöhung im öffentlichen Dienst von 2,4 Prozent weiterzugeben, die für das DRK erst nach dem Austritt aus der DRK-LTG Nds. im November 2003 wirksam tariflich vereinbart worden sei. Gleichwohl habe er die Zahlung geleistet, so dass der Kläger habe davon ausgehen können, dass ihm diese Leistung ohne anderweitige Verpflichtung habe gewährt werden sollen. Damit habe er einen vertraglichen Anspruch. Eine betriebliche Übung könne auch dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage die Leistung erbringe. Aus diesem Grund habe der Kläger auch einen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die darüber hinaus unter Berufung auf die unmittelbare Geltung des VTV 35 geltend gemachten Zahlungsansprüche stünden ihm jedoch nicht zu.
B. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist unbegründet, die des Beklagten dagegen begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die im VTV 35 geregelten Vergütungserhöhungen.
I. Der in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag des Klägers ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur teilweise zulässig.
1. Der Feststellungsantrag des Klägers ist unzulässig, soweit er sich auf den Zeitraum vor dem 1. Mai 2003 bezieht.
a) Mit einer Feststellungsklage kann auch das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses geltend gemacht werden, wenn der Kläger hieran ein berechtigtes Interesse hat, § 256 Abs. 1 ZPO. Dies ist ua. dann der Fall, wenn sich der Gegner eines eigenen Rechtes gegenüber dem Kläger berühmt, insbesondere einer Forderung (Musielak/Foerste ZPO 5. Aufl. § 256 Rn. 9 f. mwN), deren Bestehen der Kläger bestreitet. Das berechtigte Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung des Nichtbestehens der Forderung geht dabei aber nur so weit, wie die Forderung des Gegners reicht.
b) Danach hat der Kläger lediglich ein Feststellungsinteresse für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2003. Für die Zeit ab Dezember 2003 folgt dies bereits daraus, dass die 2,4-prozentigen Vergütungserhöhungen vom Beklagten nur unter Vorbehalt geleistet werden. Entsprechendes gilt für den vorhergehenden Zeitraum, weil der Beklagte auch diesbezüglich von einem seiner Ansicht nach bestehenden Rückforderungsrecht ausgeht, das lediglich vorerst nicht geltend gemacht werde. Für die Zeit vor dem 1. Mai 2003 gilt dies allerdings nicht. Denn der Beklagte hat sich im Schreiben vom 18. November 2003 bezüglich des zurückliegenden Zeitraums lediglich auf einen Vorbehalt für die Rückforderung der 2,4-prozentigen Vergütungssteigerung für die Monate Mai bis Oktober 2003 bezogen. Soweit der negative Feststellungsantrag des Klägers auch eine Rückforderung für den Monat April 2003 einbezieht, ist er deshalb unzulässig.
2. Im Übrigen ist der Antrag des Klägers zulässig. Soweit der Kläger die “lineare Tariferhöhung des Lohnes” verlangt, ist der Antrag zwar aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich und klar, da die maßgeblichen Vergütungsanteile, auf die sich die “lineare Tariferhöhung des Lohnes” bezieht, nicht angegeben sind. Da aber das Landesarbeitsgericht nicht auf eine entsprechende Klarstellung hingewirkt hat und der Antrag im Zusammenhang mit der Klagebegründung noch hinreichend bestimmbar ist, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zur Zulässigkeit der Heranziehung der Klagebegründung für die Auslegung des Antrages vgl. BGH 7. Juni 2001 – I ZR 21/99 – NJW 2001, 3789, 3790 mwN), ist er zulässig.
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger die von ihm begehrte Vergütungserhöhung von einem Prozent seit Januar 2004 nicht zusteht.
1. Der Kläger kann sich nicht auf die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel hinsichtlich des DRK-TV berufen. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel der Parteien um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der Senatsrechtsprechung handelt, die bei Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, etwa – wie hier – durch Verbandsaustritt, dazu führt, dass danach abgeschlossene Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis keine Wirkung mehr entfalten.
a) Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen, wenn andere für die Auslegung der vertraglichen Bezugnahme gem. §§ 133, 157 BGB bedeutsame Umstände dem nicht entgegenstehen. Die Auslegungsregel beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer Bezugnahmeklausel in einem Arbeitsvertrag eines tarifgebundenen Arbeitgebers nur die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzt werden soll. Sie soll auf schuldrechtlichem Wege zur Anwendung der Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis mit dem Inhalt führen, wie er für die tarifgebundenen Arbeitnehmer in diesen Fällen ohnehin gilt. Der Arbeitnehmer nimmt auf Grund einer Gleichstellungsabrede grundsätzlich an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge teil. Diese vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet aber, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, zB durch den Austritt des Arbeitgebers aus dem zuständigen Arbeitgeberverband, durch das Herausfallen des Betriebes aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages oder durch den Übergang des Betriebes oder Teilbetriebes, in dem die betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt sind, auf einen nicht tarifgebundenen neuen Arbeitgeber. Ebenso wie nach den einschlägigen tarifrechtlichen Regelungen (§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG; § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) in solchen Fallkonstellationen für den tarifgebundenen Arbeitnehmer die weiteren Änderungen oder Ergänzungen der einschlägigen Tarifverträge mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit tarifrechtlich nicht mehr gelten, finden sie auf Grund der Gleichstellungsabrede auch nicht mehr in den Arbeitsverhältnissen der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im Senatsurteil 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32).
b) In der Entscheidung vom 14. Dezember 2005 (– 4 AZR 536/04 – aaO) hat der Senat angekündigt, die fragliche Auslegungsregel nicht mehr anzuwenden, sondern einzelvertragliche Verweisungsklauseln auf einschlägige Tarifwerke auch bei tarifgebundenen Arbeitgebern nur dann als Gleichstellungsabreden anzusehen, wenn der Gleichstellungswille, dh. die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und der Wille, das Tarifwerk nur für die Dauer dieser Tarifgebundenheit dynamisch anzuwenden, hinreichend deutlich aus den Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien oder den für beide Seiten erkennbaren Umständen des Vertragsschlusses hervorgeht. Wegen der durch die bisherige Rechtsprechung geschaffenen Vertrauenslage sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen die Auslegungsregel auf dynamische Verweisungsklauseln, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden seien (sog. Altverträge), jedoch weiterhin anzuwenden.
c) Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien als Gleichstellungsabrede auszulegen. Arbeitsvertrag und Bezugnahmeklausel sind vor dem Stichtag abgeschlossen. Der Vertrauensschutz für Altverträge ist mit der Übergangsregelung zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der damit spätestens zum 1. Januar 2003 bewirkten Erstreckung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht vereinbar. Der Senat hat bereits in der angeführten Entscheidung vom 14. Dezember 2005 (– 4 AZR 536/04 – Rn. 27, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32) darauf hingewiesen, dass Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB dem befürworteten Vertrauensschutz nicht entgegensteht, und hat diese Auffassung im Urteil vom 18. April 2007 (– 4 AZR 652/05 –) noch einmal bestätigt und erläutert.
d) Wegen des Charakters der Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede wird das Arbeitsverhältnis der Parteien von dynamischen Veränderungen des in Bezug genommenen Tarifvertrages nach Ende der Tarifgebundenheit nicht mehr erfasst. Da der Beklagte zum 31. März 2003 aus der DRK-LTG Nds. ausgetreten ist und die Vergütungserhöhungen für die verbleibenden Mitglieder der DRK-LTG Nds. erst mit Abschluss des 23. ÄndTV-DRK am 19. November/19. Dezember 2003 vereinbart worden sind, finden sie auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
2. Das Landesarbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Regelungen über die Vergütungserhöhungen aus dem VTV 35 nicht bereits mit dessen Abschluss im Januar 2003, also vor dem Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds., vermittelt über eine sog. “Tarifautomatik” im Arbeitsverhältnis der Parteien Geltung erlangt haben. Die Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst in den Bereich des DRK erfolgte nicht ohne jeden weiteren Übertragungsakt, sondern bedurfte jeweils des Abschlusses eines eigenen Tarifvertrages des DRK mit der Gewerkschaft ÖTV bzw. ver.di, um die materiellen Arbeitsbedingungen derjenigen Arbeitnehmer des DRK zu regeln, deren Arbeitsverhältnisse sich tariflich oder auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung nach dem DRK-TV richten. Das hat der Senat aus Anlass der Übertragung der Regelungen des VTV 35 in den Bereich des DRK bereits in mehreren, dem Streitfall insoweit parallelen Fällen entschieden und begründet (zB 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; 11. Oktober 2006 – 4 AZR 581/05 –). Hieran hält der Senat fest.
III. Die Revision des Beklagten ist begründet. Soweit die Klage nicht unzulässig ist, ist sie unbegründet. Mit der Zahlung der 2,4-prozentigen Lohnerhöhung von April bis Oktober 2003 hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine betriebliche Übung begründet, auf die der Kläger sich für seinen Feststellungsanspruch gemäß Antrag Ziff. 3 beziehen kann.
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter betrieblicher Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (Senat 16. Juni 2004 – 4 AZR 417/03 –; 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191, 197; BAG 11. April 2006 – 9 AZR 500/05 – AP BGB § 667 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 667 Nr. 1; 16. Januar 2002 – 5 AZR 715/00 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; 4. Mai 1999 – 10 AZR 290/98 – BAGE 91, 283, 287). Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (Senat 16. Juni 2004 – 4 AZR 417/03 –; BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 111/05 – AP BetrVG § 77 Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 14; 16. Januar 2002 – 5 AZR 715/00 – aaO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat (BAG 28. Juni 2006 – 10 AZR 385/05 – AP BGB § 242 Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7). Eine betriebliche Übung entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war (BAG 19. Juni 2001 – 1 AZR 598/00 – EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 67; 27. Juni 1985 – 6 AZR 392/81 – BAGE 49, 151, 159) oder irrtümlich auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage sich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (Senat 16. Juni 2004 – 4 AZR 417/03 –; 16. Oktober 2002 – 4 AZR 467/01 – BAGE 103, 141, 150). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar auf Grund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer auch ohne diese Rechtspflicht gewährt werden (Senat 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191, 197 f.; BAG 11. November 1997 – 3 AZR 163/96 –; 30. Mai 2006 – 1 AZR 111/05 – aaO). Auf nicht erkennbare subjektive Vorstellungen des Arbeitgebers allein kommt es nicht an (HWK/Thüsing 2. Aufl. BGB § 611 Rn. 232).
2. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte mit der Weitergabe der Vergütungserhöhung von 2,4 Prozent bis Oktober 2003 keine betriebliche Übung begründet.
a) Die Beurteilung, ob aus den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen eine betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen entstanden ist oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (BAG 28. Juni 2006 – 10 AZR 385/05 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7 mwN). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Zehnten Senats und der gleichlautenden herrschenden Auffassung in der Literatur (Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 73 Rn. 15; GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2007 § 73 Rn. 42; ArbGG-Bepler 2. Aufl. § 73 Rn. 18) an.
b) Die Begründung einer betrieblichen Übung scheidet aus, weil der Beklagte die Leistungen auf Grund einer anderweitigen vermeintlichen Verpflichtung, nämlich des VTV 35 iVm. dem DRK-TV, erbracht hat. Davon sind die Parteien nach dem 1. April 2003 übereinstimmend ausgegangen. Das ergibt sich aus einer Reihe von Anhaltspunkten.
aa) Die Höhe der Vergütungssteigerung von 2,4 Prozent, die der Beklagte rückwirkend ab Januar 2003 an alle Arbeitnehmer geleistet hat, ist unmittelbar dem VTV 35 entnommen. Ein anderer Bezug der Vergütungserhöhung, insbesondere der konkreten Steigerung um 2,4 Prozent ist nicht zu erkennen.
bb) Der Beklagte hat in einem Rundschreiben vom 10. März 2003 alle Mitarbeiter ausführlich über den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst unterrichtet und hierbei an erster Stelle die Vergütungserhöhung von 2,4 Prozent genannt. Ferner wurden die Mitarbeiter auch über die sie treffenden negativen Folgen des Tarifabschlusses informiert. Die danach erfolgte Umsetzung dieser angekündigten Maßnahmen musste sich damit auch für den Kläger als Erfüllung der vermeintlichen tariflichen Verpflichtung darstellen.
cc) Der Kläger hat diese Leistung ebenso wie die im VTV 35 vorgesehene und von dem Beklagten geleistete Einmalzahlung als ihm vermeintlich zustehend entgegengenommen. Als der Beklagte am 18. November 2003 die Mitarbeiter darüber informierte, dass wegen der Rechtsunsicherheit über die Geltung des VTV 35 die weiteren Vergütungserhöhungen zum 1. Januar und 1. Mai 2004 von jeweils einem Prozent nicht vorgenommen werden würden, die bereits angekündigten Rückforderungen der gewährten 2,4 Prozent seit Mai 2003 jedoch vorerst nicht geltend gemacht würden, erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht und verlangte vom Beklagten die Erfüllung von dessen Verpflichtungen “nach diesem Tarifvertrag”.
dd) Diese Argumentation einer rechtlichen Verpflichtung der Beklagten hat der Kläger trotz der nicht seinem Vorbringen entsprechenden Begründung des Berufungsurteils für die fehlende Berechtigung des Beklagten zur Rückforderung der geleisteten Erhöhung von 2,4 Prozent auch in der von ihm wegen der weiteren Erhöhung von einem Prozent eingelegten Revision ausdrücklich weiterverfolgt.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Creutzfeldt, Günther, Görgens
Fundstellen