Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Arbeitslohn. Kündigung. Prozeßrecht
Orientierungssatz
- Die Beweiskraft des Tatbestands eines Urteils und damit die Bindungswirkung für das Revisionsgericht entfällt, soweit die tatsächlichen Feststellungen der Berufungsentscheidung Unklarheiten enthalten, Lücken aufweisen oder widersprüchlich sind.
- Solche Widersprüche sind von Amts wegen – auch ohne entsprechende Revisionsanträge – zu berücksichtigen.
Normenkette
ZPO §§ 314, 565 Abs. 1 nF; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. Oktober 2001 – 1 Sa 296 a/01 – aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 14. Februar 2001 – 4 Ca 1556 c/00 – zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Beklagten die Klage abgewiesen hat.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über eine von der Beklagten zu 1) ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung und über Vergütungsansprüche.
Die Klägerin war seit dem 1. Februar 1989 als Buchhaltungskraft bei der Firma t.… in M.…, deren Inhaber ihr Vater war, tätig. Sie bezog für eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden eine Vergütung, die sich aus einem Grundgehalt in Höhe von 3.500,00 DM, einer nicht spezifizierten Zulage in Höhe von 300,00 DM, einer Zulage für Nichtfehlen in Höhe von 200,00 DM sowie vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 26,00 DM zusammensetzte.
Die Klägerin befand sich von 1993 bis 1996 nach der Geburt ihres ersten Kindes im Erziehungsurlaub. Während dessen war sie im Betrieb als Teilzeitkraft beschäftigt. Der Umfang ihrer Arbeitszeit und die Höhe ihrer Vergütung nach Ablauf ihres ersten Erziehungsurlaubs im Juni 1996 sind zwischen den Parteien streitig. Bis 1996 erhielt die Klägerin Weihnachtsgeld in Höhe von zuletzt 450,00 DM und bis 1997 Urlaubsgeld in Höhe von zuletzt 901,00 DM.
Die Klägerin nahm nach der Geburt ihres zweiten Kindes ab 1. September 1997 bis 1. September 2000 erneut Erziehungsurlaub.
Nach dem Tod ihres Vaters im Dezember 1998 wurde über dessen Vermögen der Nachlaßkonkurs eröffnet. Der Konkursverwalter veräußerte den Betrieb zum 1. Februar 1999. Ob die Beklagte zu 1) oder die Beklagte zu 2) den Betrieb erwarb, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit einem an die Firma t.… gerichteten Schreiben vom 6. Juli 2000 bat die Klägerin um Mitteilung, wie die weitere Zusammenarbeit nach dem Ende des Erziehungsurlaubs gestaltet werden sollte. Die Beklagte zu 1) kündigte mit Schreiben vom 4. April 2000, der Klägerin am 3. August 2000 zugegangen, das Arbeitsverhältnis zum 1. September 2000. Nach Erhebung der Kündigungsschutzklage erkannte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28. August 2000 den geltend gemachten Anspruch an und teilte mit, die Klägerin werde nach Ablauf ihres Erziehungsurlaubs weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 31. August 2000, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes zum 31. Januar 2001.
Die Klägerin nahm am 4. September 2000 ihre Arbeit im Betrieb in M.… wieder auf und arbeitete jeweils vier Stunden montags bis donnerstags. Vom 13. September 2000 bis 14. Januar 2001 war sie arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 22. September 2000 teilte die Beklagte zu 1) mit, die Kündigung vom 31. August 2000 sei unwirksam und kündigte erneut das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2001 wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes. Ab 15. Januar 2001 arbeitete die Klägerin wieder im Betrieb M.…
Mit Schriftsatz vom 24. November 2000 hat die Klägerin ihre Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert.
Die Klägerin hat vorgetragen: Sie habe in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) gestanden. Die Firma t.… sei im Frühjahr 1999 von der Beklagten zu 2) erworben worden. Diese habe in M.… eine Zweigniederlassung errichtet.
Zur Beklagten zu 1) habe sie in keinem unmittelbaren Arbeitsverhältnis gestanden. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 1) sei erst am 7. Dezember 1999 geschlossen worden, eine Eintragung ins Handelsregister erst am 14. Februar 2000 erfolgt. Die Beklagten zu 1) und 2) bildeten zusammen mit der Komplementärin der Beklagten zu 2), der Firma S.… GmbH, einen Konzern. Es sei davon auszugehen, daß sie in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis im Sinne eines Konzernarbeitsverhältnisses zu “der Beklagten” stehe.
Das Schreiben vom 22. September 2000 enthalte eine Änderungskündigung, die sozial nicht gerechtfertigt sei. Sie könne im Betrieb in H.… weiterbeschäftigt werden. Außerdem verstoße die Kündigung gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB. Auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Ihr stehe bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.026,00 DM (Grundgehalt 2.500,00 DM, vermögenswirksame Leistungen 26,00 DM, nicht spezifizierte Zulage 300,00 DM, Zulage für Nichtfehlen 200,00 DM) zu. Sie habe deshalb einen Vergütungsanspruch für September und Oktober 2000 in Höhe von jeweils 3.026,00 DM brutto abzüglich gezahlter 1.026,50 DM bzw. 898,50 DM brutto, für den Zeitraum 15. Januar bis 31. Januar 2001 in Höhe eines halben Gehalts abzüglich gezahlter 706,50 DM brutto und für Februar 2001 in Höhe von 3.026,00 DM brutto abzüglich gezahlter 1.480,00 DM brutto. Ferner stünden ihr für die Jahre 1997 bis 1999 jeweils 450,00 DM Weihnachtsgeld und für die Jahre 1998 bis 2000 jeweils 900,00 DM Urlaubsgeld auf Grund der betrieblichen Übung zu. Seit Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sei sämtlichen Mitarbeitern jedes Jahr vorbehaltlos sowohl Urlaubs- als auch Weihnachtsgeld gezahlt worden.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten zu 1) vom 4. April 2000, 31. August 2000 und 22. September 2000 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 28. Februar 2001 hinaus fortbesteht;
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 8.177,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen hierauf seit 14. Februar 2001 zu zahlen.
Die Beklagten haben zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 22. September 2000 sei sozial gerechtfertigt. Durch die Verlegung der Buchhaltung nach H.… sei der Arbeitsplatz im Mai/Juni 2000 weggefallen. Der damaligen teilzeitbeschäftigten Vertreterin der Klägerin sei wirksam zum 31. August 2000 gekündigt worden. Aus dem Anhörungsschreiben, das von der Betriebsratsvorsitzenden Frau R.… entgegengenommen worden sei, ergebe sich, daß die Kündigung im Betriebsrat behandelt worden sei.
Die Gehaltsansprüche der Klägerin seien erfüllt. Es sei nicht nachvollziehbar, daß die Klägerin als ungelernte Buchhaltungskraft für überwiegend normale Buchhaltungsaufgaben schon 1997 einen Stundenlohn von 47,00 DM erhalten haben solle. Ansprüche auf Weihnachts- sowie Urlaubsgeld seien nicht substantiiert dargetan.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten zu 1) vom 4. April 2000 und 31. August 2000 nicht aufgelöst worden ist. Es hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung der Vergütung in Höhe von 4.127,00 DM brutto und 806,50 DM brutto verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Beklagten hat es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Zahlungsklage, soweit die Beklagten zu mehr als 1.297,84 DM brutto verurteilt worden sind, abgewiesen.
Mit ihrer vom Bundesarbeitsgericht durch Beschluß vom 30. Juli 2002 – 3 AZN 929/01 – zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die zweitinstanzlich geltend gemachten Feststellungen und ihre weitergehenden Zahlungsansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF).
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 22. September 2000 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28. Februar 2001 aus dringenden betrieblichen Erfordernissen beendet. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei im Betrieb M.… weggefallen, weil die Beklagte die gesamte Buchhaltung der Firma t.… aus diesem Betrieb in ihren Firmensitz in H.… integriert habe. Das Kündigungsschreiben vom 22. September 2000 enthalte eine Beendigungs- und keine Änderungskündigung. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere nicht an § 102 BetrVG.
Die Klägerin könne als Vergütung für die Monate September und Oktober 2000 und Januar und Februar 2001 nur noch insgesamt 1.297,64 DM brutto von den Beklagten als Gesamtschuldnern beanspruchen. Da die Vergütung von 2.500,00 DM brutto für ihre Teilzeitbeschäftigung im Hinblick auf den Beschäftigungsumfang nicht dem Gehalt der Klägerin vor ihrem ersten Erziehungsurlaub entspreche, sei die der Klägerin ab 4. September 2000 zustehende Vergütung im Rahmen von § 612 Abs. 2 BGB vom Gericht neu zu berechnen gewesen. Auf der Grundlage der in den einzelnen Abrechnungen aufgeführten – unstreitigen – Arbeitsstunden und unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen ergebe sich der zugesprochene Restbetrag. Weitergehende Ansprüche bestünden nicht.
B. Dem folgt der Senat nicht. Ob der Feststellungsantrag und das weitere Zahlungsbegehren der Klägerin begründet sind, kann auf Grund der bisherigen, lückenhaften Tatsachenfeststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Rechtsstreit war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO aF).
I. Das Berufungsurteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die rechtliche Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung der Beklagten zu 1) habe das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam beendet, von seinen Feststellungen nicht getragen wird. Die Ausführungen des Berufungsgerichts und des Arbeitsgerichts, auf dessen Tatbestand das Berufungsurteil ausdrücklich Bezug genommen hat, sind widersprüchlich und erlauben dem Senat keine hinreichend sichere rechtliche Beurteilung des Parteivorbringens (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF).
1. Das tatsächliche Vorbringen einer Partei ist in erster Linie dem Tatbestand des Urteils zu entnehmen (§ 314 ZPO). Es ist anerkannt, daß vom Geltungsbereich des § 314 ZPO auch die tatsächlichen Feststellungen erfaßt werden, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind (BGH 19. Mai 1998 – XI ZR 216/97 – BGHZ 139, 36, 39; 17. Mai 2000 – VIII ZR 216/99 – NJW 2000, 3007). Dazu gehört auch die Frage, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht. Die Beweiskraft des Tatbestandes und damit die Bindungswirkung für das Revisionsgericht entfällt aber, soweit die Feststellungen Unklarheiten enthalten, Lücken aufweisen oder widersprüchlich sind (BGH 13. Februar 1981 – I ZR 67/79 – BGHZ 80, 64, 67; 5. Oktober 1988 – VIII ZR 222/87 – BGHR ZPO § 314 Widersprüchlichkeit Nr. 2; 9. März 1995 – III ZR 44/94 – BGHR ZPO § 314 Widersprüchlichkeit Nr. 4; 17. Mai 2000 – VIII ZR 216/99 – aaO). Ein solcher Widerspruch ist – auch ohne entsprechende Revisionsanträge – von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH 9. Juli 1993 – V ZR 262/91 – NJW 1993, 2530, 2531; 9. März 1995 – III ZR 44/95 – aaO). Beruht die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts auf derartigen Feststellungen, die dem Revisionsgericht keine hinreichend sichere Beurteilung des Parteivorbringens erlauben, so ist das Berufungsurteil schon wegen dieses Mangels aufzuheben (BGH 17. Mai 2000 – VIII ZR 216/99 – aaO).
2. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils ist lückenhaft und in sich widersprüchlich. Für den erkennenden Senat ist nicht nachvollziehbar, von welcher tatsächlichen Grundlage die Vorinstanzen bei der Prüfung des Streitfalles ausgegangen sind. Zwar hat das Landesarbeitsgericht wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes in grundsätzlich zulässiger Weise auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen und lediglich dessen Fortentwicklung in der Berufungsinstanz wiedergegeben. Jedoch ist auch der in Bezug genommene Tatbestand genauso unklar wie die weiteren zweitinstanzlichen Feststellungen. Dies gilt schon für die Frage, wer Arbeitgeber ist. Ohne diese Feststellung kann weder entschieden werden, wer die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam erklären konnte noch wer zur Zahlung offener Vergütungsansprüche verpflichtet ist.
a) Das Arbeitsgericht hat keine widerspruchsfreien Feststellungen getroffen, wer Arbeitgeber der Klägerin war. Es hat im streitigen Vorbringen der Beklagten aufgeführt, diese seien nach dem Erwerb der Firma t.… zunächst davon ausgegangen, die Buchhaltung in M.… belassen zu können. Weiter hat es das Vorbringen der Beklagten zu 1) wiedergegeben, nach dem sie, die Beklagte zu 1), am 1. Februar 1999 den Betrieb aus der Konkursmasse mit den Folgen des § 613a BGB erworben habe. Andererseits hat es im streitigen Vorbringen der Klägerin aufgeführt, die Beklagte zu 1) sei erst auf Grund Gesellschaftsvertrages vom 7. Dezember 1999 errichtet und am 14. Februar 2000 eingetragen worden, also zu einem späteren Zeitpunkt entstanden. Es hat weiter mitgeteilt, die Firma t.… sei im Frühjahr 1999 von der Beklagten zu 2) aufgekauft worden. Die Klägerin habe nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1), wohl aber zur Beklagten zu 2) gestanden. Nach Auffassung der Klägerin sei davon auszugehen, sie stehe in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis im Sinne eines Konzernarbeitsverhältnisses zu “der Beklagten”. Damit läßt sich aus den erstinstanzlichen Feststellungen nicht erschließen, wer kündigungsberechtigte Arbeitgeberin der Klägerin war. Auch die Entscheidungsgründe geben keinen näheren Aufschluß über die tatsächlichen Grundlagen, von denen das Arbeitsgericht insoweit ausgegangen ist. Vielmehr führt das Arbeitsgericht sogar aus, daß die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen bedingt sei, denn die Beklagte (welche?) habe die gesamte Buchhaltung t.… aus M.… in ihren Firmensitz H.… integriert.
b) Auch das Landesarbeitsgericht hat weder mit seinem Tatbestand noch in seinen Entscheidungsgründen klargestellt, mit wem das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestand. Es hat vielmehr ausgeführt, “das Arbeitsverhältnis der Parteien” sei durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 22. September 2000 fristgemäß beendet worden. Es hat damit gerade nicht festgestellt, zwischen wem das Arbeitsverhältnis bestanden hat. Es scheint sogar von einem Arbeitsverhältnis der Parteien, also der zwei Beklagten auf Arbeitgeberseite, ausgegangen zu sein. Andererseits spricht es in den Entscheidungsgründen an anderer Stelle von der Beklagten bzw. davon, die Beklagte sei Arbeitgeber. Sollte das Landesarbeitsgericht aber von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis zu den beiden Beklagten ausgegangen sein, hätte es zum einen dahingehender weiterer Feststellungen und zum anderen auch einer näheren Begründung bedurft. Hinzu kommt, daß das Landesarbeitsgericht auch nicht weiter begründet hat, warum ein solches einheitliches Arbeitsverhältnis ggf. durch die allein von der Beklagten zu 1) ausgesprochene Kündigung wirksam beendet werden konnte. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (27. März 1981 – 7 AZR 523/78 – BAGE 37, 1), daß auch auf Arbeitgeberseite mehrere natürliche oder juristische Personen an einem Arbeitsverhältnis beteiligt sein können. Ein solches einheitliches Arbeitsverhältnis kann dann im Regelfall aber nur von und gegenüber allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden. Sollte das Landesarbeitsgericht aber davon ausgegangen sein, das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestehe nur zu einer Beklagten, hätte es Feststellungen dazu treffen müssen, zu wem es, der Beklagte zu 1) oder 2), bestanden hat. Für eine solche Feststellung bestand nach dem bisherigen – streitigen – Vorbringen der Parteien genügend Anlaß.
II. Die Klärung der Frage, wer Arbeitgeberin der Klägerin war, ist auch nicht deshalb obsolet, weil bereits über die Kündigungsschutzklage der Klägerin gegen die Kündigungen vom 4. April 2000 und vom 31. August 2000 rechtskräftig entschieden worden ist.
1. Das Arbeitsgericht hat rechtskräftig festgestellt, daß durch die von der Beklagten zu 1) erklärten Kündigungen vom 4. April und 31. August 2000 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zB 28. Februar 1995 – 5 AZB 24/94 – AP GVG § 17 a Nr. 17 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 51; 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 -EzA KSchG § 4 nF Nr. 31; 12. Januar 1977 – 5 AZR 593/75 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 3 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 11; 17 November 1958 – 2 AZR 277/58 – BAGE 7, 51; 13. November 1958 – 2 AZR 573/57 – BAGE 7, 36) steht zwar mit der Rechtskraft eines Urteils, das einer Kündigungsschutzklage stattgibt, zugleich fest, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bzw. zum Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien bestanden hat. Es wird also regelmäßig auch rechtskräftig über das Bestehen rechtlicher Bindungen zwischen den Parteien entschieden (BAG 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – aaO). Etwas anderes gilt aber dann, wenn das rechtskräftige erstinstanzliche Urteil in seinem Tenor und in seiner Begründung unklar ist.
2. Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils vom 14. Februar 2001, das zwischen einer klagenden und zwei beklagten Parteien ergangen ist, ist auf Grund seiner nicht eindeutigen Fassung auslegungsfähig und -bedürftig. Zur Auslegung sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen (BGH 27. Februar 1961 – III ZR 16/60 – BGHZ 34, 337, 339; 1. Juli 1986 – VI ZR 120/85 – NJW 1987, 371; 16. März 1999 – XI ZR 209/98 – NJW-RR 1999, 1006;Stein/Jonas-Leipold ZPO 21. Aufl. § 322 Rn. 179). Aber auch unter deren Heranziehung läßt sich – wie schon unter I 2 der Gründe dargelegt – nicht ermitteln, mit wem das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Kündigungszeitpunkt bestand. Vielmehr ist sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen teilweise von den Beklagten im Plural, teilweise auch von der Beklagten im Singular die Rede. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die Vorinstanzen die rechtliche Bedeutung mehrerer Parteien auf der Arbeitgeberseite nicht ausreichend erkannt haben. Diese auch unter Zuhilfenahme von Tatbestand und Entscheidungsgründen nicht zu beseitigende Unklarheit des Urteilstenors führt dazu, daß das arbeitsgerichtliche Urteil vom 14. Februar 2001 insofern wirkungsgemindert ist als sein Satz 1, der die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 4. April 2000 und 31. August 2000 festgestellt hat, nicht in vollem Umfang in materielle Rechtskraft erwachsen kann (vgl. Stein/Jonas-Leipold 21. Aufl. ZPO § 322 Rn. 194 und Stein/Jonas-Grunsky vor § 578 Abs. 1 Rn. 13). Es steht zwar fest, daß die Kündigungen nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, nicht jedoch steht zugleich rechtskräftig fest, zu wem ein Arbeitsverhältnis bestand.
III. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zunächst klären müssen, wer Arbeitgeberin der Klägerin gewesen ist.
1. Sollte die Beklagte zu 1) Arbeitgeberin der Klägerin gewesen sein, wird es weiter prüfen müssen, welcher Betriebsrat für die Anhörung (in H.…, in der Niederlassung M.…) zuständig und wer Vorsitzender dieses Gremiums gewesen ist. Ferner wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte zu 1) – wofür auf Grund der Verbindung von Kündigung und Angebot der Weiterbeschäftigung in H.… alles spricht – nicht eine Änderungskündigung erklärt hat und ob deren Voraussetzungen vorliegen. Sollte die Beklagte zu 2) Arbeitgeberin der Klägerin gewesen sein, so dürfte die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 22. September 2000 ohnehin wirkungslos sein. Falls das Landesarbeitsgericht auf Grund seiner Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen sollte, die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) seien gemeinsam Arbeitgeber, so bedarf es der weiteren, unter I 2b der Gründe genannten Prüfungen.
2. Auch hinsichtlich der Zahlungsanträge wird das Landesarbeitsgericht zunächst prüfen müssen, wer Arbeitgeber ist und weshalb ggf. eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 1) und 2) in Betracht kommen soll. Ferner wird es näher als bisher die Schlüssigkeit der Klage zu prüfen haben. Es wird der Klägerin Gelegenheit geben müssen, hierzu weiter vorzutragen.
Dabei wird es zu beachten haben, daß sich die Klägerin am 1. September 2000 noch in Erziehungsurlaub befand und vom 13. September 2000 bis 14. Januar 2001 durchgehend arbeitsunfähig war, weshalb der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG bereits am 24. Oktober 2000 erfüllt war. Auch hat die Klägerin bisher nicht vorgetragen, ob, an welchen Tagen und in welchem zeitlichen Umfang sie im Monat Februar 2001 Arbeitsleistungen erbracht hat.
Schließlich erscheint die Klage hinsichtlich der verlangten Vergütungsbestandteile bisher nicht vollumfänglich schlüssig. So fehlt ein näherer Vortrag der Klägerin, woraus sich ihr begehrter Anspruch auf die Zulage für Nichtfehlen für die Zeiträume ergeben soll, in denen sie tatsächlich nicht gearbeitet hat. Auch ist nicht erkennbar, weshalb ihr – abweichend vom Normalfall – ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitgeberleistungen zur Vermögensbildung an sich selbst zustehen soll.
Schließlich wird das Landesarbeitsgericht der Frage nachgehen müssen, ob und ggf. mit welchem Inhalt zwischen den Parteien vor Beginn des ersten Erziehungsurlaubs eine arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung getroffen worden ist. Die Revision rügt insoweit zu Recht, das Berufungsgericht habe die Höhe der klägerischen Vergütung nicht einfach nach § 612 Abs. 2 BGB bestimmen dürfen. Diese Bestimmung enthält nur eine Auslegungsregel für die Fälle, in denen die Höhe der Vergütung weder durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung noch Vereinbarung der Parteien festgelegt worden ist (Staudinger-Richardi BGB [1999] § 612 Rn. 34). Das ist aber nach dem bisherigen Vortrag der Parteien nicht der Fall. Es besteht lediglich Streit über den Inhalt der vertraglichen Änderungsvereinbarung. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb den klägerischen Behauptungen zur Vergütungsvereinbarung ab 1996 nachzugehen haben und falls es sie für genügend substantiiert erachtet, ggf. Beweis erheben müssen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Fischer, Rosendahl
Fundstellen
Haufe-Index 1097316 |
NJW 2004, 1061 |
FA 2004, 125 |
NZA 2004, 253 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 14 |
EzA |
BAGReport 2005, 24 |