Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsmißbrauch in der betrieblichen Altersversorgung. Eintritt der Unverfallbarkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BetrAVG aF: Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten in der früheren DDR. Betriebliche Altersversorgung
Leitsatz (amtlich)
Die Vermutung des Versicherungsmißbrauchs nach § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG ist gerechtfertigt, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ernsthaft damit zu rechnen war, daß die erteilte Versorgungszusage nicht erfüllt werde.
Orientierungssatz
- Für den Erwerb einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BetrAVG aF kommt es nur auf eine Zugehörigkeit zu dem Betrieb an, in dem eine Versorgungszusage erteilt worden ist; hierzu gehören auch die vor dem 1. Januar 1992 zurückgelegten Beschäftigungszeiten in einem umgewandelten, aber weitergeführten Unternehmen der früheren DDR (Bestätigung von BAG 19. Dezember 2000 – 3 AZR 451/99 – AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 10 = EzA BGB § 613 a Nr. 197).
- Der Träger der Insolvenzsicherung muß für Versorgungsansprüche und unverfallbare Versorgungsanwartschaften nicht einstehen, wenn ein Fall des Versicherungsmißbrauchs nach § 7 Abs. 5 BetrAVG aF vorliegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Vermutung des Versicherungsmißbrauchs nach § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG nicht widerlegt wird.
- Die auf Grund der objektiven Verhältnisse begründete Vermutung des § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG kann insbesondere durch den Nachweis entkräftet werden, daß die subjektiven Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG nicht vorliegen.
- Den begünstigten Arbeitnehmer trifft der Nachteil aus einem Versicherungsmißbrauch nur dann, wenn er an der mißbräuchlichen Maßnahme beteiligt war. Der begünstigte Arbeitnehmer muß den mißbilligten Zweck der Maßnahme zumindest erkennen können (BAG 17. Oktober 1995 – 3 AZR 420/94 – AP BetrAVG § 7 Lebensversicherung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 52). Hiervon ist auszugehen, wenn sich für ihn die Erkenntnis aufdrängen mußte, wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers sei ernsthaft damit zu rechnen, daß die Zusage nicht erfüllt werde.
Normenkette
BetrAVG §§ 7, 7 Abs. 5 Sätze 1-2, § 1 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Januar 2001 – 3 (8) Sa 1082/00 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger auf Grund einer Versorgungszusage der hgs Haushaltsgeräteservice GmbH (im folgenden: hgs) Inhaber einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft geworden ist, für die der beklagte Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung einstehen muß.
Der Kläger ist am 16. April 1942 geboren. Nachdem er zunächst in der LPG Thomas Münzer tätig gewesen war, weist sein Sozialversicherungsheft für die Zeit vom 24. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1978 eine Tätigkeit beim VEB Industrievertrieb EBM und seit dem 1. Januar 1979 beim VEB Haushaltsgeräteservice aus. In einer Änderung zum Arbeitsvertrag zwischen dem VEB Haushaltsgeräteservice und dem Kläger vom 16. April 1981 heißt es ua., der am 24. Januar 1977 abgeschlossene Arbeitsvertrag werde mit Wirkung vom 1. April 1981 geändert. Als vereinbarte Arbeitsaufgabe wird eine Tätigkeit als Waschmaschinenmonteur aufgeführt. Entsprechend war der Kläger in der Folgezeit beschäftigt.
Der FORON VEB Haushaltsgeräteservice im Kombinat Haushaltsgeräte Karl-Marx-Stadt war im Juni 1990 aus dem Kombinatsverbund ausgegliedert und nach § 11 TreuhandG in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt worden, die aber erst am 7. Januar 1991 als FORON Haushaltsgeräteservice GmbH im Aufbau (i.A.) in das Handelsregister eingetragen worden war. Diese Firma wurde im Februar 1991 in hgs Haushaltsgeräteservice GmbH i.A. geändert. Das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) bestimmte in den §§ 19, 22, daß diese Gesellschaft zum 30. Juni 1991 aufgelöst war, weil ihre vorläufigen Leitungsorgane die erforderlichen Maßnahmen für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht eingeleitet hatten.
Im Februar 1992 schlossen die Geschäftsführung der hgs i.A. und der Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung, nach der die Mitarbeiter der hgs i.A. eine betriebliche Altersversorgung erhalten sollten. Zu diesem Zweck trat die hgs i.A. am 1. März 1992 der Unterstützungskasse zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung e.V. (im folgenden: ufba) bei und zahlte in den folgenden Jahren an sie jährlich Beiträge in Höhe von mehr als einer Million DM.
Mit Schreiben vom 22. April 1992 wies die Treuhandanstalt, die damalige Alleingesellschafterin der hgs i.A., die Treuhandunternehmen ua. darauf hin, wenn ein Unternehmen von sich aus eine Rentenzusage machen oder aufrechterhalten wolle, müsse es auch in der Lage sein, sie ohne Finanzierungshilfen der Treuhandanstalt zu erfüllen. Würden solche Finanzierungshilfen benötigt, lägen die Grundvoraussetzungen für eine Versorgungszusage nicht vor.
Während der VEB Haushaltsgeräteservice neben dem Reparaturservice und dem Ersatzteilhandel auch den Handel mit elektrischen Haushaltsgeräten betrieben hatte, wurde der letztgenannte Geschäftsbereich von der Treuhandanstalt auf eine Formel 1 Elektro GmbH übertragen. Ihren Gesellschaftsanteil an der verbliebenen hgs i.A. veräußerte die Treuhandanstalt durch notariellen Vertrag vom 27. Mai 1992 für 18 Millionen DM an eine hgs Beteiligungsgesellschaft mbH, deren Anteile über eine weitere Holding zu 49 % von einer East German Investment Trust PLC London, zu 36 % von der BKK Investmentfonds GmbH Berlin, und zu 15 % von einem Rechtsanwalt treuhänderisch für das Management der hgs i.A. gehalten wurden. Zum Zeitpunkt der Veräußerung der Geschäftsanteile belief sich der Personalbestand der hgs i.A. auf 1.420 Personen, der zunächst auf 1.300 Arbeitnehmer abgebaut werden sollte, deren Weiterbeschäftigung die Investoren garantierten.
Die ufba teilte dem Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 1992 mit, er sei mit Wirkung vom 1. März 1992 in den Kreis der Begünstigten der ufba aufgenommen worden. Im August 1992 wandte sich dann auch die hgs an den Kläger:
“Es ist uns eine besondere Freude, Ihnen die auf dem übergebenen Leistungsverzeichnis basierende persönliche Leistungszusage der betrieb-lichen Altersversorgung der hgs Haushaltsgeräteservice GmbH zu überreichen.
Diese für das Unternehmen mit erheblichen Aufwand verbundene zusätzliche Altersversorgung für Sie ist Ausdruck dessen, daß wir den Einstieg in die Marktwirtschaft erfolgreich vollzogen haben.
Die hgs GmbH ist ein bedeutendes Unternehmen geworden, das seinen Mitarbeitern eine hohe soziale Sicherheit bieten kann. Daran haben Sie mit Ihrem Engagement und Ihren Fähigkeiten wesentlichen Anteil.”
Auf Grund eines Gesellschafterbeschlusses vom 3. September 1992 wurde die hgs ohne den Zusatz “im Aufbau” fortgesetzt. Am 5. Juli 1994 wurde eine notarielle Nachtragsvereinbarung zur Privatisierung der hgs getroffen. Hintergrund dieses Vertrages war die ohne Zufluß finanzieller Mittel drohende Gesamtvollstreckung über das Vermögen der hgs …, sein Ziel, “die akute Liquiditätskrise bei hgs … durch gemeinsame Leistungen abzuwenden”. In dieser Vereinbarung wurden ua. Zahlungen der hgs Beteiligungsgesellschaft mbH, Forderungsverzichte der Treuhandanstalt und die Reduzierung der Beschäftigungsgarantie von 1.300 Mitarbeitern auf 500 Mitarbeiter festgelegt.
Zum 1. März 1995 stellte die hgs die Zahlung der Beiträge an die ufba ein. Mit Schreiben vom 9. Oktober 1995 wandte sich die ufba an den Kläger. Sie teilte ihm mit, er habe zum 1. März 1995 unverfallbare Ansprüche im Sinne des Betriebsrentengesetzes erworben. Zu diesem Termin betrügen seine bisherigen aus der betrieblichen Altersversorgung erworbenen unverfallbaren Rentenansprüche 239,10 DM. Bei einem Ausscheiden aus dem Unternehmen mit Vollendung des 65. Lebensjahres betrage die monatliche Altersrente 400,00 DM.
Die ufba “widerrief” wegen der Einstellung der Beitragszahlungen unter dem 12. Dezember 1995 und 23. September 1996 die Versorgungszusagen “wegen Einstellung der betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber”. Diese Schreiben waren an die hgs sowie durchschriftlich an den Gesamtbetriebsrat der hgs gerichtet.
Mit Schreiben vom 27. Januar 1997 kündigte die hgs dem Kläger zum 31. August 1997. Am 1. August 1997 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der hgs eröffnet.
Unter dem 5. Mai 1999 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er keine Leistungen zu dessen Gunsten erbringen könne. Bei der Erteilung der Versorgungszusagen habe sich die hgs in einer Phase durchgreifender Umstrukturierungen befunden. Die Situation sei gekennzeichnet gewesen durch das Herauslösen von Betriebsteilen und weiteren Vermögens der hgs sowie durch die geplante Aufnahme von alten, bereits abgegebenen sowie neuen Geschäftsbereichen. Es hätten Arbeitsplätze vorübergehend abgebaut und die alte Geschäftsführung teilweise abgelöst werden sollen. Damit seien die rechtlichen Rahmenbedingungen, welche die Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung bildeten, zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusagen keinesfalls gefestigt gewesen. Sie hätten erst in noch abzuschließenden Verträgen auf eine sichere Grundlage gestellt werden müssen. Es liege deshalb ein Fall des Versicherungsmißbrauchs vor. Hierfür spreche auch der zu einem erheblichen Teil von der Treuhandanstalt finanzierte Personalabbau zum damaligen Zeitpunkt sowie die Weisung der Treuhandanstalt, daß Zusagen auf betriebliche Altersversorgung nur erteilt werden sollten, wenn diese ohne Finanzierungshilfen der Treuhandanstalt zu erfüllen seien. Schließlich sei die Liquiditäts- und Ertragslage der hgs insgesamt so unzureichend gewesen, daß nicht habe erwartet werden können, daß die Gesellschaft auf Dauer ihren Verpflichtungen aus betrieblicher Altersversorgung hätte nachkommen können.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft hat das Landesarbeitsgericht festgestellt: Das Geschäftsjahr 1990 endete mit einem Fehlbetrag von 5,9 Millionen DM, während im Geschäftsjahr 1991 ein Überschuß von 0,18 Millionen DM und im Geschäftsjahr 1992 ein Überschuß von rund 0,03 Millionen DM erzielt wurde. Nach dem – eingeschränkten – Bestätigungsvermerk der Arthur Andersen & Co. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus dem Jahr 1995 sind die Überschußfeststellungen jedoch zu korrigieren, weil der Wertansatz der Gebäude in der Bilanz um 1,9 Millionen DM überhöht angesetzt gewesen sei. In den Jahren 1993 und 1994 ergaben sich Verluste in Höhe von 20,5 Millionen bzw. 17,6 Millionen DM.
Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, ihm stehe eine unverfallbare und insolvenzgesicherte Versorgungsanwartschaft zu, für welche der Beklagte einstehen müsse. Ein Versicherungsmißbrauch iSv. § 7 Abs. 5 BetrAVG aF liege nicht vor. Bei Erteilung der Versorgungszusage im Jahre 1992 sei die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nicht bedenklich gewesen. Das Unternehmen habe zu diesem Zeitpunkt erwartet, daß es die gemachten Zusagen werde erfüllen können. Im Jahre 1992 sei eine schlechte Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung der hgs nicht gerechtfertigt gewesen. Andernfalls hätte eine solche Prognose im Jahresabschlußprüfungsbericht ihren Niederschlag gefunden. Im übrigen zeige auch der leichte Überschuß des Jahres 1992, daß Grund für eine positive Prognose bestanden habe. Dieser Überschuß sei nicht um 1,9 Millionen DM zu reduzieren. Wie positiv die wirtschaftliche Lage seinerzeit zu beurteilen gewesen sei, ergebe sich auch daraus, daß in dem Lagebericht vom 19. Oktober 1992 durch die Geschäftsführung mit einem Ergebnis von 6 Millionen DM gerechnet worden sei. Soweit die Bilanzen der Jahre 1993 und 1994 eine schlechte wirtschaftliche Situation der hgs auswiesen, beruhe dies zu einem Großteil auch auf strafrechtlich relevantem Verhalten einzelner Gesellschafter und Geschäftsführer. Die hgs habe nicht bewußt auf den Eintritt der Insolvenz zugesteuert. Daß sie zum Zeitpunkt der Versorgungszusage aufgelöst gewesen sei, lasse keinen Rückschluß darauf zu, daß sie nicht habe fortgeführt werden sollen. Zum damaligen Zeitpunkt habe es konkrete Planungen über die Fortführung nach Durchführung von Sanierungsmaßnahmen gegeben.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm eine Betriebsrente zu zahlen;
- den Beklagten zu verurteilen, seine unverfallbaren Rentenansprüche ordnungsgemäß zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe den Bestand einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nicht hinreichend nachgewiesen. Im übrigen sei die hgs weder nach den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen noch nach ihrem Ertrag und ihrer Wirtschaftskraft in der Lage gewesen, die Versorgungszusagen zu erfüllen, die sie ihren Mitarbeitern gegeben habe. Die hgs sei zu diesem Zeitpunkt aufgelöst gewesen. Ihre Fortführung habe nicht festgestanden. Klarheit habe sich erst aus dem Kaufvertrag vom 27. Mai 1992 ergeben. Aus den Feststellungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft folge im übrigen, daß sich die hgs 1992 sowie in den Folgejahren am Rande der Illiquidität bewegt habe. Unter diesen Umständen hätten nicht jährlich und auf Dauer Beiträge an die ufba in Höhe von mehr als einer Million DM gezahlt werden können. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage sei die Prognose für die hgs im übrigen auch deshalb ungünstig gewesen, weil durch vertraglich eingegangene Beschäftigungsgarantien ein betriebswirtschaftlich offenbar erforderlicher Arbeitsplatzabbau verhindert worden sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Sachanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann noch nicht entschieden werden, ob der Kläger eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hat, für die der Beklagte einstehen muß. Es bedarf weiterer Sachaufklärung durch das Landesarbeitsgericht.
Der Kläger hat allerdings eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 4 iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative des Betriebsrentengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (im folgenden: BetrAVG aF) erworben. Die für eine solche Feststellung erforderlichen Tatsachen sind zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.
Für den Kläger hat eine in den Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes fallende Versorgungszusage mindestens drei Jahre lang bestanden.
Für den Kläger gilt als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage der 1. März 1992.
Für den Lauf der Unverfallbarkeitsfristen aus § 1 Abs. 1 BetrAVG aF kommt es nicht darauf an, ob der Kläger bereits mit der als Betriebsvereinbarung bezeichneten, durch den Geschäftsführer der hgs und den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterzeichneten Regelung aus Februar 1992, durch das Schreiben der ufba vom 27. Juli 1992 oder das Schreiben der Gemeinschuldnerin aus August 1992 eine arbeitsvertragliche Versorgungszusage erhalten hat. Da der Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unter Einschaltung einer Unterstützungskasse erhalten sollte, gilt die Versorgungszusage in dem Zeitpunkt als erteilt im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrAVG aF, von dem an der Arbeitnehmer zum Kreis der Begünstigten der Unterstützungskasse gehört (§ 1 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG aF). Dies war ausweislich der vom Beklagten nicht in Frage gestellten Mitteilung der ufba der 1. März 1992.
- Damit unterfällt die dem Kläger im Jahre 1992 im Beitrittsgebiet erteilte Versorgungszusage dem Geltungsbereich des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974. Dieses Gesetz ist in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet am 1. Januar 1992 in Kraft getreten und findet in seinen §§ 1 – 18 auf Zusagen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Anwendung, die nach dem 31. Dezember 1991 erteilt worden sind (Anl. I Kap. VIII Sachgebiet A Abschn. III Nr. 16 zum Einigungsvertrag).
- Bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der hgs am 1. August 1997 bestand die Versorgungszusage unter Einschaltung der ufba für den Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin und 55 Jahre alt war, mehr als fünf Jahre.
Der Beginn der Betriebszugehörigkeit des Klägers lag bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der hgs auch mindestens 12 Jahre zurück.
- Im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative BetrAVG aF sind auch Beschäftigungszeiten in der früheren DDR zu berücksichtigen. Der Umstand, daß das Betriebsrentengesetz nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages im Beitrittsgebiet erst am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Es kommt bei dieser Alternative zum Erwerb einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nur auf eine Zugehörigkeit zu dem Betrieb an, in dem eine Versorgungszusage erteilt worden ist. Hierzu gehören auch die vor dem 1. Januar 1992 zurückgelegten Beschäftigungszeiten in einem umgewandelten, ansonsten aber weitergeführten Unternehmen der früheren DDR (BAG 19. Dezember 2000 – 3 AZR 451/99 – AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 10 = EzA BGB § 613 a Nr. 197; Höfer BetrAVG Bd. I Stand: August 2001 ART Rn. 1275; Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Einleitung Rn. 1009; MünchArbR/Förster/Rühmann 2. Aufl. Bd. I § 113 Rn. 21).
- Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht im Einzelnen festgestellt, wie lange der Kläger genau in dem Betrieb tätig war, in dem ihm die Versorgungszusage erteilt worden ist. Darauf kommt es aber auch nicht an. Es sind in jedem Fall um mehr als 16 Jahre. Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß die Gemeinschuldnerin durch Umwandlung aus dem VEB Haushaltsgeräteservice hervorgegangen ist. Bei diesem Unternehmen war der Kläger jedenfalls seit dem 1. April 1981 beschäftigt, wie sich aus der Änderung zum Arbeitsvertrag vom 16. April 1981 ergibt, dessen Inhalt der Beklagte nicht in Frage gestellt hat. Damit hat der Kläger eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft unabhängig davon erworben, ob auch die vorangegangenen Beschäftigungszeiten beim VEB Industrievertrieb EBM seit 1977 im Rahmen des § 1 Abs. 1 BetrAVG aF zu berücksichtigen sind.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann noch nicht entschieden werden, ob der Beklagte für die unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Klägers einstehen muß. Es steht noch nicht fest, ob der Beklagte seiner Einstandspflicht aus § 7 Abs. 2 Satz 2 iVm. Satz 1 BetrAVG aF den Einwand des Versicherungsmißbrauchs nach § 7 Abs. 5 BetrAVG aF entgegenhalten kann. Anders als das Landesarbeitsgericht meint, ist für die Feststellung eines Versicherungsmißbrauchs auch die Situation des Klägers von Bedeutung.
- § 7 Abs. 5 BetrAVG aF regelt den Fall des Versicherungsmißbrauchs, in dem der beklagte Träger der Insolvenzsicherung trotz Eintritts der Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft für die versicherte Leistung nicht einstehen muß. Dabei knüpft die Bestimmung anders als § 61 VVG nicht an den Eintritt des Versicherungsfalls, sondern an die Begründung des versicherten Rechts an. Die Einstandspflicht des Beklagten besteht dann nicht, wenn nach den Umständen des Falls die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese in § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG enthaltene Grundregel stellt einerseits auf die – objektiven – Umstände des Falles, andererseits auf den – subjektiven – Zweck der Zusage ab. Den sich hieraus für den darlegungs- und beweisbelasteten (BAG 26. Juni 1990 – 3 AZR 641/88 – BAGE 65, 215) Beklagten ergebenden Problemen tragen die Sätze 2 und 3 des § 7 Abs. 5 BetrAVG aF Rechnung. Dabei legt Satz 3 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung in Form einer unwiderleglichen Vermutung fest, daß Verbesserungen einer Versorgungszusage aus dem letzten Jahr vor Eintritt des Sicherungsfalles bei der Bemessung der Leistungen des Trägers der Insolvenzsicherung nicht zu berücksichtigen sind. Erst recht gilt dieser gesetzliche Ausschluß der Insolvenzsicherung für Zusagen, die im letzten Jahr vor dem Sicherungsfall gemacht worden sind (BAG 24. November 1998 – 3 AZR 423/97 – BAGE 90, 212, 216 f.; Höfer aaO § 7 Rn. 2965). § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG begründet demgegenüber zugunsten des Trägers der Insolvenzsicherung nur eine widerlegliche Vermutung (BAG 2. Juni 1987 – 3 AZR 764/85 – AP BetrAVG § 7 Nr. 42 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 24, zu 2a der Gründe; 29. November 1988 – 3 AZR 184/87 – BAGE 60, 228, 236; Blomeyer/Otto aaO § 7 Rn. 303; Höfer aaO § 7 Rn. 2955; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Bd. II Stand: Dezember 2001 Teil 13 A Rn. 80). Ein Versicherungsmißbrauch wird vermutet, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Kann der auf Versorgungsleistungen in Anspruch genommene Träger der Insolvenzsicherung diese objektiven wirtschaftlichen Umstände darlegen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die sich daraus ergebende Vermutung im Rahmen des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG zu widerlegen.
Die Vermutung des Versicherungsmißbrauchs nach § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG ist gerechtfertigt, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ernsthaft damit zu rechnen war, daß die erteilte Versorgungszusage nicht erfüllt werde (ähnlich Blomeyer/Otto aaO § 7 Rn. 304 f.).
Die auf Grund der objektiven Verhältnisse begründete Vermutung des § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG kann insbesondere durch den Nachweis entkräftet werden, daß die subjektiven Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG nicht vorliegen. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht allein “auf die Sicht des Versorgungsschuldners und des von ihm mit der Versorgungszusage verfolgten Zwecks” an. Ein Arbeitnehmer verliert den Insolvenzschutz für die ihm erteilte Versorgungszusage nur dann, wenn er an der mißbräuchlichen Maßnahme des Arbeitgebers beteiligt war (BAG 26. Juni 1990 – 3 AZR 641/88 – BAGE 65, 215, 224; 17. Oktober 1995 – 3 AZR 420/94 – AP BetrAVG § 7 Lebensversicherung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 52; Blomeyer/Otto aaO § 7 Rn. 292; ErfK/Steinmeyer 2. Aufl. § 7 BetrAVG Rn. 65; Kasseler Handbuch/Griebeling 2. Aufl. 2.9 Rn. 790; Ahrend/Förster/Rühmann BetrAVG 8. Aufl. § 7 Rn. 28; aA Höfer aaO § 7 Rn. 2946; Paulsdorff Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung 2. Aufl. § 7 Rn. 427 f.; Anm. Walther SAE 1992, 268, 274). Der gesetzliche Insolvenzschutz in der betrieblichen Altersversorgung dient dem Schutz und der Sicherheit der Versorgungsberechtigten (so schon Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V., Die Insolvenzsicherung von Ruhegeldansprüchen auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung, Forschungsgutachten 1974 S 58 [unter III 3]). Der Nachteil aus dem Versicherungsmißbrauch nach § 7 Abs. 5 BetrAVG aF, das Fehlen des Versicherungsschutzes, trifft die Versorgungsberechtigten. Deshalb muß nach dem Normzweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG der Arbeitnehmer an der mißbräuchlichen Maßnahme beteiligt gewesen sein. Der begünstigte Arbeitnehmer muß den mißbilligten Zweck der Maßnahme zumindest erkennen können (so zuletzt BAG 17. Oktober 1995 – 3 AZR 420/94 – AP BetrAVG § 7 Lebensversicherung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 52, zu 3b aa der Gründe). Dies ist dann der Fall, wenn sich für ihn die Erkenntnis aufdrängen mußte, wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers sei ernsthaft damit zu rechnen, daß die Zusage nicht erfüllt werde.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin bei Begründung der Versorgungsrechte für den Kläger im Februar/März 1992 so war, daß ernsthaft damit gerechnet werden mußte, die Zusage werde nicht erfüllt. Es war aus der Sicht eines mit den Verhältnissen Vertrauten leichtfertig, daß die hgs zu diesem Zeitpunkt Versorgungsverbindlichkeiten eingegangen ist, die sie auf nicht absehbare Zeit mit jährlichen Beiträgen in der Größenordnung von einer Million DM belasteten.
Zwar ergibt sich nicht allein aus der Kraft Gesetzes eingetretenen Auflösung der hgs (§§ 19, 22 TreuhandG), die zum Zeitpunkt des Abschlusses der “Betriebsvereinbarung” gleichwohl noch fortbestand, daß die Bemühungen zur Privatisierung des früheren volkseigenen Betriebes endgültig gescheitert waren. Die Privatisierung war aber andererseits auch bisher noch nicht gelungen. Es konnte auch so kurz nach der Vereinigung noch nicht abgesehen werden, ob und wie die hgs auf dem größer gewordenen deutschen Markt würde bestehen können. Darüber hinaus war die in den Wirtschaftsprüfungsberichten abgebildete wirtschaftliche Lage der hgs 1991/1992 sehr schwierig. Nachdem im Jahre 1990 noch ein erheblicher Fehlbetrag von 5,9 Millionen DM erwirtschaftet worden war, kam es in den beiden folgenden Jahren nur zu minimalen Gewinnen, die auch nur einen Bruchteil der für die Durchführung der versprochenen betrieblichen Altersversorgung jährlich aufzuwendenden Mittel ausmachten. Dabei hat der Beklagte zusätzlich sogar noch plausibel dargelegt, daß durch eine Überbewertung von Grundstücken und eine die Unternehmenslage verfälschende Einstellung von Sozialplanmitteln in Wahrheit auch in den Jahren 1991 und 1992 Fehlbeträge in Millionenhöhe erwirtschaftet worden sind. Auf diesen Vortrag kommt es aber nicht einmal an. Die Lage der hgs war auch nach den unstreitigen Unternehmensergebnissen kritisch. Dasselbe gilt im Grundsatz auch für deren Liquidität zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage. Legt man die Aussage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen & Co. GmbH zugrunde, war die Liquiditätslage kritisch. Die Feststellung der KPMG in ihrem Prüfungsbericht, die Liquidität der hgs sei gesichert, weil nur noch “der Altkredit von TDM 37.471” bestehe, mag zwar belegen, daß sich das Unternehmen Anfang 1992 noch nicht in der Nähe der Insolvenz befand. Dies ist zur Begründung der Vermutung aus § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG aber auch nicht erforderlich. Angesichts der wirtschaftlichen Lage der hgs im Frühjahr 1992 und der zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungeklärten Zukunftsperspektiven stellte es jedenfalls eine nur vor dem Hintergrund des gesetzlichen Insolvenzschutzes erklärbare Risikoübernahme dar, ein betriebliches Versorgungswerk zu schaffen, für das jährlich mehr als eine Million DM als Beiträge aufzubringen waren.
Von seinem Ausgangspunkt aus konsequent hat das Landesarbeitsgericht nicht geprüft, ob sich für den Kläger die Erkenntnis aufdrängen mußte, wegen der wirtschaftlichen Lage der hgs sei ernsthaft damit zu rechnen, die ihm erteilte Zusage werde nicht erfüllt. Dies wird es nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen haben.
Insoweit kommt es grundsätzlich auf die Kenntnisse und Kenntnismöglichkeiten des Klägers als von der Versorgungszusage Begünstigten zu dem Zeitpunkt an, in dem er von der Versorgungszusage erfahren hat. Da jedoch bei der Begründung des Versorgungswerks die Arbeitnehmer durch Repräsentanten, zumindest durch den Vorsitzenden des Gesamtbetriebrats, mitgewirkt haben, sind deren Erkenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der Begründung des Versorgungswerks dem Kläger ebenfalls zuzurechnen.
Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu geben haben, über die für Arbeitnehmer wie den Kläger und dessen Repräsentanten im Betriebsrat erkennbaren Umstände, was die Lage der hgs und deren Zukunftsperspektiven angeht, ergänzend vorzutragen. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen, inwieweit nach außen hin, in Richtung auf die Arbeitnehmer, die unsichere Lage der hgs deutlich geworden ist.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler
Die ehrenamtliche Stemmer Richterin Frau Frehse ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert.
Stemmer
Reinecke
Fundstellen
Haufe-Index 797125 |
BAGE, 271 |
BB 2002, 2233 |
DB 2002, 2115 |
ARST 2003, 65 |
JR 2003, 483 |
KTS 2003, 151 |
NZA 2003, 282 |
SAE 2002, 352 |
StuB 2003, 47 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 22 |
EzA |
MDR 2002, 1378 |
AUR 2002, 436 |