Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung nach dem HRG; Überschreiten der Höchstbefristungsgrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, daß in die Berechnung der Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG die Laufzeiten auch solcher Verträge einzubeziehen sind, die zwar keinen Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 4 und Abs. 3 HRG benennen, jedoch nach der vertraglichen Vereinbarung auf solche Sachgründe hätten gestützt werden können (BAG Urteil vom 14. Dezember 1994 – 7 AZR 342/94 – AP Nr. 3 zu § 57 b HRG).
2. Der Arbeitnehmer hat die Voraussetzungen darzulegen, aus denen die Unwirksamkeit einer Befristung wegen Überschreitens der Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG folgt.
Normenkette
HRG § 57b Abs. 2 Nrn. 1, 3-4, § 57c Abs. 2; HFVG Art. 2 §§ 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. August 1998 – 16 Sa 122/97 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses infolge einer Befristung.
Der Kläger ist Diplom-Biologe. Er war seit dem 1. April 1990 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung war der Arbeitsvertrag vom 1. April 1990 für die Zeit vom 1. April 1990 bis zum 31. Dezember 1990 nach der SR 2y BAT befristet. Zum Befristungsgrund bestimmte Nr. 5.4:
„Der Mitarbeiter wird aus Mitteln des DFG-Projekts „Onkogene u. Tumor Suppressor-Gene” vergütet u. entsprechend der Zweckbestimmung beschäftigt. Das Projekt hat eine Laufzeit bis 31.12.90. Die Aufgaben fallen danach nicht mehr an.”
Diesen Inhalt legten die Parteien auch dem Vertrag für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. März 1991 zugrunde.
Im anschließenden Arbeitsvertrag vom 26. März 1991 für die Zeit vom 1. April 1991 bis zum 31. Dezember 1991 vereinbarten die Parteien die Geltung der SR 2y BAT unter Beibehaltung der bisherigen Arbeitsaufgaben. Nach Nr. 5.4 des Vertrags handelte es sich um zeitlich befristete Aufgaben im Rahmen des Forschungsprojekts „Zytogenetik” mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 1991, die danach nicht mehr anfallen sollten. Mit diesem Befristungsgrund verlängerten die Parteien ihr bisheriges Vertragsverhältnis mit Arbeitsvertrag vom 6. November 1991 für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1993.
Im Anschluß daran vereinbarten sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch Vertrag vom 22. September 1993 für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1995. Danach war der Kläger als Zeitangestellter nach der SR 2y BAT angestellt. Als Befristungsgrund wurde vereinbart eine wissenschaftliche Weiterbildung nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG. Dieses Vertragsverhältnis lösten die Parteien durch die Vereinbarung vom 12. Dezember 1994 zum 31. Dezember 1994 auf. Daran anschließend begründete der Kläger durch den Vertrag vom 22. Dezember 1994 zum Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Universität Heidelberg, ein nach § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1996. Während dieses Vertrags blieben Aufgabengebiet und Arbeitsort des Klägers unverändert. Nach Ablauf der Vertragszeit vereinbarte der Kläger mit der Beklagten erneut ein befristetes Arbeitsverhältnis nach dem BAT für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 1997 nach § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG im Projekt 314.0825.50.
Der Kläger hat sich mit seiner Klage vom 18. März 1997 gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1997 gewandt. Er hat gemeint, die Befristung des letzten Arbeitsvertrags sei wegen Überschreiten der Höchstgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG unwirksam. Bei der Berechnung der Fünf-Jahres-Frist des § 57 c Abs. 2 HRG seien auch die Verträge für die Zeit vom 1. April 1990 bis zum 31. Dezember 1993 sowie der mit dem Land Baden-Württemberg geschlossene Vertrag zu berücksichtigen. Es habe sich um einen bloßen Austausch des Vertragsarbeitgebers gehandelt, um die gesetzliche Höchstbefristungsgrenze zu umgehen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger kann sich weder auf die Unwirksamkeit der Befristung im letzten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. März 1997 noch auf eine Verletzung der Höchstbefristungsvorschrift des § 57 c Abs. 2 HRG berufen.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der letzte Vertrag sachlich nach § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG gerechtfertigt war und die befristeten Arbeitsverträge des Klägers mit der Beklagten die fünfjährige Befristungshöchstgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG nicht überschritten haben. Die Verträge für die Zeit vom 1. April 1991 bis zum 31. Dezember 1993 sind nicht auf die Höchstbefristungsgrenze nach dem HRG anzurechnen. Es kann daher offenbleiben, ob auch der mit dem Land Baden-Württemberg geschlossene Zwei-Jahres-Vertrag bei der Berechnung der Fünf-Jahres-Frist hätte berücksichtigt werden müssen.
1. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrags, die bereits aus tariflichen Gründen zu ihrer Rechtfertigung eines sachlichen Grundes bedurfte, war wirksam. Nach der von der Revision nicht angegriffenen Würdigung des Landesarbeitsgerichts hat der Sachgrund einer Drittmittelfinanzierung nach § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG vorgelegen.
2. Die Befristung ist auch nicht deswegen unwirksam, weil die Beklagte die Vorschrift des § 57 c Abs. 2 HRG verletzt hätte. Nach § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG dürfen mehrere befristete Arbeitsverträge nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG bei derselben Hochschule insgesamt die Höchstgrenze von fünf Jahren nicht überschreiten. Diese Vorschrift gilt für befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an staatlichen Forschungseinrichtungen sowie an überwiegend staatlich oder auf der Grundlage von Art. 91 b GG finanzierten Forschungseinrichtungen entsprechend (Art. 2 § 1 HFVG).
Bei der Beklagten handelt es sich um eine Großforschungseinrichtung (vgl. BT-Drucks. 10/1543 S. 259), die auf der Grundlage von Art. 91 b GG vom Bund und vom Land Baden-Württemberg finanziert wird. Bei ihr sind die besonderen Befristungsbestimmungen des HRG für die Zeitverträge von wissenschaftlichen Mitarbeitern entsprechend anzuwenden.
a) Bei der Berechnung der Höchstgrenze werden nicht nur die Zeiten berücksichtigt, in denen die befristete Beschäftigung des Arbeitnehmers nach der vertraglichen Vereinbarung auf einem Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 4 und Abs. 3 HRG beruht. Es können auch Zeiten einbezogen werden, für die in den Verträgen kein Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 4 und Abs. 3 HRG benannt ist. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann der Arbeitgeber die Befristungshöchstgrenze des HRG nicht dadurch umgehen, indem er in den Arbeitsverträgen entgegen § 57 b Abs. 5 HRG eine Bezugnahme auf einen in § 57 b Abs. 2 und Abs. 3 HRG geregelten Sachgrund unterläßt. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen ein dem letzten Vertrag vorausgegangener Zeitvertrag nach der vertraglichen Vereinbarung auf einen Befristungsgrund im Sinne des § 57 b Abs. 2 und Abs. 3 HRG hätte gestützt werden können und die Einbeziehung dieses Vertrags in die Berechnung der Fünf-Jahres-Frist nur aus formalen Gründen unterbleiben müßte. Eine Nichtanrechnung solcher Verträge wäre mit dem Zweck der Zusammenrechnungsvorschrift nicht zu vereinbaren (BAG Urteil vom 14. Dezember 1994 – 7 AZR 342/94 – AP Nr. 3 zu § 57 b HRG).
b) Das Überschreiten der Höchstbefristungsgrenze führt zur Unwirksamkeit der Befristung unabhängig davon, ob für den der Befristungskontrolle unterliegenden letzten Zeitvertrag nach dem HRG ein Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 HRG tatsächlich vorgelegen hat. Die Voraussetzungen einer vom Sachgrunderfordernis losgelösten Unwirksamkeitsfolge hat der wissenschaftliche Mitarbeiter vorzutragen (BAG Urteil vom 14. Dezember 1994, aaO).
3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger ein Überschreiten der fünfjährigen Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG nicht schlüssig vorgetragen hat. Aus seinem Vorbringen kann nicht gefolgert werden, daß bereits die Verträge für die Zeit vom 1. April 1991 bis 31. Dezember 1993 auch auf die erleichterten Befristungsmöglichkeiten nach dem HRG hätten gestützt werden können.
a) Nach den mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben für diese Verträge die Befristungsvoraussetzungen der Drittmittelfinanzierung im Sinne des § 57 b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. mit Art. 2 § 2 HFVG nicht vorgelegen. Danach wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers während dieses Zeitraums aus den laufenden Haushaltsmitteln der Beklagten finanziert. Drittmittel, die der Beklagten oder einzelnen dort beschäftigten Wissenschaftlern über die vom Unterhaltsträger zur Verfügung gestellten laufenden Haushaltsmittel und Investitionen hinaus zufließen, wurden für die Bezahlung des Klägers nicht verwendet.
b) Nach dem Vortrag des Klägers konnten die jeweiligen Befristungen auch nicht auf den Sachgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 1 erste Alternative HRG (Beschäftigung des Mitarbeiters, die auch seiner Weiterbildung als wissenschaftlicher Nachwuchs dient) gestützt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betrifft dieser Sachgrund nur eine Tätigkeit zur Qualifikation für die Wissenschaft als Beruf. Das setzt voraus, daß nach der vertraglichen Vereinbarung durch die Tätigkeit gerade eine Qualifikation als wissenschaftlicher Nachwuchs angestrebt werden soll, also die Qualifikation Ziel der Tätigkeit ist. Eine einseitig angestrebte Qualifizierung als Nachwuchswissenschaftler genügt dafür nicht (BAG Urteil vom 4. Dezember 1996 – 7 AZR 205/96 – AP Nr. 12 zu § 57 b HRG, zu I 2 der Gründe). Der Kläger, der Einzelheiten zu seiner Promotion nicht vorgetragen hat, war bis zu seiner Promotion nur teilzeitbeschäftigt. Bereits das spricht dagegen, daß der Erwerb einer Promotion und damit einer wissenschaftlichen Qualifizierung Zweck der Tätigkeit für die Beklagte hätte sein sollen. Dessen ungeachtet fehlt dem Vorbringen des Klägers jeder Hinweis darauf, mit welchen wissenschaftlichen Dienstleistungen er betraut gewesen sein soll, die seiner Promotion dienlich sein konnten. Soweit sich der Kläger darauf beruft, seine Forschungsergebnisse hätten Teil einer Habilitationsschrift sein können, spricht auch das nicht für das Vorliegen des Befristungsgrunds des § 57 b Abs. 2 Nr. 1 erste Alternative HRG. Dieser Sachgrund verlangt, daß zwischen den Parteien ein Einvernehmen darüber besteht, daß die Arbeiten des wissenschaftlichen Mitarbeiters einer weiteren wissenschaftlichen Qualifikation dienen. Eine einseitige Bestimmung des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Tätigkeit vermag diese Anforderungen nicht zu erfüllen. Deshalb ist es auch unerheblich, ob der Kläger tatsächlich entschlossen und anhand seiner Arbeitsergebnisse auch in der Lage war, die bei seiner Tätigkeit gewonnenen Erkenntnisse in einer Habilitationsschrift zu verwerten.
c) Nach dem Vortrag des Klägers spricht auch nichts dafür, daß die Verträge auf den in § 57 b Abs. 2 Nr. 1 zweite Alternative HRG geregelten Sachgrund der beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung beruhen konnten. Dieser Sachgrund betrifft die Qualifizierung auf ein berufliches Tätigkeitsfeld außerhalb der Hochschule. Mit einem darauf gestützten Zeitvertrag soll dem Mitarbeiter Gelegenheit gegeben werden, im Wege der Ergänzung und Vertiefung der im Studium erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten seine beruflichen Aussichten außerhalb der Hochschule bzw. Forschungseinrichtung zu verbessern. Dazu bedarf es einer darauf gerichteten Vereinbarung (BAG Urteil vom 19. August 1992 – 7 AZR 560/91 – BAGE 71, 118 = AP Nr. 2 zu § 57 b HRG, zu I 2 b der Gründe), an der es vorliegend fehlt. Die Mitarbeit an einem zeitlich begrenzten Forschungsprojekt allein läßt auf eine solche Vereinbarung ebensowenig schließen wie der Erwerb von Fähigkeiten, die mit jeder beruflichen Tätigkeit zwangsläufig verbunden sind (BAG Urteil vom 14. Dezember 1994, aaO, zu I 2 b der Gründe).
d) Schließlich ist das Landesarbeitsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Verträge für die Zeit vom 1. April 1991 zum 31. Dezember 1993 auch nicht auf dem Sachgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 erste Alternative HRG beruhen konnten. Dieser auf dem Gedanken des Wissenschaftstransfers beruhende Sachgrund setzt voraus, daß die Tätigkeit den Erwerb besonderer Kenntnisse in der Forschung bezweckt, die der Fort- und Weiterbildung in einem Beruf dienen, der außerhalb der jeweiligen Hochschule bzw. des betreffenden Forschungsbereichs wenigstens aber in einem anderen Forschungs- oder Hochschulbereich ausgeübt werden soll (BAG Urteil vom 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 – BAGE 84, 278 = AP Nr. 11 zu § 57 b HRG). Aus der pauschalen Behauptung des Klägers, er habe sich während seiner Mitarbeit an bestimmten Forschungsprojekten zu einem Spezialisten für Proteinforschung entwickelt, wird nicht ersichtlich, welche besonderen Kenntnisse er in der Forschungsarbeit hätte erwerben sollen, die einer Tätigkeit außerhalb seines bisherigen Arbeitsbereichs dienlich sein konnten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Linsenmaier, G. Metzinger, Schiele
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.10.1999 durch Schiege, Justizsekretär z.A. als Urkundsbeamter
Fundstellen
Haufe-Index 436492 |
BAGE, 320 |
BB 2000, 832 |
EBE/BAG 2000, 63 |
FA 2000, 99 |
NZA 2000, 598 |
ZTR 2000, 329 |
AP, 0 |
AuA 2000, 393 |
PersR 2000, 257 |
PersV 2001, 85 |
AUR 2000, 156 |