Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung des Arbeitsvertrages durch außergerichtlichen Vergleich
Leitsatz (redaktionell)
Wird die Befristung des Arbeitsvertrags in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich vereinbart, so bedarf es keines weiteren sachlichen Grundes für die Befristung und ihre Dauer.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 03.08.1982; Aktenzeichen 6 Sa 76/82) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 18.05.1982; Aktenzeichen 4 Ca 637/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 31. Dezember 1981 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, im besonderen, ob eine am 9. Dezember 1980 zwischen den Parteien vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses auf das Ende des Jahres 1981 wirksam ist.
Der Kläger wurde von der Beklagten mit Wirkung ab 31. März 1980 zunächst als Redakteur im Lokalressort mit dem Schwerpunkt "Gerichtsreportage" auf Honorarbasis beschäftigt. Im Juli 1980 wurde er zum Ersatzmitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats gewählt, dem er zwischenzeitlich als ordentliches Mitglied angehörte.
Die Beklagte vertrat seinerzeit - so auch in einem Beschlußverfahren zum Az. 4 Bv 5/80 des Arbeitsgerichts Hamburg - die Auffassung, daß der Kläger als freier Mitarbeiter nicht Arbeitnehmer und damit nicht zum Betriebsrat wählbar sei, so daß die Betriebsratswahl unwirksam sei. Nach längeren Verhandlungen, an denen auch der Betriebsrat der Beklagten vermittelnd beteiligt war, vereinbarten die Parteien am 9. Dezember 1980, daß der Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1981 als Redakteur im Anstellungsverhältnis beschäftigt wurde und daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 1981 ende, ohne daß es einer Kündigung bedürfe. Daraufhin nahm die Beklagte ihren Antrag auf Anfechtung der Betriebsratswahl zurück.
Mit der Klage beantragt der Kläger festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Er meint, für die Befristung seines Arbeitsvertrages habe es keinen sachlichen Grund gegeben.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über die Tätigkeit des Klägers als Redakteur mit der Tarifgruppe 3 c bestehe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages sei, daß die Parteien sich im Wege des Vergleichs über die Befristung geeinigt hätten. Der Kläger selbst habe seinerzeit nach monatelangen Auseinandersetzungen über die Rechtsnatur und den Inhalt seines bis dahin bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eine Regelung im Wege des Vergleichs gesucht und gewollt.
Es sei für sie ein Existenzproblem, mit freien Mitarbeitern zu arbeiten. Wenn sie sich darauf einstellen müßte, daß sämtliche als freie Mitarbeiter eingestellten Journalisten plötzlich als feste Angestellte zu behandeln seien, wäre dies wirtschaftlich für sie untragbar. Die Beschäftigung freier Mitarbeiter sei auch deswegen für sie wesentlich, weil sie unbedingt freie Hand haben müsse für einschneidende verlegerische Entscheidungen, die für das Fortbestehen der Zeitung wichtig seien und in den nächsten Monaten vorgenommen werden müßten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 31. Dezember 1981 sei unzulässig. Für diese Befristung gebe es keinen sachlichen Grund. Ein solcher Grund liege auch nicht darin, daß sich die Parteien im Wege des Vergleichs auf die Befristung geeinigt hätten.
Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung. Die sachliche Berechtigung der Befristung folgt daraus, daß sie in einem außergerichtlichen Vergleich vereinbart worden ist.
1. Das Landesarbeitsgericht hat eingehend dargelegt, daß es sich bei dem Vertrag vom 9. Dezember 1980 um einen Vergleich im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB handelt. Diese Würdigung ist rechtsfehlerfrei. Denn nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien sehr nachdrücklich darüber gestritten, ob der Kläger freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer war und ob er mithin zum Betriebsratsmitglied gewählt werden durfte. Diesen Streit haben die Parteien unter Vermittlung des Betriebsrats durch gegenseitiges Nachgeben beendet, indem sie ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarten und die Beklagte daraufhin ihre Wahlanfechtung zurücknahm.
2. Das Landesarbeitsgericht will zwar der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgen, daß ein g e r i c h t l i c h e r Vergleich, in dem die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, seine sachliche Berechtigung in sich trage und deshalb nicht mehr geprüft werden müsse, ob ein weiterer sachlicher Grund für die Befristung vorliege (BAG 11, 236 = AP Nr. 19 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urteil vom 18. Dezember 1979 - 2 AZR 129/78 - AP Nr. 51 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
Nicht anschließen will sich das Landesarbeitsgericht jedoch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß auch ein a u ß e r g e r i c h t l i c h e r Vergleich als sachlicher Befristungsgrund ausreiche (BAG 33, 27 = AP Nr. 53 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Die vom Landesarbeitsgericht für diese Differenzierung angeführten Gründe überzeugen nicht.
a) Die Hinweise des Landesarbeitsgerichts auf Besonderheiten des gerichtlichen Vergleichs gehen für zahlreiche Fälle an der Wirklichkeit vorbei. Häufig beschränkt sich beim gerichtlichen Vergleich die Tätigkeit des Gerichts auf die Protokollierung einer zwischen den Parteien ausgehandelten Einigung; eine rechtliche Überprüfung, ob diese Einigung der Rechtslage entspricht, findet dann weder statt noch entspräche sie der Funktion des Vergleichs. Aber auch wenn das Gericht den Inhalt des Vergleichs anregt, ist hierfür nicht stets die Beurteilung der Rechtslage ausschlaggebend, sondern oft auch die Meinung des Gerichts, auf welcher Basis sich eine einvernehmliche Befriedung der Parteien erreichen lasse.
Zumindest vermögen die Besonderheiten des gerichtlichen Vergleichs r e c h t l i c h den sachlichen Grund nicht zu ersetzen, wenn er nicht bereits im Vergleichscharakter selbst läge. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Hinweis des Landesarbeitsgerichts, beim gerichtlichen Vergleich seien die Parteien regelmäßig rechtskundig vertreten bzw. zumindest gemäß § 11 a ArbGG belehrt worden. Die von der Rechtsprechung auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats (BAG 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) eingeführte Befristungskontrolle beruht aber nicht auf dem Gedanken, in der Vereinbarung einer Befristung liege regelmäßig eine Überrumpelung des rechtsunkundigen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber.
b) Gewichtiger erscheint der Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf das regelmäßig vorliegende unterschiedliche Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Ein Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist für den Arbeitnehmer nicht zuletzt angesichts der Dauer solcher Verfahren häufig mit der Gefahr der faktischen Ausgliederung aus dem Betrieb und damit des tatsächlichen Arbeitsplatzverlustes verbunden. Indessen ist diese Gefahr langjährigen Streits eine Eigenart des gerichtlichen Verfahrens. Der vom Landesarbeitsgericht angenommene Zwang für den Arbeitnehmer, auf eine angebotene Befristung des Arbeitsvertrages einzugehen, besteht mithin gleichermaßen beim gerichtlichen Vergleich.
3. Deshalb läßt sich nur die Frage stellen, ob der gerichtliche und der außergerichtliche Vergleich gleichermaßen als Befristungsgrund anzuerkennen sind oder ob in beiden Fällen ein zusätzlicher sachlicher Befristungsgrund gefordert werden muß. Der ersten Lösung gebührt der Vorzug. Sie entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der tragende Grund dafür, daß das Bundesarbeitsgericht sowohl den gerichtlichen als auch den außergerichtlichen Vergleich als sachlichen Befristungsgrund anerkannt hat, liegt in einem typischen Wesensmerkmal des Vergleichs, der Beendigung eines Streits durch gegenseitiges Nachgeben.
Auch der Arbeitnehmer genießt Vertragsfreiheit. Selbst wenn er an einem unbefristeten Arbeitsverhältnis interessiert ist, wäre deshalb eine Befristung, mit der er sich im Arbeitsvertrag einverstanden erklärt, an sich wirksam. Sowohl bei der Einstellung als auch bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages ist es dem Arbeitnehmer jedoch in der Regel unzumutbar, auf seinem Interesse an unbefristeter Einstellung oder unbefristeter Verlängerung zu bestehen, weil der Arbeitgeber ihn dann häufig überhaupt nicht einstellen oder den Vertrag überhaupt nicht verlängern würde. Dieser Zwangslage trägt die Befristungsrechtsprechung Rechnung: Nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Befristung und ihre Dauer muß sich der Arbeitnehmer daran festhalten lassen, er habe sich selbst mit der Befristung einverstanden erklärt.
Besteht dagegen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits ein offener Streit über die Frage des Vorliegens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses oder die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses oder - wie hier - über den Status als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter, so bedarf der Arbeitnehmer dieses Schutzes nicht mehr. Ebenso wie er auf die von ihm eingenommene Rechtsposition verzichten kann, indem er es überhaupt unterläßt, zu Gericht zu gehen, kann er sich über diese Rechtsposition mit dem Arbeitgeber vergleichen; dies jedenfalls bei vergleichsweiser Zubilligung des Arbeitnehmerstatus. Das gegenseitige Nachgeben ist dann der sachliche Grund, der die Annahme einer Umgehung des zwingenden Kündigungsrechts ausschließt.
Mißbräuchen, die darin liegen könnten, daß etwa die befristete Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages lediglich in Vergleichsform gekleidet wird, läßt sich dadurch begegnen, daß sorgfältig geprüft wird, ob zwischen den Parteien wirklich ein offener Streit bestand, d.h. ob insbesondere der Arbeitnehmer bereits nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und es der Arbeitgeber daraufhin abgelehnt hat, ihn in einem Arbeitsverhältnis (weiter) zu beschäftigen. Liegen diese Voraussetzungen - wie im Entscheidungsfalle - vor und einigen sich daraufhin beide Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auf eine Zwischenlösung, so liegt hierin eine Einigung, die nicht mehr daraufhin zu überprüfen ist, ob für sie ein sonstiger sachlicher Grund besteht.
Roeper Dr. Becker Dr. Steckhan
Wagner Dr. Zachert
Fundstellen
Haufe-Index 441293 |
BAGE 45, 160-164 (LT1) |
BAGE, 160 |
DB 1984, 1834-1834 (LT1) |
ARST 1984, 123-124 (LT1) |
BlStSozArbR 1984, 260-260 (T) |
JR 1985, 484 |
NZA 1984, 34-34 (LT1) |
AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (LT1), Nr 80 |
AR-Blattei, Arbeitsvertrag-Arbeitsverhältnis VIII Entsch 55 (LT1) |
EzA § 620 BGB, Nr 69 (LT1) |
EzBAT, SR 2y BAT Nr 20 (LT1) |
MDR 1984, 700-700 (LT1) |