Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz wegen Auflösungsverschuldens
Leitsatz (redaktionell)
Ein Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs 2 BGB wegen Auflösungsverschuldens setzt voraus, daß die Zweiwochenfrist des § 626 Abs 2 Satz 1 BGB eingehalten ist. Dies gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis anders als durch eine außerordentliche Kündigung beendet wird.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1981 bei der Beklagten als Apothekerin beschäftigt. Sie hat am 20. Februar 1986 ein Kind geboren und im Anschluß an die Mutterschutzfrist Erziehungsurlaub genommen.
Am 13. November 1986 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 20. Dezember 1986, dem Ende des Erziehungsurlaubs, und teilte der Beklagten mit, sie verlange Schadenersatz, da die Beklagte die Kündigung durch ihr vertragswidriges Verhalten verschuldet habe. Nachdem die Klägerin schwanger geworden sei, habe die Beklagte sie vom gemeinsamen Mittagstisch ausgeschlossen, die persönlichen Sachen der Klägerin unfrei durch die Post zukommen lassen, ihr die Weihnachtsgratifikation 1985 vorenthalten, ein Zwischenzeugnis erst nach Androhung eines Zwangsgelds erteilt und schließlich rechtswidrig während des Erziehungsurlaubs am 3. August 1986 das Arbeitsverhältnis gekündigt.
Mit der am 24. Juni 1987 erhobenen Klage hat die Klägerin Schadenersatz in Höhe der Arbeitsvergütung für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis zum 31. Mai 1987 begehrt, was abzüglich auf die Arbeitsverwaltung übergegangener Beträge einer Klageforderung von insgesamt 12.031,17 DM entsprach, sowie die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr weiteren aus der Verletzung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Schaden zu ersetzen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Mit der Berufung hat die Klägerin nur noch Zahlung von 9.960,-- DM verlangt und den Feststellungsantrag nicht mehr aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Beklagte.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß dem Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz wegen Auflösungsverschuldens nach § 628 Abs. 2 BGB nicht entgegensteht, daß diese das Arbeitsverhältnis zum Ende des Erziehungsurlaubs und nicht ohne Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 626 BGB gekündigt hat.
Mit dem Begriff Kündigung im Sinne von § 628 Abs. 2 BGB ist zwar die in § 628 Abs. 1 BGB genannte außerordentliche Kündigung nach § 626 oder nach § 627 BGB gemeint. Dies folgt aus dem Zusammenhang von § 628 Abs. 1 mit § 628 Abs. 2 BGB. Für den Anspruch nach § 628 Abs. 2 BGB kommt es aber nicht auf die Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf den Anlaß dazu an. Deshalb ist § 628 Abs. 2 BGB auch dann anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis auf andere Weise als durch fristlose Kündigung beendet worden ist, sofern der andere Vertragsteil durch vertragswidriges schuldhaftes Verhalten Anlaß für die Beendigung gegeben hat. Dabei muß das Auflösungsverschulden den Merkmalen des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB entsprechen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG Urteil vom 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969, zu C I 2 der Gründe).
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz aber deshalb verneint, weil sie die zweiwöchige Ausschlußfrist nach § 626 Abs. 2 BGB versäumt hat.
a) Der Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB setzt voraus, daß eine wirksame außerordentliche Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens der anderen Vertragspartei ausgesprochen wurde oder hätte ausgesprochen werden können. Fehlt ein zur fristlosen Kündigung berechtigender Grund, so scheidet ein Schadenersatzanspruch wegen der durch die Auflösung entstehenden Nachteile aus (BAG aaO).
b) Wird die gesetzliche Ausschlußfrist nach § 626 Abs. 2 BGB versäumt, endet damit auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung. Ein möglicherweise erheblicher wichtiger Grund ist - sollte er vorgelegen haben -, nicht mehr geeignet, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen (BAGE 24, 292, 295 = AP Nr. 1 zu § 13 KSchG 1969, zu 1 der Gründe). Wenn ein pflichtwidriges Verhalten einer Vertragspartei nicht mehr zum Anlaß einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses genommen werden kann, entfällt damit auch der Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB wegen dieses Verhaltens. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß anderenfalls ein nicht auflösbarer Widerspruch zwischen der Bestimmung über die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB und der Vorschrift über den Schadenersatz nach § 628 BGB bestünde. § 628 Abs. 2 BGB ist kein Auffangtatbestand für wegen Versäumung der Ausschlußfrist mißlungene außerordentliche Kündigungen. Mit der Einführung der Ausschlußfrist nach § 626 Abs. 2 BGB durch das erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) sind die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung verschärft worden. Das hat auch zu einer Einschränkung des auf § 626 BGB aufbauenden Schadenersatzanspruchs nach § 628 Abs. 2 BGB geführt. Wahrt der Anspruchsberechtigte daher die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht, so verliert er seinen Anspruch auf Schadenersatz.
c) Da das von der Klägerin geltend gemachte Auflösungsverschulden der Beklagten unstreitig mehr als zwei Wochen vor dem Kündigungsschreiben vom 13. November 1986 liegt, hat sie keinen Anspruch auf Schadenersatz.
3. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es unerheblich, daß sie sich zum Zeitpunkt der Kündigung im Erziehungsurlaub befand. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gilt auch bei suspendierter Arbeitspflicht.
b) Auch der Hinweis der Revision auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Februar 1981 (- 7 AZR 12/79 - AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969 = DB 1981, 2233) geht fehl. Die in dieser Entscheidung vertretene Auffassung, § 628 Abs. 2 BGB sei auch anzuwenden, wenn die Kündigung aus anderen Gründen als wegen Fehlens eines wichtigen Grundes nichtig sei, bezieht sich nicht auf die Zweiwochenfrist, da deren Versäumung den wichtigen Grund selbst ausschließt.
c) Schließlich kann sich die Revision auch nicht auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 30. November 1983 (- 7 AZN 502/83 -) berufen, der einen anderen Sachverhalt betrifft.
Dr. Leinemann Dr. Peifer Dr.Wittek
Harnack Wittendorfer
Fundstellen
Haufe-Index 441527 |
BB 1990, 425 |
BB 1990, 425 (LT1) |
DB 1990, 433 (LT1) |
EBE/BAG 1989, 191-192 (LT1) |
ARST 1990, 47-48 (LT1) |
ASP 1990, 99 (K) |
JR 1990, 220 |
JR 1990, 220 (S) |
NZA 1990, 106 (LT1) |
AP § 628 BGB (LT1), Nr 11 |
AR-Blattei, ES 1010.8 Nr 74 (LT1) |
AR-Blattei, ES 1400 Nr 63 (LT1) |
AR-Blattei, Kündigung VIII Entsch 74 (LT1) |
AR-Blattei, Schadensersatz im Arbeitsrecht Entsch 63 (LT1) |
EzA § 628 BGB, Nr 17 (LT1) |
EzBAT § 8 BAT Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers, Nr 8 (LT1) |
GdS-Zeitung 1990, Nr 6-7, 24 (T) |