Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Unfallrente in Gesamtversorgungssystem
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Aufstellung von Richtlinien für die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung hat der Arbeitgeber den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Dieser Grundsatz verbietet sachfremde Differenzierungen zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern. Er gebietet auch, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart zu unterscheiden (Bestätigung von BAG 19.7.1983 - 3 AZR 241/82 = BAGE 43, 173).
2. Der Arbeitgeber kann in seinen Richtlinien Gruppen von begünstigten Arbeitnehmern nach abstrakten Merkmalen bilden. Die Berechnung- und Bemessungsregelungen dürfen auf typische Merkmale abstellen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht schon dann verletzt, wenn Tatbestände einheitlich geregelt werden, die sich nur in unwesentlichen Einzelheiten voneinander unterscheiden.
3. In einem Gesamtversorgungssystem dürfen Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung nur angerechnet werden, soweit sie dazu bestimmt sind, Verdienstminderungen zu ersetzen. Sie dürfen nicht angerechnet werden, soweit sie immaterielle Schäden und sonstige Einbußen ausgleichen sollen (Bestätigung von BAG 19.7.1983 - 3 AZR 241/82 = BAGE 43, 173).
4. Das gilt auch, soweit eine Verletztenrente aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 30 vH gezahlt wird.
5. Der teilweisen Anrechnung der Verletztenrente steht nicht entgegen, daß sie wegen eines Arbeitsunfalls aus der Zeit vor Begründung des Arbeitsverhältnisses und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses neben dem Lohn gezahlt wurde.
Normenkette
BVG §§ 32, 31; BGB § 242; RVO § 626; AVG § 55 Abs. 1; RVO § 1278 Abs. 1; BetrAVG § 5 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.12.1985; Aktenzeichen 14 Sa 1071/85) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.05.1985; Aktenzeichen 3 Ca 1725/85) |
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagte Unterstützungskasse auf Zahlung einer höheren Betriebsrente in Anspruch.
Der Kläger, geboren am 9. März 1924, war vom 1. April 1957 bis zum 31. März 1984 als Rechtssekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) beschäftigt. Seit dem 1. April 1984 bezog er eine Sozialversicherungsrente in Höhe von 1.899,70 DM monatlich, von der nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags für Rentner 1.880,70 DM ausgezahlt wurden. Außerdem erhielt er seit 1951 eine gesetzliche Unfallrente bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 v.H. in Höhe von zuletzt 545,90 DM monatlich. Die Beklagte, eine gemeinsame Unterstützungseinrichtung des DGB und der ihn tragenden Gewerkschaften, zahlte dem Kläger seit dem 1. April 1984 ein betriebliches Ruhegeld von 1.393,62 DM monatlich.
Maßgebend für die Berechnung des Ruhegelds sind die Unterstützungsrichtlinien der Beklagten in der Fassung vom 1. Januar 1983. Nach diesen Richtlinien zahlte die Kasse dem Kläger ab 1. April 1984 eine Unterstützung von monatlich 1.393,62 DM. Auf die nach dem Bemessungsentgelt und nach Zuwendungsjahren ermittelte Unterstützung rechnete sie die Sozialversicherungsrente und die Verletztenrente an (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinien). Gleichzeitig kürzte sie die rechnerisch ermittelte Unterstützung um den Betrag, der 80 % des Bemessungsentgelts überschritt. Im Regelfall darf die Unterstützung zusammen mit den anrechenbaren fremden Leistungen 75 % v.H. des Bemessungsentgelts nicht übersteigen. Dieser Satz erhöht sich beim Bezug von Versorgungsleistungen infolge eines Arbeitsunfalls auf die genannten 80 % des Bemessungsentgelts (§ 6 Abs. 5 der Richtlinien). Dies führte beim Kläger dazu, daß von der Verletztenrente (545,90 DM) ein Anteil von 306,-- DM angerechnet wurde und ein Teil von 239,95 DM anrechnungsfrei blieb. Die Sozialversicherungsrente wurde in voller Höhe und nicht nur mit dem ausgezahlten Betrag - Rente abzüglich des Krankenkassenversicherungsbeitrages der Rentner (19,-- DM) - berücksichtigt.
Mit dieser Berechnung ist der Kläger nicht einverstanden. Er hat geltend gemacht, die Unfallrente dürfe nicht angerechnet werden, die Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung nur in Höhe des tatsächlich ausgezahlten Betrages (Rente vermindert um den Krankenversicherungsbeitrag). Ihm stünden damit monatlich weitere 324,95 DM (306,90 DM + 19,05 DM) zu. Für die Monate April bis September 1984 hat er die Differenz eingeklagt. Er hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1.949,70 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit
zu zahlen,
2. festzustellen, daß bei der Berechnung seiner
Altersunterstützung
a) die Unfallrente nicht,
b) die BfA-Rente nur in Höhe des Nettozahlbetrages
anzurechnen sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf die Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 19. Juli 1983 - 3 AZR 241/82 - (BAGE 43, 173 = AP Nr. 8 zu § 5 BetrAVG) bezogen und ergänzend darauf hingewiesen, daß beim Kläger nicht nur der Betrag der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (154,-- DM), sondern infolge der Erhöhung der Obergrenze von 75 v.H. auf 80 v.H. des Bemessungsentgelts ein Anteil von insgesamt 44 v.H. der Unfallrente (239,95 DM) anrechnungsfrei bleibe. Eine Teilanrechnung in Höhe von 56 v.H. der Unfallrente sei nicht zu beanstanden; der zum Ausgleich immaterieller Nachteile dienende Teil der Unfallrente bleibe unter diesen Umständen dem Kläger erhalten. Im übrigen treffe es nicht zu, daß die Unfallrente des Klägers nur Schmerzensgeldfunktion habe. Da die Abgrenzung im Einzelfall ohnehin nicht möglich sei, müsse mit Rahmenzahlen gerechnet werden. Die Altersrente müsse in Höhe des Bruttobetrags angerechnet werden, da auch das Bemessungsentgelt nach dem Bruttobetrag zugrundegelegt werde. Nur so werde eine nicht gewollte Überversorgung vermieden.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten keine höhere Betriebsrente verlangen.
I. Die Beklagte hat von der gesetzlichen Unfallrente des Klägers in Höhe von 545,90 DM einen Anteil von 306,-- DM auf das betriebliche Ruhegeld angerechnet, während 239,90 DM, also 44 v.H., anrechnungsfrei blieben. Das ist nicht zu beanstanden.
1. Zwar ist § 14 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinien nichtig. Nach dieser Bestimmung sind Leistungen aus der Sozialversicherung, also auch gesetzliche Unfallrenten, auf die betriebliche Versorgung anzurechnen, soweit die Gesamtversorgungsobergrenze von 75 v.H., bei Unfallrentenbeziehern von 80 v.H. des Bemessungsentgelts, überschritten würde (§ 14 Abs. 5 i.V.m. § 6 Abs. 5 der Richtlinien). Vorgesehen ist mithin die volle Anrechnung der Unfallrente. Nach § 14 Abs. 6 der Richtlinien soll lediglich ein Teil der Unfallrente bis zur Gesamtversorgungsobergrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung unter den Voraussetzungen des § 1278 RVO bzw. des § 55 AVG erhalten bleiben (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 19. Juli 1983 - 3 AZR 241/82 - BAGE 43, 173, 183 = AP, aaO, zu II 3 c der Gründe).
Die vollständige Anrechnung der Unfallrente verstößt zwar nicht gegen das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 BetrAVG, wohl aber gegen das Gebot der Gleichbehandlung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart zu unterscheiden. Danach darf der Teil der Unfallrente nicht zur Gesamtversorgung des Arbeitnehmers gerechnet werden, der immaterielle Schäden und sonstige persönliche Einbußen ausgleicht. Anrechenbar ist eine Unfallrente nur, soweit sie dazu bestimmt ist, Verdienstminderungen zu ersetzen. Da die gesetzliche Unfallversicherung keine Aufteilung der Verletztenrente je nach dem Zweck der Bezüge vorsieht, kommt es auf die Aufteilung durch die betriebliche Versorgungsregelung an. Enthält diese keine oder eine unbillige Aufteilung, so ist der Maßstab des Bundesversorgungsgesetzes entsprechend anzuwenden; der Teil der Unfallrente, der der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bei vergleichbarer Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht, muß anrechnungsfrei bleiben (vgl. zum ganzen Urteil des Senats vom 19. Juli 1983, aa0). Da die Richtlinien der Beklagten in der Fassung vom 1. Januar 1983 diesen Anforderungen nicht genügen, vielmehr eine volle Anrechnung vorsehen, sind sie insoweit nichtig.
Die Nichtigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Höchstgrenze einer Gesamtversorgung von 75 % auf 80 % des Bemessungsentgelts heraufgesetzt wird, wenn eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung angerechnet werden soll. Dies führt nämlich nicht in allen Fällen dazu, daß der anrechnungsfreie Teil der Unfallrente dem Versorgungsberechtigten erhalten bleibt (vgl. hierzu BAGE 43, 161 = AP Nr. 9 zu § 5 BetrAVG).
2. Dem Kläger steht aber trotz der Teilnichtigkeit kein höherer Versorgungsanspruch zu. Ihm verbleibt mehr als der Teil der Verletztenrente, der nicht angerechnet werden darf. Anrechnungsfrei ist nur der Grundrentenanteil von 154,-- DM. Ihm verbleiben jedoch 239,-- DM aus der Unfallrente, das sind 44 v.H. dieser Rente. Damit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz in seinem Fall - trotz der in den Richtlinien vorgesehenen aber unzulässigen vollen Anrechnung der Verletztenrente - nicht verletzt. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers vermögen nicht zu überzeugen.
a) Der Kläger hält eine - auch teilweise - Anrechnung von Unfallrenten schon für grundsätzlich bedenklich. Er bezieht sich auf das entsprechende Urteil des Senats vom 17. Januar 1980 (BAGE 32, 297 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG), von dem der Senat jedoch inzwischen durch das Urteil vom 19. Juli 1983 (aa0) wieder abgerückt ist. Der Kläger verweist ferner darauf, daß das Bundesverfassungsgericht eine gegen das Urteil vom 17. Januar 1980 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG Beschluß vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 510/80 - AP Nr. 4 zu § 5 BetrAVG). Der Auffassung des Klägers kann nicht gefolgt werden.
Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 19. Juli 1983 der im Schrifttum gegen das Urteil vom 17. Januar 1980 erhobenen Kritik nicht verschließen können: Da gesetzliche Verletztenrenten auch dazu dienen, unfallbedingte Verdienstminderungen auszugleichen, müssen sie insoweit bei der Bemessung betrieblicher Versorgungsleistung berücksichtigt werden können. Das gilt, wenn eine Gesamtversorgung zugesagt ist, aber auch dann, wenn die Versorgungsordnung lediglich eine Höchstbegrenzungsklausel enthält, ohne bei der Bemessung der betrieblichen Versorgungsleistung direkt auf der Versorgungslücke zwischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und den Einkünften des aktiven Arbeitnehmers aufzubauen (Urteil vom 24. März 1987 - 3 AZR 344/85 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das Urteil des Senats vom 19. Juli 1983 hat auch im Schrifttum einhellig Zustimmung gefunden (Gitter, Anm. zu AP Nr. 8 zu § 5 BetrAVG; Krasney in AR-Blattei Betriebliche Altersversorgung, Entsch. 124; Höfer/vom Hofe, Anm. zu EzA BetrAVG § 5 Nr. 5; von Hoyningen-Huene, SAE 1984, 19; Gitter, Anm. zu AP Nr. 9 zu § 5 BetrAVG; Ahrend/Förster/Rühmann, BB 1984, 77, 84).
Dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1980 (aa0) läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht verneint einen Verstoß gegen die Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG und führt zu Art. 3 Abs. 1 GG aus, es sei nicht sachwidrig, die Anrechnungsklausel der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1278 RVO, § 55 AVG) auf Anrechnungsvorschriften der betrieblichen Altersversorgung nicht anzuwenden. Damit ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts über die Zulässigkeit einer teilweisen Anrechnung der Verletztenrente im Rahmen einer Gesamtversorgung gesagt.
b) Der Kläger wendet weiter ein, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 v.H. sei es nicht sachgerecht, die Aufteilung der Unfallrente in einen anrechnungsfreien und einen anrechenbaren Teil entsprechend dem Maßstab des Bundesversorgungsgesetzes vorzunehmen. Bei so geringen Erwerbsminderungen trete kein Verdienstausfall ein, die Unfallrente gelte somit nur immaterielle Schäden ab und müsse daher insgesamt anrechnungsfrei bleiben. Auch dies erscheint nicht überzeugend.
Dem Kläger wird allerdings darin beizupflichten sein, daß die gesetzliche Unfallrente bei leichteren und selbst mittelschweren Unfällen ein entgangenes Schmerzensgeld ganz oder weitgehend aufwiegt und bei den heutigen Verhältnissen bestimmte Lohneinbußen in der Regel nicht festzustellen sein werden (BVerfGE 34, 118 = AP Nr. 6 zu § 636 RVO, zu C I 4 der Gründe). Diese Erkenntnis kann indes nicht dazu führen, bei leichten bis mittelschweren Unfällen von der unterschiedlichen Zwecksetzung der gesetzlichen Unfallrente bei der Anrechnung in betrieblichen Versorgungssystemen abzusehen. Das Urteil des Senats vom 19. Juli 1983 (aa0) hat auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rücksicht genommen (zu II 2 c der Gründe). Aufgabe des Senats war es, einen Maßstab zu finden, der bei der Anrechnung von Unfallrenten eine sachgerechte Abgrenzung auch dann ermöglicht, wenn die Versorgungsordnung selbst keine oder eine unbillige Regelung trifft. Ebenso wie die Unfallrente unfallbedingten Mehraufwand, immaterielle Schäden, erhöhte Anstrengungen des Unfallgeschädigten, aber auch Verdienstminderungen ausgleicht, ohne bei der Rentenbemessung im Einzelfall nach den einzelnen Entschädigungszwecken zu unterscheiden, muß auch bei Anrechnungsklauseln in betrieblichen Versorgungssystemen ein allgemeiner Maßstab Anwendung finden, der es ermöglicht, solche Rentenanteile von der Anrechnung auszuschließen, die typischerweise nicht der Verdienstsicherung dienen und deswegen bei der Ermittlung der Gesamtversorgung nicht als solche Versorgungsbestandteile zu Buche schlagen, die sich jeder Arbeitnehmer, auch der nicht unfallgeschädigte, anrechnen lassen muß. Dieser Maßstab kann nicht auf den Einzelfall abstellen, sondern nur abstrakt abgrenzen, was einerseits in bezug zum Arbeitsverhältnis und zur Betriebstreue des Arbeitnehmers steht und daher anrechenbar ist, und was andererseits davon unabhängige persönliche Nachteile wie Schmerzen, erhöhte Anstrengungen und Spätfolgen auszugleichen bestimmt ist. Ein betriebliches Versorgungssystem kann ebensowenig wie die Bemessung gesetzlicher Unfallrenten und Leistungen der Kriegsopferversorgung gewährleisten, daß jeder individuellen Besonderheit Rechnung getragen wird. Eine in dieser Weise abstrakt abgrenzende Versorgungsregelung verstößt nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil einzelne Arbeitnehmer gemessen an anderen geringfügig bevorzugt oder benachteiligt werden. Bei der Bildung von Gruppen nach abstrakten Merkmalen muß das Interesse des Arbeitgebers anerkannt werden, eine Vielzahl von Fällen, die sich nur in Details voneinander unterscheiden, einheitlich zu regeln (so auch Schoden, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 5 BetrAVG).
Die Unterscheidung in anrechenbare und anrechnungsfreie Teile der Verletztenrente nach dem Maßstab des Bundesversorgungsgesetzes auch bei leichten bis mittelschweren Unfällen könnte allenfalls dann sachwidrig sein, wenn es zuträfe, daß Unfallrenten aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 bis 30 v.H. niemals auch Verdienstausfälle ausgleichen. Die sog. Schmerzensgeldfunktion der Unfallrente mag in diesen Fällen überwiegen; tatsächlich mögen unter den heutigen Umständen Verdienstminderungen bei leichten bis mittelschweren Unfällen in der Regel nicht zu erwarten sein. Der vom Bundesverfassungsgericht (aa0) festgestellte Funktionswandel der Verletztenrente durch die Entwicklungen im Arbeitsleben und die Fortschritte der medizinischen Rehabilitation ändert aber nichts daran, daß auch Verdienstminderungen - soweit sie eintreten - abgegolten werden (BVerfG, aa0, zu C I 4 der Gründe). Aus diesem Grunde hat der Senat im Interesse eines einheitlichen Maßstabes selbst bei Renten aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 30 v.H. eine Anrechnung für zulässig gehalten, obwohl Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz erst bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. gezahlt werden. Der Senat hat in diesen Fällen einen angemessenen Abschlag für zulässig gehalten (Urteil vom 19. Juli 1983, aa0, zu II 4 c der Gründe). An der Entscheidung des Senats vom 19. Juli 1983 ist daher festzuhalten. Sie hat auch insoweit im Schrifttum einhellig Zustimmung gefunden (siehe die Nachweise vorstehend zu a).
c) Schließlich hält der Kläger die teilweise Anrechnung der Unfallrente in seinem Fall für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil sein Arbeitsunfall aus der Zeit vor der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem DGB herrührt. Er macht geltend, sein Unfall habe seine Arbeitsleistung beim DGB nicht beeinträchtigt. Andererseits habe die Unfallrente während des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt in den Ruhestand seinen Lebensstandard beeinflußt. Es widerspreche dem Ziel eines Gesamtversorgungssystems, im Ruhestand die betrieblichen Versorgungsbezüge zu kürzen, obwohl er die Unfallrente zuvor neben seinem Arbeitsentgelt erhalten habe. Auch dieses Argument überzeugt nicht.
Maßgebend für die Berechnung des betrieblichen Ruhegelds in einem Gesamtversorgungssystem ist die in der Versorgungsordnung selbst zu definierende Versorgungslücke zwischen dem Arbeitsentgelt des noch aktiven Arbeitnehmers und seinen späteren, in der Regel deutlich niedrigeren Einkünften als Versorgungsempfänger. Der Ruheständler soll in der Gesamtversorgung zusätzliche Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erhalten, die seinen bis zum Versorgungsfall erreichten Lebensstandard im wesentlichen aufrecht erhalten. Bemessungsgrundlage ist daher regelmäßig das Einkommen des aktiven Arbeitnehmers in dem Arbeitsverhältnis, das zu den Versorgungsleistungen führt. Damit steht zwar der Gesamtversorgungsbedarf für die Berechnung des Ruhegelds im Vordergrund, jedoch bleibt auch hier der Entgeltgedanke der betrieblichen Altersversorgung nicht gänzlich außer Betracht. Auch dann, wenn der Arbeitgeber unter Anrechnung anderer Bezüge eine Gesamtversorgung gewährleisten will, geschieht dies mit Rücksicht auf die im Arbeitsverhältnis erbrachten Dienste und die beim zusagenden Arbeitgeber zurückgelegte Dienstzeit (Urteil vom 19. Juli 1983, aa0, zu II 2 b der Gründe). Diesem Grundsatz folgen auch die Richtlinien der Beklagten: Die Versorgungsleistung ist dienstzeitabhängig. Gemäß § 6 Abs. 1 der Richtlinien sind nach zehn Jahren Wartezeit erst 20 v.H. der möglichen Vollversorgung erreicht und erst mit weiterer Betriebstreue kann die Vollversorgung entsprechend den vorgesehenen jährlichen Steigerungssätzen erdient werden. Die Gesamtversorgung mit Höchstbegrenzungsklausel bewirkt daher, daß die aus verschiedenen Quellen bezogenen Versorgungsbezüge auf eine Obergrenze limitiert werden. Diese Grenze kann der Arbeitgeber nach einem Prozentsatz des zuletzt bei ihm erzielten Arbeitseinkommens bestimmen. Er ist nicht verpflichtet, zugunsten des Arbeitnehmers sonstige Einkünfte zu berücksichtigen, auch wenn sie zusätzlich zu den Einkünften aus dem Arbeitsverhältnis den Lebensstandard des Arbeitnehmers bis zum Versorgungsfall beeinflußt haben (ebenso Blomeyer, DB 1982, 952, 958 f.). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 24. März 1987 (3 AZR 344/85 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) es als zweifelhaft bezeichnet hat, ob während des aktiven Dienstes bezogene Unfallrenten anrechenbar sind, ging es um eine andere Fragestellung, nämlich darum, ob der Kläger durch den im Arbeitsverhältnis erlittenen Unfall eine Minderung seines Verdienstes hinnehmen mußte, so daß das Bemessungsentgelt als Grundlage der Rentenberechnung absank. Ebenso wie in jenem Rechtsstreit bietet der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt für eine solche Annahme jedoch keinen Anlaß. Der Kläger hat im Gegenteil betont, er habe durch seinen Unfall keine Verdiensteinbußen erlitten. Dann aber ist es auch nicht sachwidrig, sein letztes beim DGB erzieltes Arbeitseinkommen als Bemessungsgrundlage für die Versorgung heranzuziehen.
II. Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, soweit er sich dagegen wendet, daß seine gesetzliche Altersrente und nicht nur der tatsächlich gezahlte Betrag nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags von monatlich 19,05 DM angerechnet wird.
1. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinien der Beklagten sind die Leistungen aus der Sozialversicherung anzurechnen. Daher ist die Altersrente des Klägers mit ihrem vollen Betrag zu berücksichtigen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da die Beklagte das Bemessungsentgelt für die Ruhestandsleistungen nach den Bruttolöhnen zugrunde legt, ist sie berechtigt, auch die anrechenbaren anderen Versorgungsleistungen nach den Bruttobeträgen zu berechnen. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß es anderenfalls zu Überversorgungen käme. Die Obergrenze der zugesagten Gesamtversorgung von 75 v.H. bzw. 80 v.H. der Bruttobezüge im letzten Jahr vor Eintritt in den Ruhestand würde überschritten. Der dem Rentner auferlegte Beitrag zur Krankenversicherung läßt die Höhe des Rentenanspruchs unberührt. Es handelt sich dabei um eine eigene Beteiligung der Rentner an den Kosten der Krankenversicherung. Er wird lediglich vom Rentenbetrag einbehalten. Daher ist es nicht geboten, bei der Anrechnung der Rente den Beitragsabzug zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 22. September 1969 - 3 AZR 113/69 - AP Nr. 140 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
2. Der Kläger wird schließlich nicht gegenüber den Beziehern einer beamtenrechtlichen Versorgung gleichheitswidrig benachteiligt. Ruhestandsbeamte sind gesetzlich nicht gegen Krankheit versichert; sie müssen sich selbst versichern und die entsprechenden Beiträge aufbringen. Arbeitnehmer und Beamte im Ruhestand werden also hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung nicht ungleich, sondern gleich behandelt.
Im übrigen stellt § 14 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinien der Beklagten zwar auf die beamtenrechtliche Nettoversorgung ab, jedoch sollen die Nettobezüge wegen der erheblichen Unterschiede in der Beamtenversorgung gerade nicht schematisch zugrunde gelegt werden, sondern nur nach näherer Prüfung und Bestimmung durch den Kassenvorstand (§ 315 Abs. 1 BGB). Schon deshalb verstößt die Regelung der Beklagten nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Kunze Dr. Hromadka
Fundstellen
Haufe-Index 438304 |
BB 1988, 1394-1396 (LT1-5) |
ASP 1988, 263 (K) |
BetrAV 1988, 218-220 (LT1-5) |
EWiR 1988, 641-641 (L1-5) |
NZA 1988, 609-611 (LT1-3) |
RdA 1988, 254 |
ZIP 1988, 857 |
ZIP 1988, 857-861 (LT1-5) |
AP § 5 BetrAVG (LT1-5), Nr 26 |
EzA § 5 BetrAVG, Nr 18 (LT1-5) |
HV-INFO 1988, 1649-1656 |
SGb 1988, 414 (L) |
VersR 1988, 865-867 (LT) |