Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgezogene Betriebsrente des vorzeitig Ausgeschiedenen. Berechnung der vorgezogenen Betriebsrente eines vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Betriebsrentners. Haftung einer Pensionskasse. Vertrauensschutz gegenüber Rechtsprechungsänderungen. Betriebliche Altersversorgung
Orientierungssatz
- Bei der Berechnung der vorgezogenen Betriebsrente eines vorzeitig mit unverfallbarer Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers stehen die Grundwertungen des Betriebsrentengesetzes zwingend einer zweifachen mindernden Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand und der festen Altersgrenze entgegen, wenn zugleich versicherungsmathematische Abschläge vorgesehen sind.
- Eine Pensionskasse hat grundsätzlich nur für die Leistungen einzustehen, die sie nach ihrer Satzung versprochen hat und für die Beiträge erbracht wurden. Muss aufgrund zwingender betriebsrentenrechtlicher Vorgaben eine höhere Versorgungsleistung erbracht werden, als sie die Pensionskassenregelung vorsieht, muss der Arbeitgeber selbst für den Spitzenbetrag einstehen. Etwas anderes kann nur unter besonderen Umständen des Einzelfalls gelten. Darüber hinaus schuldet auch die Pensionskasse und nicht nur der Arbeitgeber aufgrund europarechtlicher Vorgaben ein diskriminierungsfreies Verhalten (Senat 19. November 2002 – 3 AZR 631/97 – AP BetrAVG § 1 Gleichberechtigung Nr. 13 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 11).
Normenkette
BetrAVG §§ 6, 2 Abs. 1; BetrAVG § Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
Der Kläger ist am 12. November 1939 geboren. Er war vom 1. April 1976 bis zum 30. Juni 1998 bei der G… VVaG beschäftigt. Mit Schreiben vom 6. April 1981 hatte seine Arbeitgeberin ihm mitgeteilt, da er am 1. April 1981 nach Vollendung seines 20. Lebensjahres fünf Jahre in den Diensten der Bank gestanden habe, werde er zu diesem Zeitpunkt nach § 7 der Allgemeinen Betriebsvereinbarung Mitglied der Versorgungskasse des Unternehmens. Dadurch erwerbe er im Rahmen der Satzung dieser Kasse den Anspruch auf eine kostenlose Altersversorgung, die zusammen mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zu 70 % des pensionsfähigen Gehaltes betragen könne.
Bei der beklagten Versorgungskasse handelt es sich nach ihrer Satzung aus dem Jahre 1996 um einen kleinen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der als betriebliche Versorgungseinrichtung zu Gunsten der Angestellten, Arbeiter und Vorstandsmitglieder ua. der G… VVaG K… dient, soweit den Betriebsangehörigen dieser Unternehmen von einem der in einem Konzern verbundenen Trägerunternehmen, eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung nach den Regeln dieser Satzung erteilt worden ist.
Der Kläger befindet sich seit dem 1. März 2001 im vorgezogenen gesetzlichen Ruhestand und bezieht seither von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 243,00 DM, heute 124,24 EURO. Der Kläger hatte demgegenüber mit seiner Klage ursprünglich eine monatliche Betriebsrente von 401,71 DM, also 205,39 EURO verlangt.
Grundlage für die Berechnung des Betriebsrentenanspruchs des Klägers ist der Leistungsplan B… der Satzung der Beklagten (im Folgenden: Satzung), in dem es im hier Wesentlichen heißt:
“§ 7 Erwerb der außerordentlichen Mitgliedschaft
1. Die ordentliche Mitgliedschaft wandelt sich in eine außerordentliche Mitgliedschaft um, wenn ein Mitglied vor Eintritt eines satzungsmäßigen Versorgungsfalles aus den Diensten des Unternehmens ausscheidet und beim Ausscheiden eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen nach § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (kurz: BetrAVG) besteht.
…
§ 32 Entstehen des Anspruchs auf Altersrente
…
2. Vorgezogene Altersrente erhält ein Mitglied, das Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt. …
§ 72 System des Ruhegeldes
Dem Mitglied der Versorgungskasse wird ggf. zusammen mit Versorgungsleistungen der Unternehmen eine von der Anzahl seiner ruhegeldfähigen Mitgliedsjahre in der Versorgungskasse und von der Höhe seines ruhegeldfähigen Einkommens abhängige Versorgung gewährt.
§ 73 Höhe des Ruhegeldes
1. Die Höhe des Ruhegeldes beträgt für jedes ruhegeldfähige Jahr der Mitgliedschaft in der Versorgungskasse 0,7 % des ruhegeldfähigen Einkommens.
…
2. Ergibt sich bei der Festsetzung des Ruhegeldes, daß dieses zusammen mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses gewährten Versorgungsbezügen 70 % des ruhegeldfähigen Einkommens übersteigen würde, so wird es um den übersteigenden Betrag gekürzt.
…
4. Nimmt das Mitglied die vorgezogene Altersrente gemäß § 32 Nummer 2. in Anspruch, wird das nach den vorstehenden Nummern 1. bis 3. auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres ermittelte Ruhegeld (Ausgangswert) ratierlich auf den Zeitpunkt des Ausscheidens nach Maßgabe der bis zum Ausscheiden bei den Unternehmen zurückgelegten Dienstzeit im Verhältnis der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bei den Unternehmen insgesamt möglichen Dienstzeit umgerechnet und dann zusätzlich um 0,5 % für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbeginns gekürzt.
Bei der Ermittlung des Ausgangswertes sind die beim Ausscheiden maßgeblichen Verhältnisse und die danach bei Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Bemessungsgrößen zu berücksichtigen.
§ 74 Höhe des Ruhegeldes für außerordentliche Mitglieder nach § 7 der Satzung
1. Die Höhe des Ruhegeldes für ein außerordentliches Mitglied nach § 7 der Satzung richtet sich nach den Vorschriften des § 2 BetrAVG. Danach hat das außerordentliche Mitglied bei Eintritt eines Versorgungsfalles nach den §§ 32 bis 34 der Satzung einen Anspruch in Höhe des Teiles der ohne die Umwandlung in eine außerordentliche Mitgliedschaft zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu den Unternehmen zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht.
…”
Die Beklagte berechnete den Betriebsrentenanspruch des Klägers wie folgt:
Sie ging unter Berücksichtigung der Gesamtversorgungsobergrenze von einem zwischen den Parteien nicht mehr streitigen Ausgangsbetrag von 461,36 DM aus. Diesen Betrag kürzte sie im Verhältnis der bis zum Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand fiktiv erreichten Dienstzeit zur möglichen Dienstzeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, also um 299/343,4 auf 401,71 DM, dann weiter im Hinblick auf den um 45 Monate vorgezogenen Rentenbeginn um 22,5 % auf 311,33 DM. Diesen Betrag minderte sie abschließend im Verhältnis der tatsächlichen Dienstzeit des Klägers zur möglichen Dienstzeit im Alter 65 (267/343,4) auf insgesamt – aufgerundet – 243,00 DM.
Der Kläger hat demgegenüber mehrere nach seiner Auffassung festzustellende Berechnungsfehler gerügt und ua. geltend gemacht, durch die gleichzeitige Anwendung von § 73 Nr. 4 und § 74 Nr. 1 der Satzung werde er unangemessen benachteiligt. Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.261,20 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz aus je 159,65 DM seit dem 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September und 1. Oktober 2001 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine monatliche Kassenrente in Höhe von mindestens 401,71 DM zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung wird der Kläger durch die Berechnung der betrieblichen Rente nach § 73 und § 74 der Satzung nicht unangemessen benachteiligt. Sie habe bei ihrer Berechnung die Regelungen der Satzung richtig zugrunde gelegt. Diese seien vor dem Hintergrund der Satzungsautonomie der Beklagten auch von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Soweit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine andere Berechnung der Betriebsrente bei vorgezogener Inanspruchnahme fordere, sei sie unrichtig. Zumindest müsse der Beklagten im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Vertrauensschutz zugebilligt werden. Sie habe auf den Bestand der langjährigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der doppelten ratierlichen Kürzung vertrauen dürfen. Sie habe bei der Berechnung der Höhe der den einzelnen Berechtigten zu gewährenden Altersrente einkalkuliert, dass die mehrfache Kürzung im Falle des vorzeitigen Ausscheidens und der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente zulässig sei. Wäre dies unzulässig gewesen, hätte sie in ihrer Versorgungsordnung geringere Altersleistungen zugesagt oder höhere prozentuale Abschläge vorgenommen, um die Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen zu gewährleisten.
Das Arbeitsgericht hat für den Kläger einen monatlichen Betriebsrentenanspruch in Höhe von 311,33 DM, also 159,18 EURO festgestellt und die Beklagte zu entsprechenden Nachzahlungen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil teilweise abgeändert und einen monatlichen Rentenanspruch des Klägers in Höhe von 278,00 DM, also 142,14 EURO brutto, festgestellt sowie die Beklagte zum Ausgleich für die sich daraus ergebenden Differenzbeträge zur Zahlung von 143,20 EURO nebst Zinsen für die Monate März bis Oktober 2001 verurteilt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht die vom Landesarbeitsgericht zuerkannte monatliche Betriebsrente in Höhe von 142,14 EURO zu. Diesen Betrag schuldet die Beklagte.
Das Landesarbeitsgericht hat den Betriebsrentenanspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend berechnet.
1. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres eine Vollrente von 461,36 DM erdient hätte. Dies ist auch im Ergebnis richtig, obwohl die Beklagte bei der Ermittlung dieses Ausgangsbetrags für die erreichbare Betriebsrente nur die vom Kläger bis zum vorzeitigen Ausscheiden erreichten und nicht die bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Steigerungssätze von 0,7 % des ruhegeldfähigen Gehaltes je ruhegeldfähigem Dienstjahr berücksichtigt hat. Auch das vom Kläger nach § 73 Nr. 1 der Satzung bis zum vorzeitigen Ausscheiden rechnerisch Erdiente überschreitet bereits zusammen mit der gesetzlichen Rente die in § 73 Nr. 2 festgelegte Gesamtversorgungsobergrenze von 70 % des ruhegeldfähigen Einkommens. Auch wenn die weiteren Steigerungssätze bis zum Erreichen der festen Altersgrenze berücksichtigt worden wären, hätte dies mithin nicht zu einer Erhöhung der erreichbaren Betriebsrente geführt.
2. Diesen Ausgangsbetrag hat das Landesarbeitsgericht zu Recht wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers um den Unverfallbarkeitsfaktor gekürzt, der sich aus dem Verhältnis der tatsächlichen Dienstzeit zu einer Beschäftigungszeit bis zur Altersgrenze 65 ergibt, also um 267/343,4 (= 0,7775). Der sich daraus ergebende Betrag war weiter wegen des vorgezogenen und deshalb früheren und längeren Bezuges um den in § 73 Nr. 4 der Satzung vorgesehenen versicherungsmathematischen Abschlag für 45 Monate vorgezogene Inanspruchnahme, also um 22,5 %, zu mindern. Daraus ergibt sich dann letztlich ein monatlicher Betriebsrentenanspruch von 278,00 DM, also 142,14 EURO. Er liegt um 17,90 EURO monatlich über dem von der Beklagten gezahlten Betrag.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gibt der Leistungsplan der Beklagten diesen Rechenweg allerdings nicht vor.
1. Für den Kläger gilt § 74 der Satzung, weil er ein außerordentliches Mitglied der Beklagten “nach § 7 der Satzung” ist. Er ist vor Eintritt eines Versorgungsfalls mit einer nach § 1 Abs. 1 BetrAVG aF unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis mit seiner Arbeitgeberin ausgeschieden, die ihm eine Versorgungszusage unter Einschaltung der Beklagten zugesagt hatte. Sein Arbeitsverhältnis dauerte insgesamt mehr als 22 Jahre. Davon war jedenfalls die Zeit seit der Erteilung der Versorgungszusage im Jahre 1981 bis zum vorzeitigem Ausscheiden am 30. Juni 1998 von einer Versorgungszusage begleitet. Damit sind die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF für den bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mehr als 58 Jahre alten Kläger erfüllt.
2. Nach § 74 der Satzung ist Ausgangspunkt für eine zeitratierliche Kürzung nach § 2 BetrAVG die “bei Eintritt eines Versorgungsfalles nach den §§ 32 bis 34 der Satzung” die “ohne die Umwandlung in eine außerordentliche Mitgliedschaft”, also ohne das vorzeitige Ausscheiden zustehende Leistung. Zu den Versorgungsfällen im Sinne der Satzung gehört nach § 32 Nr. 2 auch der vorgezogene Eintritt in den Ruhestand. Nimmt ein ordentliches Mitglied der Beklagten diesen Versorgungsfall wahr, nachdem es bis dahin betriebstreu geblieben ist, soll die ihm zustehende Betriebsrente nach § 73 Nr. 4 der Satzung ausgehend von der bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Betriebsrente zweimal gekürzt werden: zum einen zeitanteilig auf den Zeitpunkt der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente, zum anderen versicherungsmathematisch im Hinblick auf den früheren und längeren Bezug der Betriebsrente. Die sich hieraus für ein betriebstreues, “ordentliches” Mitglied der Beklagten ergebende vorgezogene Betriebsrente soll nach § 74 der Satzung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG im Verhältnis der erreichten zur erreichbaren Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze 65 gekürzt werden. Hieraus ergibt sich der von der Beklagten für den Kläger ermittelte Rentenbetrag.
3. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, das aus einer am Sinn und Zweck der Berechnungsregeln der Satzung orientierten Auslegung darauf geschlossen hat, § 73 Nr. 4 und § 74 Nr. 1 der Satzung seien nicht kumulativ als Kürzungsvorschriften anzuwenden. Im Falle der Inanspruchnahme der vorgezogenen Betriebsrente nach vorzeitigem Ausscheiden sei vielmehr nur § 73 Nr. 4 der Satzung anzuwenden. Ein solches Auslegungsergebnis steht im Widerspruch zu Wortlaut und eindeutiger Systematik der Satzung, die zudem zu einem Zeitpunkt geschaffen wurde, als die Berechnungsweise, wie sie § 74 Nr. 1 iVm. § 73 Nr. 4 der Satzung zu entnehmen ist, noch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprach.
Gleichwohl ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Anspruchsberechnung rechtlich richtig. Die vorgezogene Betriebsrente eines vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers darf von Rechts wegen nicht so berechnet werden, wie dies § 74 Nr. 1 und § 73 Nr. 4 der Satzung vorsehen.
1. Die in der Satzung vorgesehene Berechnungsweise läuft auf eine dreifache Kürzung der dem Arbeitnehmer für den Fall der Betriebstreue bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres versprochenen Vollrente hinaus, weil sie die fehlende Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand und der festen Altersgrenze zweifach mindernd berücksichtigt: einmal bei der Berechnung der “Vollrente” des bis zum vorgezogenen Ruhestand Betriebstreuen, ein weiteres Mal bei der zeitanteiligen Kürzung dieser “Vollrente” im Verhältnis der erreichten Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der bis zum Erreichen der festen Altersgrenze, nicht zu der bis zum vorgezogenen Ruhestand.
Dies steht nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Senats im Widerspruch zu Grundwertungen des Betriebsrentenrechts. Mit der Inanspruchnahme der vorgezogenen Betriebsrente durch den vorzeitig Ausgeschiedenen wird nur zweifach in das vom Arbeitgeber vorgegebene Äquivalenzverhältnis aus Betriebstreue und Versorgungsleistung eingegriffen: durch eine kürzere Dauer der Betriebszugehörigkeit, die im Zweifel durch eine zeitanteilige Kürzung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG auf der Grundlage der bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Betriebszugehörigkeit ausgeglichen werden kann, und einen früheren und dementsprechend längeren Bezug der Betriebsrente, weswegen bei einer entsprechenden Regelung in der Versorgungsordnung vom Erdienten versicherungsmathematische Abschläge vorgenommen werden dürfen (23. Januar 2001 – 3 AZR 164/00 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 16 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 23 = SAE 2002, 33 mit Anm. Eichenhofer = BB 2001, 2425 mit Anm. Grabner und Bode; Besprechungsaufsätze von Höfer DB 2001, 2045 und Berenz DB 2001, 2346; 24. Juli 2001 – 3 AZR 567/00 – BAGE 98, 212 = AP BetrAVG § 6 Nr. 27 mit Anm. Höfer und Abresch = DB 2002, 588 mit Anm. Grabner und May = RdA 2002, 311 mit Anm. Steinmeyer = EWiR 2002, 843 [Schumann]; 21. August 2001 – 3 AZR 649/00 – BAGE 98, 344; 28. Mai 2002 – 3 AZR 358/01 – BAGE 101, 163; 18. März 2003 – 3 AZR 221/02 – EzA BetrAVG § 2 Nr. 19 = DB 2003, 2794 = BB 2003, 2625; 18. November 2003 – 3 AZR 517/02 – DB 2004, 1375).
Soweit die Beklagte sich gegen diese Rechtsprechung wendet, hat der Senat hierzu bereits in seinen angezogenen Urteilen umfangreich Stellung genommen. Der Senat sieht keine Veranlassung von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen und nimmt hierauf Bezug.
2. Die betriebsrentenrechtliche Grundwertung, nach der die fehlende Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand und dem Erreichen der festen Altersgrenze anders als in der Satzung der Beklagten nur einmal mindernd berücksichtigt wird, ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG zwingend (ausdrücklich Senat 24. Juli 2001 – 3 AZR 681/00 – BAGE 98, 234, zu II der Gründe; 18. November 2003 – 3 AZR 517/02 – DB 2004, 1375, 1376, zu IV 2 der Gründe). Abweichende Regelungen sind nur in Tarifverträgen statthaft (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG). Auch bei Einschaltung einer Pensionskasse wie der Beklagten ist eine entsprechende Berechnung des Versorgungsanspruchs betriebsrentenrechtlich geboten. Auch bei einer hiervon abweichenden Satzungsbestimmung wie der in § 74 Nr. 1 und § 73 Nr. 4 der Satzung der Beklagten ist eine zweifache mindernde Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen vorgezogenem Ruhestand und fester Altersgrenze zu Lasten eines Betriebsrentners ausgeschlossen.
Die beklagte Pensionskasse schuldet auch die dem Kläger nach alledem zustehende gesamte monatliche Betriebsrente von 142,14 EURO. Der Kläger ist wegen des über den nach der Satzung berechneten Teil der Betriebsrente hinausgehenden Betrages von 17,90 EURO monatlich nicht darauf angewiesen, gegen seine frühere Arbeitgeberin vorzugehen.
1. Im Grundsatz muss eine rechtlich selbständige, durch Beiträge finanzierte Pensionskasse allerdings nur die Leistungen erbringen, zu denen sie sich in ihrer Satzung verpflichtet hat.
Dies ergibt sich allerdings nicht aus § 2 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG. Nach dieser Bestimmung richtet sich der Teilanspruch nach § 2 Abs. 1 BetrAVG aus einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft auch bei Einschaltung einer Pensionskasse nur unmittelbar gegen den früheren Arbeitgeber, “soweit er über die … nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen und den fachlichen Geschäftsunterlagen auf Grund der Beiträge des Arbeitgebers zu erbringende Leistung hinausgeht”. Damit wird nur festgelegt, dass eine bei versicherungsförmigen Versorgungswerken im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens regelmäßig entstehende Deckungslücke zwischen dem bis dahin auf Grund der Beitragsleistungen angesammelten Versicherungsanspruch und dem zeitanteilig berechneten Teilanspruch durch den Arbeitgeber und nicht durch die Versicherung zu schließen ist (Höfer BetrAVG Bd. I § 2 Rn. 3163 ff., 3278 ff.). Eine Aussage dazu, inwieweit Betriebsrentenansprüche, die von Rechts wegen höher sind, als sie in der Satzung vorgesehen sind, von einer Pensionskasse zu erfüllen sind, trifft § 2 Abs. 3 BetrAVG nicht.
Dass eine Pensionskasse insoweit grundsätzlich nicht zu Leistungen verpflichtet ist, die über das satzungsgemäß Gebotene hinausgehen, folgt aber aus dem für eine Pensionskasse maßgeblichen Versicherungsprinzip und aus deren Finanzierung durch Beiträge (vgl. BAG 23. März 1999 – 3 AZR 631/97 (A) – BAGE 91, 155, 161 ff.). Etwas anderes gilt aus europarechtlichen Gründen im Allgemeinen nur dann, wenn eine Pensionskassensatzung eine geschlechtsdiskriminierende Regelung enthält. Hier richtet sich der Anspruch auf Gleichbehandlung mit der nicht diskriminierten Personengruppe auch unmittelbar gegen die Pensionskasse (BAG 19. November 2002 – 3 AZR 631/97 – AP BetrAVG § 1 Gleichberechtigung Nr. 13 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 11 im Anschluss an EuGH 9. Oktober 2001 – Rs C-379/99 – EuGHE I 2001, 7275 = AP BetrAVG § 1 Pensionskasse Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 7).
2. Unter den besonderen Umständen des Einzelfalles muss jedoch auch die beklagte Pensionskasse über das nach dem Wortlaut der Satzung Geschuldete hinaus die betriebsrentenrechtlich geschuldeten Versorgungsleistungen erbringen, die den betriebsrentenrechtlich geschuldeten Versorgungsleistungen entsprechen.
Dafür spricht zunächst, dass die Satzung der Beklagten im hier interessierenden Zusammenhang der Berechnung einer Teilrente soweit erkennbar die gesetzliche Regelung, so wie sie von der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstanden worden ist, nachgezeichnet und nicht etwa eine eigenständige, hiervon unabhängige Berechnungsregel aufgestellt hat. Schon dies spricht entscheidend dafür, dass die beklagte Pensionskasse für alle von Rechts wegen bestehenden Teilansprüche auf der Grundlage der in der Satzung festgelegten Vollansprüche einstehen will; eine teilweise Inanspruchnahme der Trägerunternehmen als frühere Arbeitgeber, die mit einigem Verwaltungsaufwand verbunden wäre, sollte erkennbar vermieden werden.
Dies gilt um so mehr, als es sich bei den Trägerunternehmen der beklagten Gruppenpensionskasse um konzernverbundene Unternehmen handelt, bei denen die Verbindung zur Pensionskasse weit enger ist, als in den Fällen, in denen eine Pensionskasse Träger der betrieblichen Altersversorgung für eine Vielzahl voneinander unabhängiger Unternehmen ist. In einer solchen Konzernkasse kann auch anders als in “normalen” Gruppenpensionskassen davon ausgegangen werden, dass erkannte rechtliche Defizite in den Versorgungsregelungen ohne großen Aufwand durch die Mitgliederversammlung beseitigt werden können. Es sind keine gegenläufigen Interessen der ordentlichen Mitglieder der Beklagten erkennbar, die einer Berichtigung, wie sie im vorliegenden Zusammenhang geboten ist, entgegenstehen könnten.
Die Beklagte kann gegenüber ihrer Inanspruchnahme wegen des dem Kläger von Rechts wegen zustehenden Betriebsrentenanspruchs kein schützenswertes Vertrauen auf die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für sich in Anspruch nehmen, nach der sie monatlich eine um 17,90 EURO oder 12,6 % niedrigere vorgezogene Betriebsrente geschuldet hätte.
1. Es kommt nur ganz ausnahmsweise überhaupt ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung in Betracht. Geht es um eine auch zurückliegende Sachverhalte betreffende Rechtsprechungsänderung, ist anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit zu prüfen, ob insoweit Vertrauensschutz geboten ist; dabei spielt insbesondere der Umfang der wirtschaftlichen Zusatzbelastung durch die neue Rechtsprechung eine entscheidende Rolle (zB BVerfG 19. Mai 1999 – 1 BvR 263/98 – NZA 1999, 815).
2. Die Beklagte hat schon nicht mit der gebotenen Bestimmtheit dargelegt, welche wesentlichen, ihr Vermögen betreffenden Dispositionen sie auf Grund der früheren Rechtsprechung getroffen hat und anders getroffen hätte, wenn sie die aktuelle Rechtsprechung gekannt hätte. Sie trägt nicht einmal der Größenordnung nach vor, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die neue Rechtsprechung für sie hat.
Die vom Senat in seiner neueren Rechtsprechung verbindlich aufgestellten Berechnungsgrundsätze dienen dem kostenneutralen Ausgleich von vorzeitigem Ausscheiden und vorgezogener Inanspruchnahme, während § 74 Nr. 1 und § 73 Nr. 4 der Satzung eine übermäßige Kürzung vorsehen.
Die Beklagte meint zu Unrecht, es komme eine geltungserhaltende Reduktion ihrer Leistungsordnung dahingehend in Betracht, den versicherungsmathematischen Abschlag auf 0,7 % statt 0,5 % festzulegen. Hierin läge kein rechtlich statthafter Ausgleich für die nach dem Betriebsrentengesetz ausgeschlossene, nach ihrer Satzung aber mögliche zweite mindernde Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen dem Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand und dem Erreichen der festen Altersgrenze. Die fehlende Betriebstreue wird mit der unterschiedlich umfangreichen zeitanteiligen Kürzung differenziert ausgeglichen; der frühere und längere Bezug ist bei beiden Personengruppen gleich.
Es mag im Einzelfall denkbar sein, dass eine Versorgungsordnung im Falle einer vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG einen bis dahin betriebstreuen Arbeitnehmer besser stellen will als diejenigen, die vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Es kann unentschieden bleiben, inwieweit eine solche Regelungsmöglichkeit von Rechts wegen eröffnet ist. Für eine entsprechende Regelungsabsicht besteht jedenfalls bei der Beklagten kein Anhaltspunkt. Ihre Satzung sieht einheitlich den allgemein verbreiteten, eher am oberen Rand des Üblichen angesiedelten versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente vor.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Schoden, V. Ludwig
Fundstellen
Haufe-Index 1206649 |
FA 2004, 344 |
NZA 2005, 375 |
SAE 2004, 347 |
ZTR 2005, 333 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 13 |
ArbRB 2004, 334 |
BAGReport 2004, 351 |
NJOZ 2005, 1239 |