Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung. Bezugnahme in einem Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag
Orientierungssatz
Der TV-Zuwendung nimmt statisch auf die in § 1 genannten Tarifverträge Bezug. Eine Verringerung der Sonderzuwendung wie im Bereich des öffentlichen Dienstes scheidet damit aus.
Normenkette
Tarifvertrag über eine Zuwendung für Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und Fischereiforschungsschiffe des Bundes vom 31. Januar 1974
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 01.11.2005; Aktenzeichen 2 Sa 24/05) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 25.01.2005; Aktenzeichen S 1 Ca 172/04) |
Tenor
1. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 1. November 2005 – 2 Sa 24/05 – aufgehoben.
2. Auf die Berufungen der Kläger werden die Urteile des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Januar 2005 – S 1 Ca 187/04 –, – S 1 Ca 186/04 –, – S 1 Ca 185/04 –, – S 1 Ca 184/04 –, – S 1 Ca 182/04 –, – S 1 Ca 172/04 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an den Kläger zu 1) 433,69 Euro brutto,
2. an den Kläger zu 2) 492,83 Euro brutto,
3. an den Kläger zu 3) 560,23 Euro brutto,
4. an den Kläger zu 4) 692,09 Euro brutto,
nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen,
5. an den Kläger zu 5) 1.004,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz aus 472,05 Euro seit dem 1. Dezember 2003 und aus 532,43 Euro seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen,
6. an den Kläger zu 6) 1.255,99 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz aus 597,58 Euro seit dem 1. Dezember 2003 und aus 658,41 Euro seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 6) Anspruch auf eine jährliche, im November fällige Zuwendung in Höhe von 100 % der Bemessungsgrundlage gem. § 2 des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und Fischereiforschungsschiffe hat.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Kläger verlangen eine restliche Zuwendung für das Jahr 2003, die Kläger zu 5) und 6) auch für das Jahr 2004, der Kläger zu 6) begehrt die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer vollen Zuwendung in der Zukunft.
Die Kläger sind als Besatzungsmitglieder auf den Schiffen der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Mantel- und Heuertarifvertrag für die deutsche Schifffahrt in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der ebenfalls anwendbare Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und Fischereiforschungsschiffe des Bundes vom 11. Januar 1972 regelt in § 1:
“(1) Auf die Arbeitsverträge der Besatzungen der Fischereischutzboote und der Fischereiforschungsschiffe finden die jeweils gültigen Tarifverträge für die deutsche Seeschifffahrt (…) sinngemäß Anwendung.
(2) Auf die Arbeitsbedingungen der Kapitäne finden die jeweils gültigen Tarifverträge für Kapitäne in der deutschen Seeschifffahrt (…) sinngemäß Anwendung.
…”
Weiterhin anwendbar ist der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und Fischereiforschungsschiffe des Bundes vom 31. Januar 1974 (TV-Zuwendung), in dem es heißt:
Ҥ 1
Der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 sowie der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 12. Oktober 1973 finden mit Ausnahme der Vorschriften über die Bemessungsgrundlage für die Errechnung der Höhe der Zuwendung entsprechende Anwendung.”
Ab dem Jahr 1994 wurde die Zuwendung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eingefroren. Im Jahr 2003 betrug die Zuwendung 83,79 % der Bemessungsgrundlage. Bis einschließlich 2002 zahlte die Beklagte an die Kläger jeweils eine Zuwendung in Höhe von 100 % der Bemessungsgrundlage, im Jahr 2003 lediglich noch in Höhe von 83,79 %.
Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe weiterhin eine Zuwendung in Höhe von 100 % der Bemessungsgrundlage zu. Insoweit verweise der TV-Zuwendung statisch auf die in § 1 genannten Tarifverträge, die noch keine Kürzung vorsahen. Auf die Zuwendungstarifverträge des Bundes “in der jeweils gültigen Fassung” sei gerade nicht verwiesen. Die Änderungen der Zuwendungstarifverträge des öffentlichen Dienstes seien zuletzt in einem Tarifvertrag vom 31. Januar 2003 festgelegt worden. In diesem seien die einzelnen zu ändernden Zuwendungstarifverträge genannt. Hierzu gehöre der TV-Zuwendung, der für sie anwendbar sei, nicht. Es handele sich auch nicht um dieselben Tarifvertragsparteien. Der Verweis in § 1 TV-Zuwendung sei nicht als dynamische Verweisung auszulegen. Die Vorschrift enthalte eine eigenständige Regelung, die sich auch auf die Bemessungsgrundlage selbst erstrecke. Die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst sei seit Abschluss des TV-Zuwendung völlig unterschiedlich verlaufen. Im Gegensatz zum Geltungsbereich des TV-Zuwendung habe die Beklagte für den Tarifbereich Ost einen unmittelbaren Bezug zum jeweiligen Zuwendungstarifvertrag des BAT-O hergestellt. Aus dem Umstand, dass die in § 1 TVZuwendung in Bezug genommenen Tarifverträge nur “entsprechend” auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger anwendbar seien, folge ebenfalls, dass es sich um eine auf die Besonderheiten des Fischereischutzes und der Fischereiforschung zugeschnittene Regelung handele. Auch die tatsächliche Handhabung des TV-Zuwendung bis zum Jahr 2002 zeige, dass die Tarifvertragsparteien die zitierten Tarifverträge statisch verstanden wissen wollten. Die Beklagte habe ihre Auffassung erst nach einem Hinweis des Bundesministers des Innern geändert. Jedenfalls sei durch die Handhabung in der Vergangenheit eine betriebliche Übung entstanden.
Die Kläger zu 1) – 4) haben zuletzt beantragt:
1. das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 1. November 2005 – 2 Sa 24/05 – aufzuheben,
2. die Urteile des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Januar 2005 mit den Aktenzeichen
– S 1 Ca 187/04 – bzgl. dem Kläger zu 1)
– S 1 Ca 186/04 – bzgl. dem Kläger zu 2)
– S 1 Ca 185/04 – bzgl. dem Kläger zu 3)
– S 1 Ca 184/04 – bzgl. dem Kläger zu 4)
abzuändern,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger folgende Beträge zu zahlen:
– 433,69 Euro brutto an den Kläger zu 1)
– 492,83 Euro brutto an den Kläger zu 2)
– 560,23 Euro brutto an den Kläger zu 3)
– 692,09 Euro brutto an den Kläger zu 4)
nebst jeweils Jahreszinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003.
Die Kläger zu 5) und 6) haben beantragt:
1. das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 1. November 2005 – 2 Sa 24/05 – aufzuheben,
2. die Urteile des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Januar 2005 – S 1 Ca 172/04 – und vom 25. Januar 2005 – S 1 Ca 182/04 – abzuändern,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 5) 472,05 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 5) weitere 532,43 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 6) 597,58 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen,
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 6) weitere 658,41 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen,
7. festzustellen, dass der Kläger zu 6) Anspruch auf eine jährliche, im November fällige Zuwendung in Höhe von 100 % der Bemessungsgrundlage gem. § 2 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und Fischereiforschungsschiffe hat.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, bereits aus dem Wortlaut der Verweisung in § 1 TV-Zuwendung ergebe sich, dass die dynamische Entwicklung der Zuwendungstarifverträge des öffentlichen Dienstes in Bezug genommen sei. Die irrtümliche Handhabung bis zum Jahr 2002 ändere daran nichts. Sie begründe auch keine betriebliche Übung. Die Tarifvertragsparteien hätten eine Gleichstellung der Tarifunterworfenen mit den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes beabsichtigt. Ein eigener Normsetzungswille sei bis auf die Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht erkennbar.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klagen abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist erfolgreich. Den Klägern steht für das Jahr 2003 und, soweit beantragt, auch für das Jahr 2004 die ungekürzte Zuwendung zu, bezüglich des Klägers zu 6) ist dies auch für die Zukunft festzustellen.
A. Der Feststellungsantrag des Klägers zu 6) ist zulässig als Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO, für die ein besonderes Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist (BAG 25. Mai 2004 – 3 AZR 123/03 – AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11).
B. Die Ansprüche der Kläger sind begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Verweisung im TVZuwendung auf die Zuwendungstarifverträge des öffentlichen Dienstes sei dynamisch und nicht statisch. Der Wortlaut des § 1 TV-Zuwendung sei nicht eindeutig. Obwohl kein Hinweis auf die “jeweils gültigen Fassungen” der in Bezug genommenen Tarifverträge vereinbart worden sei, folge dennoch aus der Systematik der Regelungen, dass die Tarifvertragsparteien lediglich für die Höhe der Zuwendung eine eigenständige Regelung hätten schaffen wollen, während sich der Anspruch auf die Zuwendung an sich aus dem Verweis auf die Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes ergebe. Der TV-Zuwendung sei nur wenige Monate nach Abschluss der in Bezug genommenen Tarifverträge entstanden. Daraus ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien die Besatzungsmitglieder der Fischereischifffahrt nicht von der allgemeinen Entwicklung im öffentlichen Dienst hätten abkoppeln wollen. Sie hätten eine den Besonderheiten der Seeschifffahrt entsprechende Gleichstellung mit den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes herbeiführen wollen. Hätten sie den Anspruch auf 100 % der Bemessungsgrundlage festschreiben wollen, so hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich zu regeln. Zwar seien die tariflichen Regelungen im öffentlichen Dienst und der Seeschifffahrt höchst unterschiedlich und es könnten sich die Rahmentarifbedingungen in einem Tarifbereich für den anderen Tarifbereich unterschiedlich entwickeln. Es sei aber nicht Aufgabe der Gerichte, zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die jeweils zweckmäßigste Regelung getroffen hätten. Jedenfalls könnten die Besatzungsmitglieder hinsichtlich des Zuwendungsanspruchs nicht besser gestellt werden als die übrigen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Die Entwicklung der Tarife in den 90er Jahren sei unerheblich. Ein Anspruch lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründen.
II. Diesen Ausführungen folgt der Senat nicht. Den Klägern steht eine Zuwendung in Höhe von 100 % der Bemessungsgrundlage zu. Dies folgt aus der in der Revisionsinstanz in vollem Umfang zu überprüfenden Auslegung des § 1 TV-Zuwendung.
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229, zu 3a der Gründe).
2. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm ist eindeutig. Es ist Bezug genommen auf zwei Tarifverträge, die zu einem bestimmten Datum abgeschlossen worden sind. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass diese Tarifverträge in ihrer “jeweils geltenden Fassung” anwendbar sein sollten. Es ist auch nicht das gesamte Tarifwerk des öffentlichen Dienstes vereinbart. Weiterhin ist nicht auf ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge hingewiesen. Erst durch solche Zusätze wird der Wille deutlich, eine dynamische Verweisung vornehmen zu wollen (vgl. BAG 9. Dezember 1999 – 6 AZR 299/98 – BAGE 93, 63). Dieser Auslegung nach dem Wortlaut steht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 1998 (– 5 AZR 351/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 8) nicht entgegen. Hierin war die Bezugnahme in einer Tarifnorm auf das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994 als Bezugnahme auf die jeweilige Fassung dieses Gesetzes verstanden worden. Dies beruhte jedoch darauf, dass durch die Nennung des Verkündungsdatums des Gesetzes dieses lediglich präzise bezeichnet wurde. Die Bezeichnung des Entgeltfortzahlungsgesetzes vom 26. Mai 1994 blieb weiterhin korrekt, auch nachdem das Gesetz mehrfach geändert wurde. Bei ständig neu verhandelten Tarifverträgen ist dies in der Regel anders. Die in Bezug genommenen Zuwendungstarifverträge sind durch zahlreiche Änderungstarifverträge abgeändert worden. Selbst wenn darin jeweils die ursprünglichen Tarifverträge benannt und geändert wurden, hätten die Parteien des TV-Zuwendung es ausgedrückt, wenn sie solche Änderungen mit hätten vereinbaren wollen, gleichgültig ob sie sie vorhersahen oder nicht.
3. Selbst wenn aber noch ein Auslegungsspielraum bestünde, sprechen keine Anhaltspunkte für eine dynamische Verweisung.
a) Aus dem Vergleich der Vorschriften des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Kapitäne und der Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und der Fischereiforschungsschiffe mit dem TV-Zuwendung geht hervor, dass dieselben Tarifvertragsparteien in dem erstgenannten Tarifvertrag ausdrücklich auf die “jeweils gültigen” Tarifverträge für die deutsche Seeschifffahrt Bezug genommen haben. Wenn sie dies im TV-Zuwendung nicht getan haben, wird daraus ihr Wille zu einer anderen Regelung deutlich.
b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts sollte gerade nicht eine völlige Gleichstellung im Vergütungsbereich mit den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes herbeigeführt werden. Höhe und Einzelheiten der Vergütung unterscheiden sich wesentlich. So gibt es unterschiedliche Vorschriften zu Krankengeldzuschüssen, Zulagen und zum Kleidergeld. Auch hat sich die Höhe der Vergütung seit dem Abschluss der Tarifverträge in den 70er Jahren unterschiedlich entwickelt. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Heuer in der Seeschifffahrt überproportional angestiegen sei im Verhältnis zur Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst. Es ist nicht ersichtlich, wieso dann gerade im Bereich der jährlichen Sonderzuwendung eine Gleichstellung mit den übrigen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes herbeigeführt werden sollte. Die Bezugnahme erstreckt sich neben der Höhe des Anspruchs auf die übrigen Anspruchsvoraussetzungen und die Kürzungs- und Rückzahlungsregeln des in Bezug genommenen Tarifvertrages. Die Vorschriften sind auch lediglich “entsprechend” in Bezug genommen worden, woraus ebenfalls keine völlige Parallelität der Regelungen hervorgeht.
c) Die Grundsätze, die in der Rechtsprechung zur Auslegung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln auf tarifvertragliche Vorschriften entwickelt worden sind, können für die Auslegung tarifvertraglicher Bezugnahmeklauseln auf andere Tarifverträge nicht herangezogen werden. Dass solche Klauseln im Arbeitsvertrag im Zweifel als dynamische zu verstehen sein sollten, beruhte auf der Annahme, dass ein Arbeitgeber in der Regel seine nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer genauso behandeln wolle wie diejenigen, auf die ein Tarifvertrag bereits kraft Verbandszugehörigkeit anwendbar sei. Abgesehen davon, dass der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts die diesbezüglichen Auslegungsregeln eingeschränkt hat (14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32; 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 –), beabsichtigen Tarifvertragsparteien nicht die Gleichbehandlung tarif- und nicht tarifgebundener Arbeitnehmer, wenn sie auf andere tarifvertragliche Vorschriften Bezug nehmen.
d) Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts kann auch die praktische Handhabung bis einschließlich des Jahres 2002 Rückschlüsse auf den Willen der Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages zulassen. Es war allgemein bekannt, dass sich seit dem Jahr 1994 die Sonderzuwendungen im Bereich des öffentlichen Dienstes ständig verringerten. Es spricht nichts dafür, dass die Beklagte sich lediglich irrte, wenn sie über neun Jahre lang weiterhin Zuwendungen bezogen auf 100 % der Bemessungsgrundlage zahlte. Die Kläger weisen auch zu Recht auf den Erlass der Beklagten vom 11. August 1994 hin, in dem eine Regelung für die Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Fischereischutzboote und Fischereiforschungsfahrzeuge des Bundes im Geltungsbereich des BAT-O geschaffen wurde. Diese Mitarbeiter sollten nunmehr für das Jahr 1994 73,53 % der Bemessungsgrundlage erhalten. Auf diesen Personenkreis konnten wegen der Regelungen des Einigungsvertrages die bestehenden Tarifverträge nicht ohne weiteres erstreckt werden. Es wären vielmehr neue gesonderte Vereinbarungen erforderlich gewesen, die nicht abgeschlossen wurden. Anlässlich dieser Überlegungen wäre die Beklagte spätestens dann auch bei der Anwendung des TV-Zuwendung auf die Kürzungsmöglichkeiten aufmerksam geworden, wenn sie davon ausgegangen wäre, dass sie ihr offen standen und sie dies zuvor nur irrtümlich nicht bemerkt hätte.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Schaeff, Alex
Fundstellen
Haufe-Index 1776220 |
NZA 2007, 1016 |
ZTR 2007, 495 |
AP, 0 |
EzA-SD 2007, 16 |
NJOZ 2007, 3927 |