Entscheidungsstichwort (Thema)
Baugewerbe. Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit. Sozialkassenverfahren. Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeit. holz- und kunststoffverarbeitende Industrie. holz- und kunststoffverarbeitendes Handwerk
Orientierungssatz
1. Die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit des VTV nach der Erklärung vom 24. Februar 2006 Erster Teil Abschn. I Abs. 1 und 2 für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie setzt das Vorliegen eines Industriebetriebs voraus. Die bloße Mitgliedschaft im Hauptverband der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V. (HDH) genügt nicht.
2. Die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk ist im Ersten Teil Abschn. III Nr. 5 der Erklärung vom 24. Februar 2006 selbständig geregelt.
Normenkette
Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 27. März 2009 – 10 Sa 1737/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über Auskunfts- und Entschädigungsansprüche nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes.
Rz. 2
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 auf Auskunftserteilung für den Zeitraum März bis Mai 2007 und im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.
Rz. 3
Die Beklagte unterhält einen Betrieb des Innenausbaus mit insgesamt acht Arbeitnehmern. Sie war im Klagezeitraum im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand “Akustik-, Trocken- und Montagebau” eingetragen und im Gewerberegister der Stadt Eggenfelden mit “Akustik- und Trockenbau” gemeldet. Im Jahr 2007 erhielt sie den Zuschlag des Kreisausschusses des Landkreises Rottal-Inn für die Verrichtung von Trockenbauarbeiten. Im Internet war der Betrieb in einer Brancheninformation unter “Dämmung gegen Kälte, Wärme, Schall und Erschütterung” verzeichnet. Seit Dezember 2006 ist die Beklagte Mitglied im Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V. (HDH).
Rz. 4
Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist nach seinem § 1 Abs. 2 ua. wie folgt geregelt:
“Abschnitt I
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Abschnitt III
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen, Montage von Baufertigteilen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
…
Abschnitt VII
Nicht erfasst werden Betriebe
…
11. des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm-(Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden,
…”
Rz. 5
Gemäß der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 24. Februar 2006 (BAnz. Nr. 71 vom 11. April 2006 S. 2729) ist der VTV mit Wirkung vom 1. Januar 2006 für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Erklärung enthält folgende Einschränkungen:
“I.
1. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, die unter einen der im Anhang I abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge
– der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie,
…
fallen. Abs. 1 findet nur in Verbindung mit Abs. 2 Anwendung.
2. Für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland gilt Abs. 1,
a) solange diese unmittelbar oder mittelbar Mitglied
– des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.,
…
oder eines ihrer Mitgliedsverbände sind. Wurde die Mitgliedschaft bis zum 1. Juli 1999 (Stichtag) erworben, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind.
…
III.
Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland,
…
5. die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff sind, von dem Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbandes Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des am 1. Januar 2003 geltenden Manteltarifvertrages für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk Saar (Anhang II) genannt sind, falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist;
…
Anhang I
Die maßgebenden fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen sind nachstehend abgedruckt. Als Betriebe im Sinne dieses Anhangs gelten in jedem Fall auch selbständige Betriebsabteilungen.
Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie
Für Betriebe, Hilfs- und Nebenbetriebe sowie selbständige Betriebsabteilungen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, des Serienmöbelhandwerks, der Sperrholz-, Faser- und Spanplattenindustrie, Kunststoffprodukte herstellende Betriebe sowie Betriebe, die anstelle oder in Verbindung mit Holz andere Werkstoffe oder Kunststoffe verarbeiten, wie z. B. Betriebe zur Herstellung nachstehender Erzeugnisse einschließlich Vertrieb und Montage:
1. Kasten- und Sitzmöbel aller Art, Polstermöbel, Polstergestelle, Matratzen und Matratzenrahmen, Tische, Kleinmöbel und Beleuchtungskörper,
2. Büro-, Schul-, Industrie- und Labormöbel, Kühlmöbel und -einrichtungen,
3. Holzgehäuse und Holzkästen aller Art, z. B. für Uhren, Rundfunk und Fernsehapparate, Plattenspieler, Tonbandgeräte, Telefon-, fotografische Apparate, Besteckkästen,
4. Innenausbau, Wohnungs-, Büro-, Industrie- und Ladeneinrichtungen, Bad- und Saunaeinrichtungen, Solarien, Regale, Schiffsinnenausbauten, Verkleidungen und Vertäfelungen aller Art, Herstellung und Montage von Schalldichtungen (zur Dämpfung und Isolierung), akustische Ausbauten und Auskleidung von Räumen,
5. Türen, Tore, Fenster, Rollläden, Jalousien, Rollos, Verdunkelungsanlagen, Klappläden, Treppen, Aufzüge, Fassadenelemente, Raumtrennprodukte, Fertigbau- und andere Bauteile, Zäune aller Art,
…
28. Verlegung von Parkett und anderen Fußböden,
…
33. Boden- und Wandbeläge,
…
Anhang II
Die maßgeblichen fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen sind nachstehend abgedruckt. Als Betriebe im Sinne dieses Anhangs gelten in jedem Fall auch selbständige Betriebsabteilungen.
…
Holz- und kunststoffverarbeitendes Handwerk
Für alle Betriebe des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks (Tischler-/Schreinerhandwerk) und den Betrieben der Handwerksordnung, Anlage B…, Nrn. 24 und 50 (Einbau von genormten Baufertigteilen und Bestattern).
Darunter fallen insbesondere Betriebe, die mit einem der genannten Gewerbe in der Handwerksrolle A… oder B… eingetragen sind und folgende Tätigkeiten ausüben:
– Produkte und Objekte für den privaten, geschäftlichen, öffentlichen und kulturellen Bereich sowie für den Sport- und Freizeitbereich, insbesondere Möbel und Inneneinrichtungen für und Innenausbau von z. B. Läden, Gaststätten, Praxen, Büros, Hotels, Schulen, Heimen, Sportstätten, Krankenhäusern, Kindergärten, Verwaltungen, Banken, sowie Spiel- und Sportgeräte, Gehäuse, Vorrichtungen und Modelle, Messebauten, Innen- und Außentüren, Fenster, Treppen, Böden, Trennwände, Wand- und Deckenverkleidungen, fassadenabschließende Bauelemente, Wintergärten, Trockenbauten, Fahrzeugein- und -ausbauten planen, konstruieren, rationell fertigen und montieren, einbauen und instandhalten unter Verwendung unterschiedlicher Materialien wie insbesondere von Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoffen, Glas, Metall, Stein, Werkstoffen für den Trockenbau, Belag- und Verbundwerkstoffen,
– Produkte und Objekte einschließlich der Versorgungstechnik einbauen, montieren, instandhalten, warten und restaurieren, Bauabläufe auch gewerkübergreifend koordinieren,
– montagefertige Teile und Erzeugnisse insbesondere Rolläden, Schattierungs- und Belüftungssysteme, Schließ- und Schutzsysteme für Bauelemente, Anbauten und Wintergärten einbauen, montieren und instandhalten,
…”
Rz. 6
Die Klägerin hat behauptet, dass im Betrieb der Beklagten im Kalenderjahr 2007 zu mehr als der Hälfte der jeweiligen persönlichen wie auch der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Trocken- und Montagebauarbeiten ausgeführt worden seien. Es habe sich um die Montage von vorgefertigt bezogenen Wand- und Deckensystemen nebst Anbringung der Unterkonstruktionen und des Isoliermaterials, die Montage von Leichtbautrennwänden und die Montage von vorgefertigten Fenstern und Türen einschließlich notwendiger Stemm- und Isolierarbeiten gehandelt. Soweit die Beklagte behaupte, dass in ihrem Betrieb auch sonstige Innenausbauarbeiten verrichtet würden, mache die Klägerin sich diese Behauptungen hilfsweise zu eigen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung berufen, da sie keinen Industriebetrieb unterhalte.
Rz. 7
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. ihr auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten März bis Mai 2007 in ihrem Betrieb beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme sowie Sozialkassenbeiträge insgesamt für sie in den genannten Monaten angefallen sind, sowie
2. für den Fall, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an sie einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 5.775,00 Euro zu zahlen.
Rz. 8
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Betrieb unterfalle nicht dem Geltungsbereich des VTV. Seit Ende 2006 würden die Arbeitnehmer nahezu ausschließlich unter Verwendung von Holz, Kunststoff und anderen Materialien Innenausbauteile wie Büro- und Ladeneinrichtungen, Industrieeinrichtungen, Regale, Verkleidungen und Vertäfelungen aller Art herstellen, die selbst oder durch andere Unternehmen montiert würden. Daneben würden Türen, Tore, Elemente, Raumtrennprodukte und Ähnliches hergestellt, ausgeliefert und selbst oder durch andere Unternehmen montiert. Diese Tätigkeiten unterfielen entsprechend Anhang I Nr. 4, 5 und 28 der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24. Februar 2006 dem fachlichen Geltungsbereich der Mantel- oder Rahmentarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Der Betrieb sei daher als Industriebetrieb von der Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen. Hiervon würden im Übrigen nicht nur Industriebetriebe erfasst, wie die ausdrückliche Erwähnung des Serienmöbelhandwerks und der Beispielskatalog zeigten. Diejenigen Betriebe, die wegen eines fehlenden Eintrags in der Handwerksrolle nicht unter das Handwerk fielen, sollten der Industrie zugeordnet werden. Es komme nicht darauf an, ob die Fertigung industriell durchgeführt werde. Deshalb sei letztlich lediglich die Mitgliedschaft im HDH entscheidend.
Rz. 9
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Rz. 11
I. Die Klägerin hat nach § 21 VTV Anspruch auf die begehrten Auskünfte und im Falle der Nichterteilung Anspruch auf eine Entschädigung, § 61 Abs. 2 ArbGG.
Rz. 12
1. Der Betrieb der Beklagten unterfiel dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV nach dessen § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37.
Rz. 13
a) Die Klägerin hat die Erbringung von Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne der genannten Tarifnorm schlüssig dargelegt. Das Landesarbeitsgericht hat dies unter Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 28. April 2004 (– 10 AZR 370/03 – zu II 2 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 264) zutreffend näher begründet. Ebenso rechtfertigt der Vortrag der Beklagten, den sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat, die Annahme der Erbringung von baulichen Leistungen. Die von der Beklagten geschilderten Innenausbauarbeiten einschließlich der Herstellung der Ausbauteile sowie das Herstellen und die Montage von Türen und Toren unterfallen ebenfalls § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV, jedenfalls aber § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV, denn die Tätigkeiten dienen dazu, Bauwerke zu erstellen, instandzuhalten oder zu ändern, und sie ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zuzuführen.
Rz. 14
b) Die Beklagte hat die Behauptungen der Klägerin nicht erheblich bestritten. Soweit sie ausgeführt hat, die Montage werde teilweise von Drittunternehmen ausgeführt, hat sie zeitliche Anteile nicht angegeben. Ihr Vortrag ist insoweit unsubstantiiert geblieben. Die erst in der Revisionsbegründung aufgestellte Behauptung, der Anteil der Herstellung spezieller Innenausbauteile habe arbeitszeitlich über 50 % betragen, der Anteil der eigenen Montage einschließlich Herstellung, Fertigung und Auslieferung höchstens 30 bis 35 %, ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat § 139 ZPO nicht verletzt. Es bestand kein Anlass, die Beklagte nochmals gesondert darauf hinzuweisen, sie müsse im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast dem schlüssigen Vortrag der Klägerin substantiiert entgegentreten. Das Arbeitsgericht hatte bereits in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass jegliche Darlegung des zeitlichen Anteils der jeweiligen Einzelarbeiten seitens der Beklagten fehle.
Rz. 15
c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Betrieb der Beklagten sei nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen gewesen. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass sie einen Schreinerbetrieb unterhalten habe. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob ihre Darlegung zutrifft, sie habe einen Betrieb der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie geführt. Dann griffe jedenfalls die Rückausnahme, wonach ua. Dämm-, Trockenbau- und Montagebauarbeiten dem Geltungsbereich des VTV unterfallen.
Rz. 16
2. Der VTV fand auf den Betrieb der Beklagten Anwendung, obwohl diese nicht Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands war, denn er war im Jahr 2007 für allgemeinverbindlich erklärt (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung treffen nicht zu. Zwar war die Beklagte unmittelbar Mitglied im HDH. Der Betrieb unterfiel aber nicht dem fachlichen Geltungsbereich der am 1. Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie.
Rz. 17
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung nach Abschn. I Abs. 1 nur zutrifft, wenn es sich um einen Industriebetrieb handelt.
Rz. 18
aa) Für eine Beschränkung auf Industriebetriebe spricht deutlich der Wortlaut der Einschränkungsklausel, wonach Betriebe der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie ausgenommen sind. Mit dem Verweis auf die fachlichen Geltungsbereiche der Mantel- oder Rahmentarifverträge der ausgenommenen Branchen hat der Normgeber der Allgemeinverbindlicherklärung auf eine eigenständige Regelung verzichtet und den Inhalt der Tarifverträge insoweit unverändert übernommen (vgl. zur Auslegung von Allgemeinverbindlicherklärungen zuletzt Senat 12. Mai 2010 – 10 AZR 559/09 – Rn. 12).
Rz. 19
bb) Die Auslegung des betrieblichen Geltungsbereichs ergibt, dass bis auf ausdrückliche Ausnahmen nur Industriebetriebe erfasst werden. Überschrift und Einleitungssatz im Anhang I nennen die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie. Zwar ist auch das Serienmöbelhandwerk gesondert aufgeführt. Das wäre aber gerade nicht nötig, wenn entsprechende Betriebe schon wegen der Verarbeitung von Holz und Kunststoffen ohne Weiteres dem Geltungsbereich unterfielen. Es ist davon auszugehen, dass das Serienmöbelhandwerk wegen der Nähe zur holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie einbezogen wurde; die serienmäßige handwerkliche Fertigung dürfte hier von der industriellen Fertigung kaum zu unterscheiden sein.
Rz. 20
Nicht überzeugend erscheint die Annahme der 18. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts im Urteil vom 30. September 2009 (– 18 Sa 242/09 –), dass der Begriff “Betrieb” im Eingangssatz der Geltungsbereichsvorschrift unterschiedlich verwendet werde. Vielmehr bezieht sich der Katalog auf sämtliche im Eingangssatz genannten Betriebe, nicht nur auf solche Betriebe, die anstelle oder in Verbindung mit Holz andere Werkstoffe oder Kunststoffe verarbeiten. So gehören beispielsweise die in Nr. 24 aufgeführten Sperrholz-, Holzfaser-, Holzspan- und Kunststoffplatten zur Sperrholz-, Faser- und Spanplattenindustrie. Die in Nr. 1 aufgeführten Kasten- und Sitzmöbel aller Art, Polstermöbel, Polstergestelle usw. können sowohl zum Serienmöbelhandwerk zählen als auch zu den Kunststoffprodukte herstellenden Betrieben. Offenbar sollen die in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie hergestellten Produkte weitgehend, wenn auch nicht abschließend, erfasst und dabei auch Vertrieb und Montage einbezogen werden. Auch wenn einige der genannten Beispiele für eine industrielle Fertigung nicht typisch sind, folgt daraus nicht, dass alle nichtindustriellen Betriebe vom betrieblichen Geltungsbereich erfasst und damit von der Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommen sind. Immerhin können die aufgeführten Gegenstände durchweg industriell gefertigt werden. Nur soweit ausdrücklich von Handwerk die Rede ist oder ausschließlich eine handwerkliche Fertigung in Betracht kommt, wird der fachliche Geltungsbereich des Tarifvertrags über den Bereich der Industrie hinaus erweitert.
Rz. 21
cc) Ausschlaggebend ist die auch vom Landesarbeitsgericht herangezogene Systematik der Einschränkungsklausel. In Abschn. III sind Betriebe erfasst, die entweder ausdrücklich als Handwerksbetriebe bezeichnet sind oder typischerweise solche sind. Dies gilt für die in Nr. 1 genannten Maler- und Lackiererhandwerksbetriebe und die in Nr. 5 genannten Betriebe, die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbands Holz und Kunststoff sind, von dem Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbands Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des ab 1. Januar 2003 geltenden Manteltarifvertrags für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk Saar genannt sind, falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist. Die im Anhang II genannten Tätigkeiten und Produkte der Geltungsbereichsvorschriften für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk decken sich zu einem großen Teil mit denjenigen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, wie zB Planung, Konstruktion, Herstellung, Einbau und Instandhaltung von Produkten und Objekten für den privaten, geschäftlichen, öffentlichen und kulturellen Bereich sowie für den Sport- und Freizeitbereich, Innenausbau von Läden, Gaststätten, Praxen usw. Ausdrücklich genannt werden weiter etwa Innen- und Außentüren, Fenster, Treppen, Böden, Trennwände, Wand- und Deckenverkleidungen sowie fassadenabschließende Bauelemente bei Verwendung unterschiedlicher Materialien wie insbesondere von Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoffen, Glas, Metall, Stein, Werkstoffen für den Trockenbau, Belag- und Verbundwerkstoffen. Die Voraussetzungen, unter denen solche Handwerksbetriebe von der Einschränkungsklausel erfasst werden, sind wesentlich enger als im Industriebereich. Die Betriebe müssen nämlich von einem der genannten Tarifverträge erfasst werden und dieser Tarifvertrag muss gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller sein.
Rz. 22
Es wäre widersprüchlich und irreführend, diese Voraussetzungen aufzustellen, wenn der größte Teil der von Abschn. III Nr. 5 erfassten Betriebe bereits nach Abschn. I durch bloße Mitgliedschaft im HDH von der Allgemeinverbindlichkeit ausgeschlossen wäre. Die erstmals 2006 aufgenommene Einschränkungsvorschrift bezüglich der Handwerksbetriebe stellt nicht lediglich eine Ergänzung zu den Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung betreffend die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie dar. Es trifft auch nicht zu, dass erst ab 2003 die Möglichkeit von Tarifkonkurrenzen gesehen wurde.
Rz. 23
Demnach ist davon auszugehen, dass die Vertragspartner der bezeichneten Rahmen- und Manteltarifverträge, die auf Arbeitgeber- wie auf Arbeitnehmerseite jeweils entweder identisch sind oder denselben Spitzenverbänden angehören, eine Abgrenzung der Geltungsbereiche getroffen haben, die Überschneidungen möglichst ausschließt. Eine fehlende Eintragung in der Handwerksrolle führt nicht ohne Weiteres zur Anwendung der Industrietarife. Die weitgehend freie Wahlmöglichkeit zwischen den Tarifverträgen für die Industrie und für das Handwerk je nach Verbandsmitgliedschaft wäre gänzlich ungewöhnlich. Vielmehr bieten Wortlaut und Systematik der Regelungen genügend Anhaltspunkte für die Annahme, die Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeit gemäß den Abs. 1 und 2 von Abschn. I des Ersten Teils der Bekanntmachung vom 24. Februar 2006 in Verbindung mit dem Anhang I “Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie” gelte nur für Industriebetriebe, soweit das Handwerk nicht ausdrücklich einbezogen wird.
Rz. 24
Die Entscheidung des Senats vom 25. Juli 2001 (– 10 AZR 599/00 – zu II 3c der Gründe, BAGE 98, 263) steht dem nicht entgegen. Aus ihr geht nicht hervor, dass in dem dort maßgebenden Tarifvertrag von dem Erfordernis des Industriebetriebs abgesehen wird.
Rz. 25
b) Die Voraussetzungen für einen Industriebetrieb sind nicht dargelegt. Ein Industriebetrieb unterscheidet sich von einem Handwerksbetrieb typischerweise aufgrund seiner Betriebsgröße, der Anzahl seiner Beschäftigten sowie eines größeren Kapitalbedarfs infolge der Anlagenintensität. Die Industrie ist durch Produktionsanlagen und Produktionsstufen gekennzeichnet. Bei einem Handwerksbetrieb handelt es sich dagegen um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb, in dem die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt werden. Zwar wird auch in Handwerksbetrieben modernste Technik eingesetzt. Kennzeichnend für einen Handwerksbetrieb ist jedoch, dass der Einsatz von Maschinen die handwerklichen Tätigkeiten unterstützt, nicht ersetzt, und diese in der Regel von Arbeitnehmern mit einer einschlägigen Berufsausbildung ausgeführt werden (Senat 21. Januar 2009 – 10 AZR 325/08 – Rn. 16 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 307). Der Betrieb der Beklagten ist mit insgesamt acht Arbeitnehmern ein kleinerer Betrieb. Hinweise auf eine industrielle Fertigung hat die darlegungspflichtige Beklagte nicht gegeben (vgl. Senat 21. Januar 2009 – 10 AZR 325/08 – Rn. 14, aaO). Vielmehr spricht ihr eigener Vortrag dafür, dass nach individuellen Kundenaufträgen nicht auf Vorrat, sondern den jeweiligen Anforderungen entsprechend gearbeitet wurde. In der Revision hat die Beklagte die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nur insoweit angegriffen, als dieses aus der Zahl von acht Arbeitnehmern geschlossen hat, es handele sich um einen kleineren Betrieb, der nicht industriell arbeite.
Rz. 26
3. Die Auskunftsansprüche ergeben sich im Einzelnen aus § 21 VTV. Nach § 61 Abs. 2 ArbGG kann die Klägerin für den Fall, dass die Auskünfte nicht fristgemäß erteilt werden, die festgesetzte Entschädigung in Höhe von 5.775,00 Euro verlangen. Die Beklagte hat die Berechnung entsprechend den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung (28. Juli 2004 – 10 AZR 580/03 – zu II 2 der Gründe, BAGE 111, 302) nicht bestritten.
Rz. 27
II. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Mikosch, W. Reinfelder, Mestwerdt, Thiel, Petri
Fundstellen
Haufe-Index 2377704 |
BauR 2011, 1213 |
FA 2011, 32 |
IBR 2011, 176 |
NZA 2011, 312 |
AP 2011 |
EzA-SD 2010, 14 |