Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Leistungsunfähigkeit. auflösende Bedingung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird dem Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung unmöglich, bestimmt sich die Rechtsfolge für seinen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB, wenn sich der Arbeitgeber bei Eintritt der Unmöglichkeit im Annahmeverzug befindet, ansonsten nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB.
2. Risiko des Arbeitsausfalls iSv. § 615 Satz 3 BGB meint das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko. Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können.
Orientierungssatz
1. § 15 Abs. 2 TzBfG hält das Arbeitsverhältnis während der Auslauffrist aufrecht, begründet aber keinen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers.
2. Wird die Arbeitsleistung allein wegen Zeitablaufs unmöglich, besteht ein Vergütungsanspruch nach § 615 Satz 1 BGB unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 615 Sätze 1, 3, § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, § 297; TzBfG §§ 21, 15 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 9. Januar 2014 – 5 Sa 517/12 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 24. Juli 2012 – 5 Ca 1559/11 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütung.
Der Kläger war bei der Beklagten als Sicherheitsmitarbeiter angestellt. Die Beklagte betreibt ein privates Wach- und Sicherheitsunternehmen, das mit dem Schutz von Liegenschaften der US-Streitkräfte betraut ist.
Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält ua. Folgendes:
„1. Allgemeines.
Die Firma … ist Mitglied des Bundesverbandes deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. Auf diesen Arbeitsvertrag sind daher die zwischen dem o. g. Verband und der Gewerkschaft ver.di (…) abgeschlossenen Tarifverträge für das Bundesland Bayern ohne Einschränkung anwendbar.
Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses ist der zwischen den US-Streitkräften und dieser Firma abgeschlossene Bewachungsvertrag …
…
14. Einsatzgenehmigung.
Die Vertragsparteien sind dazu verpflichtet, die Bedingungen, Anforderungen und Standards der jeweiligen Kundenspezifikationen/PWS (Performance Work Statements) einzuhalten bzw. zu erfüllen. Die Einsatzgenehmigung der US-Streitkräfte ist Grundlage des Vertrages. Wird die Einsatzgenehmigung wegen Nichteinhaltung der PWS, die für die Vertragsparteien verbindlich sind und von der amerikanischen Regierung vorgegeben sind, widerrufen, endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf unter Anwendung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist. …”
Die Performance Work Statements beinhalten ua. die Möglichkeit des Entzugs der Einsatzgenehmigung bei Missbrauch illegaler Drogen.
Am 1. Dezember 2011 wurde der Kläger von den US-Streitkräften zu einem Drogentest ausgewählt. Der Kläger blieb dem Drogentest fern. Der Vorgesetzte des Klägers bat den zuständigen Mitarbeiter der US-Streitkräfte, mit dem Drogentest zu warten, und forderte den Kläger in einem Telefongespräch auf, sofort zum Urintest zu erscheinen. Der Kläger befolgte diese Aufforderung nicht.
Am 5. Dezember 2011 widerrief das U die Einsatzgenehmigung des Klägers. Mit Schreiben gleichen Datums informierte die Beklagte den Kläger, dass das Arbeitsverhältnis durch auflösende Bedingung unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist zum 29. Februar 2012 ende. Der Kläger sei mit sofortiger Wirkung, unter Anrechnung von Resturlaub und Überstunden, vom Dienst freigestellt. Nach Beendigung des Urlaubs und bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei er unbezahlt freigestellt. Eine andere Einsatzmöglichkeit bestand für den Kläger nicht.
Für die Zeit ab 5. Dezember 2011 leistete die Beklagte keine Vergütung. Der Kläger bezog im Januar 2012 Arbeitslosengeld iHv. 407,28 Euro und im Februar 2012 iHv. 1.018,20 Euro.
Der Kläger hat zunächst Bedingungskontrollklage erhoben. Sodann hat er die Klage um Vergütungsansprüche für die Zeit 5. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 nebst Zinsen abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds erweitert. Die Parteien haben sich erstinstanzlich in einem gerichtlichen Teilvergleich auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 29. Februar 2012 gegen Zahlung einer Abfindung verständigt. Die Vergütungsansprüche sind streitig geblieben.
Der Kläger meint, die Beklagte schulde Vergütung für die Zeit nach Entzug der Einsatzgenehmigung wegen Annahmeverzugs. Der Zweck der Arbeitnehmerschutzvorschrift des § 15 Abs. 2 TzBfG werde nur verwirklicht, wenn in der Auslauffrist auch Lohn zu zahlen sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.305,68 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.839,04 Euro seit 1. Januar 2012, aus 2.233,32 Euro seit 1. Februar 2012 abzüglich übergegangener Ansprüche iHv. 407,28 Euro netto sowie aus 2.233,32 Euro seit 1. März 2012 abzüglich übergegangener Ansprüche iHv. 1.018,20 Euro netto zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs bestehe nicht, weil der Kläger für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht leistungsfähig gewesen sei. Ein Vergütungsanspruch könne auch nicht aus § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB hergeleitet werden. Die Beklagte habe die Leistungsunfähigkeit des Klägers nicht zu verantworten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihr verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht für den Streitzeitraum weder Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB oder wegen Betriebsrisikos nach § 615 Satz 3 BGB noch gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.
I. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus Annahmeverzug. Das Landesarbeitsgericht hat einen solchen Anspruch, gestützt auf § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB, zu Unrecht bejaht.
1. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Der Gläubiger kommt aber nach § 297 BGB nicht in Verzug, wenn der Schuldner außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Ob es sich dabei um gesundheitliche, rechtliche oder andere Gründe handelt, ist nicht maßgebend. Das Unvermögen kann etwa auf einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot oder auf dem Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis beruhen (BAG 18. März 2009 – 5 AZR 192/08 – Rn. 13, BAGE 130, 29).
2. Der Kläger war im Streitzeitraum für die vertraglich vorgesehene Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter nicht mehr leistungsfähig. Ihm wurde die für eine Tätigkeit bei den US-Streitkräften erforderliche Einsatzgenehmigung entzogen.
a) Die Beklagte kann bei der Bewachung von militärischen Einrichtungen der US-Streitkräfte über das eingesetzte Personal nicht frei entscheiden, sondern darf nur solche Arbeitnehmer einsetzen, die über eine Einsatzgenehmigung des Auftraggebers verfügen, auf deren Erteilung und Entzug die Beklagte keinen Einfluss hat. Auf die den amerikanischen Streitkräften eingeräumte Rechtsposition müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einlassen. Sie folgt aus den Besonderheiten bei der Bewachung von militärischen Einrichtungen und entspricht den Befugnissen der Bundeswehr gegenüber zivilen Wachpersonen (vgl. § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie ziviler Wachpersonen; vgl. hierzu BAG 19. März 2008 – 7 AZR 1033/06 – Rn. 12). Mit dem Entzug der Einsatzgenehmigung nehmen die US-Streitkräfte eine hoheitliche Maßnahme vor, die kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität von der Jurisdiktion der Bundesrepublik Deutschland genießt (vgl. Hessischer VGH 14. Juli 1988 – 11 TG 1736/85 –).
b) Mangels Einsatzgenehmigung war der Kläger nach dem 5. Dezember 2011 leistungsunfähig für die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit. Nach Entzug der Einsatzgenehmigung war er – ähnlich wie im Fall eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots – außerstande, die vertraglich vereinbarte Leistung zu bewirken (vgl. BAG 31. August 1988 – 7 AZR 525/87 – zu 1 der Gründe bei fehlender Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde; 15. Juni 2004 – 9 AZR 483/03 – zu I 2 der Gründe, BAGE 111, 97, bei fehlender bergrechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung; 27. Mai 2015 – 5 AZR 88/14 – Rn. 17 bei Entzug der Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen nach SÜG; LAG Rheinland-Pfalz 31. August 2006 – 11 Sa 323/06 – Rn. 35 bei fehlender Flugtauglichkeitsbescheinigung). Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand unstreitig nicht.
3. Diesem Ergebnis steht der Normzweck des § 15 Abs. 2 TzBfG nicht entgegen, der nach § 21 TzBfG auf einen Arbeitsvertrag unter auflösender Bedingung entsprechende Anwendung findet. Die Regelung des § 15 Abs. 2 TzBfG dient dem Arbeitnehmerschutz, indem die Beendigung eines zweckbefristeten bzw. auflösend bedingten Arbeitsverhältnisses mit einer Auslauffrist verbunden wird. Dies verhindert die Umgehung des Schutzzwecks der gesetzlichen Kündigungsfristen. Das Arbeitsverhältnis besteht in der Verlängerungsphase mit allen beiderseitigen Rechten und Pflichten fort. § 15 Abs. 2 TzBfG hält aber lediglich das Arbeitsverhältnis aufrecht. Der Wortlaut der Norm besagt nicht, dass auch der Vergütungsanspruch unabhängig von der Erfüllung seiner jeweiligen Voraussetzungen aufrechterhalten werde. Dieser kann nur aus einer den Entgeltanspruch aufrechterhaltenden Norm (wie § 615 Satz 1 BGB) folgen. Das gilt für die gesetzliche Mindestauslauffrist von zwei Wochen ebenso wie für eine individual- oder tarifvertraglich vereinbarte längere Auslauffrist. Auch die Gesetzesbegründung liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitnehmer ohne Erfüllung jeglicher weiterer Voraussetzungen in jedem Fall Vergütung während der Auslauffrist erhalten soll (BT-Drs. 14/4374 S. 20). § 15 Abs. 2 TzBfG verfolgt einen den Regelungen des § 622 BGB vergleichbaren Zweck. Im Rahmen des zeitlichen Bestandsschutzes soll die Beendigungswirkung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden (hierzu BAG 18. April 1985 – 2 AZR 197/84 – zu II 1 a der Gründe; 12. Juli 2007 – 2 AZR 699/05 – Rn. 40). Doch auch während des Laufs der Kündigungsfrist nach Ausspruch einer Kündigung ist der Vergütungsanspruch nicht ohne Erfüllung seiner gesetz- oder vertraglichen Voraussetzungen gegeben. Nimmt der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist nicht an, besteht ein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nur, wenn der Arbeitnehmer für die vertraglich geschuldete Tätigkeit leistungsfähig ist.
II. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 3 BGB wegen Betriebsrisikos.
1. Nach § 615 Satz 3 BGB kann ein Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Arbeit infolge von Umständen ausfällt, für die der Arbeitgeber das Risiko trägt (BAG 9. Juli 2008 – 5 AZR 810/07 – Rn. 13, BAGE 127, 119).
2. Es liegt kein Fall vor, in dem die Beklagte das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen hat. § 615 Satz 3 BGB meint das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko (ErfK/Preis 15. Aufl. § 615 BGB Rn. 122; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 615 Rn. 90; BT-Drs. 14/6857 S. 48). Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können. Die Arbeitsleistung des Klägers unterblieb nicht wegen Ausfalls von Betriebsstoffen oder anderer für den Betriebsablauf notwendiger Betriebsmittel, einer Betriebsstilllegung aufgrund öffentlichrechtlicher Vorschriften/Anordnungen (vgl. BAG 30. Mai 1963 – 5 AZR 282/62 – zu 2 b der Gründe) oder eines Geschehens, das von außen auf typische Betriebsmittel einwirkt und sich als höhere Gewalt darstellt, wie zB die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe (vgl. HWK/Krause 5. Aufl. § 615 BGB Rn. 116; ferner BAG 9. März 1983 – 4 AZR 301/80 – BAGE 42, 94 zum Ausfall einer Ölheizung im Betrieb wegen plötzlichen Kälteeinbruchs). Entscheidender Umstand war vielmehr der Entzug der dem Kläger persönlich erteilten Einsatzgenehmigung. Dieser gehört nicht zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers.
III. Der Vergütungsanspruch wurde nicht nach § 611 Abs. 1, § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB aufrechterhalten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat – aus seiner Sicht konsequent – diese Anspruchsgrundlage nicht geprüft. Aufgrund der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen kann der Senat aber in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
2. Nach § 275 Abs. 1 BGB führt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zum Ausschluss des Leistungsanspruchs des Arbeitgebers. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gegenleistung entfällt nach § 326 Abs. 1 BGB, bleibt aber gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht. Der Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 BGB umfasst sämtliche gegenseitigen Verträge und findet auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung (BAG 24. November 1960 – 5 AZR 545/59 – zu 4 der Gründe, BAGE 10, 202 zur Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF). Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung allein oder weit überwiegend zu verantworten hat (BAG 13. Juni 2007 – 5 AZR 564/06 – Rn. 40, BAGE 123, 98; 19. August 2015 – 5 AZR 975/13 – Rn. 26).
3. Der Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB im Arbeitsrecht steht § 615 BGB nicht entgegen. Die dienstvertraglichen Regeln des Annahmeverzugs verdrängen § 326 BGB nicht. Vielmehr ergänzen sich beide. Wird dem Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung unmöglich, bestimmt sich die Rechtsfolge für seinen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB, wenn sich der Arbeitgeber bei Eintritt der Unmöglichkeit im Annahmeverzug befindet, ansonsten nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB. Beruht die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung aufgrund ihres Fixschuld-Charakters allein auf dem Zeitablauf, wird der Vergütungsanspruch – unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers – nach § 615 BGB aufrechterhalten, wenn die Voraussetzungen des Annahmeverzugs zur Zeit des Eintritts der Unmöglichkeit vorlagen. Fehlt es hieran, zB weil ein Fall des § 297 BGB gegeben war, kann der Vergütungsanspruch nach § 326 Abs. 2 BGB aufrechterhalten werden, wenn dessen Voraussetzungen (insbesondere die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers) erfüllt sind.
4. Die Beklagte war für die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung des Klägers nicht verantwortlich iSv. § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB.
a) Verantwortlich nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB meint Vertretenmüssen iSd. §§ 276, 278 BGB, dh. mindestens fahrlässiges Handeln (BAG 19. August 2015 – 5 AZR 975/13 – Rn. 29). Anders als in der Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF findet sich in § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht, dass der Gläubiger den Umstand „zu vertreten” habe. Doch kann für die Bestimmung des Begriffs „verantwortlich” auf die amtlichen Überschriften der §§ 276, 278 BGB zurückgegriffen werden, die „Verantwortlichkeit des Schuldners” bzw. „Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte” lauten. Damit ist vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln gemeint. Die Gesetzesbegründung zu § 326 Abs. 2 BGB zeigt schließlich, dass der Gesetzgeber an die Vorgängerregelung anknüpfen wollte, weil die Norm den „bisherigen § 324 mit leichten Umformulierungen übernimmt” (BT-Drs. 14/6040 S. 189). Das Verschuldensprinzip ist auch bei der Nachfolgeregelung zugrunde zu legen.
b) Die Beklagte hat im Hinblick auf den Entzug der Einsatzgenehmigung weder durch ihre Organe noch durch ihre Erfüllungsgehilfen verantwortlich in diesem Sinne gehandelt. Der Entzug der Einsatzgenehmigung wurde ausschließlich veranlasst durch die Nichtteilnahme des Klägers an dem durch die US-Streitkräfte festgesetzten Drogentest. Dieser Drogentest beruht auf den Performance Work Statements der US-Streitkräfte und damit auf Vertragsbedingungen, die vom Kläger mit Abschluss seines Arbeitsvertrags akzeptiert wurden. Der Kläger ließ überdies die Möglichkeit, den Drogentest nach Anruf seines Vorgesetzten nachzuholen, ungenutzt verstreichen. Somit lag die Verantwortung für den Entzug der Einsatzgenehmigung und die daraus folgende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung beim Kläger.
5. Die Beklagte hat in Nr. 14 des Arbeitsvertrags nicht das vertragliche Risiko übernommen, die Vergütung auch dann zahlen zu müssen, wenn der Kläger die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat.
a) Bei den Regelungen des Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu zwar keine Feststellungen getroffen. Für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen begründet jedoch das äußere Erscheinungsbild des Vertrags eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 25. Juni 2015 – 6 AZR 383/14 – Rn. 23). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 22).
b) Ein Anhaltspunkt für die Übernahme des Vergütungsrisikos durch die Beklagte findet sich in Nr. 14 des Arbeitsvertrags nicht. Eine vertragliche Übernahme des bei subjektiven Leistungshindernissen an sich den Arbeitnehmer treffenden Vergütungsrisikos durch den Arbeitgeber ist zwar möglich und besonders dann naheliegend, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Kenntnis des Leistungshindernisses einstellt (BAG 31. August 1988 – 7 AZR 525/87 – zu 2 e der Gründe). Im Fall des Klägers bestand das Leistungshindernis bei Vertragsschluss noch nicht, vielmehr machten die Parteien die Einsatzgenehmigung ausdrücklich zur Geschäftsgrundlage ihrer Vertragsbeziehung. Dies gibt keinen Hinweis auf eine Übernahme des Risikos der Vergütung ohne Arbeitsleistung durch die Beklagte.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Weber, Volk, Dombrowsky, Zorn
Fundstellen
Haufe-Index 9036107 |
BAGE 2016, 327 |
BB 2016, 435 |
DB 2016, 598 |
DB 2016, 7 |
DStR 2016, 14 |