Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsvertrag, Verzicht auf tarifliches Widerrufsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Der nach § 9 Abs 9 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 zulässige Verzicht auf das den Arbeitsvertragsparteien eingeräumte Recht, einen schriftlichen Auflösungsvertrag innerhalb von drei Werktagen zu widerrufen, kann in die Vertragsurkunde aufgenommen und muß nicht gesondert von dem übrigen Vertragstext oder in einer besonderen Urkunde erklärt werden.
Orientierungssatz
Auflösungsvertrag mit einem in einem Kaufhausrestaurant beschäftigten Koch aus Anlaß eines gegen ihn bestehenden Diebstahlsverdachts; Anfechtung dieses Vertrages durch den Arbeitnehmer wegen Drohung mit ordentlicher Kündigung.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 123; ZPO §§ 288, 290; KSchG § 1 i.d.F des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476)
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.11.1983; Aktenzeichen 10 (13) Sa 550/83) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 02.03.1983; Aktenzeichen 10 Ca 7953/82) |
Tatbestand
Der im Jahre 1956 in Polen geborene Kläger war in dem Cafe-Restaurant eines von der Beklagten in R betriebenen Kaufhauses seit 27. Februar 1979 als K gegen einen Bruttolohn von 2.100,-- DM monatlich beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt zuletzt der gemäß Bekanntmachung des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 1981 (BAnz 1981 Nr. 126 S. 6) ab 1. Januar 1981 für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 (künftig: MTV).
Zu den Aufgaben des Klägers gehörte es, für das Restaurant benötigte Frischwaren in der im Basement des Kaufhauses untergebrachten Lebensmittelabteilung einzukaufen, die die Beklagte an eine Firma Karl K und Sohn untervermietet hatte.
Am 29. September 1982 schenkte der Kläger vor Beginn der Öffnungszeit für eine im Kaufhaus eingesetzte Reinemachefrau ein Glas Coca Cola aus und stellte ihr eine Portion Speiseeis hin. Die Beklagte hat behauptet, er habe diese Waren ohne Bezahlung ausgeben wollen, verwarnte ihn deshalb und drohte ihm für ähnliche Vorkommnisse Konsequenzen für sein Arbeitsverhältnis an. Nach der Darstellung des Klägers hat es sich um eine normale Bestellung gehandelt, die er lediglich vor dem Eintreffen der Serviererinnen ausgeführt habe und die später auch bezahlt worden sei.
Am 16. November 1982 kaufte der Kläger außerhalb seiner Dienstzeit für private Zwecke bei der Firma K Muscheln ein, die in eine mit einer Heftzange verschlossene neutrale Plastiktüte verpackt wurden. Der Kläger nahm danach eine Flasche Wodka, öffnete die Tüte und stellte die Flasche hinein. Sie ragte wegen ihrer Größe etwas aus der Tüte heraus. Daraufhin nahm der Kläger die Flasche wieder heraus und stellte sie in den Einkaufswagen. Bevor er zur Kasse ging, stellte er noch einen Kasten Bier auf der unteren Ablage des Einkaufswagens ab. Beim Passieren der Kasse ließ er den Kasten dort stehen und sagte ihn der Kassiererin nicht an, die ihn auch nicht berechnete. Kurz nach Verlassen der Kassenzone wurde er von zwei Kontrollpersonen der Firma K angehalten. Die Firma K erstattete noch am selben Tag gegen ihn Strafanzeige wegen Diebstahls des Kasten Biers und erteilte ihm Hausverbot.
Am 29. oder 30. November 1982 fand zwischen dem Kläger und dem Verwaltungsleiter der Beklagten, Herrn W, eine Unterredung statt, an der auch zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Die Beklagte erklärte, sie wolle das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden. Der Verwaltungsleiter und der Kläger unterzeichneten schließlich auf einem Vordruck eine "Einverständliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses" folgenden Inhalts:
"Die Unterzeichner sind sich darüber einig, daß das
Arbeitsverhältnis (es folgt die Bezeichnung der
Parteien) mit Ablauf des 30. Nov. 1982 im gegen-
seitigen Einvernehmen sein Ende finden wird. Auf die
tarifvertragliche Bedenkzeit wird verzichtet.
Darüber hinaus wird folgendes vereinbart:
Überstunden für die Monate Juli/August/September 82
und vom 01.10. bis 25.10. 82 werden bezahlt. Ebenfalls
wird der Restanspruch auf Jahresurlaub 82 in Höhe von
10 Tagen ausbezahlt.
Einbehalten wird je 1/12 des bereits bezahlten Ur-
laubsgeldes und Weihnachtsgeldes (Sonderzuwendung).
Herr Ku erklärt, daß er den Auflösungsvertrag
sorgfältig gelesen und nach reiflicher Überlegung
freiwillig unterzeichnet hat."
Die in der Vereinbarung angesprochene tarifliche Regelung ist in § 9 Abs. 9 MTV enthalten und lautet:
"Auflösungsverträge bedürfen der Schriftform. Jede
der Parteien kann eine Bedenkzeit von 3 Werktagen
in Anspruch nehmen. Ein Verzicht hierauf ist
schriftlich zu erklären."
Mit einem von ihm selbst verfaßten Schreiben vom 1. Dezember 1982 widerrief der Kläger seine Einwilligung in den Aufhebungsvertrag.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Er hat vorgetragen, er habe den Auflösungsvertrag wirksam widerrufen. Der von ihm erklärte Verzicht auf das Widerrufsrecht sei unwirksam, weil es hierzu einer gesonderten Unterschrift bedürfe, wie dies in § 9 Abs. 12 MTV für die Ausgleichsquittung auch ausdrücklich geregelt sei. In jedem Falle hätte die Verzichtserklärung aber besonders hervorgehoben werden müssen und nicht formularmäßig in den vorgedruckten Text der Vertragsurkunde aufgenommen werden dürfen.
Der Kläger hat den Auflösungsvertrag ferner wegen Drohung, arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Hierzu hat er vorgetragen, bei dem Einkauf am 16. November 1982 habe er erst unmittelbar nach Zahlung der gebonten Summe bei Überprüfung des Kassenzettels bemerkt, daß die Kassiererin den Kasten Bier nicht berechnet habe. Er habe bei der Kassiererin deshalb nochmals rückfragen wollen, sei jedoch bereits zwei Schritte hinter der Kasse von den Kontrollpersonen angehalten und des Diebstahls beschuldigt worden. In der Unterredung Ende November 1982 sei er ultimativ vor die Wahl gestellt worden, entweder eine fristlose Kündigung zu erhalten oder den Auflösungsvertrag abzuschließen. Diese Drohung sei widerrechtlich gewesen. Die Anfechtung sei aber auch wegen arglistiger Täuschung und Irrtums begründet, weil die Beklagte ihn nicht vor Unterzeichnung über das ihm unbekannte tarifliche Widerrufsrecht aufgeklärt habe und er als Pole nur über unzureichende deutsche Sprachkenntnisse verfüge.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis mit
der Beklagten über den 30. November 1982 hinaus
fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den
30. November 1982 hinaus zu unveränderten
Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, ein Verzicht auf das tarifliche Widerrufsrecht könne auch in dem Auflösungsvertrag selbst erklärt werden. Die tarifliche Vorschrift über eine gesonderte Unterzeichnung von Ausgleichsquittungen gelte nicht für Auflösungsverträge.
Auch die vom Kläger erklärte Vertragsanfechtung greife nicht durch. Die Plastiktüten, in die die Muscheln an der Fischtheke der Firma K verpackt würden, würden eigens deshalb mit einer Heftzange verschlossen, um zu verhindern, daß die Kunden andere Waren darin unterbringen könnten. In der Praxis würde eine Reihe von Ladendiebstählen auch auf die Weise verübt, daß Kunden Waren auf der unteren Ablage eines Einkaufswagens abstellten und darauf vertrauten, daß diese an der Kasse nicht bemerkt würden. So habe sich der Kläger verhalten. Er sei erst zur Kasse zurückgegangen, als er bemerkt habe, daß die Kassiererin von zwei Personen angesprochen worden sei, die offensichtlich keine Käufer gewesen seien.
In der Unterredung Ende November 1982 habe der Verwaltungsleiter dem Kläger vorgehalten, daß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen dieses Vorfalls und des Vorfalls im September 1982 nicht mehr zumutbar sei, und ihm in Aussicht gestellt, daß das Arbeitsverhältnis mindestens ordentlich gekündigt werde. Der Verwaltungsleiter habe ihm Bedeutung und Folgen eines Auflösungsvertrages erklärt. Nach einer längeren Beratung mit den beiden Betriebsratsmitgliedern sei ihm der Vertrag vorgelegt, ausgefüllt und vor der Unterzeichnung Satz für Satz durchgesprochen worden. Er beherrsche die deutsche Sprache in Wort und Schrift einwandfrei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger zu dem Vorfall vom 16. November 1982 noch vorgetragen, er habe die Flasche Wodka lediglich in der Plastiktüte unterbringen wollen, um nicht eigens eine neue Tüte kaufen zu müssen. Da er bei der Öffnung der Tüte den Verschluß habe beschädigen müssen und dies für die Kassiererin deutlich sichtbar gewesen wäre, wäre die Tüte als Versteck von vornherein ungeeignet gewesen. Dieser Umstand sei somit als Indiz für eine Diebstahlsabsicht ungeeignet.
Der Kläger hat im ersten Berufungstermin im Rahmen einer persönlichen Anhörung erklärt, es sei vor Abschluß des Auflösungsvertrages nicht von einer fristlosen, sondern von einer ordentlichen Kündigung die Rede gewesen. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist er nach dem in Abschrift zu den Akten gereichten Urteil des Amtsgerichts R vom 14. Juli 1983 rechtskräftig von der Anklage des Diebstahls freigesprochen worden.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger seine Klageanträge zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt und im Verhandlungstermin vor dem Senat das Rechtsmittel zurückgenommen, soweit über den Weiterbeschäftigungsantrag entschieden worden ist. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist in dem noch aufrechterhaltenen Umfang zum Feststellungsantrag unbegründet.
I. Gegen die Wirksamkeit des Auflösungsvertrages vom 30. November 1982 bestehen aus tarifrechtlichen Gründen keine Bedenken. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Kläger auf die ihm in § 9 Abs. 9 MTV eingeräumte "Bedenkzeit" rechtswirksam verzichtet hat.
1. Das Berufungsgericht hat § 9 Abs. 9 Sätze 2 und 3 MTV zutreffend dahin ausgelegt, daß den Parteien des Auflösungsvertrages das verzichtbare Recht eingeräumt werden sollte, den Vertrag innerhalb einer Frist von drei Werktagen zu widerrufen.
Der Regelungstatbestand weist Ähnlichkeit mit der Ausgangslage auf, die bei Abschluß eines Abzahlungsgeschäfts nach dem AbzG besteht, das dem Käufer zum Schutz vor unüberlegten Kaufverträgen eine Überlegungsfrist einräumt, ehe der Kaufvertrag endgültig wirksam werden soll. Insoweit bestimmt § 1 b Abs. 1 AbzG, daß die auf den Vertragsabschluß gerichtete und nach § 1 a Abs. 1 Satz 1 AbzG der Schriftform bedürfende Willenserklärung des Käufers erst wirksam wird, wenn der Käufer sie nicht dem Verkäufer gegenüber innerhalb einer Woche schriftlich widerruft. Dieser Widerruf stellt die Rücknahme einer bereits existenten, aber noch nicht endgültig wirksamen Willenserklärung dar, die den Eintritt der gewollten Rechtsfolge mit rückwirkender Kraft verhindert. Es liegt somit bereits eine Willenserklärung vor, und lediglich ihre endgültige Wirksamkeit soll davon abhängen, ob der Erklärende von dem ihm zustehenden Gestaltungsrecht Gebrauch macht (vgl. Palandt, BGB, 44. Aufl., Einführung vor § 346 Anm. 1 a; § 1 b AbzG Anm. 1 b, 2 a und 4 a).
Eine entsprechende Regelung sollte ersichtlich auch in § 9 Abs. 9 MTV, hier allerdings für die auf den Vertragsabschluß gerichteten Willenserklärungen beider Parteien getroffen werden. Dort ist zunächst von einem schriftlichen Auflösungsvertrag und anschließend von einer beiden Vertragsparteien eingeräumten "Bedenkzeit" die Rede, auf die "verzichtet" werden kann. Wie der Gesamtzusammenhang dieser Regelung ergibt, soll der Auflösungsvertrag nach Ablauf der "Bedenkzeit" und im Falle eines "Verzichts" darauf sofort für die Parteien bindend werden. Dies setzt jedoch eine bereits bestehende Willenseinigung der Parteien voraus, deren endgültige Wirksamkeit noch grundsätzlich um einen bestimmten Zeitraum hinausgeschoben werden soll und innerhalb dieses Zeitraums durch eine Erklärung der Vertragsparteien mit rückwirkender Kraft beseitigt werden kann. Eine solche Gestaltung ist rechtstechnisch in der Weise möglich, indem den Parteien während dieses Zeitraums ein Gestaltungsrecht eingeräumt wird, durch dessen Ausübung der Vertrag rückwirkend beseitigt, auf das aber auch verzichtet werden kann. Da die "Bedenkzeit" bereits nach ihrem Wortsinn beide Parteien vor einer übereilten rechtlichen Bindung schützen soll, liegt es nahe, daß die Tarifvertragsparteien, ähnlich wie der Gesetzgeber in § 1 a Abs. 1 AbzG für die auf Vertragsabschluß gerichtete Willenserklärung des Käufers, das endgültige Zustandekommen des Auflösungsvertrages hinausschieben und somit ein Widerrufsrecht begründen wollten.
Die Revision meint, in dieser Tarifnorm sei neben dem widerruflichen Auflösungsvertrag der weitere Tatbestand geregelt, daß eine Partei unter Hinweis auf eine beabsichtigte Kündigung der anderen Partei den Abschluß eines Aufhebungsvertrages anbiete und an dieses Angebot gebunden bleibe, während der anderen Partei zum Schutz vor übereilter Entscheidung eine Überlegungsfrist eingeräumt werde. Solle es vor Fristablauf zu einem Vertragsabschluß kommen, so müsse vorher ein schriftlicher Verzicht auf die Bedenkzeit vorliegen, der dann notwendig auch in einer besonderen Urkunde erklärt werden müsse. Gleiches gelte auch für den widerruflichen Aufhebungsvertrag. Wie die Revision jedoch übersieht, ist die "Bedenkzeit" beiden Vertragsparteien ohne weitere sachliche Voraussetzungen eingeräumt. Deshalb ist für die von ihr angenommene Gestaltung eines nur für eine Partei bindenden Vertragsangebots und die hieraus für einen in besonderer Urkunde zu erklärenden Verzicht gezogenen Schlußfolgerungen kein Raum.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die in § 9 Abs. 12 MTV enthaltene Regelung,
"Bestätigt der Arbeitnehmer, keine Ansprüche mehr aus dem
Arbeitsverhältnis und/oder seiner Beendigung, insbesondere
aus dem Gesichtspunkt des Kündigungsschutzes, gegen den
Arbeitgeber zu haben, so bedarf die Ausgleichsquittung
einer gesonderten Unterschrift."
nicht auf den Widerrufsverzicht nach Abs. 9 angewendet, sondern angenommen, für den Fall des Auflösungsvertrages solle nur Abs. 9 gelten, der für den Widerrufsverzicht lediglich die Schriftform fordert.
a) Unter einem Auflösungsvertrag wird im Arbeitsleben allgemein ein Vertrag verstanden, durch den ein Arbeitsvertrag aufgrund einer Willenseinigung der Parteien endet (vgl. KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 193; KR-Becker, aaO, § 1 KSchG Rz 121). Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff des Auflösungsvertrages auch in diesem üblichen Sinne verwenden wollten (vgl. BAG Urteile vom 9. Juli 1980 - 4 AZR 560/78 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, sowie vom 30. Mai 1984 - 4 AZR 512/81 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils m.w.N.).
Liegt ein Auflösungsvertrag vor, dann enthält die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung des Arbeitnehmers nicht zugleich die Erklärung eines Verzichts auf den allgemeinen oder besonderen Kündigungsschutz. Der Verlust dieser Rechte ist vielmehr nur die Rechtsfolge des Vertrages. Soweit in solchen Fällen, insbesondere bei Auflösungsverträgen, nach Ausspruch einer Kündigung von einem "Verzicht" auf Kündigungsschutz gesprochen wird, geht es nicht um einen Verzicht im rechtstechnischen Sinn, sondern um einen Verzicht nach dem Sprachgebrauch der Arbeitsrechtspraxis (vgl. Urteil des Siebten Senats vom 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - AP Nr. 22 zu § 123 BGB; Urteile des erkennenden Senats vom 3. Mai 1979, BAG 32, 6, 11 = AP Nr. 6 zu § 4 KSchG 1969, zu II 2 b der Gründe, sowie vom 10. Mai 1984 - 2 AZR 112/83 -, zu 2 der Gründe, nicht veröffentlicht; Herschel, Anm. zu AP Nr. 4 zu § 4 KSchG 1969; Bernert, Anm. zu AP Nr. 5 zu § 4 KSchG 1969).
b) In § 9 Abs. 12 MTV haben die Tarifvertragsparteien die Erklärung des Arbeitnehmers angesprochen, keine Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis und/oder der Beendigung zu haben, wobei sie die Rechte aus dem Kündigungsschutz lediglich besonders hervorgehoben haben. Der hierfür in der Tarifnorm verwendete Begriff der Ausgleichsquittung entspricht der Bezeichnung derartiger Erklärungen des Arbeitnehmers in der Arbeitsrechtspraxis. Wie der Senat in dem Urteil vom 3. Mai 1979 (aaO) klargestellt hat, stellen solche Erklärungen des Arbeitnehmers in einer Ausgleichsquittung, soweit sie Kündigungsschutzrechte betreffen, je nach Lage des Falles einen Auflösungsvertrag, einen Vergleich, einen Klageverzichtsvertrag oder ein vertragliches Klagerücknahmeversprechen dar. Nach den bereits erwähnten allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist deshalb davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der Ausgleichsquittung in seiner ihm in der Arbeitsrechtspraxis gegebenen Bedeutung angewendet wissen wollen. Können in der Ausgleichsquittung, soweit sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand hat, verschiedenartige rechtsgeschäftliche Erklärungen enthalten sein, treffen die Tarifvertragsparteien jedoch für eines dieser möglichen Rechtsgeschäfte, nämlich den Auflösungsvertrag, eine Sonderregelung, so ist weiter davon auszugehen, daß hierfür nur diese und nicht die allgemeine Regelung über die Ausgleichsquittung gelten soll.
c) Bereits aus diesem Grund gilt somit für einen nicht im Rahmen einer Ausgleichsquittung abgeschlossenen Aufhebungsvertrag allein die Sonderregelung des § 9 Abs. 9 MTV. Danach ist aber für den Aufhebungsvertrag selbst wie auch für den Widerrufsverzicht allein Schriftform ohne weitere Formerfordernisse vorgeschrieben.
Selbst wenn auf den Auflösungsvertrag die Vorschrift des § 9 Abs. 12 MTV anzuwenden wäre, könnte daraus nicht hergeleitet werden, der Widerrufsverzicht müßte in einer gesonderten Urkunde erklärt oder seine Erklärung zumindest gesondert unterschrieben werden. Wäre der Auflösungsvertrag wegen der sich hieraus für das Arbeitsverhältnis ergebenden Rechtsfolge als "Bestätigung" des Arbeitnehmers im Sinne des Abs. 12 aufzufassen, dann bedurfte der gesamte Vertrag "einer besonderen Unterschrift", d.h. also einer Niederlegung in einer besonderen Urkunde oder einer gesonderten Unterzeichnung, wenn die Urkunde noch weitere rechtsgeschäftliche Erklärungen enthält. Eine nochmalige gesonderte Hervorhebung und Unterzeichnung des Widerrufsverzichts als eines Bestandteils dieses Vertrages könnte deshalb auch aus § 9 Abs. 12 MTV nicht herausgelesen werden.
d) Nach dieser Auslegung der tariflichen Regelungen ist der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag vom 30. November 1982 formgerecht. Es handelt sich um einen Auflösungsvertrag, weil nach seinem eindeutigen Wortlaut durch ihn das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30. November 1982 beendet werden sollte. Die Vertragsurkunde stellt auch keine Ausgleichsquittung im Sinne des § 9 Abs. 12 MTV dar. Sie enthält neben den Willenserklärungen der Parteien zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch die Vereinbarung, daß dem Kläger bestimmte Leistungen gewährt und 1/12 des bereits bezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes einbehalten werden sollten. Eine Erklärung des Klägers, keine sonstigen Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung zu haben, ist weder ausdrücklich erklärt noch dieser Vereinbarung konkludent zu entnehmen. Vertrag sowie Widerrufsverzicht sind in der von beiden Parteien durch Namensunterschrift unterzeichneten Urkunde erklärt. Dies entspricht den Erfordernissen der gesetzlichen Schriftform nach § 126 BGB, die auch für eine kraft Tarifbindung geltende Schriftform anzuwenden ist.
II. Seine in den Vorinstanzen erhobenen Einwendungen, er habe wegen unzureichender Sprachkenntnisse und unterbliebener Aufklärung über das tarifliche Widerrufsrecht keinen Verzicht erklärt, diesen aber zumindest wegen Erklärungsirrtums (§ 119 BGB) und arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) angefochten, hat der Kläger in der Revisionsinstanz nicht weiterverfolgt. Insoweit läßt das angefochtene Urteil auch keinen Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger über hervorragende Deutschkenntnisse verfüge, ihm die Vertragsformulierungen erklärt und in allen Einzelheiten klargemacht worden seien. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden, da hiergegen kein Verfahrensangriff erhoben ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die auf diese Tatsachen gestützte Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Sinn der Verzichtserklärung verstanden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
III.Die Angriffe der Revision gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Auflösungsvertrag nicht wirksam wegen Drohung gemäß § 123 BGB angefochten, sind im Ergebnis ebenfalls unbegründet.
1. Das Berufungsgericht ist bei der rechtlichen Beurteilung von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer wegen Drohung mit einer Entlassung durch den Arbeitgeber aufgestellt hat (vgl. insbesondere die Urteile vom 20. November 1969 - 2 AZR 51/69 - AP Nr. 16 zu § 123 BGB; BAG 32, 194 = AP Nr. 21 zu § 123 BGB sowie das Senatsurteil vom 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 - n.v.).
Danach liegt in der Erklärung des Arbeitgebers, er werde das Arbeitsverhältnis kündigen, falls der Arbeitnehmer nicht in einen Aufhebungsvertrag einwillige, eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, durch die der Arbeitnehmer zum Abschluß des Aufhebungsvertrages bestimmt werden solle. Die Androhung einer Kündigung ist jedoch dann nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Es ist nicht erforderlich, daß die angekündigte Entlassung, wenn sie tatsächlich ausgesprochen worden wäre, nach der objektiven Rechtslage nicht wirksam gewesen wäre. Da ein Anfechtungsprozeß nach § 123 BGB nicht wie ein fiktiver Kündigungsschutzprozeß behandelt werden darf, braucht die Rechtsgewißheit, die sich erst mit dem Abschluß eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung ergibt, zur Zeit der Drohung noch nicht vorgelegen zu haben. Zu berücksichtigen sind allerdings nicht nur die dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Drohung bekannten, sondern auch - z.B. erst im Prozeß gewonnene - Erkenntnisse weiterer Ermittlungen, die ein verständiger Arbeitgeber zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte. Maßgebend ist der objektiv mögliche und damit hypothetische Wissensstand des Arbeitgebers.
Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht auf den vorliegenden Fall zumindest im Ergebnis richtig angewendet.
2. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat der Verwaltungsleiter der Beklagten dem Kläger in der Unterredung Ende November 1982 erklärt, das Arbeitsverhältnis werde gekündigt, falls er nicht in eine einverständliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 1982 einwillige. Darin liegt eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, durch die der Kläger zum Abschluß des Auflösungsvertrages bestimmt werden sollte. Hiervon ist das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen. Auch die Beklagte erhebt insoweit keine Einwendungen.
3. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Kläger sei schon deshalb widerrechtlich zum Abschluß des Auflösungsvertrages bestimmt worden, weil ihm entgegen der Annahme des Berufungsgerichts keine ordentliche, sondern eine fristlose Kündigung angedroht worden, eine Verdachtskündigung als verhaltensbedingte ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und eine Drohung hiermit bereits aus diesem Grunde widerrechtlich sei.
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Kläger habe selbst erklärt, daß vor Abschluß des Auflösungsvertrages nicht von einer fristlosen, sondern von einer ordentlichen Kündigung die Rede gewesen sei. Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend. Deshalb ist für die weitere rechtliche Würdigung von der Androhung einer ordentlichen Kündigung auszugehen.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe im Tatbestand offengelassen, welche Kündigung dem Kläger angedroht worden sei. Abweichend hiervon habe es aber dann in den Entscheidungsgründen festgestellt, der Beklagte habe nicht das Mittel einer fristlosen Kündigung im Auge gehabt. Das Berufungsgericht habe verkannt, daß die nach ihrem Vortrag abgegebene Erklärung der Beklagten, es werde mindestens ordentlich gekündigt, den Schluß zulasse, daß tatsächlich auch mit einer fristlosen Kündigung gedroht worden sei. Die Feststellungen des Berufungsgerichts beruhten auf der unrichtigen Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln.
Diese Rügen greifen nicht durch. Die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wiedergegebene Erklärung hat der Kläger im ersten Berufungstermin vom 18. Juli 1983 zu Protokoll des Gerichts abgegeben. Darin liegt ein gerichtliches Geständnis der von ihm bis dahin bestrittenen Behauptung der Beklagten, sie habe eine fristlose Kündigung angedroht (§ 288 Abs. 1 ZPO). Die auf diesem Geständnis beruhende Feststellung des Berufungsgerichts ist für das Revisionsgericht bindend, weil hiergegen kein Verfahrensangriff erhoben ist. Der Kläger hat zwar in seinem Schriftsatz vom 27. Juli 1983 erklärt, er stelle vorsorglich seinen Vortrag nunmehr dahin richtig, daß der Verwaltungsleiter ihm am 30. November 1982 erklärt habe, er werde sich mit dem heutigen Tag von ihm trennen. Darin könnte ein Widerruf des im vorausgegangenen Termin abgegebenen Geständnisses gesehen werden. Dies kann jedoch in der Revisionsinstanz nicht mehr nachgeprüft werden, weil der Kläger insoweit keine Verfahrensrüge erhoben hat. Abgesehen davon hat er in der Berufungsinstanz auch nicht schlüssig vorgetragen, daß er durch einen Irrtum zu diesem Geständnis veranlaßt worden sei. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit des Widerrufs (§ 290 ZPO).
Das Berufungsgericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, vor dem Abschluß des Auflösungsvertrages sei nur von einer ordentlichen Kündigung die Rede gewesen. Es hatte deshalb keinen begründeten Anlaß, Überlegungen darüber anzustellen, ob dem Kläger nicht zumindest mittelbar doch auch eine fristlose Kündigung angedroht wurde.
b) Entgegen der Meinung der Revision kann wegen Verdachts einer strafbaren Handlung des Arbeitnehmers nicht nur eine fristlose (außerordentliche), sondern auch eine ordentliche Kündigung angedroht werden. Dies hat der Senat in dem Urteil vom 4. November 1957 - 2 AZR 57/56 - (AP Nr. 39 zu § 1 KSchG) damit begründet, wenn man in solchen Fällen nur eine außerordentliche fristlose Kündigung zulassen wollte, so würde dies zu dem unerträglichen Ergebnis führen, daß der Arbeitgeber für ein Entgegenkommen, nur fristgemäß zu kündigen, bestraft würde. Hieran ist festzuhalten (KR-Becker, aaO, § 1 KSchG Rz 287; a.M. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 98, der sich allerdings nicht mit dem vorstehend zitierten Senatsurteil auseinandersetzt und auch keine eigene Begründung für seine Ansicht gibt).
Damit erledigen sich auch die weiteren Rügen der Revision, soweit sie darauf gestützt werden, das Berufungsgericht hätte prüfen müssen, ob die Beklagte eine fristlose Kündigung ernsthaft hätte in Erwägung ziehen dürfen.
4. Auch die weiteren Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Drohung mit einer ordentlichen Kündigung sei nicht widerrechtlich, bleiben ohne Erfolg.
a) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung könne der Verdacht einer strafbaren Handlung ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen, insbesondere dann, wenn die Verdachtsmomente für einen vernünftig und gerecht denkenden Menschen so schwerwiegend seien, daß das für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört sei. Der Verdacht müsse durch Tatsachen untermauert und objektiv begründet sein und der Arbeitgeber müsse alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben.
Gegenüber dem Kläger habe damals ein solcher Verdacht bestanden. Was der Beklagten bekannt geworden sei, lasse durchaus den Schluß zu, daß der Kläger zumindest Diebstahlsversuche begangen habe. Der spätere Freispruch sei ohne Belang; man habe dem Kläger nur nicht widerlegen können, daß er die subjektiven Tatbestandsmerkmale des Diebstahls nicht erfüllt habe. Ein schwerwiegender Verdacht habe aber im Zeitpunkt des Auflösungsvertrages im Raum gestanden. Es sei nicht erkennbar, welche weiteren Ermittlungen die Beklagte hätte anstellen sollen. Der Kläger habe sich so verdächtig gemacht, daß Anklage gegen ihn erhoben worden sei. Die Beklagte sei aber umfassend informiert gewesen. Der Kläger habe sich bereits Ende September 1982 in einer der Beklagten unverständlichen Weise verhalten, als er Waren außerhalb der normalen Verkaufszeit herausgegeben und damit der Beklagten zumindest die Kontrolle erschwert habe. Wenn der Kläger kurze Zeit danach Hausverbot von der Untermieterin erhalten habe, die er auch im dienstlichen Interesse der Beklagten habe aufsuchen müssen, könne der Beklagten nicht verdacht werden, sich vom Kläger gegebenenfalls durch fristgemäße Kündigung zu trennen.
Diese Würdigung hält jedenfalls im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
b) Das Berufungsgericht befaßt sich in den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen zwar in erster Linie mit der Frage, ob gegen den Kläger objektiv ein die Kündigung rechtfertigender Verdacht bestanden habe und dieser durch den Freispruch im Strafverfahren ausgeräumt worden sei. Dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ist jedoch zu entnehmen, daß es entsprechend den vorausgehenden grundsätzlichen Ausführungen zur Widerrechtlichkeit der Drohung in der Sache davon ausgegangen ist, ob ein Diebstahlsverdacht ernsthaft in Erwägung gezogen werden durfte, da es mehrfach betont hat, "für die Beklagte" habe ein durch Tatsachen begründeter Diebstahlsverdacht "im Raum gestanden".
c) Für die weitere revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils ist von Bedeutung, daß dem Tatsachenrichter auch für die Würdigung des festgestellten Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt der von einem verständigen Arbeitgeber anzustellenden Erwägungen ein bestimmter Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann daher nur prüfen, ob der Tatsachenrichter ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze alle wesentlichen Umstände des Falles berücksichtigt hat (BAG 32, 194).
Bei diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden.
d)aa)Das im Tatbestand des Berufungsgerichts als unstreitig festgestellte objektive Verhalten des Klägers bei dem Einkauf am 16. November 1982 reichte für die Strafverfolgungsbehörden zur Anklageerhebung und Eröffnung des Strafverfahrens und somit zur Annahme eines für eine Überführung des Klägers hinreichenden Tatverdachts aus. Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn hieraus gefolgert wird, daß auch ein verständiger Arbeitgeber damals vom Vorliegen eines entsprechenden Tatverdachts ausgehen durfte.
bb) Die Sachlage im Zeitpunkt der Androhung der Kündigung ist jedoch nicht allein maßgebend. Vielmehr müssen, ebenso wie bei der Verdachtskündigung (vgl. dazu BAG 16, 72 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG 27, 113 = AP Nr. 3 zu § 103 BetrVG, zu II 5 der Gründe) auch bei der Beantwortung der Frage, ob ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung ernsthaft erwogen hätte, die - z.B. erst im Prozeß gewonnenen - Ergebnisse weiterer Ermittlungen berücksichtigt werden, die ein verständiger Arbeitgeber zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte. Für die objektive Rechtfertigung einer Verdachtskündigung hat der Senat ausgesprochen, daß u.a. auch ein nachträglicher Freispruch im Strafverfahren berücksichtigt werden müsse, wenn hierdurch der Verdacht zumindest wesentlich abgeschwächt werde. Entscheidend sei, ob neue Tatsachen festgestellt worden seien, die möglicherweise das Gewicht des gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwurfs mindern könnten (vgl. BAG 27, 113, aaO).
Nach den Gründen des Strafurteils wurde der Kläger freigesprochen, weil ihm seine Einlassung nicht mit hinreichender Sicherheit zu widerlegen gewesen sei, er habe erst hinter der Kasse entdeckt, daß der Kasten Bier nicht mitberechnet worden sei und keine Gelegenheit mehr gehabt, seinen Irrtum zu korrigieren. Den Urteilsgründen ist somit nicht zu entnehmen, daß das Strafgericht zu dieser Würdigung aufgrund neuer, erst im Laufe des Strafverfahrens ermittelter Tatsachen gelangt ist. Anders als in dem dem Urteil BAG 27, 113 zugrunde liegenden Fall hat der Kläger auch außer der Urteilsabschrift keine weiteren Unterlagen aus dem Strafverfahren vorgelegt, aus denen sich solche Feststellungen ergeben. Die Behauptung, im Strafverfahren sei ersichtlich gewesen, daß die Kassierinnen der Firma K nach den ihnen erteilten Anweisungen die Einkaufswagen auf nicht auf das Band gelegte Waren zu überprüfen hatten, hat der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz aufgestellt, so daß sie nicht berücksichtigt werden kann (§ 561 Abs. 1 ZPO).
Unbegründet ist ferner die in diesem Zusammenhang erhobene weitere Rüge der Revision, die Beklagte hätte zur Begründung eines die Kündigung rechtfertigenden Verdachts vortragen und nachweisen müssen, daß die Firma K die Kassiererinnen nicht zur Überprüfung der Einkaufswagen angewiesen habe und es ihnen auch nicht möglich gewesen sei, einen auf der unteren Ablage eines Wagens abgestellten Bierkasten zu bemerken. Anders als im Kündigungsschutzprozeß muß im Anfechtungsprozeß der Arbeitnehmer die Tatsachen vortragen und beweisen, aus denen er sein Anfechtungsrecht herleitet. Dazu gehören auch die Tatsachen, die die Widerrechtlichkeit der Drohung begründen sollen.
Wenn das Berufungsgericht dem Freispruch aus den allein aus dem Strafurteil ersichtlichen Gründen kein die ursprünglichen Verdachtsmomente entscheidend abschwächendes Gewicht beigemessen hat, so hält sich diese Würdigung im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums.
e) Das Berufungsgericht hat für die Frage, ob die Beklagte einen Diebstahlsverdacht gegen den Kläger hegen durfte, auch den Vorfall im September 1982 berücksichtigt. Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang, es habe diesen Vorfall im Tatbestand zutreffend als streitig dargestellt, dann jedoch ohne Beweisaufnahme in den Entscheidungsgründen den Kläger belastende Feststellungen getroffen. Denn das Berufungsgericht hat nicht abweichend vom Tatbestand festgestellt, daß der Kläger die Waren ohne Bezahlung habe ausgeben wollen. Es hat vielmehr lediglich die unstreitigen objektiven Umstände gewürdigt. Dies ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
f) Das Berufungsgericht hat schließlich mit seinen Hinweisen auf das von der Firma K dem Kläger erteilte Hausverbot und die ihm dadurch verwehrte Möglichkeit, dort für die Beklagte im Rahmen seiner dienstlichen Obliegenheiten einzukaufen, berücksichtigt, daß eine gegenüber einem Dritten verübte Straftat als Kündigungsgrund nur geeignet ist, wenn hierdurch auch das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird. Wenn es davon ausgegangen ist, daß wegen dieser Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls eine ordentliche Kündigung in Betracht kommen konnte, so hält sich dies ebenfalls im Rahmen des dem Tatsachenrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, die Beklagte hätte näher vortragen müssen, inwieweit der Kläger trotz des Hausverbots seine vertraglichen Aufgaben hätte erfüllen können, übersieht sie wiederum die unterschiedliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutz- und Anfechtungsprozeß.
IV. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1, § 515 Abs. 3, § 566 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Thieß Binzek
Fundstellen
Haufe-Index 437759 |
DB 1985, 1485-1486 (LT1) |
NZA 1986, 25-28 (LT1) |
AP § 1 TVG, Nr 8 |
EzA § 4 TVG Einzelhandel, Nr 2 (LT1) |