Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz. Entziehung eines Dienstwagens. Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen unterbliebener Überlassung eines Dienstwagens zur persönlichen Nutzung
Orientierungssatz
1. Die Berechtigung des Arbeitnehmers, einen ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagen auch für private Fahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung.
2. Entzieht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen unberechtigt, so kann der Arbeitnehmer bei abstrakter Berechnung des Schadens nur Ersatz in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) verlangen. Die Pauschalbeträge nach der im Verkehrsunfallrecht maßgeblichen Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch stehen dem Arbeitnehmer nicht zu.
Normenkette
BGB §§ 611, 249, 251; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. April 2000 – 7 Sa 1112/99 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision darüber, in welcher Höhe die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger wegen unterbliebener Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung verpflichtet ist.
Der 1950 geborene Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Er war bei der Beklagten zunächst als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens und ab 1995 als Leiter der Abteilung Methoden/Verfahren/Systeme tätig. Das arbeitsvertraglich vereinbarte Zielgehalt betrug 145.000,00 DM und setzte sich aus einem monatlichen Festbetrag und einem erfolgsabhängigen variablen Anteil zusammen.
Auf Grund des Fahrzeug-Überlassungsvertrages vom 7. Dezember 1994 stellte die Beklagte dem Kläger einen Dienstwagen Mercedes Benz E 220 zur Privatnutzung zur Verfügung. Da der Kläger den Wagen dienstlich nicht benötigte, wurde das Fahrzeug vom Kläger ausschließlich privat genutzt.
Für den Dienstwagen errechneten die Parteien einen geldwerten Vorteil in Höhe von 789,72 DM pro Monat. Hiervon wurden 437,63 DM monatlich als Nettobetrag von dem Nettogehalt des Klägers als Eigenanteil abgezogen. Versteuert wurde der hierüber hinausgehende geldwerte Vorteil.
Am 22. Januar 1997 stellte die Beklagte den Kläger von der Arbeit frei und entzog ihm den Dienstwagen. Unter dem 27. Januar 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und am 13./14. März 1997 vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 1997. In dem vom Kläger eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren wurde am 30. April 1998 rechtskräftig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigungen nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte wurde verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien noch über den Anspruch des Klägers auf Entschädigung für die ausgefallene private Nutzung des Dienstwagens für die Zeit vom 22. Januar 1997 bis zum 31. August 1998. Wegen der entgangenen Nutzungen des Dienst-Pkw rechnete die Beklagte für diese Zeit einen Betrag in Höhe von 15.606,98 DM brutto ab und überwies den daraus folgenden Nettobetrag an den Kläger.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne eine höhere Entschädigung verlangen. Die Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung richte sich zumindest nach der Liste von Sanden/Danner/Küppersbusch. Ergänzend lege er eine Kalkulation von Eurotax/Schwacke/Expert zugrunde. Daraus ergebe sich ein Betrag von 145,17 DM pro Tag für den MB E 220 und ab März 1997 von 171,94 DM pro Tag für das Nachfolgemodell MB E 230 Classic. Von dem so errechneten ausgefallenen Nutzwert in Höhe von 119.431,97 DM lasse er sich eine Selbstbeteiligung sowie die von der Beklagten bezahlten Beträge anrechnen. Dies ergebe letztlich eine Forderung von 96.195,81 DM.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 96.195,81 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen ab dem 1. Januar 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne Schadensersatz nur in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen. Die vom Kläger geltend gemachte Nutzungsentschädigung für den Pkw zuzüglich der in zwei Parallelverfahren für weitere Zeiträume verlangten Entschädigungen seien höher als der doppelte Anschaffungspreis des Dienstwagens. Im übrigen sei davon auszugehen, daß der Kläger während der fraglichen Zeit einen privaten Pkw genutzt habe, so daß er gar keine pauschale Nutzungsentschädigung geltend machen dürfe.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte ua. verurteilt, an den Kläger weitere 50.500,00 DM als Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insoweit abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Klage auf weitere Nutzungsausfallentschädigung abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageabweisung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger könne für die Zeit vom 22. Januar 1997 bis Ende August 1998 über die brutto erhaltenen 15.606,98 DM keine weitere Entschädigung verlangen. Da der Kläger keinen Ersatz-Pkw angemietet habe, könne er seinen Schadensersatzanspruch nur abstrakt bestimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne der Kläger den Wert einer langfristigen privaten Gebrauchsmöglichkeit eines Dienst-Pkw im Arbeitsverhältnis nicht anhand der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch, sondern lediglich in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit berechnen. Der Kläger habe nicht dargelegt, daß die private Nutzungsmöglichkeit des Dienst-Pkw in seinem Fall steuerlich höher zu bewerten sei, als sie die Beklagte vorgenommen habe. Die Bewertung des Klägers mit 96.000,00 DM für die 19 Monate entgangener Nutzung stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zum Kaufpreis des Dienst-Pkw von rund 70.000,00 DM.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger kann eine Nutzungsentschädigung nur in der erhaltenen Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht einen Nutzungsausfallentschädigungsanspruch des Klägers bejaht. Die Beklagte war arbeitsvertraglich verpflichtet, dem Kläger einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung hatte Entgeltcharakter und war Hauptleistungspflicht. Die Möglichkeit einen Dienstwagen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch für private Fahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung; vgl. BAG 16. November 1995 – 8 AZR 240/95 – BAGE 81, 294; zuletzt 27. Mai 1999 – 8 AZR 415/98 – BAGE 91, 379). Da die Beklagte durch die unwirksamen Kündigungen in Annahmeverzug geraten ist, blieb der Erfüllungsanspruch des Klägers, einschließlich des Anspruchs auf den Dienstwagen zur privaten Nutzung als vereinbarter Naturallohn gemäß § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB erhalten. Da die vereinbarte Naturalvergütung für die Vergangenheit nicht nachholbar ist, tritt an ihre Stelle der Wert, den die Naturalvergütung verkörpert. Der Anspruch auf Gewährung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung wandelt sich gem. §§ 249, 251 BGB in einen Zahlungsanspruch um (vgl. Senat 27. Mai 1999 aaO, zu II der Gründe).
2. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß der Kläger seinen Nutzungsausfallentschädigungsanspruch abstrakt berechnen darf. Nur wenn der Arbeitnehmer einen gleichwertigen privaten Pkw nutzt, beschränkt sich sein Anspruch auf die konkret hierfür aufgewendeten Kosten (vgl. Senat 16. November 1995 aaO). Nach dem Vortrag der Parteien ist davon auszugehen, daß der Kläger jedenfalls keinen gleichwertigen privaten Pkw in der fraglichen Zeit nutzte.
3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch entschieden, daß der Kläger die Nutzungsausfallentschädigung nicht nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch berechnen darf. Wie der Senat mit Urteil vom 27. Mai 1999 (– 8 AZR 415/98 – aaO) entschieden hat, kann ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber einen auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienst-Pkw unberechtigt entzieht, bei abstrakter Berechnung nur Entschädigung in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Annahmeverzug nach § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB (vgl. Senat 2. Dezember 1999 – 8 AZR 849/98 – nv.) oder auf Schadensersatz wegen Unmöglichkeit nach § 325 BGB (vgl. Senat 27. Mai 1999 aaO) stützt.
a) Die Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch orientiert sich nicht an dem Wert der Gebrauchsmöglichkeit des eigenen Pkw, sondern am Wert der Gebrauchsmöglichkeit des Mietwagens, den sich zu nehmen der Geschädigte unterläßt. Die Orientierung an dem Wert des Gebrauchsvorteils eines kurzfristig und für kurze Zeit beschafften Pkw entspricht den im Verkehrsunfallrecht zu regulierenden Schadensfällen. Im Mittelpunkt steht der Gebrauchsvorteil für einen kurzfristig, für die Dauer der Reparatur oder Ersatzbeschaffung, das heißt in der Regel für maximal zwei bis drei Wochen, verfügbaren Pkw. Der Rechtsprechung des BGH zum Nutzungsausfall des Pkw bei Verkehrsunfällen (vgl. nur 30. September 1963 – III ZR 137/62 – BGHZ 40, 345; 18. Mai 1971 – VI ZR 52/70 – BGHZ 56, 214; 9. Juli 1986 – GSZ 1/86 – BGHZ 98, 212) liegt letztlich die Sacherwägung zugrunde, daß ein Geschädigter, der auf einen Mietwagen verzichtet, nicht schlechter gestellt werden soll, als derjenige, der sich einen solchen Wagen mietet. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, daß ein Ersatzbedarf für maximal drei Wochen besteht.
b) Im Arbeitsverhältnis kann der Wert einer längerfristigen Gebrauchsmöglichkeit nicht anhand der im Verkehrsunfallrecht maßgeblichen Tabellen bemessen werden. Der private Anteil am Gebrauchswert eines Dienst-Pkw ist keine feststehende Größe, sondern verändert sich in Abhängigkeit von der Zeit, für die der Gebrauch gewährt werden soll. Der dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassene Dienst-Pkw steht dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung, denn der dienstlichen Nutzung ist nicht nur ein zeitlicher Vorrang einzuräumen. Private Gebrauchsmöglichkeiten kann der Arbeitnehmer allein nur insofern realisieren, als keine dienstliche Nutzung des Pkw erforderlich ist. Der Gebrauchsvorteil eines so überlassenen Dienst-Pkw ist somit spezifisch arbeitsvertraglich zu bestimmen und weicht von den im Verkehrsunfallrecht maßgeblichen Tabellen ab. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. nur 16. November 1995 aaO). Andererseits soll aus Gründen der Rechtseinheit dem Arbeitnehmer wegen unberechtigten Entzugs eines auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienst-Pkw nicht jede abstrakte Schadensberechnung abgeschnitten werden. Dabei entspricht es ständiger Übung, die Steuer- und sozialversicherungsrechtlich maßgeblichen Bewertungsfaktoren heranzuziehen, wenn eine Naturalvergütung wegen Zeitablaufs nicht mehr geleistet werden kann und deshalb dem Arbeitnehmer Geldersatz zu leisten ist (vgl. nur ErfK/Preis § 615 BGB Rn. 78; Kasseler Handbuch/Künzl 2. Aufl. Band 1 Abschnitt 2.1 Rn. 509). Wird darüber hinaus berücksichtigt, daß der Gesetzgeber durch eine Einfügung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG eine gesetzliche Grundlage für die steuerliche Bewertung der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs mit Wirkung ab dem Veranlagungsjahr 1996 geschaffen und damit die früheren Regelungen (vgl. Abschnitt 31 Abs. 7 Lohnsteuerrichtlinien) bestätigt hat, liegt es im Rahmen richterlichen Ermessens, den Wert der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen.
c) Der Kläger kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er den Dienstwagen ausschließlich für private Zwecke genutzt habe. Die private Nutzungsmöglichkeit ist jedenfalls bei abstrakter Berechnung nicht höher zu werten, wenn das Dienstfahrzeug während des Dienstes nicht dienstlich gebraucht wird. Im übrigen hatte der Kläger wegen der Privatnutzung des Dienstwagens einen Eigenanteil von monatlich 437,63 DM netto zu tragen. Gleichwohl setzte die Beklagte bei der Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung zugunsten des Klägers den vollen geldwerten Vorteil an, der sich für jeden Kalendermonat mit 1 % des Listenpreises nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergab.
4. Damit kann der Kläger für die Zeit vom 22. Januar 1997 bis 31. August 1998 nicht mehr Nutzungsausfallentschädigung verlangen als er für diese Zeit erhalten hat. Bei einem geldwerten Vorteil der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit in Höhe von monatlich 789,72 DM ergibt dies für 19 Monate und zehn Tage insgesamt 15.267,92 DM. Der Kläger hat unstreitig 15.606,98 DM erhalten. Diesen Betrag hat die Beklagte dem Kläger zu Recht nicht als Nettovergütung überwiesen. Gemäß Nr. 5 des Fahrzeug-Überlassungsvertrages hat der Kläger die Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung zu versteuern. Der an die Stelle des Naturallohnanspruchs getretene Entschädigungsanspruch ist steuerlich in gleicher Weise zu behandeln wie dieser (vgl. Senat 27. Mai 1999 aaO, zu V der Gründe).
5. Soweit die Revision in einem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingereichten Schriftsatz Verfahrensrügen erhebt, sind diese verspätet. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe nicht gem. § 278 Abs. 3 ZPO auf den rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen, daß der Arbeitnehmer bei abstrakter Berechnung seiner Nutzungsausfallentschädigung nur Ersatz in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen könne, hätte die Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erheben können. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich jedenfalls in den Urteilsgründen hierzu Ausführungen gemacht. Der Kläger war somit nicht ohne sein Verschulden gehindert, eine entsprechende Verfahrensrüge rechtzeitig zu erheben, so daß die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO nicht zu gewähren war.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen. Über die vorinstanzlichen Kosten hat das Berufungsgericht im Schlußurteil zu entscheiden, weil bisher nur ein Teilurteil des Landesarbeitsgerichts vorliegt.
Unterschriften
Etzel, Dr. Wittek, Mikosch, Ma. Schallmeyer, Dr. E. Vesper
Fundstellen