Entscheidungsstichwort (Thema)
Fluglotsenstreik. Schadensersatzanspruch Drittbetroffener. Streik
Leitsatz (amtlich)
Bei dem schuldrechtlichen Teil eines Tarifvertrags handelt es sich regelmäßig nicht um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten von Dritten.
Orientierungssatz
1. Wie ein Streik kann auch schon der Aufruf zu Arbeitsniederlegungen unmittelbar in das Recht des zu bestreikenden Arbeitgebers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen. Dies verpflichtet bei Rechtswidrigkeit der Kampfmaßnahme und bei schuldhaftem Handeln zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB gegenüber dem Kampfgegner.
2. Die durch Arbeitskampfmaßnahmen von Fluglotsen bewirkten Einschränkungen bei der Durchführung von Luftverkehrsleistungen der drittbetroffenen Luftverkehrsunternehmen werden nicht von der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV) erfasst. Solche Maßnahmen fallen auch nicht in den Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte der EU.
3. Ein Tarifvertrag ist in seinem schuldrechtlichen Teil insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter, als er die Mitglieder der Tarifvertragsparteien davor schützt, hinsichtlich der tariflich geregelten Materie mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden. Andere Dritte sind ohne Hinzutreten von besonderen Anhaltspunkten nicht in die schuldrechtlichen Vereinbarungen von Tarifvertragsparteien einbezogen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 328; TVG § 1; AEUV § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 2 Buchst. a, § 58 Abs. 1, § 100; GRCh Art. 17 Abs. 1 S. 1, Art. 51 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 27. Juni 2013 – 9 Sa 1387/12 – werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Aufhebung der vorgenannten Entscheidung im Kostenpunkt die Kosten des Rechtsstreits die Klägerin zu 1. zu 50%, die Klägerin zu 2. zu 40% und die Klägerin zu 3. zu 10% zu tragen haben.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz wegen eines Streiks.
Die Klägerinnen sind Fluggesellschaften. Die Beklagte ist die Gewerkschaft der Flugsicherung. Sie vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals in Deutschland. Mit der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) hat sie eine Vereinbarung geschlossen, nach der im Falle eines Arbeitskampfes die Durchführung bestimmter Notdienstarbeiten in einem näher geregelten Umfang sicherzustellen ist.
Die DFS ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile ausschließlich vom Bund gehalten werden. Nach § 1 der seit 1. Januar 1993 gültigen Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens (zuletzt in der ab 29. August 2009 gültigen Fassung [BGBl. I S.2942, 2945]) ist sie damit beauftragt, die im Luftverkehrsgesetz (LuftVG) näher geregelten Flugsicherungsaufgaben wahrzunehmen. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LuftVG in der bis 27. April 2012 geltenden Fassung (aF) waren die hierfür anfallenden Kosten (Gebühren und Auslagen) in einer vom zuständigen Bundesministerium erlassenen Rechtsverordnung festgelegt. Die Gebührensätze sind, soweit nicht das Recht der Europäischen Gemeinschaft eine abweichende Regelung enthält, so zu bemessen, dass der mit den Amtshandlungen verbundene Verwaltungsaufwand gedeckt wird (sog. Vollkostendeckungsprinzip, § 32 Abs. 4a Nr. 2 Satz 2 LuftVG aF).
Die Klägerinnen nutzten im August 2011 deutschlandweit Flughäfen zur Beförderung von Passagieren.
Am 2. August 2011 rief die Beklagte nach der Durchführung einer Urabstimmung alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter der DFS für den 4. August 2011 in der Zeit von 6:00 Uhr bis 12:00 Uhr zum Streik auf. Ausgenommen von dem Streikaufruf waren die Flugsicherungsakademie der DFS in Langen sowie die Niederlassung in Maastricht. Hierüber informierte die DFS die Klägerinnen, die von der Streikankündigung bereits über das Internet bzw. die Presse erfahren hatten, noch am 2. August 2011 per E-Mail. Am 3. August 2011 untersagte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main der Beklagten auf Antrag der DFS die Durchführung des angekündigten Streiks. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein, sagte aber den für den 4. August 2011 beabsichtigten Arbeitskampf ab. Die DFS nahm daraufhin ihren Antrag zurück.
Am 8. August 2011 rief die Beklagte erneut alle Tarifbeschäftigten der DFS für den 9. August 2011 in der Zeit von 6:00 Uhr bis 12:00 Uhr zu einem Streik auf. Ausgenommen waren wiederum die Flugsicherungsakademie der DFS sowie die Niederlassung Maastricht. Auch über diese Ankündigung informierte die DFS die Klägerinnen am 8. August 2011 per E-Mail.
Am 8. August 2011 wies das Arbeitsgericht Frankfurt am Main den auf Untersagung des angekündigten Streiks gerichteten Antrag der DFS zurück. Deren Berufung blieb vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht erfolglos. Anschließend rief die DFS die Schlichtung an, die am 31. August 2011 ergebnislos abgeschlossen wurde. Am 12. Oktober 2011 kam es nach der Durchführung eines weiteren Vermittlungsgesprächs zu einer Tarifeinigung zwischen der Beklagten und der DFS.
Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen – jeweils – die Erstattung eines bezifferten Schadens verlangt und Feststellungsanträge angebracht. Sie haben die Auffassung vertreten, bereits mit der Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen habe die Beklagte unmittelbar in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Die Beklagte habe nur die Schädigung der Fluggesellschaften beabsichtigt. Durch die bei ihnen eintretenden wirtschaftlichen Schäden habe sie Druck auf die DFS und die Bundesregierung ausüben wollen, da der Eintritt eines wirtschaftlichen Schadens bei der DFS wegen des in § 32 Abs. 4a Nr. 2 Satz 2 LuftVG aF enthaltenen Vollkostendeckungsprinzips von vornherein ausgeschlossen gewesen sei. Die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen seien wegen Verstoß gegen die Friedenspflicht sowie wegen der angestrebten Einführung von Besetzungsregeln unzulässig gewesen. Bereits durch die Ankündigungen seien ihnen beträchtliche Schäden entstanden. Ihre Fluggäste hätten im Vorfeld Flüge annulliert oder von beabsichtigten Buchungen Abstand genommen. Wegen der drohenden Betriebseinschränkungen seien umfangreiche organisatorische und kostenintensive Änderungen in ihren Betriebsabläufen unumgänglich geworden. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche stünden ihnen auch aus § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu. Die Friedenspflicht aus den zwischen der Beklagten und der DFS abgeschlossenen Tarifwerken wirke auch zu ihren Gunsten.
Die Klägerin zu 1. hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 1.684.492,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1. sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Streikaufrufe der Beklagten vom 2. und 8. August 2011 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.
Die Klägerin zu 2. hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2. 1.516.868,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2. sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Streikaufrufe der Beklagten vom 2. und 8. August 2011 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.
Die Klägerin zu 3. hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 3. 43.790,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 3. sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Streikaufrufe der Beklagten vom 2. und 8. August 2011 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Ankündigung ihrer Arbeitskämpfe habe sie nicht in das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Die beabsichtigten Arbeitsniederlegungen hätten sich gegen die DFS und nicht gegen die Klägerinnen gerichtet. Allein aus deren Drittbetroffenheit könne nicht auf eine gegen sie gerichtete Streikmaßnahme geschlossen werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichteten Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit ihren vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klagen weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Klägerinnen sind unzulässig, soweit ihre Klagen auf die Feststellung der Einstandspflicht von zukünftigen Schäden gerichtet sind. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.
A. Die Revisionen der Klägerinnen sind mangels einer ausreichenden Begründung in Bezug auf die jeweils zu 2. erhobenen Feststellungsanträge unzulässig.
I. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dabei muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des revisionsrechtlichen Angriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Die bloße Wiedergabe oder der Verweis auf das bisherige Vorbringen genügt hierfür nicht. Betrifft die angegriffene Entscheidung mehrere Streitgegenstände iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 9. Dezember 2014 – 1 AZR 146/13 – Rn. 15).
II. Nach diesen Grundsätzen haben die Klägerinnen ihre Revisionen in Bezug auf die zu 2. erhobenen Feststellungsanträge nicht ausreichend begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse mit der Begründung verneint, es sei angesichts des zwischenzeitlichen Zeitablaufs nicht ersichtlich, welche Schäden die Klägerinnen noch nicht geltend machen konnten und welche Schäden ihnen aus den angekündigten Arbeitsniederlegungen noch erwachsen können. Die Klägerinnen haben demgegenüber in der Revisionsbegründung im Wesentlichen auf ihr in den Vorinstanzen gehaltenes Vorbringen hingewiesen und ergänzend Auszüge aus einem bereits am 25. März 2013 ergangenen Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main (– 9 Ca 5558/12 –) bloß wörtlich wiedergegeben. Hierin liegt keine fallbezogene Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung.
B. Im zulässigen Umfang sind die Revisionen der Klägerinnen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ihre Berufungen gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der von den Klägerinnen jeweils mit ihrem Antrag zu 1. geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aus deliktsrechtlichen Gründen unbegründet, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der in den Streikaufrufen vom 2. und 8. August 2011 angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen ankommt. Auch ein auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützter Schadensersatzanspruch besteht nicht.
I. Eine zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Eigentums iSd. § 823 Abs. 1 BGB an ihren Flugzeugen durch die beabsichtigten Arbeitsniederlegungen am 4. und 9. August 2011 machen die Klägerinnen mit ihren zu 1. erhobenen Anträgen nicht geltend. Die darauf gerichtete Auslegung ihres Klagebegehrens durch das Landesarbeitsgericht lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von den Revisionen nicht infrage gestellt.
II. Die beabsichtigte Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen am 4. und 9. August 2011 hat das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht der Klägerinnen an ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieben nicht verletzt.
1. Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB deliktisch geschützten „sonstigen Rechten” gehört das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung seines Betriebs gerichtet und umfasst alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht (BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 21 mwN, BAGE 132, 140). Durch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Einordnung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb in den Kreis der „sonstigen Rechte” des § 823 Abs. 1 BGB ist dieses Recht den dort ausdrücklich erwähnten Rechtsgütern hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt. Der „Auffangtatbestand” ist geschaffen worden, um eine andernfalls bestehende Lücke im Rechtsschutz zu schließen (BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – aaO).
2. Allerdings löst nicht jedwede Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs Ersatz- oder Abwehransprüche seines Inhabers aus. Da der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen – dem allgemeinen Deliktsrecht fremden – Vermögensschutz bezweckt, bedarf es einer sachgerechten Eingrenzung des Haftungstatbestandes. Dem dient das Erfordernis des unmittelbaren Eingriffs, der eine sachlich nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Inhaber von Gewerbebetrieben gegenüber anderen von einem schadensstiftenden Ereignis Betroffenen ausschließt (BAG 21. Juni 1988 – 1 AZR 653/86 – zu B II 2 b der Gründe, BAGE 59, 48; BGH 18. Januar 2012 – I ZR 187/10 –Rn. 31 mwN, BGHZ 192, 204). Fehlte es daran, würde der deliktische Schutz von Betrieben in einen § 823 Abs. 1 BGB systemfremden Ersatz von Drittschäden oder Ersatzansprüche von nur mittelbar Geschädigten ausufern (Löwisch/ Meier-Rudolph JuS 1982, 237, 239).
3. Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb sind nur diejenigen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (BGH 9. Dezember 2014 – VI ZR 155/14 – Rn. 20 mwN; 22. Juni 2011 – I ZR 159/10 – Rn. 75; 20. Mai 2009 – I ZR 218/07 – Rn. 12). Solche Eingriffe müssen ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein (BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 22 mwN, BAGE 132, 140). Die bloße Kenntnis der „Streuwirkung” einer Verletzungshandlung auf (Dritt-)Unternehmen lässt aber nicht zwingend den Schluss auf die Unmittelbarkeit eines Eingriffs in deren Betriebe zu (vgl. BGH 8. Januar 1981 – III ZR 125/79 – zu II der Gründe). Daher fehlt es an einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein kann, diese aber nach den das Haftungsrecht prägenden wertenden Zurechnungsgrundsätzen entschädigungslos hinnehmen müsste (BGH 18. November 2003 – VI ZR 385/02 – zu II 2 c der Gründe; 10. Dezember 2002 – VI ZR 171/02 – zu II 2 der Gründe; 21. Juni 1977 – VI ZR 58/76 – zu II 2 a der Gründe). Dies ist bei Nutzungsbeschränkungen oder -störungen von nicht ausschließlich dem geschädigten Gewerbebetrieb zustehenden Transport- und Versorgungswegen in der Regel anzunehmen (grdl. BGH 9. Dezember 1958 – VI ZR 199/57 – BGHZ 29, 65 und 8. Juni 1976 – VI ZR 50/75 – BGHZ 66, 388; vgl. zur Gleisnutzung BGH 11. Januar 2005 – VI ZR 34/04 –; zur Straßennutzung BGH 18. November 2003 – VI ZR 385/02 – und 21. Juni 1977 – VI ZR 58/76 –; zur Wasserstraßennutzung BGH 21. Dezember 1970 – II ZR 133/68 – BGHZ 55, 153 und zuletzt Rheinschifffahrtsobergericht Köln 5. September 2014 – 3 U 32/14 –).
4. Wie ein Streik kann auch schon der Aufruf zu Arbeitsniederlegungen unmittelbar in das Recht des zu bestreikenden Arbeitgebers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen. Dies verpflichtet bei Rechtswidrigkeit der Kampfmaßnahme und bei schuldhaftem Handeln zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB gegenüber dem Kampfgegner (zuletzt BAG 19. Juni 2012 – 1 AZR 775/10 – BAGE 142, 98). Dessen unmittelbare Kampfbetroffenheit folgt aus dem gewerkschaftlichen Streikaufruf. Demzufolge fehlt es gegenüber einem kampfunbeteiligten Arbeitgeber regelmäßig an einer Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in dessen Gewerbebetrieb, mag sein Unternehmen auch durch einen späteren Streik beeinträchtigt werden (ebenso Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I § 26 zu II 3 a; Kissel Arbeitskampfrecht § 74 Rn. 9; Hauer jurisPR-ArbR 7/2014 Anm. 5 [zu ArbG Wesel 23. August 2013 – 6 Ga 22/13 – Antrag eines Binnenschifffahrtsunternehmens auf Unterlassung einer Streikmaßnahme durch Schleusenwärter]; Löwisch/Krauß in AR-Blattei SD Stand November 2004 Arbeitskampf III C 170.3.3 Rn. 34; Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 16 Rn. 120; Seiter Streikrecht und Aussperrungsrecht § 34 zu V 1; vgl. auch Hensche in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 18 Rn. 5 ff.; ErfK/Linsenmaier 15. Aufl. Art. 9 GG Rn. 226; aA Adam Das Verhältnis von Arbeitskampfrecht und Schuldrecht S. 84 ff.).
5. Hiernach liegt in der Ankündigung der für den 4. und 9. August 2011 vorgesehenen Arbeitsniederlegungen kein unmittelbarer Eingriff in das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
a) Nach der Senatsrechtsprechung haben die Arbeitskampfparteien vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme dem jeweiligen Gegner den Kampfbeschluss bekannt zu geben. Diese Pflicht dient der Information des von der beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahme betroffenen Gegenspielers (BAG 19. Juni 2012 – 1 AZR 775/10 – Rn. 39, BAGE 142, 98). Dieser muss in gegenständlicher Hinsicht beurteilen können, mit welchem Ziel zum Arbeitskampf aufgerufen wird, damit er sein eigenes Verhalten darauf einrichten und ggf. von seinen arbeitskampfrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten Gebrauch machen kann (BAG 23. Oktober 1996 – 1 AZR 269/96 – zu II 1 der Gründe). Ebenso muss erkennbar sein, ob die Maßnahme vom kampfführenden Verband getragen ist oder nicht (BAG 31. Oktober 1995 – 1 AZR 217/95 – zu I 2 der Gründe, BAGE 81, 213). Nach einem solchen Streikaufruf ist es Sache des einzelnen Arbeitnehmers, ausdrücklich oder konkludent gegenüber dem Arbeitgeber zu erklären, dass er sich am Streik beteilige und deshalb seine Arbeitspflicht suspendiere. Erst eine solche Erklärung führt zur zeitweiligen Aufhebung der Arbeitspflicht (BAG 26. Juli 2005 – 1 AZR 133/04 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 115, 247).
b) Es kann dahinstehen, ob die unmittelbare Betroffenheit der Klägerinnen bereits deshalb fehlt, weil weder die Streikaufrufe der Beklagten vom 2. und 8. August 2011 noch deren an die DFS versandte Ankündigungsschreiben an die Klägerinnen gerichtet waren. Diese haben erst von der DFS sowie über die Medien von den bevorstehenden Arbeitsniederlegungen der bei der beklagten Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer Kenntnis erhalten. Selbst wenn aber zugunsten der Klägerinnen unterstellt würde, dass diese – entgegen dem Wortlaut ihrer Feststellungsanträge – geltend machen, die zur Schadensersatzpflicht der Beklagten führende Verletzungshandlung liege bereits in dem Beschluss der Beklagten über die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen und dessen Verlautbarung in der Öffentlichkeit, fehlte es an unmittelbaren Eingriffen in die ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetriebe der Klägerinnen.
c) In den Aufrufen vom 2. und 8. August 2011 hat die Beklagte alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter der DFS zur Beteiligung an den beabsichtigten Arbeitsniederlegungen am 4. und 9. August 2011 aufgefordert. Dementsprechend waren die beabsichtigten Streikmaßnahmen nicht ausschließlich auf Beeinträchtigungen der Luftverkehrskontrolle gerichtet. Die Beklagte hatte in den streitgegenständlichen Aufrufen nicht nur die im Flugsicherheitsdienst beschäftigten Mitarbeiter, sondern alle Tarifbeschäftigten der DFS zum Arbeitskampf aufgefordert. Von ihnen waren auch die Arbeitnehmer erfasst, die bei der DFS im Bereich der Verwaltung, der Flugberatung sowie der Planung, Entwicklung und dem Betrieb der für die Flugsicherung notwendigen technischen Systeme tätig sind. Beide Aufrufe richteten sich daher an einen über die Gruppe der Fluglotsen hinausgehenden Personenkreis. Insoweit erweist sich die Annahme der Klägerinnen als unzutreffend, wonach die von der Beklagten verlautbarten Streikaufrufe lediglich zu Betriebsablaufstörungen im Bereich der Luftverkehrskontrolle führen sollten. Vielmehr waren die beabsichtigten Arbeitsniederlegungen auf eine Störung des gesamten Betriebsablaufs der von den Streikaufrufen erfassten betrieblichen Einheiten der DFS gerichtet. Ausdrücklich ausgenommen waren nur die Flugsicherungsakademie in Langen und die Niederlassung der DFS in Maastricht. Bei den übrigen Betriebsstätten wären – bei entsprechender Beteiligung der aufgerufenen Arbeitnehmer – die Arbeitsabläufe für die Dauer von jeweils sechs Stunden weitgehend zum Erliegen gekommen.
d) Ebenso können die Klägerinnen eine Finalität des Eingriffs nicht mit ihrer Behauptung begründen, die Beklagte könne wesentlichen Druck auf die DFS ausschließlich über die Schädigung der Fluggesellschaften ausüben. Es ist weder offensichtlich noch von den Anspruchstellerinnen näher ausgeführt, dass allein die bei den Fluggesellschaften eintretenden wirtschaftlichen Auswirkungen einen solchen Tarifabschluss im Bereich der Flugsicherung bewirken können. Schon in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend ist auch der Vortrag der Klägerinnen, ihre Flugbetriebe wären bei einem Streik der Fluglotsen vollständig lahmgelegt worden. Die am 2. und 8. August 2011 angekündigten Arbeitskämpfe betrafen nur die inländischen Flughäfen. Überdies steht nach der zwischen der DFS und der Beklagten getroffenen Notdienstvereinbarung vom 26. Juli 2006 bei einem Arbeitskampf Personal für die Erbringung von Flugsicherungsleistungen zur Verfügung, mit dem 25 % des planmäßigen Luftverkehrs abgewickelt werden kann.
e) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen wird die ausschließlich gegen die DFS zielende Stoßrichtung der Streikmaßnahmen nicht dadurch infrage gestellt, dass für dieses Unternehmen bei den gebührenfinanzierten Leistungen – jedenfalls noch im Streikzeitpunkt – das Vollkostendeckungsprinzip galt. Ebenso muss die Stoßrichtung des Streikaufrufs nicht deshalb als gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen gerichtet bewertet werden, weil deren unternehmerische Tätigkeit zwingend von der Inanspruchnahme der durch die DFS erbrachten Flugsicherungsdienste abhängt. Die Annahme eines gegen die Unternehmen der Klägerinnen gerichteten unmittelbaren Eingriffs scheidet schließlich auch deshalb aus, weil die durch die Erbringung von Flugsicherungsdiensten zu gewährende Luftraumnutzung nicht zu deren Gewerbebetrieben gehört. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung in der am selben Tag ergangenen Senatsentscheidung (– 1 AZR 754/13 – Rn. 41 bis 45) verwiesen.
f) Die Klägerinnen können sich für ihre Auffassung nicht auf die Entscheidung des Dritten Senats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1977 zu der streikähnlichen Aktion von Flugleitern (Fluglotsen) im Jahre 1973 berufen (– III ZR 179/75 – BGHZ 69, 128; vgl. in der Folge auch BGH 31. Januar 1978 – VI ZR 32/77 – BGHZ 70, 277; 22. März 1979 – III ZR 24/78 –; 28. Februar 1980 – III ZR 131/77 – BGHZ 76, 387). Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall handelt es sich bei den beabsichtigten Arbeitsniederlegungen am 4. und 9. August 2011 nicht um eine kollektive Aktion einzelner Flugleiter, sondern um eine von der Beklagten als Gewerkschaft getragene Arbeitskampfmaßnahme, die grundsätzlich durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist. Für solche Arbeitskampfmaßnahmen hat der Bundesgerichtshof keine Aussage getroffen. Seine Ausführungen zu einer kollektiven Amtspflichtverletzung von Beamten sind einzelfallbezogen und nicht auf gewerkschaftlich getragene Streiks übertragbar. Auch dies hat der Senat in seiner im Parallelverfahren ergangenen Entscheidung vom selben Tag im Einzelnen begründet (– 1 AZR 754/13 – Rn. 46 bis 51), worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
g) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen zwingen die Vorgaben des Unionsrechts nicht zu einer für sie günstigen Auslegung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb iSd. § 823 Abs. 1 BGB.
aa) Durch die von der Beklagten für den 4. und 9. August 2011 angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen wurden die Klägerinnen nicht in ihren durch Unionsrecht geschützten Grundfreiheiten betroffen.
Die von den Klägerinnen zur Begründung ihrer Schadensersatzansprüche angeführten Einschränkungen bei der Durchführung ihrer Luftverkehrsleistungen fallen schon nicht in den Anwendungsbereich von Art. 56, 57 AEUV. Nach Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche Tätigkeiten (Art. 57 Abs. 2 Buchst. a AEUV). Die danach für gewerblich tätige Unternehmen als Grundfreiheit geltende Dienstleistungsfreiheit wird jedoch durch Art. 58 Abs. 1 AEUV eingeschränkt, wonach für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels über den Verkehr gelten. Zu diesen zählen nach Art. 100 Abs. 1 AEUV neben den Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr auch die Seeschifffahrt und die Luftfahrt (Art. 100 Abs. 2 AEUV; Streinz/Müller-Graff EUV/AEUV 2. Aufl. Art. 57 Rn. 3). Der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs unterliegt damit innerhalb des Primärrechts einer besonderen Regelung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gelten für die Luftfahrt, solange der Unionsgesetzgeber nichts anderes bestimmt, die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit nicht (EuGH 18. März 2014 – C-628/11 – [International Jet Management] Rn. 36; 25. Januar 2011 – C-382/08 – [Neukirchinger] Rn. 22, Slg. 2011, I-139; 13. Dezember 1989 – C-49/89 – [Corsica Ferries France] Rn. 10, Slg. 1989, I-4441). Lediglich Art. 18 AEUV findet auf Dienstleistungen in der Luftfahrt Anwendung, sofern sie in den Anwendungsbereich der Verträge im Sinne dieses Artikels fallen (EuGH 18. März 2014 – C-628/11 – [International Jet Management] Rn. 39). Der Anwendungsbereich von Art. 18 AEUV ist vorliegend nicht eröffnet. Nach dessen Abs. 1 ist in ihrem Anwendungsbereich unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Dieses Verbot ist für die streitgegenständliche Schadensersatzpflicht ohne Bedeutung.
bb) § 823 Abs. 1 BGB ist in Bezug auf die von der Vorschrift als „sonstiges Recht” geschützte Rechtsposition des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht aufgrund der Vorgaben des Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) dahingehend auszulegen, dass auch die den Klägerinnen als mittelbare Betroffene durch die Ankündigung der Arbeitskampfmaßnahmen entstandenen Schäden zu ersetzen sind. Die geltend gemachte Einstandspflicht der Beklagten fällt nicht in den Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 GRCh hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Nach Art. 51 Abs. 1 GRCh gelten die Bestimmungen der Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Diese Vorschrift bestätigt die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden. Wird eine rechtliche Situation nicht vom Unionsrecht erfasst, sind die möglicherweise einschlägigen Bestimmungen der Charta nicht anzuwenden (EuGH 22. Mai 2014 – C-56/13 – [Érsekcsanádi Mezőgazdasági] Rn. 54). Regelungen über die Rechtsstellung von Luftverkehrsunternehmen bei Beeinträchtigungen ihres Gewerbebetriebs infolge von Einschränkungen der Flugsicherungsleistungen enthält das Unionsrecht aber nicht.
cc) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.
Die für die Beurteilung des Anwendungsbereichs von Art. 57, 58 AEUV sowie der Grundrechtecharta geltenden unionsrechtlichen Voraussetzungen sind durch die vorstehend angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als geklärt anzusehen. Auch die Klägerinnen haben keine darauf bezogenen Vorlagefragen formuliert oder ihre Rechtsansichten auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vertieft.
III. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach den Klägerinnen aus den zwischen der DFS und der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträgen kein vertraglicher Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zusteht, ist frei von Rechtsfehlern. Die Klägerinnen sind nicht in den Schutzbereich der zwischen der DFS und der Beklagten abgeschlossenen Tarifwerke einbezogen.
1. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in dessen Schutzbereich miteinbezogen werden können. Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird. Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH 18. Februar 2014 – VI ZR 383/12 – Rn. 9, BGHZ 200, 188).
2. Ein Tarifvertrag ist in seinem schuldrechtlichen Teil insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter, als er die Mitglieder der Tarifvertragsparteien davor schützt, hinsichtlich der tariflich geregelten Materie mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden. Die Friedenspflicht muss nicht gesondert vereinbart werden. Sie ist vielmehr dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent. Sofern von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht allerdings nicht absolut, sondern relativ. Sie bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände und verbietet es den Tarifvertragsparteien lediglich, einen bestehenden Tarifvertrag inhaltlich dadurch infrage zu stellen, dass sie Änderungen oder Verbesserungen der vertraglich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfrechts durchzusetzen versuchen (BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06 – Rn. 18, BAGE 123, 134). Andere Dritte sind regelmäßig nicht in die schuldrechtlichen Vereinbarungen von Tarifvertragsparteien einbezogen. Eine solche Erweiterung der Haftung für die jeweilige Tarifvertragspartei ist für diese wegen der fehlenden Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen regelmäßig nicht zumutbar. Für eine gegenteilige Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarungen müssen besondere Anhaltspunkte bestehen, an denen es vorliegend jedoch fehlt. Auch die Klägerinnen haben keinen darauf gerichteten Vortrag gehalten. Eine Einstandspflicht der Beklagten gegenüber den Klägerinnen als Drittbetroffenen scheidet daher von vornherein aus.
IV. Etwaige Ansprüche der Klägerinnen aus § 826 BGB sind nicht Gegenstand der Revisionsverfahren. Das Arbeitsgericht hat die Klagen auch insoweit abgewiesen. Es ist schon zweifelhaft, ob die dagegen gerichteten Berufungen überhaupt eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung enthalten haben. Dies kann indes dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen auch insoweit zurückgewiesen. Dagegen wenden sich ihre Revisionen nicht.
C. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt allerdings im Kostenpunkt der Aufhebung. Die Kostenentscheidung ist rechtsfehlerhaft. Dies ist auch ohne ausdrückliche Rüge der Revisionen von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH 5. Mai 2015 – XI ZR 406/13 – Rn. 32 mwN). Die Entscheidung über die Kosten folgt nicht – wie das Landesarbeitsgericht offensichtlich angenommen hat – aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO, sondern aus § 100 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schmidt, K. Schmidt, Koch, N. Schuster, Benrath
Fundstellen
Haufe-Index 8977010 |
BAGE 2016, 260 |
BB 2016, 243 |
BB 2016, 378 |
DB 2016, 418 |
DB 2016, 6 |