Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgeltung im Beitrittsgebiet – Gleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes Arbeitnehmern nach deren Rückkehr von Arbeitsplätzen im Geltungsbereich des BAT auf Arbeitsplätze im Beitrittsgebiet weiterhin Leistungen nach diesem Tarifvertrag anstatt nach BAT-O gewährt, weil er sich dazu aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost – sog. „Posturteil” –) irrtümlich für verpflichtet hielt, ist er nicht gehalten, andere Arbeitnehmer, die er nach Rückkehr nur nach BAT-O vergütet hat, gleichzubehandeln, sofern er seinen Irrtum nach Kenntniserlangung korrigiert hat, indem er die übertariflichen Leistungen an jene Arbeitnehmer eingestellt und die überzahlten Beträge zurückgefordert hat. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Irrtum besteht nicht.
Im Anschluß an die Urteile des Senats vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O) und vom 25. Juni 1998 (– 6 AZR 515/97 – AP Nr. 1 zu § 15 MTL II); vgl. auch heutiges Urteil in der Sache – 6 AZR 307/97 – n.v.
Normenkette
BGB § 242; GG Art. 3 Abs. 1; Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 25. April 1994 § 15 c
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. April 1997 – 14 Sa 91/94 und 142/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Zeit vom 21. März 1995 bis zum 30. Juni 1996 der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 (BAT) oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O) – vom 10. Dezember 1990 Anwendung fand.
Die Klägerin war vom 1. Januar 1983 bis zum 14. Dezember 1990 beim DVZ S in Ostberlin, danach bis zum 31. Dezember 1990 beim S Amt der Stadt Berlin beschäftigt. Nach Überführung dieser Einrichtung auf das beklagte Land ist die Klägerin seit 1. Januar 1991 beim S Landesamt tätig. Im Arbeitsvertrag vom 10. Juni 1991 haben die Parteien die Anwendung des BAT-O vereinbart.
Bis Mitte April 1992 arbeitete die Klägerin im Dienstgebäude H -Straße im ehemaligen Ostberlin. Vom 15. April 1992 bis zum 20. März 1995 war sie im Dienstgebäude F Platz im ehemaligen Westberlin eingesetzt. Wegen des Umzugs des S Landesamtes ist die Klägerin seit dem 21. März 1995 im neuen Dienstgebäude in der A -Straße im ehemaligen Ostberlin tätig.
In der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1996 waren beim S Landesamt zwischen 107 und 135 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter 76 Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse, wie das der Klägerin, bereits vor dem Beitritt der DDR bestanden. Diese Arbeitnehmer wurden für unterschiedliche Zeiträume im ehemaligen Westberlin eingesetzt. Während des „Westeinsatzes” erhielten 68 von ihnen Vergütung nach den Bestimmungen des BAT. Diesen Arbeitnehmern hatte das beklagte Land folgendes mitgeteilt:
„Aufgrund der Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 30.7.1992 – 6 AZR 11 und 12/1992 – bestimmt sich Ihr Arbeitsverhältnis daher nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die mit dem Lande Berlin bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das Land Berlin angehört, bisher vereinbarten, noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der Angestellten Anwendung. …”
Auch nach ihrer Rückkehr auf Arbeitsplätze im östlichen Tarifgebiet wendete das beklagte Land auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer zunächst weiterhin die Bestimmungen des BAT an.
Die Klägerin und sieben weitere, ebenfalls im ehemaligen Westberlin eingesetzte Arbeitnehmer mit im Beitrittsgebiet begründeten Arbeitsverhältnissen erhielten sowohl während ihrer Tätigkeit im ehemaligen Westberlin als auch nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im ehemaligen Ostberlin Vergütung nach BAT-O. Später zahlte das beklagte Land der Klägerin und zwei weiteren Arbeitnehmern für die Zeit der Tätigkeit im ehemaligen Westberlin die Vergütungsdifferenz zwischen BAT und BAT-O nach.
Mit Schreiben vom 16. Januar 1996 teilte das beklagte Land den Arbeitnehmern, die nach ihrer Rückkehr auf Arbeitsplätze im ehemaligen Ostberlin weiterhin Vergütung nach BAT erhielten, folgendes mit:
„… mit großem Bedauern hat der Senat zur Kenntnis nehmen müssen, daß das Bundesarbeitsgericht die Politik einer schnellen Angleichung der Lebensverhältnisse in der Stadt Berlin durch eine nicht nachvollziehbare Rechtsprechung relativiert. So hat das Bundesarbeitsgericht mit mehreren Urteilen entschieden, daß den auf Dauer im Westteil eingesetzten Mitarbeitern des Tarifgebietes Ost nach ihrer Rückkehr in den Ostteil abweichend von der Rechtsauffassung des Senats nur noch Leistungen nach „Osttarifrecht” zustehen.
In Anknüpfung an diese Rechtsprechung hat dann das Bundesarbeitsgerichts mit dem sog. „Feuerwehrurteil” die Auffassung vertreten, daß sich aus der Entscheidung des Senats, den Mitarbeitern, die wegen ihres dauerhaften Einsatzes im Westteil einen Anspruch auf Leistungen nach „Westtarifrecht” erworben haben, diese Leistungen nach ihrer Rückversetzung in den Ostteil weiterhin zu gewähren, ergebe, daß derartige Leistungen auch Mitarbeitern im Ostteil, die nie im Westteil eingesetzt waren, aus Gleichbehandlungsgründen zustünden.
…
Derzeit erhalten Sie diese Leistungen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts übertariflich, da sich ihre Arbeitsbedingungen bei dem Einsatz im Beitrittsgebiet wieder nach dem BAT-O richten müssen. Wir müssen daher ab sofort
- 1. die künftige Gewährung der Differenz zwischen den übertariflich gewährten Leistungen nach dem BAT und den ihnen tariflich zustehenden Leistungen nach dem BAT-O vom nächsten Fälligkeitstermin an unter den Vorbehalt der Rückforderung stellen. Es handelt sich hinsichtlich der Bezüge dabei lediglich noch um 6 v. H. der Westbezüge für die Zeit bis zum 30. September 1996. Ab 1. Oktober 1996 stehen Ihnen nach dem Einkommensangleichungsgesetz ohnehin Hundert v. H. der Westbezüge zu,
2. im Rahmen der für Sie geltenden 6-monatigen tariflichen Ausschlußfrist des § 70 BAT-O unseren Anspruch auf die Rückforderung der vorstehend genannten Differenzbeträge rückwirkend für die Zeit vom 1. August 1995 bis 31. Januar 1996 vorsorglich geltend machen.
Dazu weisen wir besonders darauf hin, daß der Senat von Berlin davon ausgeht, daß Sie die im Vertrauen auf die bisherige Rechtsauslegung entgegengenommenen Leistungen nach dem Westtarifrecht im Rahmen der Lebensführung verbraucht haben und somit ein „Wegfall der Bereicherung” eingetreten ist, der von Ihnen geltend gemacht werden kann. Wir unterstellen von Amts wegen, daß Sie den „Wegfall der Bereicherung” geltend machen; in diesem Fall könnten keine Rückforderung gegen Sie geltend gemacht werden.
Sobald uns vollständige Urteile des Bundesarbeitsgerichts vorliegen, die es uns ermöglichen, die Rechtslage abschließend zu beurteilen, werden wir über die für Sie geltenden Arbeitsbedingungen und unsere daraus gegebenenfalls resultierenden Rückforderungsansprüche für die unter Vorbehalt gezahlten Leistungen gemäß Ziff. 1 entscheiden. Bis dahin verbleibt es bei der zur Zeit für Sie festgelegten Arbeitszeit nach dem BAT. Eventuell muß jedoch die nach dem BAT-O zuwenig geleistete Arbeitszeit vom Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens an nachgearbeitet werden.
…”
Zum 1. Juli 1996 stellte das beklagte Land die zuletzt unter Vorbehalt erfolgte Zahlung der Vergütung nach BAT ein und wandte seitdem auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer die Bestimmungen des BAT-O an. Mit Schreiben vom 2. August 1996 forderte das beklagte Land außerdem die im ersten Halbjahr 1996 unter Vorbehalt gezahlten Differenzbeträge zurück unter gleichzeitiger Stundung dieser Überzahlung bis auf weiteres. Am 18. März 1997 beschloß der Senat des beklagten Landes die Einziehung der gestundeten Beträge in einem Zeitraum von 24 Monaten unter teilweiser Verrechnung mit zwischenzeitlich eintretenden Vergütungserhöhungen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf ihr Arbeitsverhältnis seien in der Zeit vom 21. März 1995 bis zum 30. Juni 1996 die Bestimmungen des BAT anzuwenden gewesen. Sie könne Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern verlangen, die nach ihrer Rückkehr auf Arbeitsplätze im östlichen Tarifgebiet weiterhin Vergütung nach BAT erhalten haben. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung bestehe nicht. Das beklagte Land könne sich nicht darauf berufen, rechtsirrtümlich eine Zahlungsverpflichtung gegenüber diesen Arbeitnehmern angenommen zu haben. Ob und wann dem beklagten Land der übertarifliche Charakter seiner Leistungen bewußt geworden sei, sei rechtlich unerheblich.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
festzustellen, daß für das Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten Land im Zeitraum vom 21. März 1995 bis zum 30. Juni 1996 der BAT (West) und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung anzuwenden waren.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern, auf deren Arbeitsverhältnisse nach Rückkehr in das östliche Tarifgebiet weiterhin westliches Tarifrecht angewendet worden sei, sei sachlich gerechtfertigt. Das beklagte Land sei aufgrund der schriftlichen Zusagen verpflichtet gewesen, auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer weiterhin die Bestimmungen des BAT anzuwenden. Jedenfalls habe es sich an diese Zusagen gebunden gefühlt. Die Klägerin habe eine solche Zusage nicht erhalten, weil ihre Tätigkeit im ehemaligen Westberlin nicht dauerhafter Natur gewesen sei. Im übrigen habe das beklagte Land nach Kenntnis seines Irrtums über die tarifliche Rechtslage alle gebotenen und rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen, um eine etwaige Ungleichbehandlung in der Vergangenheit auszugleichen und für die Zukunft zu vermeiden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, die auf Anwendung des BAT seit 15. April 1992 gerichtet war, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat der zuletzt auf die Zeit ab dem 21. März 1995 beschränkten Berufung des beklagten Landes stattgegeben und die Klage, die die Klägerin auf die Zeit bis zum 30. Juni 1996 begrenzt hatte, abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in diesem Umfang weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin finde ab dem 21. März 1995 der BAT-O Anwendung. Eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, weil für die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern, auf deren Arbeitsverhältnisse das beklagte Land auch nach ihrer Rückkehr auf Arbeitsplätze im ehemaligen Ostberlin die Bestimmungen des BAT angewandt habe, ein sachlicher Grund bestehe. Zwar könne sich das beklagte Land nicht auf bindende arbeitsvertragliche Zusagen gegenüber diesen Arbeitnehmern berufen, da die an sie ergangenen schriftlichen Mitteilungen nur deklaratorischer Natur gewesen seien und selbst eine unterstellte Zusage als übertarifliche Leistung ihrerseits eines sachlichen Grundes bedurft hätte. Gleichwohl habe das beklagte Land eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Ordnung gewahrt, indem es nach Kenntnis seines Rechtsirrtums die übertariflichen Zahlungen eingestellt und alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur Rückforderung der zuviel gezahlten Vergütung, zur Nacharbeit in Einzelfällen sowie zur rückwirkenden Abmeldung der Arbeitnehmer aus der VBL ergriffen habe.
B. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden in der streitgegenständlichen Zeit vom 21. März 1995 bis zum 30. Juni 1996 weder tarifvertraglich noch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes die Bestimmungen des BAT Anwendung, vielmehr galten die Vorschriften des BAT-O.
I. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte) und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages (im folgenden: EV) genannten Gebiet begründet sind.
1. Die Klägerin übt eine der Rentenversicherung der Angestellten unterliegende Beschäftigung beim beklagten Land aus.
2. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist im Beitrittsgebiet begründet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAG Urteile vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O und vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAGE 76, 57, 61 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II 2 b der Gründe; BAGE 78, 108, 112 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O, zu I 3 a der Gründe; BAG Urteile vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 614/94 – BAGE 79, 215, 217 = AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II, zu II 2 a der Gründe; vom 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 327 f. = AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O, zu II 3 c der Gründe; vom 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – AP Nr. 1 zu § 15 MTL II, zu II 1 a der Gründe und – 6 AZR 475/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 b der Gründe). Wird ein Angestellter, der für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des BAT beschäftigt, findet für die Dauer dieser Tätigkeit der BAT Anwendung. Nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis wieder dem BAT-O (BAG Urteile vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 224 = AP Nr. 3 zu § 1 TV Ang Bundespost; vom 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – AP Nr. 6 zu § 1 BAT-O, zu III 2 der Gründe; vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 209 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 1 a der Gründe; vom 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 329 = AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O, zu II 4 der Gründe; vom 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – aaO, zu II 1 c der Gründe).
b) Der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin lag im Beitrittsgebiet. Es bestand bereits seit 1983 in der ehemaligen DDR beim DVZ S in Ostberlin und wurde nach dem Beitritt der DDR zunächst von der Stadt Berlin, nach Überführung der Einrichtung auf das beklagte Land von diesem fortgeführt. Der Bezug zum Beitrittsgebiet besteht gegenwärtig fort, da sich der Arbeitsplatz der Klägerin seit dem 21. März 1995 wieder im ehemaligen Ostberlin befindet. Seit diesem Zeitpunkt richtet sich das Arbeitsverhältnis deshalb wieder nach den Vorschriften des BAT-O.
II. Die Klägerin wurde durch die Anwendung des BAT-O im streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber anderen Arbeitnehmern des beklagten Landes nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfG Beschluß vom 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies jedoch, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr., vgl. BAG Urteile vom 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 3 a der Gründe; vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 210 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 2 a der Gründe).
2. Zwar wurde die Klägerin gegenüber Arbeitnehmern, die nach einem auf Dauer bzw. auf nicht absehbare Zeit angelegten „Westeinsatz” auf einen Arbeitsplatz im östlichen Tarifgebiet zurückgekehrt sind, ungleich behandelt, denn im Gegensatz zur Klägerin haben diese Arbeitnehmer auch über den Zeitpunkt ihrer Rückkehr hinaus zunächst bis zum 30. Juni 1996 Leistungen nach westlichem Tarifrecht erhalten, obwohl sie tariflich nur Leistungen nach BAT-O zu beanspruchen hatten. Die Klägerin kann jedoch nicht verlangen, mit diesen Arbeitnehmern gleichbehandelt zu werden. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus den Grundsätzen, die der erkennende Senat im Urteil vom 26. Oktober 1995 (BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O) angewandt hat.
a) Nach diesen Grundsätzen muß ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der einem Angestellten nach einer Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT weiterhin Leistungen nach diesem Tarifvertrag und nicht nach dem auf das Arbeitsverhältnis nunmehr wieder anzuwendenden BAT-O gewährt, andere Angestellte auf vergleichbaren Arbeitsplätzen gleichbehandeln. Hat er die Leistungen nach dem BAT weitergewährt, weil er sich dazu für rechtlich verpflichtet hielt, kann er diese Praxis jederzeit beenden mit der Folge, daß ab diesem Zeitpunkt keiner der vergleichbaren Angestellten die Anwendung des BAT verlangen kann. Bis dahin besteht ein Anspruch auf Gleichbehandlung, wenn der Arbeitgeber die zu Unrecht gewährten Leistungen nicht zurückfordert.
b) Das beklagte Land hat die zurückgekehrten Arbeitnehmer nicht weiterhin nach BAT vergütet, weil es ihnen übertarifliche Leistungen gewähren wollte, sondern weil es glaubte, rechtlich dazu verpflichtet zu sein, und zwar sowohl tariflich als auch arbeitsvertraglich. Das beklagte Land nahm einerseits irrtümlich an, daß die Bestimmungen des BAT nicht nur während eines dauerhaften bzw. auf nicht absehbare Zeit erfolgenden „Westeinsatzes” auf im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnisse anzuwenden sind, wie der erkennende Senat im Urteil vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) entschieden hat, sondern auch, wozu im vorgenannten Urteil nicht Stellung zu nehmen war, nach Rückkehr dieser Arbeitnehmer auf Arbeitsplätze im Beitrittsgebiet. Dies ergibt sich aus den an die betroffenen Arbeitnehmer gerichteten Schreiben des beklagten Landes, in denen unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung mitgeteilt wurde, daß sich die Arbeitsverhältnisse nunmehr nach BAT richteten. Davon, daß dies nur während der Dauer des Westeinsatzes gelten sollte, ist in dem Schreiben nicht die Rede. Das beklagte Land ging demnach von einer zeitlich unbegrenzten Geltung westlichen Tarifrechts aus. Dies läßt sich auch aus der Senatsvorlage Nr. 177/96 vom 17. Mai 1996 entnehmen, in der die Weitergewährung von Leistungen nach den Westtarifverträgen im nachhinein als „unzutreffende Antizipation künftiger BAG-Rechtsprechung” bezeichnet wurde.
Außerdem nahm das beklagte Land aufgrund der an die betreffenden Arbeitnehmer gerichteten Mitteilungen eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Weitergewährung von Leistungen nach BAT auch nach Rückkehr dieser Arbeitnehmer in das Beitrittsgebiet an. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Senatsvorlage Nr. 177/96 vom 17. Mai 1996. Danach beruhte die Weitergewährung von Leistungen nach westlichem Tarifrecht „auf der Rechtsauffassung, daß entsprechende arbeitsvertragliche Ansprüche entstanden seien, die nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnten”. Auch insoweit unterlag das beklagte Land einem Rechtsirrtum, denn durch die schriftlichen Mitteilungen wurde keine arbeitsvertragliche Verpflichtung des beklagten Landes begründet, auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer auch nach ihrer Rückkehr ins Beitrittsgebiet weiterhin westliches Tarifrecht anzuwenden.
Das Landesarbeitsgericht hat die schriftlichen Mitteilungen nicht als Zusage übertariflicher Leistungen gewertet, sondern ihnen nur informatorischen Charakter beigemessen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Wortlaut der Erklärung ist eindeutig. Das beklagte Land hat ausdrücklich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 Bezug genommen und daran anschließend mitgeteilt, daß sich aufgrund dessen das Arbeitsverhältnis nach dem BAT bestimme. Von einer Änderung der bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist nicht die Rede. Daraus ergibt sich, daß das beklagte Land lediglich die Rechtsprechung des erkennenden Senats aus dem Urteil vom 30. Juli 1992 vollziehen, nicht aber übertarifliche Leistungen zusagen wollte. In Anbetracht des Grundsatzes, daß im Bereich des öffentlichen Dienstes im Zweifel Normenvollzug gilt und der öffentliche Arbeitgeber in der Regel nur die Leistungen gewähren will, zu denen er tariflich verpflichtet ist (BAG Urteile vom 24. März 1993 – 5 AZR 16/92 – BAGE 73, 1, 3 = AP Nr. 38 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 1 der Gründe; vom 18. Januar 1996 – 6 AZR 314/95 – AP Nr. 25 zu § 242 BGB Auskunftspflicht, zu III 3 der Gründe; vom 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – AP Nr. 6 zu § 20 BMT-G II, zu II 2 c der Gründe), konnten auch die Adressaten das Schreiben nur als Information über die bestehende Rechtslage verstehen.
c) Das beklagte Land hat seinen Rechtsirrtum – anders als in dem tatrichterlich festgestellten Sachverhalt – der dem Urteil vom 26. Oktober 1995 (aaO) zugrunde lag korrigiert, indem es mit Schreiben vom 16. Januar 1996 zunächst die Weiterzahlung der Vergütung nach westlichem Tarifrecht unter den Vorbehalt der Rückforderung stellte, die übertariflichen Zahlungen ab 1. Juli 1996 endgültig einstellte und die überzahlten Beträge, soweit rechtlich möglich, zurückforderte. Zwar verblieben den begünstigten Arbeitnehmern die bis zum 31. Dezember 1995 gewährten übertariflichen Leistungen endgültig. Dies begründet jedoch keinen Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, nicht jedoch beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug. Deshalb ist ein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Irrtum” zu verneinen (so im Ergebnis auch BAG Urteile vom 13. Dezember 1972 – 4 AZR 147/72 – AP Nr. 37 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; vom 13. August 1980 – 5 AZR 325/78 – AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972, zu III 2 b der Gründe; vom 19. August 1987 – 5 AZR 222/86 – n.v., zu II 2 der Gründe; BGH Urteil vom 26. März 1985 – VI ZR 245/83 – NJW 1985, 2482, 2484, zu II 3 b der Gründe). Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber nach Kenntnis von seinem Irrtum die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weitergewährt und rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend macht. Ab diesem Zeitpunkt erbringt er bewußt zusätzliche freiwillige Leistungen. Dabei muß er die vergleichbaren Arbeitnehmer gleichbehandeln. Stellt er hingegen die rechtsgrundlosen Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum.
Das beklagte Land hat, nachdem es Kenntnis von seinem Rechtsirrtum erlangt hatte, alsbald die gebotenen und rechtlich möglichen Maßnahmen zur Korrektur dieses Irrtums ergriffen. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erhielt das beklagte Land durch sein Grundsatz- und Rechtsreferat von der vollständig abgefaßten Entscheidung des erkennenden Senats vom 23. Februar 1995 (– 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 244 = AP Nr. 3 zu § 1 TV Ang Bundespost) am 2./24. November 1995 und damit etwa zur gleichen Zeit wie von der Presseerklärung zur Senatsentscheidung vom 26. Oktober 1995 (aaO) Kenntnis. Durch Urteil vom 23. Februar 1995 hat der erkennende Senat erstmals entschieden, daß auf das im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnis eines Angestellten nach einem auf Dauer angelegten Einsatz im Geltungsbereich des BAT ab dem Zeitpunkt seiner Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet wieder die Bestimmungen des BAT-O anzuwenden sind. Zuvor war die Rechtslage in Bezug auf diese konkrete Fallgestaltung ungeklärt.
Daß das beklagte Land nicht bereits im November 1995, sondern erst durch das Rundschreiben II 106/95 vom 18. Dezember 1995 und die darauf beruhenden Mitteilungen an die betroffenen Arbeitnehmer vom 16. Januar 1996 die ersten Maßnahmen zur Korrektur seines Rechtsirrtums einleitete, ist angesichts des damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwands nicht zu beanstanden. Daraus konnte nicht geschlossen werden, daß das beklagte Land den begünstigten Arbeitnehmern die ohne Rechtsgrund gewährten Leistungen belassen und in Zukunft als übertarifliche Leistungen weitergewähren wollte.
Das beklagte Land hat auch alle ihm zu Gebote stehenden und rechtlich möglichen Maßnahmen durchgeführt. Daß den begünstigten Arbeitnehmern letztlich die bis zum 31. Dezember 1995 geleisteten Überzahlungen verblieben sind, beruht darauf, daß die Rückforderung dieser Beträge aus Rechtsgründen nicht möglich war. Am Jahresende 1995, als das beklagte Land seinen Rechtsirrtum erkannte, scheiterte die Rückforderung von Überzahlungen aus der Zeit vor dem 1. Juli 1995 an der tariflichen Ausschlußfrist des § 70 BAT-O. Für die im zweiten Halbjahr 1995 erfolgten Überzahlungen hat das beklagte Land den Wegfall der Bereicherung unterstellt und damit letztlich von einer Geltendmachung der überzahlten Beträge bis zum 31. Dezember 1995 abgesehen. Dies begegnet angesichts der beim beklagten Land bestehenden Verwaltungsvorschrift, nach der der Wegfall der Bereicherung im Falle von Gehaltsüberzahlungen bis zu 10 v. H., im Höchstfall DM 200,–, vermutet wird, keinen rechtlichen Bedenken, denn die Vergütungsdifferenz zwischen BAT und BAT-O betrug bis Oktober 1995 10 %, in der Zeit danach 6 %. Der monatliche Höchstbetrag der Überzahlung von DM 200,– konnte daher allenfalls bei Arbeitnehmern der höheren Vergütungsgruppen geringfügig überschritten sein. Gemessen an der Vielzahl der betroffenen Arbeitnehmer handelte es sich dabei um Einzelfälle, die das beklagte Land angesichts des ansonsten erforderlichen – bei einer wirtschaftlichen Betrachtung unangemessenen – Verwaltungsaufwands vernachlässigen durfte.
Daß das beklagte Land die übertarifliche Vergütung für das erste Halbjahr 1996 zunächst noch unter Vorbehalt gezahlt und deren Rückforderung später gestundet hat, ist im Hinblick auf die damals erhobene, im Ergebnis erfolglos gebliebene Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (aaO) rechtlich nicht zu beanstanden, zumal das beklagte Land am 18. März 1997 die Einziehung der gestundeten Beträge über einen Zeitraum von 24 Monaten beschlossen hat.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Beus, R. Schwarck
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.11.1998 durch Backes, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436127 |
BAGE, 219 |
BB 1999, 1334 |
BB 1999, 2359 |
DB 1999, 1708 |
ARST 2000, 71 |
FA 1999, 206 |
FA 1999, 225 |
NZA 1999, 1108 |
RdA 1999, 422 |
ZTR 1999, 362 |
AP, 0 |
AuA 1999, 33 |
MDR 1999, 1003 |
NJ 1999, 612 |