Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich bei Arbeit an Wochenfeiertag
Orientierungssatz
Im Gegensatz zur regelmäßigen Sonntagsarbeit ist ein Freizeitausgleich für Arbeit an Wochenfeiertagen grundsätzlich nicht vorgesehen. Stellt der Angestellte keinen Antrag auf Freizeitausgleich, erhält er für die Feiertagsarbeit einen Zeitzuschlag in Höhe von 135vH nach § 35 Abs 1 Buchst c Doppelbuchst aa BAT.
Normenkette
BAT § 15 Abs. 6, § 35 Abs. 1, § 15 Abs. 6 Unterabs. 3
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 12.02.1993; Aktenzeichen 6 (9) Sa 520/91) |
ArbG München (Entscheidung vom 15.05.1991; Aktenzeichen 14 Ca 12825/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Zeitraum, in dem Arbeitszeit, die auf einen Wochenfeiertag fällt, durch Freizeit auszugleichen ist.
Die Klägerin ist in der Polizeidirektion I als Fernschreibangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die Klägerin arbeitet im Wechselschichtdienst, der nach Schichtplänen verrichtet wird. Der Beklagte zahlt für Arbeit an Wochenfeiertagen den Zeitzuschlag in Höhe von 35 v.H. der tariflichen Stundenvergütung (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb BAT). Außerdem gewährt sie Freizeitausgleich im Rahmen des Schichtplans, wobei sie die Regel des § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT, die eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche vorsieht, nicht einhält.
Die Klägerin arbeitete am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag 1988, am Karfreitag und Ostermontag 1989, am Pfingstsonntag und Pfingstmontag 1989, am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag 1989 sowie am Ostersonntag und Ostermontag 1990. Einen Antrag auf Freizeitausgleich stellte sie nicht. Für ihre Arbeit an diesen Tagen verlangt die Klägerin über den erhaltenen Zuschlag in Höhe von 35 v. H. hinaus einen weiteren Zuschlag von 100 v. H. ihrer tariflichen Stundenvergütung in Höhe von insgesamt 1.566,07 DM. Diesen hat die Klägerin tarifrechtlich rechtzeitig schriftlich geltendgemacht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Freizeitausgleich im Sinne § 35 Abs. 1 Buchst. c BAT sei nur ein auf Antrag des Angestellten in der laufenden oder der folgenden Woche gewährter Freizeitausgleich. Werde die Freizeit außerhalb dieses Zeitraums gewährt, liege Arbeit an einem Wochenfeiertag ohne Freizeitausgleich vor, die den Anspruch auf den Zeitzuschlag in Höhe von 135 v. H. nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa BAT auslöse.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1.566,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit
26. November 1990 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte ver-
pflichtet ist, der Klägerin für Arbeit an Fei-
ertagen, die auf einen Werktag fallen, entwe-
der bei Vorliegen eines entsprechenden Antra-
ges der Klägerin zusätzlich zu der schicht-
planmäßigen Freizeit eine der Feiertagsarbeit
entsprechende zusammenhängende Freizeit an
einem Werktag der laufenden oder der folgenden
Woche unter Fortzahlung der Vergütung oder,
ohne Antrag oder bei vergeblichem Antrag der
Klägerin auf Freizeitausgleich, eine Zulage in
Höhe von 135 v. H. der maßgeblichen tarifli-
chen Stundenvergütung zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, daß der Beklagte ver-
pflichtet ist, für Arbeit an Wochenfeiertagen,
wenn sie auf einen Sonntag fallen, sowie für
Arbeit am Ostersonntag und am Pfingstsonntag
entweder zusätzlich zu dem zur maßgeblichen
tariflichen Stundenvergütung gezahlten Zu-
schlag von 35 % eine über die schichtplanmäßi-
ge freie Zeit hinausgehende der Feiertagsar-
beit entsprechende Freizeit zu gewähren oder
insgesamt einen Zuschlag in Höhe von 135 % zur
maßgeblichen Stundenvergütung zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, Freizeitausgleich im Sinne § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BAT setze nicht die Einhaltung des in § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT bestimmten Ausgleichszeitraums voraus.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1) in Höhe von 1.056,13 DM (hinsichtlich der auf einen Werktag fallenden Feiertage) und dem Antrag zu 2) stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage auch insoweit abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil.
Der noch zur Entscheidung des Senats stehende Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2) ist begründet. Zu Recht verlangt die Klägerin, daß ihr für Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag entweder auf Antrag eine der Feiertagsarbeit entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung oder, ohne oder bei vergeblichem Antrag, ein Zeitzuschlag in Höhe von 135 v. H. der maßgeblichen tariflichen Stundenvergütung gewährt wird. Dies ergibt sich aus § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c i.V.m. § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT. Die Praxis des Beklagten, der Klägerin außerhalb des in § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT genannten Ausgleichszeitraums Freizeitausgleich und daneben einen Zeitzuschlag in Höhe von nur 35 v. H. zu gewähren, entspricht nicht den tariflichen Bestimmungen. Der Leistungsantrag ist aus den gleichen Erwägungen in dem vom Arbeitsgericht zugesprochenen Umfang begründet; er betrifft nur die Zeitzuschläge für Wochenfeiertage, die nicht auf einen Sonntag, den Ostersonntag und den Pfingstsonntag fielen.
1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. c BAT erhält der Angestellte neben seiner Vergütung Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde für Arbeit an Wochenfeiertagen ohne Freizeitausgleich 135 v. H., bei Freizeitausgleich 35 v. H. der Stundenvergütung. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich, daß hier der Begriff des Freizeitausgleichs nach § 15 Abs. 6 BAT gemeint ist (vgl. BAG Urteil vom 9. Oktober 1991 - 6 AZR 370/89 - AP Nr. 17 zu § 15 BAT; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Januar 1994, § 35 Erl. 4; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand Januar 1994, § 35 Erl. 8).
2. Nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT soll die dienstplanmäßige, bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Angestellten durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Im Gegensatz zur regelmäßigen Sonntagsarbeit (§ 15 Abs. 6 Unterabs. 2 BAT) ist ein Freizeitausgleich für Arbeit an einem Wochenfeiertag grundsätzlich nicht vorgesehen (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Januar 1994, § 15 Rz 75). Wenn der Angestellte keinen Antrag auf Freizeitausgleich stellt, erhält er für die Feiertagsarbeit einen Zeitzuschlag in Höhe von 135 v. H. nach § 35 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa BAT. Das gleiche gilt, wenn der Angestellte zwar einen Antrag auf Freizeitausgleich stellt, der Arbeitgeber diesen jedoch aufgrund der dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse ablehnt. Nur wenn der Arbeitgeber dem Antrag stattgibt, wozu er verpflichtet ist, wenn keine triftigen Gründe, im Falle des § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT dienstliche oder betriebliche Gründe, entgegenstehen (vgl. BAG Urteil vom 23. Februar 1982 - 3 AZR 86/81 - AP Nr. 2 zu § 15 BMT-G II; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Januar 1994, § 15 Erl. 16), erhält der Angestellte Freizeitausgleich und für die Feiertagsarbeit lediglich den Zuschlag in Höhe von 35 v. H. Die Bestimmung des § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT räumt dem Angestellten ein Wahlrecht ein, ob er für dienstplanmäßige Arbeit an einem Wochenfeiertag Freizeitausgleich beantragt oder nicht (BAG Urteile vom 22. September 1981 - 3 AZR 330/79 - AP Nr. 1 zu § 35 BAT und vom 9. Oktober 1991 - 6 AZR 370/89 - AP Nr. 17 zu § 15 BAT).
Die Tarifvertragsparteien haben die zeitliche Lage des Freizeitausgleichs in § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT geregelt: Es handelt sich um eine zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche. Die zeitliche Nähe des Freizeitausgleichs zu dem Wochenfeiertag, für den er gewährt wird, ist durch den Tarifwortlaut ausdrücklich bestimmt. Für eine ergänzende Auslegung im Sinne des Beklagten bleibt insoweit kein Raum.
3. Daraus folgt, daß die Handhabung des Beklagten, den Freizeitausgleich regelmäßig nicht innerhalb des Ausgleichszeitraums nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT zu gewähren, tarifwidrig ist. Daß der Arbeitnehmer keinen Antrag auf tarifgemäßen Freizeitausgleich stellt, berechtigt den Beklagten nicht zu diesem Vorgehen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Nach dem Tarifvertrag steht der Klägerin für den Fall, daß sie keinen Antrag stellt, der Zuschlag in Höhe von 135 v. H. zu. Es kommt auch nicht darauf an, daß anders als bei Sonntagsarbeit (vgl. § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 BAT), bei Feiertagsarbeit der Freizeitausgleich nicht zwingend vorgeschrieben ist. Daraus, daß ein Arbeitgeber einen Antrag auf tarifgemäßen Freizeitausgleich ablehnen kann, sofern dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen, folgt nicht, daß er stattdessen den Anspruch auf Freizeit zu einer anderen Zeit als der in § 15 Nr. 6 Unterabs. 3 BAT bestimmten erfüllen kann.
4. Allerdings kann die Klägerin zu dem tarifgemäßen Freizeitausgleich oder einem Zeitzuschlag in Höhe von 135 v. H. nicht zusätzlich die von dem Beklagten stattdessen (tarifwidrig) gewährte schichtplanmäßige Freizeit verlangen. Insoweit ist der Ausspruch des arbeitsgerichtlichen Urteils mißverständlich. Der Senat hat deshalb dessen Ziffer 1 zur Klarstellung neu gefaßt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Peifer Dr. Jobs Dr. Armbrüster
Ehrenamtlicher Richter
Ziegenhagen ist aus dem
Richteramt ausgeschieden und
daher an der Unterschrift
gehindert.
Dr. Peifer Buschmann
Fundstellen
Haufe-Index 440872 |
ZTR 1995, 117-118 (ST1) |