Entscheidungsstichwort (Thema)
Isolierte Weiterverfolgung des Auflösungsantrags in der Berufungsinstanz nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit und wegen nicht ordnungsgemäßer Personalratsanhörung. Präklusion
Leitsatz (amtlich)
Hat das Arbeitsgericht angenommen, eine ordentliche Arbeitgeberkündigung sei sowohl nach § 1 KSchG als auch wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung unwirksam, und deshalb den Auflösungsantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen, so kann das Berufungsgericht auch bei einer auf den Auflösungsantrag beschränkten Berufung des Arbeitgebers erneut prüfen, ob eine ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung vorliegt.
Orientierungssatz
Hat das Arbeitsgericht angenommen, eine ordentliche Arbeitgeberkündigung sei sowohl nach § 1 KSchG als auch wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung unwirksam, und deshalb den Auflösungsantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen, so kann das Berufungsgericht auf eine auf den Auflösungsantrag beschränkte Berufung des Arbeitgebers erneut prüfen, ob eine ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung vorliegt.
§ 28 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO, wonach über die Entlassung von Gemeindebediensteten der Gemeinderat im Einvernehmen mit dem Bürgermeister entscheidet, stellt keine Arbeitnehmerschutzbestimmung dar, deren Verletzung in dem Kündigungsschutzverfahren eines Gemeindebediensteten einem Auflösungsantrag der Gemeinde entgegen steht.
Ein Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO führt nicht zur Nichtigkeit einer durch den Bürgermeister allein ausgesprochenen Kündigung.
Normenkette
ZPO § 322
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Mai 2000 – 10 Sa 247/99 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 19. Februar 1999 – 7 Ca 8409/95 – zurückgewiesen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz – nach rechtskräftiger Entscheidung über eine Kündigungsschutzklage des Klägers – noch über den von der Beklagten gestellten Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
Der am 16. März 1940 geborene Kläger (verheiratet, fünf Kinder) ist bei der beklagten Kreisstadt seit 1. Dezember 1993 als Leiter des Rechtsamtes mit einem Monatsverdienst von zuletzt 7.741,41 DM brutto beschäftigt. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 1995. Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 12. Oktober 1995 den bei ihr bestehenden Personalrat beteiligt. Dieser nahm mit der Hausmitteilung vom 19. Oktober 1995 zu der Kündigungsabsicht Stellung und erhob Bedenken.
Mit seiner im vorliegenden Verfahren erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, die Kündigung vom 24. Oktober 1995 sei sozial ungerechtfertigt und außerdem sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte hat neben ihrem Klageabweisungsantrag hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragt. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19. Februar 1999 der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei mangels verhaltensbedingter Kündigungsgründe sozial ungerechtfertigt und außerdem mangels ordnungsgemäßer Personalratsbeteiligung unwirksam. Weil die Kündigung danach auch an einem anderen Unwirksamkeitsgrund als dem der Sozialwidrigkeit scheitere, hat es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte sich nicht mehr gegen die Feststellung gewandt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht aufgelöst worden ist, sondern nur noch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragt.
Sie hat geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses seien gegeben. Die Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Klägers, die sich in der Art seiner Amtsführung sowie im Verhalten gegenüber seinem Dienstvorgesetzten niederschlage, schließe eine weitere Zusammenarbeit definitiv aus. Handlungen des Klägers seien, oftmals als Ausfluß seiner Uneinsichtigkeit, eigenmächtig vorgenommen worden. Das Verhalten des Klägers gegenüber Vorgesetzten und Dritten sei als ungebührlich zu bezeichnen.
Der Auflösungsentscheidung stehe auch nicht entgegen, daß sie die Feststellung des Arbeitsgerichts in Bezug auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung akzeptiert habe. Die Anhörung des Personalrats sei nicht fehlerhaft. Von einer bewußten Irreführung könne keine Rede sein. Der Personalrat sei am 16. Oktober 1995 auch mündlich über den gesamten Kündigungssachverhalt unterrichtet worden, insbesondere über die durch den Kläger eingereichte aussichtslose Honorarrückzahlungsklage gegen die Rechtsanwälte G und die Kündigung der mit der R bestehenden Vereinbarung. Außerdem habe am 18. Oktober 1995 eine Aussprache mit dem Personalrat stattgefunden. Die ordnungsgemäße Mitwirkung des Personalrats sei im Berufungsverfahren selbständig zu überprüfen gewesen, obwohl zulässigerweise die Berufung auf den Auflösungsantrag beschränkt worden sei.
Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, die Kündigung vom 24. Oktober 1995 sei nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam. Der Auflösungsantrag der Beklagten sei deshalb unbegründet. Die Mitwirkung des Personalrats sei fehlerhaft erfolgt. Der Personalrat sei insbesondere mit dem Gutachten der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 11. Oktober 1995 mangelhaft über die Kündigungsgründe informiert worden. Im Zusammenhang mit der behaupteten Eigenmächtigkeit seines Handelns sei dem Personalrat verschwiegen worden, daß nur ein einziger Fall gemeint sei. Bei Kenntnis dieses Umstandes wäre vom Personalrat keine Vertrauenskrise zwischen ihm, dem Kläger, und dem Oberbürgermeister angenommen worden. Außerdem sei die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO sowie gegen die §§ 826, 242 BGB unwirksam. Jedenfalls liege kein Auflösungsgrund vor. Die notwendige Vertrauensbasis zwischen ihm und seinem Dienstherren, der Gemeinde, sei gegeben. Der Gemeinderat halte seine Tätigkeit nicht für beanstandenswert. Im Prozeß habe er stets nur Tatsachen vorgetragen. Der Inhalt seines als Petition bezeichneten Schreibens vom 12. November 1995 sei zutreffend.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten – soweit sie den Auflösungsantrag betrifft – zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Auflösungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien nach §§ 9, 10 KSchG aufzulösen war, läßt sich mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht noch nicht abschließend beurteilen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne schon aus Rechtsgründen nicht davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für eine Auflösung gegeben seien. Stelle das Arbeitsgericht wie vorliegend fest, daß das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst sei, weil die vom Arbeitgeber erklärte Kündigung einerseits sozialwidrig im Sinne von § 1 KSchG, andererseits auch aus einem anderen Grund unwirksam sei, und lege der Arbeitgeber nur wegen der Zurückweisung des von ihm gestellten Auflösungsantrags Berufung ein, so sei eine solche Berufung zwar zulässig. Das Berufungsgericht sei aber gebunden hinsichtlich der Beurteilung, daß die Kündigung nur wegen Sozialwidrigkeit und nicht aus einem anderen Grund unwirksam sei. Als Folge der Rechtskraftwirkung des arbeitsgerichtlichen Urteils ergebe sich das sog. Präklusionsprinzip. Dieses verwehre der unterlegenen Partei, sich nachträglich auf Tatsachen zu stützten, die schon zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen hätten. Das gelte auch für die vorliegende Situation, in der die Beklagte die rechtskräftig getroffene Entscheidung des Arbeitsgerichts in Bezug auf den Unwirksamkeitsgrund der fehlerhaften Mitwirkung des Personalrates zumindest teilweise in Frage stelle.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung von § 9 KSchG, § 322 ZPO.
1. Der Arbeitgeber kann eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich nach § 1 KSchG sozialwidrig ist. Die Lösungsmöglichkeit nach § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung, die nur in Betracht kommt, wenn eine Kündigung „nur” sozialwidrig und nicht auch aus anderen Gründen nichtig ist (BAG 9. Oktober 1979 – 6 AZR 1059/77 – BAGE 32, 122, 124). Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers auf die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen als dem der Sozialwidrigkeit, setzt dies allerdings voraus, daß die Unwirksamkeit Folge eines Verstoßes gegen eine Schutznorm zu Gunsten des Arbeitnehmers ist. Sonst besteht kein Grund, dem Arbeitgeber die Vergünstigung eines Auflösungsantrages nach § 9 KSchG bei sozialwidriger Kündigung zu verwehren (BAG 10. November 1994 – 2 AZR 207/94 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 24 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 43, zu II 2 der Gründe).
2. Ein Auflösungsantrag der Beklagten scheidet danach aus, wenn die Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch wegen fehlerhafter Beteiligung des Personalrats rechtsunwirksam war.
a) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß die in § 78 Abs. 1 SächsPersVG geregelte Mitwirkung des Personalrats bei der ordentlichen Arbeitgeberkündigung jedenfalls auch dem Schutz des betroffenen Arbeitnehmers dient. Dies zeigen schon die Gründe, aus denen der Personalrat Einwendungen gegen die Kündigung erheben kann (zB Nichtberücksichtigung sozialer Gesichtspunkte, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, ggf. nach Umschulung oder Fortbildung).
b) Die Mitwirkung des Personalrats bedeutet nach § 76 Abs. 1 SächsPersVG, daß der Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat zu erörtern hat. Nach § 78 Abs. 3 SächsPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht nach § 78 Abs. 1 SächsPersVG beteiligt worden ist. Diese Unwirksamkeitsfolge tritt nicht nur dann ein, wenn der Personalrat überhaupt nicht beteiligt, sondern auch dann, wenn die Beteiligung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist(zur Anhörung des Betriebsrats vgl. BAG 16. September 1993 – 2 AZR 267/93 – BAGE 74, 185, 194 f. mwN). Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte das Mitwirkungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, insbesondere den Personalrat hinreichend und zutreffend über die Kündigungsgründe informiert hat.
3. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, es habe im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Feststellungsantrag nicht mehr selbständig prüfen dürfen, ob die Kündigung der Beklagten nicht nur sozialwidrig, sondern auch nach § 78 Abs. 3 SächsPersVG unwirksam ist.
a) Die materielle Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Feststellungsantrag steht der erneuten Prüfung, ob die Kündigung auch aus anderen Gründen als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist, nicht entgegen. Rechtskräftig entschieden hat das Arbeitsgericht nur über die begehrte Rechtsfolge, also die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist. Die Begründung dieser Rechtsfolge, also die materiell-rechtliche Herleitung der Unwirksamkeit der Kündigung nicht nur aus dem Kündigungsschutzgesetz, sondern darüber hinaus auch aus dem einschlägigen Personalvertretungsgesetz, ist hierbei nicht in Rechtskraft erwachsen. Würde man dies anders sehen, so hinge der Umfang der Rechtskraft eines derartigen Urteils von Zufälligkeiten ab: Hätte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung allein aus § 1 KSchG hergeleitet und erst bei dem Auflösungsantrag die Wirksamkeit der Personalratsbeteiligung geprüft, wäre nach der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Ansicht eine Nachprüfung hinsichtlich der Personalratsbeteiligung in der Berufungsinstanz möglich, bei einer Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung allein oder auch mit einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung hingegen nicht.
aa) Die materielle Rechtskraft einer unanfechtbaren Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) bedeutet die Maßgeblichkeit der in ihr ausgesprochenen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der von einer Partei beanspruchten Rechtsfolge in jedem Verfahren zwischen denselben Parteien, in dem dieselbe Rechtsfolge in Frage steht. Diese Feststellungswirkung soll der Gefahr einer zweiten, widersprechenden Entscheidung begegnen. Da diese Gefahr nur von einem zweiten Verfahren droht, wird durch die materielle Rechtskraft jede neue Verhandlung und Entscheidung über die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge ausgeschlossen (BAG 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 17 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 31). Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist der aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts ausgeurteilte Anspruch, dh. der Streitgegenstand, der sich im Klageantrag widerspiegelt (KR-Friedrich 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 224; Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. vor § 322 Rn. 30).
bb) Der Umfang der Rechtskraft und die damit zusammenhängende Präklusionswirkung der in Rechtskraft erwachsenen Feststellung des Arbeitsgerichts, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 1995 nicht aufgelöst worden ist, bestimmt sich infolgedessen nach dem Streitgegenstand des Kündigungsschutzbegehrens. Der Kläger hat die Kündigung vom 24. Oktober 1994 ausschließlich mit einem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen. Soweit er in der Revisionsinstanz geltend macht, er habe daneben eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben, steht dies in Widerspruch zum Tatbestand des angefochtenen Urteils und dem Vorbringen des Klägers in den Tatsacheninstanzen. Insbesondere der durch das Landesarbeitsgericht abgewiesene Weiterbeschäftigungsantrag enthielt keinen derartigen Feststellungsantrag.
cc) Entspricht der Antrag dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG, so ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zB BAG 12. Januar 1977 – 5 AZR 593/75 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 3 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 11; 13. März 1997 – 2 AZR 512/96 – BAGE 85, 262, 266 ff., jeweils mwN) und ganz überwiegender Meinung in der Literatur (zB KR-Friedrich 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 225; Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 4 Rn. 69 ff.; HaKo-Gallner KSchG § 4 Rn. 48; Löwisch KSchG 7. Aufl. § 4 Rn. 11; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 7. Aufl. Rn. 1147 ff., jeweils mwN) Streitgegenstand die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus Anlaß einer ganz bestimmten Kündigung zu dem beabsichtigten Termin aufgelöst worden ist oder nicht (sog. punktuelle Streitgegenstandstheorie). Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils ist festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung zu dem bestimmten Termin nicht aufgelöst worden ist. In Rechtskraft erwächst nicht die Feststellung, daß die Kündigung sozialwidrig war und deshalb das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Es sind vielmehr grundsätzlich alle vom Arbeitnehmer geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe zu prüfen (Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 4 Rn. 71 d; HaKo-Gallner KSchG § 4 Rn. 49; KR-Friedrich 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 227; jeweils mwN).
Mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozeß steht außerdem fest, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und darüber hinaus im Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien bestanden hat. Das ist deswegen der Fall, weil der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt Voraussetzung für die Feststellung ist, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (vgl. zB BAG 12. Januar 1977 – 5 AZR 593/75 – aaO; 5. Oktober 1995 – 2 AZR 909/94 – BAGE 81, 111, 116 f. mwN).
dd) Der Streitgegenstand des Auflösungsantrags wird durch die rechtskräftige Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag, erst recht durch deren Begründung nicht berührt. Es geht beim Auflösungsantrag um die Frage, ob aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts ein Auflösungsgrund besteht mit der Rechtsfolge, daß das Gericht das Arbeitsverhältnis durch Gestaltungsurteil gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen hat (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Gefahr einander widersprechender Urteile besteht insoweit nicht, da beide Urteile unterschiedliche Streitgegenstände betreffen.
b) Das aus der Rechtskraftwirkung folgende Präklusionsprinzip führt zu keinem anderen Ergebnis. Tatsächliche Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft (Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 322 Rn. 84 mwN). Der unterlegenen Partei ist es allerdings auf Grund des Präklusionsprinzips verwehrt, sich innerhalb der durch den Streitgegenstand der rechtskräftigen Entscheidung gesetzten Grenzen in einem späteren Verfahren nachträglich auf Tatsachen zu stützen, die schon zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, gleichviel, ob sie damals der Partei bekannt gewesen sind oder nicht (zB BAG 12. Januar 1977 – 5 AZR 593/75 – aaO; Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. vor § 322 Rn. 70; Stein/Jonas/Leipold aaO § 322 Rn. 228, jeweils mwN). Die Präklusion von Tatsachen gilt jedoch nur, soweit es um den bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch geht. Werden andere Rechtsfolgen aus demselben Tatsachenkomplex hergeleitet, greift die Präklusionswirkung nicht ein (Stein/Jonas/Leipold aaO Rn. 233 a mwN).
Demnach war die Beklagte im Berufungsverfahren über das Auflösungsbegehren nicht mit Tatsachenvortrag zur ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats ausgeschlossen. Die rechtskräftige Feststellung des Arbeitsgerichts, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht aufgelöst ist, würde durch eine zweitinstanzliche Auflösungsentscheidung nicht in Frage gestellt. Die Beklagte will aus ihrem Tatsachenvortrag zur Personalratsbeteiligung eine andere als die im rechtskräftigen Feststellungsurteil ausgeurteilte Rechtsfolge ableiten, nämlich einen Anspruch auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.
c) Auch aus dem Wortlaut des § 9 KSchG folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, daß sonstige, dem Schutz des Arbeitnehmers dienende Unwirksamkeitsgründe als Voraussetzung eines arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags im Berufungsverfahren einer erneuten Sachprüfung entzogen sind, wenn der Arbeitgeber nur gegen die Abweisung seines Hilfsantrags, nicht aber gegen die stattgebende Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag Berufung eingelegt hat.
Die Annahme des Landesarbeitsgericht, es könne über die Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine bestimmte Kündigung und über die gerichtliche Auflösung nur gleichzeitig entschieden werden, ist nach dem Wortlaut der Norm nicht zwingend. Im Regelfall ist zwar einheitlich zu entscheiden, so daß zB eine Aufteilung der Entscheidung in ein Teilurteil wegen Unwirksamkeit der Kündigung und ein Schlußurteil wegen Auflösung gegen Abfindung nicht zulässig ist (BAG 4. April 1957 – 2 AZR 456/54 – BAGE 4, 90; 9. Dezember 1971 – 2 AZR 118/71 – BAGE 24, 57).
Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung setzt immer einen Antrag voraus, so daß eine Teilbarkeit gegeben, jedenfalls nicht ausgeschlossen ist (für den Fall des Teil-Anerkenntnisurteils über den Kündigungsschutzantrag und des Schlußurteils über die Auflösung vgl. BAG 29. Januar 1981 – 2 AZR 1055/78 – BAGE 35, 30, 37). So ist es zB auch anerkannt, daß die Entscheidung über den Auflösungsantrag durch Nichteinlegung eines Rechtsmittels gegen die stattgebende Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag oder durch Beschränkung eines Rechtsmittels allein auf den Auflösungsanspruch isoliert angegriffen werden kann(vgl. BAG 29. Januar 1981 – 2 AZR 1055/78 – BAGE 35, 30, 37; 26. November 1981 – 2 AZR 509/79 – BAGE 37, 135, 138; 28. Februar 1985 – 2 AZR 403/83 – BAGE 49, 21; KR-Spilger 5. Aufl. § 9 KSchG Rn. 97), wie es die Beklagte vorliegend getan hat. Der Rechtsstreit der Parteien ist damit in der Berufungsinstanz, soweit für die Revision von Interesse, in zulässiger Weise auf den Auflösungsantrag der Beklagten beschränkt worden.
d) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Senatsentscheidungen vom 29. Januar 1981(– 2 AZR 1055/78 – aaO) und vom 10. November 1994(– 2 AZR 207/94 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 24 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 43, zu II 2 der Gründe) beruhten jedenfalls im Ergebnis auf den im angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen, ist unzutreffend. In diesen Entscheidungen ist die hier allein interessierende Frage, welche Bindungswirkungen sich bei einer auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG beschränkten Berufung des Arbeitgebers aus dem Urteil des Arbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag ergeben, nicht behandelt worden.
e) Gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts sprechen schließlich prozeßökonomische Erwägungen. Mit der isolierten Anfechtung der Entscheidung über den Auflösungsantrag hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, sie wolle die Sozialwidrigkeit der Kündigung als Voraussetzung der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses akzeptieren. Könnte sie mit einer derart beschränkten Berufung nicht mehr geltend machen, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, es lägen neben der Sozialwidrigkeit auch andere den Arbeitnehmerschutz bezweckende Unwirksamkeitsgründe vor, wäre sie gezwungen, zugleich gegen das dem Kündigungsschutzantrag stattgebende Feststellungsurteil Berufung einzulegen. Das Berufungsgericht hätte dann – überflüssigerweise – die Kündigung auch erneut auf ihre Sozialwidrigkeit hin zu überprüfen.
4. Da das Landesarbeitsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt gesehen konsequent – keine eigenen Feststellungen über den Inhalt der nach § 78 Abs. 1, § 76 Abs. 1 SächsPersVG erforderlichen Erörterungen über die beabsichtigte Kündigung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).
5. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Der Kläger rügt zu Unrecht, die Unwirksamkeit der Kündigung beruhe auch auf einem Verstoß gegen § 28 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO.
a) Zwar entscheidet nach § 28 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO ua. über die Entlassung der Gemeindebediensteten der Gemeinderat im Einvernehmen mit dem Bürgermeister. Dies ist hier nicht geschehen. Die Kündigungsentscheidung ist allein vom Oberbürgermeister der Beklagten getroffen worden und dieser hat den Gemeinderat lediglich über seine Entscheidung in Kenntnis gesetzt. Eine konkludente Entscheidung oder ein konkludent erklärtes Einvernehmen des Gemeinderates, wie von der Beklagten geltend gemacht, reicht jedoch nach § 28 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO nicht aus. Eine Willensäußerung des Gemeinderates setzt stets eine förmliche Beschlußfassung voraus, an der es vorliegend fehlt.
b) Aus dieser Verletzung des § 28 Abs. 3 SächsGemO kann aber nicht die Unwirksamkeit der durch den Oberbürgermeister ausgesprochenen Kündigung hergeleitet werden.
aa) Es handelt sich hier schon nicht um eine Arbeitnehmerschutzbestimmung, deren Verletzung einem Auflösungsantrag der Beklagten entgegenstehen könnte. § 28 Abs. 3 SächsGemO regelt lediglich die interne Zuständigkeit der Gemeindeorgane. Durch das Erfordernis eines Einvernehmens zwischen Gemeinderat und Bürgermeister wird für bestimmte Geschäfte mit schwerwiegenderen finanziellen Folgen sichergestellt, daß nur Gemeinderat und Bürgermeister gemeinsam die Gemeinde verpflichten können. Der Schutz des Außenstehenden, insbesondere desjenigen, demgegenüber die Willenserklärung abzugeben ist, ist damit ersichtlich nicht beabsichtigt.
bb) Außerdem führt ein Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO nicht zur Nichtigkeit einer durch den Bürgermeister allein ausgesprochenen Kündigung. Weil die Vorschrift nur die interne Zuständigkeit der Gemeindeorgane regelt, bleibt die aus § 51 Abs. 1 Satz 2 SächsGemO folgende Vertretungsmacht des (Ober-)Bürgermeisters als des zur Außenvertretung zuständigen Organs unberührt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Bürgermeister einer Gemeinde, dem nach der einschlägigen Gemeindeordnung das Alleinvertretungsrecht für die Gemeinde zusteht, regelmäßig auch dann für die Gemeinde verbindlich, wenn entsprechende Beschlüsse der Gemeindevertretung nicht vorlagen. Die fehlende Mitwirkung der Gemeindevertretung hat keinen Einfluß auf die dem Bürgermeister zustehende Vertretungsmacht, sondern berührt nur die von der Außenvertretung zu trennende interne Pflichtenbindung (BAG 14. November 1984 – 7 AZR 133/83 – BAGE 47, 179 [Baden-Württemberg]; BGH 18. Dezember 1997 – VII ZR 155/96 – WM 1998, 1097 [DDR-Kommunalverfassung]; BGH 15. April 1998 – VIII ZR 129/97 – NJW 1998, 3058 [DDR-Kommunalverfassung]; BGH 20. April 1966 – V ZR 50/65 – BB 1966, 603 [Baden-Württemberg]; BGH 16. November 1978 – III ZR 81/77 – NJW 1980, 117 [Rheinland-Pfalz]). An dieser Rechtsprechung ist auch für die Sächsische Gemeindeordnung, nach deren § 51 Abs. 1 Satz 2 der Bürgermeister die Gemeinde vertritt, festzuhalten. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen betreffen Sonderfälle, in denen die Vertretungsmacht des Bürgermeisters durch weitere Erfordernisse (Dienstsiegel, zweite Unterschrift, Geschäfte der laufenden Verwaltung, Abberufungserfordernis bei Rechnungsprüfern) eingeschränkt ist.
6. Soweit der Kläger schließlich geltend gemacht hat, die Kündigung sei auch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, hat er lediglich eine Rechtsbehauptung aufgestellt, aber keine Tatsachen vorgebracht, die diesen Schluß rechtfertigen könnten.
7. Das Landesarbeitsgericht wird nach Zurückverweisung insbesondere zu prüfen haben, ob der Personalrat schriftlich bzw. mündlich ordnungsgemäß über den Kündigungssachverhalt unterrichtet worden ist, wie die Beklagte mit detailliertem Sachvortrag und unter Beweisantritt behauptet hat. Sollte das Landesarbeitsgericht nach erneuter Verhandlung ebenfalls zu dem Ergebnis gelangen, daß der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist, kommt eine gerichtliche Auflösung nach § 9 KSchG auf Antrag der Beklagten nicht in Betracht, da die Kündigung vom 24. Oktober 1995 in diesem Fall nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus einem anderen, dem Arbeitnehmerschutz dienenden Grund unwirksam ist. Ist die Beteiligung des Personalrats hingegen ordnungsgemäß erfolgt, wird das Landesarbeitsgericht darüber hinaus zu prüfen haben, ob das tatsächliche Vorbringen der Beklagten eine Auflösung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG rechtfertigt, dh. ob Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Bensinger, Pitsch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.09.2001 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 676211 |
BB 2002, 632 |
DB 2002, 540 |
NJW 2002, 1287 |
ARST 2002, 164 |
NZA 2002, 1171 |
SAE 2002, 204 |
ZTR 2002, 294 |
AP, 0 |
AuA 2002, 238 |
EzA-SD 2002, 11 |
EzA |
NJ 2002, 388 |
AUR 2002, 116 |