Entscheidungsstichwort (Thema)
Hamburger Ruhegeldgesetz. Arbeitnehmerbeiträge. Eigenbeteiligung. gerichtliche Überprüfung von Landesgesetzen. Streitgegenstand. Gesetzgebungszuständigkeit. Konkurrierende Gesetzgebung. Abgrenzung Arbeits- und Sozialversicherungsrecht. betriebliche Altersversorgung. Beitragspflicht der Arbeitnehmer. Eigentumsschutz. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Gleichheitssatz. Tarifautonomie. materielle Richtigkeitsgewähr. Rechtsstaatsprinzip. unechte Rückwirkung. Vertrauensschutz. dynamische Verweisung. Wegfall der Geschäftsgrundlage. vertragliche Risikozuweisun. Betriebliche Altersversorgung. Tarifrecht. Tarifrecht im öffentlichen Dienst. Gleichbehandlung. Verfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat durch Änderung des Ersten und Zweiten Ruhegeldgesetzes wirksam eine Verpflichtung ihrer Arbeitnehmer eingeführt, zu ihrer Zusatzversorgung einen Beitrag von derzeit 1,25 vH des Arbeitsentgelts zu leisten.
Orientierungssatz
Normenkette
1. RGG Abschn. 1a; 2. RGG §§ 2a, 2b, 2c, 2d, 2e; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 20 Abs. 3, Art. 70 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1; BGB §§ 134, 139, 315, 242; Gesetz zur Änderung ruhegeldrechtlicher Vorschriften vom 14. Juli 1999 Art. 1-2; Gesetz über das Sondervermögen “Zusatzversorgung der Freien und Hansestadt Hamburg” vom 14. Juli 1999
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz einen Beitrag zu den Versorgungsausgaben der Beklagten leisten muß.
Die Klägerin ist seit dem 1. Februar 1976 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt. In § 6 des Arbeitsvertrages vom 6. März 1992 vereinbarten die Parteien – ebenso wie in den vorausgegangenen Arbeitsverträgen –, daß “eine zusätzliche Alter- und Hinterbliebenenversorgung unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Freien und Hansestadt Hamburg (Ruhegeldgesetz) in der jeweils geltenden Fassung gewährt” wird.
Das Gesetz zur Neuregelung der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Zweites Ruhegeldgesetz – 2. RGG) vom 7. März 1995 (Hamburgisches GVBl. I S 53) gilt nach § 1 Abs. 1 für die Arbeitnehmer der Beklagten, deren Beschäftigungsverhältnis nach dem Tag vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begründet worden ist. Den bereits vorher beschäftigten Arbeitnehmern steht weiterhin die im Ersten Ruhegeldgesetz (1. RGG) geregelte Gesamtversorgung zu. Ihre Höhe richtet sich nach den ruhegeldfähigen Bezügen und der ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit. Davon sind die in den §§ 26 bis 27 des 1. RGG genannten “Renten, ähnlichen Leistungen und sonstigen Bezüge aus öffentlichen Mitteln” abzuziehen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des 1. RGG). Der Differenzbetrag wird nach § 6 Abs. 1 des 1. RGG als Ruhegeld gewährt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 des 1. RGG erhalten die Versorgungsberechtigten mindestens 10,23 Euro (= 20,00 DM) monatlich. Dieses Mindestruhegeld steigt nach einer ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit von zehn Jahren mit jedem weiteren vollen Beschäftigungsjahr bis zum vollendeten zwanzigsten Beschäftigungsjahr um 0,51 Euro und von da an um 1,02 Euro bis zu einem Höchstbetrag von 30,68 Euro (= 60,00 DM) monatlich. Durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Ersten Ruhegeldgesetzes vom 14. Juli 1999 (Hamburgisches GVBl. I S 148) ist in das 1. RGG der Abschnitt “1a. Beiträge” eingefügt worden. Dieser Abschnitt lautet auszugsweise:
Ҥ 1a
Grundlagen, Beitragssatz
Die Arbeitnehmer leisten einen Beitrag zu den Versorgungsausgaben. Der Anfangsbeitragssatz beträgt 1,25 vom Hundert. Die Änderung des Anfangsbeitragssatzes und den Zeitpunkt seiner Erhöhung oder Verminderung bestimmt der Senat in Anlehnung an die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 2. Dezember 1966 (Bundesanzeiger Nummer 239), zuletzt geändert am 9. Oktober 1998 (Bundesanzeiger 1999 Nummer 47), in der jeweils geltenden Fassung durch Rechtsverordnung.
…
§ 1c
Bemessungsgrundlage
Grundlage für die Erhebung des Beitrags ist das als Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg erzielte steuerpflichtige Arbeitsentgelt. Der Beitrag wird vom Arbeitsentgelt einbehalten.
§ 1d
Sondervermögen, Versorgungsrückstellungen
- Die einbehaltenen Beiträge werden Sondervermögen oder Versorgungsrückstellungen zugeführt.
- Das Nähere wird durch ein Gesetz geregelt. Dabei werden insbesondere Bestimmungen über Verwaltung und Anlage des Sondervermögens getroffen.
§ 1e
Beitragserstattung
- Endet das Arbeitsverhältnis, ohne daß ein Anspruch auf Versorgung nach diesem Gesetz oder eine Anwartschaft auf Leistungen nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (Bundesgesetzblatt I Seite 3610), zuletzt geändert am 16. Dezember 1997 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2998, 3025), in der jeweils geltenden Fassung entstanden ist, werden dem früheren Arbeitnehmer die von ihm entrichteten Beiträge vom Sondervermögen oder aus den Versorgungsrückstellungen erstattet.
- Der Anspruch nach Absatz 1 kann nicht auf einen Teil der erstattungsfähigen Beträge beschränkt werden. Die Erstattung erfolgt ohne Zinsvergütung und ohne Erhebung von Verwaltungskosten oder Auslagen. Mit der Erstattung erlöschen alle Versorgungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.”
Entsprechende Vorschriften enthalten auch die gleichzeitig eingefügten §§ 2a bis 2e des 2. RGG. Im Gesetz über das Sondervermögen “Zusatzversorgung der Freien und Hansestadt Hamburg” vom 14. Juli 1999 (Hamburgisches GVBl. I S 146) heißt es:
Ҥ 2
Errichtung
Die Freie und Hansestadt Hamburg bildet unter dem Namen ‘Zusatzversorgung der Freien und Hansestadt Hamburg’ ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen.
§ 3
Zweck
Das Sondervermögen dient der Sicherung der Zusatzversorgungsaufwendungen. Es darf nach Maßgabe des § 7 nur zur Entlastung von Zusatzversorgungsaufwendungen der in § 1 genannten Einrichtungen verwendet werden, die eine Zusatzversorgung nach dem Ersten oder Zweiten Ruhegeldgesetz gewähren. Ansprüche auf Beitragserstattungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen das Sondervermögen sind nur nach Maßgabe des Ersten beziehungsweise des Zweiten Ruhegeldgesetzes gegeben.
§ 4
Stellung im Rechtsverkehr
- Das Sondervermögen kann im Rechtsverkehr unter seinem Namen klagen oder verklagt werden. Der Gerichtsstand des Sondervermögens ist Hamburg.
- Für Verbindlichkeiten des Sondervermögens haftet die Freie und Hansestadt Hamburg unbeschränkt.
…
§ 7
Verwendung des Sondervermögens
Das Sondervermögen ist nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes kontinuierlich zur Entlastung von Zusatzversorgungsaufwendungen einzusetzen. Die Höhe der Entnahme ist durch Beschluß des Beirates zu regeln.”
Laut Bezügemitteilung für September 1999 entrichtete die Klägerin einen monatlichen “RGG-Beitrag” in Höhe von 62,96 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Landesgesetzgeber habe in § 1a ff. des 1. RGG keine Beitragspflicht der Arbeitnehmer einführen dürfen. Er habe hierfür keine Gesetzgebungskompetenz gehabt. Denn die Schaffung der Beitragspflicht sei nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nicht dem Arbeitsrecht, sondern dem Sozialversicherungsrecht zuzuordnen. Außerdem verletze das Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Ersten Ruhegeldgesetzes vom 14. Juli 1999 die Grundrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es greife in die durch Art. 14 GG geschützten Vergütungsansprüche und Versorgungsanwartschaften ein, ohne den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die Neuregelungen seien nicht geeignet, nicht erforderlich und unangemessen. Sie mißachteten die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie, weil die Arbeitsvergütung durch die Beitragsleistung faktisch vermindert werde. Auch mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sei die Gesetzesänderung nicht zu vereinbaren. Die Arbeitnehmer hätten darauf vertrauen dürfen, daß die betriebliche Altersversorgung an keine Eigenbeteiligung geknüpft sei. Zumindest hätten sie erwarten können, für ihre Eigenleistung zumindest eine gleichwertige Versorgung zu erhalten. §§ 134 und 315 BGB führten ebenfalls dazu, daß keine Beitragspflicht bestehe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß sie nicht verpflichtet ist, einen Beitrag zu den Versorgungsausgaben in Höhe von zur Zeit 1,25 % gem. § 1a des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (1. RGG) zu leisten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, das Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Ersten Ruhegeldgesetzes vom 14. Juli 1999 habe die Beitragspflicht der Arbeitnehmer wirksam eingeführt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat nach § 1a Satz 1 des 1. RGG einen Beitrag zu den Versorgungsausgaben der Beklagten zu leisten. Der Beitragssatz beträgt nach § 1a Satz 2 und § 1c Satz 1 des 1. RGG derzeit 1,25 % des bei der Beklagten erzielten steuerpflichtigen Arbeitsentgelts. Diese Vorschriften sind wirksam und auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwenden.
Weder einzelvertragliche Vereinbarungen noch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage stehen der Anwendbarkeit der Beitragsregelungen entgegen.
- Das 1. RGG gilt nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 nicht für Arbeitnehmer, mit denen eine besondere Versorgungsregelung einzelvertraglich vereinbart worden ist. Dieser Ausnahmetatbestand liegt nicht vor. Die Beklagte hat der Klägerin im Arbeitsvertrag ausdrücklich nur eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Freien und Hansestadt Hamburg (Ruhegeldgesetz) in der jeweils geltenden Fassung zugesagt. Diese Vertragsklausel stellt klar, daß die Regelungen des RGG einschließlich der wirksamen künftigen Änderungen ohne Einschränkung anzuwenden sind.
- Die geänderten Vorschriften des RGG gelten unmittelbar und nicht nur kraft einzelvertraglicher Vereinbarung. Die normative Wirkung kann nicht mit Hilfe der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) eingeschränkt werden. Im übrigen enthält die deklaratorische dynamische Verweisung auf die Vorschriften des 1. RGG eine Risikozuweisung. Die Vertragsparteien haben den Inhalt des Versorgungsverhältnisses überhaupt nicht eigenverantwortlich geregelt, auch nicht partiell durch eine statische Verweisung auf die bisherige Finanzierung der Altersversorgung, sondern sich allen künftigen Änderungen des Ruhegeldgesetzes unterworfen. Da die vertragliche Risikoverteilung auch die Einführung einer Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer umfaßt, ist die Geschäftsgrundlage der vertraglichen Vereinbarung nicht weggefallen (vgl. BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 108/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 14 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 4, zu I 6b der Gründe zu einer dynamischen Verweisung auf das Beamtenversorgungsrecht).
Das Gesetz zur Änderung ruhegeldrechtlicher Vorschriften vom 14. Juli 1999 hat durch Einfügung des Abschnittes 1a in das 1. RGG die Beitragspflicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksam eingeführt.
Der Senat hat lediglich die entscheidungserheblichen Vorschriften des 1. RGG zu überprüfen. Streitgegenstand ist die im Abschnitt 1a des 1. RGG geregelte Verpflichtung der Klägerin, zu den Versorgungsausgaben der Beklagten einen Beitrag in Höhe von derzeit 1,25 % des steuerpflichtigen Arbeitsentgelts zu leisten. Auf die Bestimmungen des 1. RGG zur Höhe der Versorgungsansprüche und zur Betragsrückerstattung kommt es im vorliegenden Rechtsstreit nicht an, weil sie sich auf das Bestehen und den Umfang der Beitragspflicht auswirken. Die landesgesetzlich geregelte Beitragspflicht ist weder formell noch materiell zu beanstanden.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat die Gesetzgebungskompetenz für diese Regelung.
Die Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Leistung von Beiträgen in Höhe von derzeit 1,25 % des steuerpflichtigen Arbeitsentgelts verletzt kein Grundrecht und verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Die Einführung einer Eigenbeteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt keinen Art. 14 GG verletzenden Eingriff in die Eigentumsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar.
- Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten. Insoweit kommt die Eigentumsgarantie nur dann zum Zuge, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, daß sie eine erdrosselnde Wirkung haben (BVerfG 8. April 1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267, 300 mwN). Diese Voraussetzung ist, wie das Landesarbeitsgericht richtig ausgeführt hat, nicht erfüllt.
- Der in § 1c Satz 2 des 1. RGG vorgeschriebene Einbehalt der Arbeitnehmerbeiträge von der Arbeitsvergütung führt allerdings zu einer Erfüllung der Beitragspflicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern steht ein Teil ihrer Arbeitsvergütung nicht mehr zur Verfügung. Da auch privatrechtliche Forderungen als Eigentum anzusehen sind (BVerfG 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 208), ist insoweit der Schutzbereich Art. 14 Abs. 1 GG berührt. § 1c Satz 2 des 1. RGG ist jedoch eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Inhalts- und Schrankenbestimmung. Der Einbehalt der Beiträge vom Arbeitsentgelt ist ein geeignetes, angemessenes Mittel zur Durchsetzung der Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer, zumal eine Aufrechnung nach § 389 BGB bewirkt, daß die Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken.
Die Betriebsrentenansprüche zählen zwar zu den durch Art. 14 GG geschützten Rechtspositionen. Wie weit der Eigentumsschutz reicht, hängt aber vom Inhalt der rechtsgeschäftlichen Versorgungszusage oder der normativen Versorgungsregelungen ab. Bloße Chancen und Erwartungen werden nicht geschützt. Über die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung entscheiden jedoch die Arbeitsvertragsparteien, die Betriebspartner, die Tarifvertragsparteien oder – wie im vorliegenden Fall – der Landesgesetzgeber. Eine über die eingeräumten Ansprüche hinausgehende Rechtsposition gewährleistet Art. 14 GG nicht (BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 108/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 14 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 4, zu I 5b der Gründe).
Da sich die Betriebsrentenansprüche nach dem bei Eintritt des Versorgungsfalles geltenden Ruhegeldgesetz richten, legen die im Anwartschaftsstadium erfolgten Änderungen des Ruhegeldgesetzes nur den Anspruchsinhalt fest. Der Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung ändert nichts daran, daß die Ausgestaltung der Betriebsrente vor Eintritt des Versorgungsfalles noch nicht feststeht, sondern die spätere Rechtsnorm die frühere ablöst.
Im Beschluß vom 3. Dezember 1998 (– 1 BvR 2262/96 – NZA-RR 1999, 204 f.) hat das Bundesverfassungsgericht offen gelassen, ob die Anwartschaft auf ein Ruhegeld nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt. Auch im vorliegenden Fall kann dies offen bleiben. Jedenfalls sind die Vorschriften über die Entgeltbeteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen.
Die von den Arbeitnehmern zu leistenden Beiträge können nicht losgelöst von der betrieblichen Altersversorgung gesehen werden. Den Arbeitnehmern wird für die Zusatzversorgung eine bisher fehlende Gegenleistung abverlangt. Dadurch verringert sich der Wert der betrieblichen Altersversorgung. Die Klägerin wendet sich nicht gegen eine Beschränkung ihrer Versorgungsrechte, sondern gegen den eingeschlagenen Weg der Einführung einer Beitragspflicht. Die im 1. RGG gewählte Lösung entspricht jedoch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
- Die vorgeschriebene Beitragsleistung der Arbeitnehmer ist geeignet, das verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelungsziel zu erreichen. Die Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung stellen die öffentlichen Arbeitgeber angesichts ihrer Haushaltslage vor erhebliche Finanzierungsprobleme. Die Beiträge der Arbeitnehmer sollen die Versorgungsaufwendungen der Beklagten begrenzen (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Drucksache 16/2259 S 6 f. Nr. 1.4). Die angestrebte Entlastung der Beklagten tritt ein.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Gesetzesänderung auch erforderlich ist. Das Gebot der Erforderlichkeit wäre verletzt, wenn das verfolgte Ziel auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden könnte, das die Grundrechte der Arbeitnehmer nicht oder weniger fühlbar einschränkt (vgl. ua. BVerfG 26. April 1995 – 1 BvL 19/94 und 1 BvR 1454/94 – BVerfGE 92, 262, 273). Die in Betracht kommenden Alternativen sind jedoch weniger erfolgversprechend.
- Ob die Absenkung der Versorgungsleistungen (die Klägerin bezeichnet dies als unmittelbare Reduzierung des Versorgungsniveaus) überhaupt ein milderes Mittel darstellen würde, kann dahinstehen. Sie würde die Beklagte nicht ebenso effektiv entlasten wie die Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen im laufenden Arbeitsverhältnis. Die Beitragsleistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen zu einer rascheren Entlastung des Haushalts der Beklagten. Durch die Bildung des Sondervermögens wird eine teilweise Kapitaldeckung erreicht, mit deren Hilfe die Nachteile abgemildert werden, die bei einer Finanzierung der Betriebsrenten aus dem laufenden Haushalt entstehen. § 7 des Gesetzes über das Sondervermögen “Zusatzversorgung der Freien und Hansestadt Hamburg” vom 14. Juli 1999 schreibt vor, daß bereits fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes das Sondervermögen kontinuierlich zur Entlastung von Zusatzversorgungsaufwendungen einzusetzen ist.
- Ein Wahlrecht der Arbeitnehmer zwischen einer Beitragspflicht und geringeren Versorgungsleistungen wäre zwar ein milderes Mittel, aber – wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat – weniger geeignet. Soweit sich die Arbeitnehmer für eine Absenkung der Versorgungsleistungen entscheiden würden, ergäben sich für die Beklagte erst ab Eintritt des Versorgungsfalles Einsparungen. Wann und in welchem Umfang der Haushalt der Beklagten entlastet würde, hinge von individuellen Entscheidungen der Arbeitnehmer ab. Dies würde zum einen die Kalkulierbarkeit und damit die Finanzplanung der Beklagten erschweren. Zum anderen wären unterschiedliche Rentenberechnungen erforderlich. Dadurch entstünde ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand bei dem ohnehin komplizierten Versorgungssystem.
- Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß ein Wechsel zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) kein gleichwertiges, milderes Mittel darstellen würde. Gegen diese Lösung sprechen bereits finanzielle Gründe (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Drucksache 16/2259 S 8 Nr. 6.1.1, die auf die Drucksache 15/366 S 12 verweist). Nach den bisherigen Regelungen des Ruhegeldgesetzes belasteten erst die mit Eintritt des Versorgungsfalles einsetzenden Rentenleistungen den Haushalt der Beklagten. Bei einer Ablösung des bisherigen Systems durch eine Versicherung der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer in der VBL würden sich während einer Übergangszeit die Zahlung der laufenden Betriebsrenten und die an die VBL zu leistenden Umlagen addieren. Dadurch würden die Personalkosten in dieser Übergangszeit beträchtlich ansteigen. Abgesehen davon ist der Beitragssatz des § 1a Satz 2 des 1. RGG von derzeit 1,25 auch in § 76 Abs. 1a der Satzung der VBL (VBLS) vorgesehen.
Ebenfalls zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Belastung der Arbeitnehmer mit eigenen Beiträgen in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Neuregelung verfolgten Interessen der Beklagten steht. Die Einschränkung der Eigentumsrechte ist angemessen, wenn sie den Betroffenen nicht übermäßig belastet und ihm zumutbar ist (vgl. BVerfG 10. Februar 1987 – 1 BvL 15/83 – BVerfGE 74, 203, 214 f. mwN). Diese Voraussetzung ist erfüllt.
Wie weit die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers reicht, hängt nicht zuletzt von den Besonderheiten des geregelten Eigentumsobjekts ab. Die betriebliche Altersversorgung der Beklagten stellt zwar eine Gegenleistung für die von den Arbeitnehmern erbrachte Betriebstreue und die früheren Arbeitsleistungen dar. Sie ist aber eine zusätzlich zur Arbeitsvergütung gewährte Leistung, deren Inhalt nicht von vornherein festgelegt war, sondern der Ausgestaltung und Änderung des Gesetzgebers bis zum Eintritt des Versorgungsfalles unterliegt. Verschlechterungen der Versorgungsregelungen sind – insbesondere bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten – nicht ausgeschlossen, sondern vorbehalten.
Die zunehmend steigenden Versorgungskosten, die sich im Jahre 1998 auf ca. 215 Mio DM und im Jahre 1999 auf ca. 229 Mio DM beliefen, stellten eine erhebliche Belastung in einer ohnehin angespannten Haushaltslage dar. Die Konsolidierung des Haushalts und die Sicherung einer soliden Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung ist ein Ziel, dem bei der Interessenabwägung erhebliches Gewicht zukommt. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1998 (– 1 BvR 1554/89, 963, 964/94 – BVerfGE 98, 365 ff.) berufen und daraus nicht ableiten, daß die Haushaltslage der Beklagten bei der nach Art. 14 GG erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Rolle spielt.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1998 (– 1 BvR 1554/89, 963, 964/94 – aaO) waren weder die Gleichbehandlung unterschiedlich hoher Versorgungszusagen eines öffentlichen Arbeitgebers bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch § 18 BetrAVG in der damals geltenden Fassung noch die damalige Ungleichbehandlung der Verfallbarkeit von betrieblichen Altersrenten in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst durch das damalige Betriebsrentengesetz mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren. Mit der im vorliegenden Fall zu treffenden Interessenabwägung hat dies nichts zu tun.
Die in Abschnitt 1a des 1. RGG vorgeschriebene Eigenbeteiligung belastet die Arbeitnehmer nicht übermäßig und unzumutbar.
Die Ausgestaltung der Beitragspflicht lehnt sich an die vergleichbare VBL-Versorgung an. Auf Grund des wachsenden Finanzierungsbedarfs entwickelten sich die Umlagesätze bei der VBL wie folgt: 4 % für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis einschließlich 31. Dezember 1989, 4,5 % für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis einschließlich 31. Dezember 1994, 4,8 % für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1998, 5,2 % für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1998 und 7,7 % ab 1. Januar 1999 (Berger/Kiefer/Langenbrinck Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Stand: Dezember 2001 Teil B VBLS § 76 Erl. 1). Durch § 1 Nr. 2 Buchst. a und § 2 des 24. Änderungstarifvertrages vom 20. Mai 1998 zum Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Berger/Kiefer/Langenbrinck aaO Anhang IV A1 25) wurde die Finanzierung der VBL-Versorgung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 wie folgt geändert:
“Der Arbeitgeber hat eine monatliche Umlage in Höhe des nach § 76 der Satzung der VBL festgesetzten Satzes des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (Absatz 5) des Arbeitnehmers einschließlich des vom Arbeitnehmer zu zahlenden Beitrags an die VBL abzuführen. Bis zu einem Umlagesatz von 5,2 v. H. trägt der Arbeitgeber die Umlage allein, der darüber hinausgehende Finanzierungsbedarf wird zur Hälfte vom Arbeitgeber durch eine Umlage und zur Hälfte vom Arbeitnehmer durch einen Beitrag getragen. Den Beitrag des Arbeitnehmers behält der Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt ein.”
Diese Regelung, die in § 76 Abs. 1a VBLS umgesetzt worden ist, stellt eine ausgewogene Verteilung der kontinuierlich anwachsenden Kostenbelastung dar. Den Finanzierungsbedarf auf dem ohnehin schon sehr hohen Niveau vom 31. Dezember 1998 trägt allein der Arbeitgeber. Lediglich der darüber hinausgehende Anstieg wird zur Hälfte auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt. Ab 1. Januar 1999 lag der Umlagesatz von 7,7 % um 2,5 % über dem bis einschließlich 31. Dezember 1998 geltenden Umlagesatz von 5,2 %. Die Hälfte dieses Anstiegs (1,25 %) entspricht dem in § 1a Satz 2 des 1. RGG vorgeschriebenen Beitragssatz.
- Die Anlehnung an die bei der VBL vorgesehene Eigenbeteiligung liefert einen brauchbaren Verteilungsmaßstab. Die betriebliche Altersversorgung nach dem 1. RGG ist zwar auf Arbeitgeberseite weder umlage- noch beitragsfinanziert. Es gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Finanzierungsprobleme der Beklagten erheblich geringer sind als bei den Arbeitgebern, die ihre Arbeitnehmer bei der VBL versichert haben. Eine von den Tarifvertragsparteien ausgehandelte Regelung hat die Vermutung für sich, daß sie den Interessen beider Seiten gerecht wird (sog. materielle Richtigkeitsgewähr der Tarifverträge, vgl. ua. BAG 23. Januar 1992 – 2 AZR 470/91 – BAGE 69, 257, 270 mwN). Der Gesetzgeber überschreitet mit der Übernahme der tarifvertraglichen Lösung nicht den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum.
- Entgegen der Ansicht der Klägerin ändern die Regelungen des 1. RGG über die Beitragserstattung, die Mindestversorgung und die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts an der Wirksamkeit der Beitragspflicht nichts. Selbst wenn diese Vorschriften den Arbeitnehmerbeitrag zur Zusatzversorgung nicht ausreichend berücksichtigen würden, wären lediglich sie, nicht aber die Beitragspflichten verfassungswidrig. Auf gesetzliche Regelungen ist § 139 BGB nicht anwendbar. Zusammenhängende Rechtsvorschriften sind nur dann insgesamt unwirksam, wenn der gültige Teil des Gesetzes keine eigene Bedeutung hat oder die Gesamtregelung bei einer Teilnichtigkeit ihren Sinn verlieren würde. Falls die Beitragsrückerstattung oder die Versorgungsansprüche zu niedrig ausfielen, wäre dieser Fehler durch höhere Leistungen der Beklagten zu beheben. Die vorgeschriebene Beitragspflicht würde nicht bedeutungslos und bliebe gerechtfertigt.
Die Regelungen des 1. RGG über die Beitragspflicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verletzen nicht die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit. Art. 9 Abs. 3 GG bildet die Grundlage für die Tarifautonomie (vgl. ua. BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – BVerfGE 58, 233, 248 f.). Auch die Begrenzung des Geltungsbereichs von Tarifverträgen fällt unter die Tarifautonomie (BAG 18. September 1985 – 4 AZR 75/84 – BAGE 49, 360, 367). Nach § 1 Abs. 3 Buchst. a des Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) sind die Arbeitnehmer der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e. V. vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages ausgenommen. Die Tarifvertragsparteien haben es bewußt dem Hamburger Gesetzgeber überlassen, die betriebliche Altersversorgung der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zu regeln.
Von einem Eingriff in die Tarifautonomie kann um so weniger die Rede sein, als sich das 1. und 2. RGG bei der Ausgestaltung der Beitragspflicht eng an die tarifvertraglichen Regelungen angelehnt haben. Sowohl bei der Höhe der Beitragspflicht als auch beim Einzug der Beiträge durch Einbehalt vom Arbeitslohn stimmen die Vorschriften des 1. und 2. RGG einerseits sowie des VersTV-G und der VBL-Satzung andererseits überein. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, handelt es sich dabei um betriebsrentenrechtliche Regelungen. Die tarifvertraglich vereinbarte Bruttovergütung bleibt davon unberührt.
Ebensowenig verletzt die im 1. und 2. RGG vorgeschriebene Beitragspflicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
- Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der Gleichheitssatz den Gesetzgeber allein im eigenen Zuständigkeitsbereich bindet (BVerfG 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 – BVerfGE 76, 1, 73). Abgesehen davon haben das 1. und 2. RGG gerade die im öffentlichen Dienst der übrigen Bundesländer und Kommunen zwischenzeitlich eingeführte Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer übernommen. Diese Gleichbehandlung rechtfertigt zwar noch nicht ohne weiteres Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Freiheitsrechte. Die sog. materielle Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen kann aber bei der Rechtskontrolle Bedeutung gewinnen.
- Auf die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung in der Privatwirtschaft kommt es nicht an. Der Hamburger Gesetzgeber konnte nur die Altersversorgung seiner Arbeitnehmer regeln, nicht aber die Altersversorgung der Hamburger Privatwirtschaft. Das Betriebsrentengesetz hat die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung dem einzelnen Arbeitgeber, den Betriebspartnern und Tarifvertragsparteien überlassen. Der Landesgesetzgeber hat nicht die Kompetenz, dies zu ändern. Außerdem fehlt, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, wegen der unterschiedlichen Versorgungssysteme eine Vergleichbarkeit mit der Privatwirtschaft.
Die einheitliche Eigenbeteiligung nach dem 1. und 2. RGG stellt keine verfassungswidrige Gleichbehandlung dar. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (BVerfG 12. Mai 1992 – 1 BvR 1467, 1501/91 – BVerfGE 86, 81, 87). Die tatsächlichen Ungleichheiten müssen so bedeutsam sein, daß es für ihre Nichtbeachtung keinen vernünftigen Grund gibt (vgl. BVerfG 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 – BVerfGE 90, 226, 239; 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89, 963, 964/94 – BVerfGE 98, 365, 385). Einer derartigen Kontrolle halten das 1. und 2. RGG stand.
Das Bedürfnis nach rascher und wirksamer Entlastung des öffentlichen Haushalts von Versorgungsaufwendungen stellt sich bei allen Versorgungsberechtigten. Die Zusatzversorgung nach dem 1. RGG, die auch der Klägerin zusteht, ist günstiger als die nach dem 2. RGG. Deshalb könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob der Beitragssatz der unter das 2. RGG fallenden Arbeitnehmer nicht niedriger ausfallen müßte. Es kann offenbleiben, ob sich die begünstigte Klägerin überhaupt auf eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung berufen könnte. Für eine Begünstigung der unter das 1. RGG fallenden Arbeitnehmer gibt es sachliche Gründe. Das 1. RGG gilt für die Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis bei Inkrafttreten des 2. RGG bereits bestand. Da die betriebliche Altersversorgung ein zusätzliches Entgelt für die erwiesene Betriebstreue darstellt, ist es sachgerecht, durch einen einheitlichen Beitragssatz die länger beschäftigten Arbeitnehmer zu begünstigen.
Abschnitt 1a des 1. RGG verletzt nicht das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende Gebot des Vertrauensschutzes.
- Eine echte Rückwirkung, die grundsätzlich zur Nichtigkeit der belastenden Vorschrift führt, liegt nicht vor. Eine echte Rückwirkung setzt voraus, daß die Rechtsnorm nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfG 13. Mai 1986 – 1 BvR 99, 461/85 – BVerfGE 72, 175, 196). Eine rückwirkende Beitragspflicht wurde jedoch nicht begründet. Die künftige Beitragspflicht betraf allerdings die bereits bestehende versorgungsrechtliche Beziehung und schmälerte den bisherigen Wert der betrieblichen Altersversorgung. Wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt, handelt es sich um eine unechte Rückwirkung (BVerfG 11. Oktober 1988 – 1 BvR 743/86 und 1 BvL 80/86 – BVerfGE 79, 29, 45 f.). Hierzu rechnet auch die Änderung einer Dauerregelung für die Zukunft (BVerwG 27. Mai 1981 – BVerwG 8 C 51.79 – BVerwGE 62, 230, 237).
Vorschriften, denen lediglich eine unechte Rückwirkung zukommt, sind jedenfalls dann zulässig, wenn die Normadressaten mit einer Änderung der bisherigen Rechtslage rechnen mußten (BVerfG 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318, 1484/86 – BVerfGE 97, 271, 289). Die unter das 1. RGG fallenden Versorgungsanwärter konnten nicht davon ausgehen, daß sie künftig zu keinen Beiträgen herangezogen werden.
- Da spätere Gesetze grundsätzlich die früheren ablösen, müssen die Normadressaten mit Gesetzesänderungen rechnen. Ihr Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften wird regelmäßig nicht geschützt (BVerfG 31. Oktober 1984 – 1 BvR 35, 356, 794/82 – BVerfGE 68, 193, 221 ff.). Die Arbeitnehmer konnten aus dem Fehlen einer Eigenbeteiligung nicht ableiten, daß die bisherige Finanzierung der Zusatzversorgung uneingeschränkt beibehalten werde. Sie mußten davon ausgehen, daß wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Änderungen der Versorgungsregelungen Rechnung getragen wird.
- Auch die gewählte Lösung verletzte kein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Regelungen des Ruhegeldgesetzes lehnen sich sehr stark an den VersTV-G und die VBLS an. Die Grundstrukturen der gesetzlich geregelten Zusatzversorgung und der VBL-Versorgung stimmen überein. Dementsprechend lag es nahe, die tarifvertraglich entwickelten Instrumente zur Minderung der Versorgungslasten zu übernehmen. Diese Zusammenhänge konnten die Versorgungsberechtigten unschwer erkennen.
- Entgegen der Ansicht der Klägerin ist Abschnitt 1a des 1. RGG nicht nach § 134 BGB nichtig. § 134 BGB richtet sich nach Wortlaut und Zweck gegen die Geltung rechtsgeschäftlicher Erklärungen einschließlich der Normenverträge. Sie begrenzt die Privatautonomie, wendet sich aber nicht gegen den Gesetzgeber.
- Ebensowenig ist § 315 BGB anwendbar. Gesetze unterliegen keiner Billigkeitskontrolle (BAG 12. März 1996 – 3 AZR 963/94 – AP RuhegeldG Hamburg § 3 Nr. 1 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 111, zu II der Gründe). Der Gesetzgeber ist lediglich an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Prüfungsmaßstab für die gerichtliche Überprüfung von Gesetzen ist verfassungsrechtlich geregelt.
- Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Furchtbar, Lohre
Fundstellen
Haufe-Index 857926 |
BAGE 2003, 186 |
BB 2003, 160 |
DB 2003, 343 |
ARST 2002, 287 |
FA 2002, 249 |
FA 2003, 58 |
NZA 2003, 1198 |
ZTR 2002, 373 |
ZTR 2003, 88 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 4 |
RiA 2003, 115 |
VersR 2003, 526 |
AUR 2002, 269 |
AUR 2003, 38 |