Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung einer vorgezogenen Betriebsrente. Vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente. Kürzung für alle Leistungsstörungen. unterschiedliche Altersgrenzen für Männer und Frauen. auf Männer beschränkter Abschlag. Diskriminierung wegen des Geschlechts. europarechtlicher Vertrauensschutz. Umsetzung des Barber-Urteils des EuGH. sozialversicherungsrechtliche Beitragslast der Betriebsrentner. Kranken- und Pflegeversicherung. vertragliche Übernahme der Beitragslast durch den Arbeitgeber. Abtastverfahren. Unklarheitenregel. beschränkte Revisionseinlegung
Orientierungssatz
1. Sozialversicherungsrechtlich haben die Betriebsrentner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus den Versorgungsbezügen zu tragen. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, durch die der Arbeitgeber diese Beitragslasten übernimmt, ist die Ausnahme und muss deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Dies war im vorliegenden Fall nicht geschehen.
2. Unterschiedliche Altersgrenzen für Männer und Frauen sowie die darauf aufbauenden, auf Männer beschränkten Kürzungen bei Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres verstoßen zwar gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF). Dies ist aber wegen des vom EuGH befürworteten europarechtlichen Vertrauensschutzes für Beschäftigungszeiten bis einschließlich 17. Mai 1990 hinzunehmen. Deshalb durfte im vorliegenden Fall hinsichtlich des bis zum 17. Mai 1990 erdienten Betriebsrententeils des Klägers der in der Versorgungsordnung für die vorgezogene Inanspruchnahme vorgesehene Abschlag vorgenommen werden.
3. Bei dem in der Versorgungsordnung für jeden vollen Monat des Rentenbeginns vor dem 65. Lebensjahr vorgesehenen Abschlag von 0,6 % handelte es sich nicht ausschließlich um einen versicherungsmathematischen Abschlag. Diese Kürzung berücksichtigte auch, dass der Arbeitnehmer nicht die erwartete Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze aufweist und damit eine geringere Leistung erbringt als vorgesehen.
4. Der geringeren Betriebszugehörigkeit wird meist durch analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG (m/n-Kürzung) Rechnung getragen. § 6 BetrAVG zwingt aber nicht dazu, diesen Weg zu beschreiten. Der fehlenden Betriebszugehörigkeit kann auch durch eine aufsteigende Berechnung oder auf andere angemessene Weise Rechnung getragen werden. Die Erhöhung des rechtlich unproblematischen versicherungsmathematischen Abschlags von 0,5 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente um weitere 0,1 % auf insgesamt 0,6 % als Ausgleich der geringeren Betriebszugehörigkeit ist angemessen. Dies ist für die Versorgungsberechtigten günstiger als eine ratierliche Kürzung analog § 2 Abs. 1 BetrAVG.
Normenkette
BetrAVG § 2 Abs. 1, § 6; EG Art. 141 (= Art. 119 EG-Vertrag aF); GG Art. 3 Abs. 2-3; AGG § 2 Abs. 2 S. 2; SGB V § 250 Abs. 1, § 256 Abs. 1; SGB XI § 54 Abs. 3; BGB § 305c Abs. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, §§ 258, 307
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Januar 2006 – 10 Sa 1115/05 B – insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung weiterer 28,00 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis einschließlich Februar 2004 sowie auf Zahlung weiterer 2,00 Euro brutto monatlich für die Zeit ab 1. März 2004 abgewiesen worden ist.
II. In diesem Umfang wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Februar 2005 – 1 Ca 166/04 B – abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) weitere 28,00 Euro brutto für die Monate Januar 2003 bis einschließlich Februar 2004 nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. März 2004 zu zahlen,
b) für die Zeit ab 1. März 2004 monatlich über den Betrag von 263,47 Euro brutto hinaus weitere 2,00 Euro brutto zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 97 % und die Beklagte 3 % zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die dem Kläger zustehende betriebliche Altersversorgung wegen vorgezogener Inanspruchnahme kürzen darf und ob sie von der Betriebsrente Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abziehen darf.
Der am 30. August 1940 geborene Kläger war vom 4. Januar 1965 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand (1. Januar 2003) bei der Beklagten beschäftigt. Die ihm versprochene betriebliche Altersversorgung war in einer Versorgungsordnung geregelt, bei der es sich um eine Gesamtzusage handelte. Die Versorgungsordnung vom 15. Dezember 1972 in der Fassung vom 1. November 1975 (VO 1975) enthielt folgende Regelungen:
“V. Anspruch auf Altersrente
1. Wer nach Erreichen der Altersgrenze aus der Firma ausscheidet, hat Anspruch auf eine Altersrente.
2. Wer vor Erreichen der Altersgrenze aus der Firma ausscheidet und durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachweist, daß er von da ab Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 25 AVG, § 1248 RVO) bezieht, hat Anspruch auf vorzeitige Altersrente.
3. Altersgrenze ist bei Männern das vollendete 65., bei Frauen das vollendete 60. Lebensjahr.
…
IX. Höhe des Anspruchs
1. Die Altersrente beträgt für jedes rentenfähige Dienstjahr 0,6 %, höchstens jedoch 24 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes.
Die Altersgrenze ist begrenzt auf maximal DM 15,-- für jedes rentenfähige Dienstjahr, höchstens jedoch DM 600,--.
2. Bei vorzeitigen Versorgungsfällen wird nach Absatz 1, jedoch unter Berücksichtigung der bis zur Altersgrenze erreichbaren rentenfähigen Dienstjahre statt der abgeleisteten rentenfähigen Dienstjahre eine theoretische Altersrente bestimmt.
3. Die vorzeitige Altersrente errechnet sich, indem die theoretische Altersrente um 0,6 % für jeden vollen Monat des vorzeitigen Rentenbeginns vor der Altersgrenze gekürzt wird.
…
XI. Fälligkeit des Anspruchs
1. Die Renten werden nach Abzug etwa von der Firma einzubehaltender Steuern jeweils zum Ende eines Monats gezahlt. …”
Auf Grund des Gesetzes vom 1. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1205) zählen die Betriebsrenten seit dem 1. Januar 1982 in der gesetzlichen Krankenversicherung und auf Grund des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) seit dem 1. Januar 1995 in der sozialen Pflegeversicherung zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Seither zog die Beklagte von der betrieblichen Altersversorgung den Beitragsanteil der Betriebsrentner ab, ohne dass einer von ihnen sich beschwerte.
Im Jahre 2002 überarbeitete die Beklagte die Versorgungsordnung. Die Neufassung vom 12. März 2002 (VO 2002) lautet auszugsweise:
“I. Aufnahme in das Versorgungswerk
1. Wer bis zum 31.12.1971 nach den bisher geltenden Versorgungsbestimmungen der Firma eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen erworben hat und heute in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Firma steht, wird in dieses Versorgungswerk übernommen.
…
V. Anspruch auf Altersrente
1. Wer nach Erreichen der Altersgrenze aus der Firma ausscheidet, hat Anspruch auf eine Altersrente.
2. Wer vor Erreichen der Altersgrenze aus der Firma ausscheidet und durch Vorlage des Rentenbescheides eines inländischen Sozialversicherungsträgers nachweist, dass er von da ab Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe (keine Teilrente) bezieht, hat Anspruch auf vorzeitige Altersrente.
3. Altersgrenze ist das vollendete 65. Lebensjahr.
…
XVII. Übergangsregelung
…
Bei weiblichen Mitarbeitern, die am 01.01.2002 in Diensten der Firma stehen, erfolgt die Kürzung der vorzeitigen Altersrente gem. Abschnitt IX Ziffer 3. nur für Rententeile, die nach dem 31.12.2001 erdient werden. Altersgrenze ist für Dienstzeiten bis zum 31.12.2001 die Vollendung des 60. Lebensjahres und für Dienstzeiten nach dem 31.12.2001 die Vollendung des 65. Lebensjahres.
XVIII. Inkrafttreten
Diese Fassung der Versorgungsordnung tritt mit Wirkung vom 01.01.2002 an die Stelle der Versorgungsordnung vom 01.11.1975. Sie ist erstmals anzuwenden auf Versorgungsfälle, die nach dem 01.01.2002 eintreten.”
Abschnitt IX Nr. 1 bis 3 VO 2002 übernahm inhaltlich unverändert die bisherigen Regelungen zur Höhe des Anspruchs. Die Höchstgrenze wurde lediglich auf Euro umgerechnet. Die Altersrente wurde “auf maximal 7,67 Euro für jedes rentenfähige Dienstjahr, höchstens jedoch 306,80 Euro” begrenzt. Abschnitt XI Nr. 1 VO 2002 entspricht wortgleich der bisherigen Fassung.
Mit Bescheid vom 19. November 2002 bewilligte die Seekasse dem Kläger ab 1. Januar 2003 Altersrente für behinderte Menschen. Seither zahlt ihm die Beklagte eine Betriebsrente ausgehend von folgenden Daten:
– Betriebszugehörigkeit bis 17. Mai 1990: 305 Monate (m1)
– Betriebszugehörigkeit vom 17. Mai 1990 bis zum Neuordnungszeitpunkt (1. Januar 2002): 139 Monate (m2)
– Betriebszugehörigkeit vom Neuordnungszeitpunkt bis zum Rentenbeginn: 12 Monate (m3)
– bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres erreichte Betriebszugehörigkeit: 427 Monate (n1)
– bis zum Rentenbeginn (1. Januar 2003) erreichte Betriebszugehörigkeit: 456 Monate (n2)
– anrechnungsfähige Dienstzeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (maximal 40 Jahre): 40 Jahre
– anrechnungsfähige Dienstzeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres: 36 Jahre
– ruhegeldfähiges Einkommen zum Ausscheidenszeitpunkt: 1.278,23 Euro
– theoretische monatliche Altersrente im Alter 60: 276,10 Euro (R1)
– theoretische monatliche Altersrente im Alter 65: 306,78 Euro (R2)
– Kürzung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme (31 Monate): 18,6 % (K).
Nach der Formel (m1/n2 + m3/n2) × (1 – K) × R2 + m2/n1 × R1 errechnete die Beklagte eine monatliche Betriebsrente von 263,47 Euro. Davon zog sie nach den vorgelegten Lohnabrechnungen für April 2003 einen Krankenversicherungsbeitrag von 18,05 Euro und einen Pflegeversicherungsbeitrag von 4,48 Euro ab sowie für die Monate Januar und Februar 2004 einen Krankenversicherungsbeitrag von 36,10 Euro und einen Pflegeversicherungsbeitrag von 4,48 Euro. Für den Monat April 2003 ergab dies einen Auszahlungsbetrag von 240,94 Euro sowie für die Monate Januar und Februar 2004 einen Auszahlungsbetrag von 222,89 Euro.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Betriebsrente dürfe ebenso wenig wie bei einer gleich alten Frau mit entsprechender Dienstzeit wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gekürzt werden. Für jedes seiner Dienstjahre stehe ihm der Höchstbetrag von 7,67 Euro zu. Dies ergebe für seine 38 Dienstjahre eine Betriebsrente von 291,44 Euro. Davon dürften nach Abschnitt XI Nr. 1 der VO 1975 und 2002 keine Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden. Der Zahlungsrückstand der Beklagten belaufe sich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 auf monatlich 50,50 Euro und für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 2004 auf monatlich 68,55 Euro.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn 743,10 Euro netto rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis einschließlich 28. Februar 2004 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. März 2004 zu zahlen,
2. an ihn für die Zeit ab dem 1. März 2004 monatlich 291,44 Euro brutto betriebliche Altersrente abzüglich gesetzlicher Steuern und ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ihre Berechnung der auszuzahlenden Betriebsrente für richtig gehalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als sich der Kläger gegen den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen gewandt hat und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision insoweit zugelassen, als “der Kläger geltend macht, die Versorgungsordnung erlege der Beklagten die Pflicht zum Tragen der auf die Betriebsrente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge auf”. Mit Beschluss vom 20. September 2007 – 3 AZN 247/06 – hat der Senat die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit der Begründung als unzulässig verworfen, dass diese Beschränkung der Zulassung unwirksam ist. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision seine bisherigen Klageanträge weiter. Die Beklagte hat im Revisionsverfahren anerkannt, dass sie zur Zahlung weiterer Betriebsrente in Höhe von 28,00 Euro brutto für die Monate Januar 2003 bis einschließlich Februar 2004 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. März 2004 und zur Zahlung weiterer 2,00 Euro brutto monatlich für die Zeit ab 1. März 2004 verpflichtet ist. Im Übrigen begehrt sie die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber – soweit die Klageforderung nicht anerkannt worden ist – unbegründet. Dem Kläger steht der noch im Streit stehende Anspruch auf höhere Betriebsrente nicht zu.
A. Die Revision ist statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
I. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 20. September 2007 (– 3 AZN 247/06 –, zu II der Gründe) ausgeführt hat, ist die im Berufungsurteil vorgesehene Beschränkung der Revision nicht zulässig und damit das Rechtsmittel der Revision insgesamt eröffnet.
II. Weder der Revisionsschrift noch der Revisionsbegründungsschrift ist zu entnehmen, dass der Kläger nur eine beschränkte Revision einlegen wollte. Abgesehen davon, dass selbst die Ankündigung beschränkter Anträge in der Revisionseinlegungsschrift noch keine Rechtsmittelbeschränkung enthält (BGH 19. November 1957 – VI ZR 249/56 – NJW 1958, 343), hat der Kläger von Anfang an unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Berufungsurteil mit allen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen umfassend angreifen will. Revision und Nichtzulassungsbeschwerde wurden mit demselben Schriftsatz eingelegt. In der Revisionsbegründungsschrift hat der Kläger ausgeführt, weshalb er die Beschränkung der Revision für unzulässig halte. Folgerichtig hat er sich in diesem Schriftsatz sowohl gegen die “Abzüge der Beiträge zur Sozialversicherung von den Rentenleistungen” (Nr. II der Revisionsbegründungsschrift) als auch gegen die seiner Ansicht nach unzulässige Kürzung der Betriebsrente (Nr. III der Revisionsbegründung) gewandt.
B. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.
Die Leistungsanträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie enthalten auch die für die Vollstreckbarkeit des Titels erforderlichen Angaben.
Soweit künftige Leistungen verlangt werden, sind die Voraussetzungen des § 258 ZPO erfüllt (vgl. ua. BAG 10. Dezember 1971 – 3 AZR 190/71 – BAGE 24, 63, zu I der Gründe). Der Kläger hat nur die Gewährung der wiederkehrenden Versorgungsleistungen an sich verlangt und damit längstens für die Dauer seines Lebens. Dies musste in den Klageantrag zu 2 nicht ausdrücklich aufgenommen werden (vgl. BAG 13. November 2007 – 3 AZR 717/06 – Rn. 18, ZTR 2008, 320).
C. Soweit die Beklagte die Klageforderung anerkannt hat, ist der Klage nach § 307 ZPO durch Teilanerkenntnisurteil stattzugeben. Im Übrigen ist sie vom Landesarbeitsgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.
I. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den sozialversicherungsrechtlich vom Kläger zu tragenden auf die Betriebsrente entfallenden Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Eine derartige Verpflichtung lässt sich weder aus Abschnitt XI Nr. 1 Satz 1 VO 1975 noch aus Abschnitt XI Nr. 1 Satz 1 VO 2002 herleiten.
1. Der Anspruch auf die in der Versorgungsordnung vorgesehenen Leistungen beruht auf einer Gesamtzusage. Dabei handelt es sich um eine typisierte Erklärung. Sinn der Versorgungsordnung ist es, einheitliche Leistungsbedingungen zu schaffen. Da die Auslegung nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien zu erfolgen hat, ist sie im Revisionsverfahren uneingeschränkt nachprüfbar (vgl. ua. BAG 11. Dezember 2001 – 3 AZR 674/00 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 21 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 82, zu 1 der Gründe; 23. Oktober 2002 – 10 AZR 48/02 – BAGE 103, 151, zu II 2 der Gründe mwN).
2. Dieser Kontrolle hält das Berufungsurteil stand.
a) Der Wortlaut des Abschnitts XI Nr. 1 Satz 1 VO 1975 und 2002 ist nicht eindeutig. Einerseits wird in dieser Vorschrift der Abzug von Steuern, nicht aber der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen erwähnt. Andererseits ist auch nicht davon die Rede, dass der Arbeitgeber “nur” oder “ausschließlich” Steuern abziehen darf. Die Frage, ob Abschnitt XI Nr. 1 Satz 1 VO 1975 und 2002 die Abzugsmöglichkeiten abschließend regelt und dem Arbeitgeber zusätzliche Zahlungspflichten auferlegt, lässt sich nicht allein anhand des Wortlauts dieser Regelung beantworten. Der Regelungszusammenhang, die Entstehungsgeschichte und auch die Vollzugspraxis – wenngleich sie nicht überbetont werden darf – führen zu einem hinreichend klaren Auslegungsergebnis. Sie sprechen gegen den vom Kläger vertretenen Gegenschluss.
b) Abschnitt XI Nr. 1 VO 1975 und 2002 kann nicht losgelöst von der sozialversicherungsrechtlichen Lastenverteilung und dem sich daraus ergebenden Regel-/Ausnahmeverhältnis betrachtet werden. Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI tragen die Versicherungspflichtigen die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge aus den Versorgungsbezügen. Die Zahlstelle der Versorgungsbezüge (in der Regel der Arbeitgeber) hat nach § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge aus den Versorgungsbezügen einzubehalten und an den Sozialversicherungsträger zu zahlen. Dies entspricht dem Lohnabzugsverfahren bei aktiven Arbeitnehmern.
Der Arbeitgeber ist zwar nicht gehindert, sich gegenüber dem Versorgungsberechtigten zur Übernahme dieser Beitragslasten zu verpflichten. Eine derartige Vereinbarung ist aber die Ausnahme und muss deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BAG 18. Januar 1974 – 3 AZR 183/73 – AP BGB § 670 Nr. 19 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2, zu I der Gründe, zur Übernahme der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber), zumal sie mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Übernahme der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge des Versorgungsberechtigten ist eine steuerpflichtige und sozialversicherungsrechtlich beitragspflichtige Einnahme. Der Gesamtbruttobetrag ist im Wege eines aufwendigen Abtastverfahrens zu ermitteln.
c) Aus Abschnitt XI Nr. 1 VO 1975 und 2002 kann nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber abweichend von der sozialversicherungsrechtlichen Lastenverteilung zusätzliche Leistungspflichten im Versorgungsverhältnis schaffen wollte.
aa) Bei Abfassung der VO 1975 fielen für die Versorgungsbezüge nur Steuern, jedoch nicht Sozialversicherungsbeiträge an. Abschnitt XI Nr. 1 VO 1975 enthielt lediglich einen deklaratorischen Hinweis auf die bestehende Rechtslage. Die Überschrift “Fälligkeit des Anspruchs” und die übrigen Regelungen in Abschnitt XI VO 1975 bestätigen, dass keine zusätzlichen Versorgungspflichten geschaffen werden sollten. Es geht in diesen Regelungen um technische Details der Auszahlung sowie um Beginn und Ende der Rentenzahlung.
bb) Bei der Neufassung der Versorgungsordnung im Jahre 2002 wäre es gewiss sinnvoll gewesen, Abschnitt XI Nr. 1 der zwischenzeitlichen Entwicklung im Sozialversicherungsrecht anzupassen. Aus der unveränderten Übernahme der bisherigen Regelung konnte jedoch nicht geschlossen werden, dass sich deren Inhalt ändern sollte und der Arbeitgeber zusätzliche Zahlungspflichten schaffen wollte. In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Acht gelassen werden, wie die Beklagte auf die sozialversicherungsrechtlichen Veränderungen in der Vergangenheit reagiert hatte. Unstreitig hatte sie die sozialversicherungsrechtlich vom Versorgungsempfänger zu tragenden Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge von den Betriebsrenten abgezogen, ohne dass sich die Versorgungsempfänger dagegen gewehrt hatten. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass durch die Beibehaltung der bisherigen Regelung die Rechtslage nicht verändert werden sollte.
d) Die nunmehr in § 305c Abs. 2 BGB kodifizierte Unklarheitenregel, die bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes galt (vgl. ua. BAG 12. Juni 2007 – 3 AZR 83/06 – Rn. 18, AP BGB § 305c Nr. 9 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 50), kommt nicht zum Zuge. Denn die objektive Auslegung führt nicht zu einem mehrdeutigen, sondern zu einem klaren Ergebnis. Nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden bleiben keine ernsthaften Zweifel mehr.
II. Soweit die Beklagte die Klageforderung nicht anerkannt hat, lehnt sie die Zahlung einer höheren Betriebsrente zu Recht ab. Bei der Berechnung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente sind drei Zeiträume zu unterscheiden: die Beschäftigungszeit bis einschließlich 17. Mai 1990, die Beschäftigungszeit vom 18. Mai 1990 bis zum Außerkrafttreten der VO 1975 mit Ablauf des 31. Dezember 2001 und die Beschäftigungszeit vom Inkrafttreten der VO 2002 am 1. Januar 2002 bis zum Eintritt in den Ruhestand. Im Ergebnis ist die Betriebsrentenberechnung der Beklagten – unter Berücksichtigung des zusätzlich anerkannten Betrags – nicht zu beanstanden.
1. Bei dem bis zum 17. Mai 1990 erdienten Betriebsrententeil darf die Beklagte die für Männer geltende feste Altersgrenze zugrunde legen und einen Abschlag “um 0,6 % für jeden vollen Monat des vorzeitigen Rentenbeginns vor der Altersgrenze” vornehmen.
Aus der nur für Frauen geltenden Übergangsregelung des Abschnitts XVII Satz 2 VO 2002 ergibt sich, dass für Männer die Vollendung des 65. Lebensjahres auch vor dem 1. Januar 2002 die feste Altersgrenze ist (vgl. Abschnitt V Nr. 3 VO 1975, Abschnitt V Nr. 3 iVm. Abschnitt XVII VO 2002). Bei weiblichen Mitarbeitern, die bereits am 1. Januar 2002 in den Diensten der Beklagten stehen, erfolgt nach Abschnitt XVII Satz 2 VO 2002 eine “Kürzung der vorzeitigen Altersrente” nur für die nach dem 31. Dezember 2001 erdienten Betriebsrententeile. Für Dienstzeiten der Frauen bis zum 31. Dezember 2001 ist die Vollendung des 60. Lebensjahres die feste Altersgrenze. Die unterschiedliche Altersgrenze für Männer und Frauen sowie die daran anknüpfende, auf Männer begrenzte Kürzung verstößt für Beschäftigungszeiten bis zum 17. Mai 1990 weder gegen nationales Recht noch gegen Europarecht. Auch die Höhe der Kürzung ist nicht zu beanstanden.
a) Zwar verbietet Art. 3 Abs. 3 GG die Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts. Ein Verstoß betrieblicher Regelungen gegen das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts kann jedoch durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 – BVerfGE 85, 191, zu C I 3 der Gründe; BAG 22. Juni 1993 – 1 AZR 590/92 – BAGE 73, 269, zu II B II 2b aa der Gründe). Nach Art. 3 Abs. 2 GG fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dies erlaubt es, die bisher für Frauen noch bestehenden Nachteile in der beruflichen Entwicklung durch die Festsetzung eines früheren Rentenalters auszugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen solchen Ausgleich zugelassen (28. Januar 1987 – 1 BvR 455/82 – BVerfGE 74, 163). Es hat nur den Gesetzgeber aufgefordert, durch eine Neuregelung dem sich wandelnden Erwerbsverhalten der Frauen Rechnung zu tragen und eine in der Zukunft zu erwartende Ungleichbehandlung zu vermeiden. Die Arbeitgeber durften ähnlich wie der Gesetzgeber Übergangsregelungen schaffen. Insoweit verstießen Regelungen über ein unterschiedliches Rentenzugangsalter auch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. dazu ua. BAG 3. Juni 1997 – 3 AZR 910/95 – BAGE 86, 79, zu 3b aa der Gründe). Daran hat das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nichts geändert, obwohl § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG keine “Bereichsausnahme” für die betriebliche Altersversorgung enthält (vgl. BAG 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06 – Rn. 22 ff., AP AGG § 2 Nr. 1 = EzA AGG § 2 Nr. 1).
b) Die unterschiedlichen Altersgrenzen und die darauf aufbauenden, auf Männer beschränkten Betriebsrentenkürzungen verstoßen zwar gegen Art. 119 EG-Vertrag aF (nunmehr Art. 141 EGV), sind aber aus Gründen des europarechtlichen Vertrauensschutzes für Beschäftigungszeiten bis einschließlich 17. Mai 1990 hinzunehmen.
aa) Art. 141 EGV (= Art. 119 EG-Vertrag aF) ist in Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar anwendbares Recht (vgl. ua. EuGH 14. Dezember 1993 – C-110/91 – [Moroni] Rn. 23, EuGHE I 1993, 6591; BAG 18. Oktober 2005 – 3 AZR 506/04 – Rn. 12, BAGE 116, 152). Der Geltungsbereich dieser Vorschrift erstreckt sich auf betriebliche Versorgungsleistungen (vgl. ua. EuGH 13. Mai 1986 – 170/84 – [Bilka] Rn. 12, EuGHE 1986, 1607).
bb) Es liegt zwar eine an das Geschlecht anknüpfende, unmittelbare Diskriminierung vor, die sich europarechtlich nicht rechtfertigen lässt. Ein europarechtlicher Vertrauensschutz führt aber zu einer zeitlichen Einschränkung der unmittelbaren Wirkung des Art. 141 EGV (= Art. 119 EG-Vertrag aF) bei den auf das Geschlecht abstellenden, unterschiedlichen Altersgrenzen und versicherungsmathematischen Abschlägen. Im Urteil vom 17. Mai 1990 (– C-262/88 – [Barber] EuGHE I 1990, 1889) hat der EuGH die Rückwirkung seiner Rechtsprechung eingeschränkt. In der Maastrichter Protokollerklärung vom 9./10. Dezember 1991 wurde klargestellt, dass sich Art. 119 EG-Vertrag (nunmehr Art. 141 EGV) nicht auf Betriebsrentenleistungen erstreckt, “sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht … anhängig gemacht haben”. Dieses Protokoll wurde dem EG-Vertrag in der Schlussakte des Maastrichter Vertrags zur Gründung einer Europäischen Union beigefügt und ist damit nach Art. 311 EGV Bestandteil des EG-Vertrags geworden.
c) Für den bis zum 17. Mai 1990 erdienten Rententeil ist demnach die Vollendung des 65. Lebensjahres als Altersgrenze zugrunde zu legen. Der Abschlag von 0,6 % für jeden vollen Monat des vorzeitigen Rentenbeginns vor der Altersgrenze (Abschnitt IX Nr. 3 VO 1975 und 2002) gleicht alle mit der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersgrenze verbundenen Leistungsstörungen aus. Diese bestehen darin, dass zum einen die der betrieblichen Altersversorgung zugrunde liegende Leistung des Arbeitnehmers geringer und andererseits die Versorgungsleistung des Arbeitgebers höher ausfällt als vorgesehen.
aa) Bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung setzen die Versorgungsleistungen des Arbeitgebers vor der vereinbarten festen Altersgrenze ein und damit früher als vorgesehen. Dies führt nicht nur zu längeren Betriebsrentenzahlungen, sondern auch zu Zinsnachteilen für den Arbeitgeber und zu einer zusätzlichen Risikoübernahme durch den Arbeitgeber. Wenn der Arbeitnehmer vor Erreichen der festen Altersgrenze stirbt und eine vorgezogene Altersrente nicht in Anspruch genommen hat, muss der Arbeitgeber überhaupt keine Altersrente leisten. Bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung sind dagegen Rentenzahlungen angefallen. Die dem Arbeitgeber durch die vorgezogenen Rentenleistungen entstehenden Nachteile werden durch einen versicherungsmathematischen Abschlag sachgerecht ausgeglichen. Ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,5 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente ist nach der Rechtsprechung des Senats zulässig, obwohl “eher am oberen Rand des Üblichen angesiedelt” (23. März 2004 – 3 AZR 279/03 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 28, zu VI der Gründe). Ob sich trotz der gestiegenen Lebenserwartung ein höherer versicherungsmathematischer Abschlag rechtfertigen lässt, kann im vorliegenden Fall offenbleiben.
bb) Bei der in Abschnitt IX Nr. 3 VO 1975 und 2002 vorgesehenen Kürzung um 0,6 % für jeden vollen Monat des vorzeitigen Rentenbeginns handelt es sich nicht ausschließlich um einen versicherungsmathematischen Abschlag für die höhere Versorgungsleistung des Arbeitgebers. Es wird auch berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer nicht die erwartete Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze aufweist und damit eine geringere Leistung erbringt als vorgesehen. Der geringeren Betriebszugehörigkeit wird meist durch analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG (m/n-Kürzung) Rechnung getragen, wobei als m die bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente erreichte Betriebszugehörigkeit und als n die bis zur festen Altersgrenze erreichbare Betriebszugehörigkeit anzusetzen ist. § 6 BetrAVG zwingt aber nicht dazu, diesen Weg zu beschreiten. Der fehlenden Betriebszugehörigkeit kann auch durch eine aufsteigende Berechnung oder auf andere angemessene Weise Rechnung getragen werden. Im vorliegenden Fall ist einerseits auf eine ratierliche Kürzung nach der m/n-Methode verzichtet worden, andererseits ist ein verhältnismäßig hoher Abschlag (0,6 % pro Monat) gewählt worden.
Die Erhöhung des rechtlich unproblematischen versicherungsmathematischen Abschlags von 0,5 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente (vgl. ua. BAG 23. Januar 2001 – 3 AZR 164/00 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 16 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 23, zu II 2b aa der Gründe; 24. Juli 2001 – 3 AZR 567/00 – BAGE 98, 212, zu B II 2b der Gründe) um weitere 0,1 % auf insgesamt 0,6 % als Ausgleich der geringeren Betriebszugehörigkeit ist günstiger als eine ratierliche Kürzung analog § 2 Abs. 1 BetrAVG. Dies gilt selbst bei der für den Arbeitnehmer günstigsten Rentenbiografie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die m/n-Kürzung umso geringer ausfällt, je länger die tatsächliche Betriebszugehörigkeit war. Dies sei an einem Beispiel erläutert: Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 15. Lebensjahres und vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente mit Vollendung des 64. Lebensjahres beläuft sich der m/n-Faktor auf 49/50 = 0,98 = 98 %. Bei einem versicherungsmathematischen Abschlag von 6 % (= 0,5 % × 12) verbleiben 92,12 %. Dagegen führt der in Abschnitt IX Nr. 3 VO 1975 und 2002 vorgesehene Abschlag von 7,2 % (= 0,6 % × 12) zu einer Versorgung in Höhe von 92,8 %.
cc) Die fehlende Betriebszugehörigkeit wird entgegen der Ansicht des Klägers nicht doppelt berücksichtigt. Die Beklagte hat nicht im Wege der aufsteigenden Berechnung die bis zum Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand erreichte Betriebsrente von 7,67 Euro (Höchstbetrag pro Jahr) × 38 (bis zum Eintritt in den Ruhestand tatsächlich erreichte Betriebszugehörigkeit) = 291,46 Euro zugrunde gelegt. Ausgangspunkt der Berechnung bildet nach Abschnitt IX Nr. 2 VO 1975 und 2002 die bis zur festen Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) erreichbare sog. theoretische Altersrente. Sie beläuft sich auf den Höchstbetrag von 306,80 Euro.
Dieser Betrag ist nach Abschnitt IX Nr. 3 VO 1975 und 2002 mindestens um 18,6 % (= 31 Monate × 0,6 %) zu kürzen. Dies ergibt 249,74 Euro. Daraus ist der auf die Beschäftigungszeit bis einschließlich 17. Mai 1990 entfallende Rententeil zu ermitteln. Er entspricht dem Verhältnis der Beschäftigungszeit bis einschließlich 17. Mai 1990 zu der beim Eintritt in den Ruhestand erreichten Beschäftigungszeit. Das sind 305/456. Dieser Quotient stellt keine weitere Kürzung dar, sondern dient der Ermittlung des bis zum 17. Mai 1990 erdienten Rententeils. Er beläuft sich auf 249,74 Euro : 456 × 305 = 167,04 Euro. Die von der Beklagten zugrunde gelegte monatsweise Berechnung des Quotienten bringt dem Kläger keine Nachteile. Unter welchen Voraussetzungen diese Berechnungsweise unzulässig oder geboten ist, kann offenbleiben.
dd) Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass es nach dem von der Beklagten gewählten Kürzungsmodell – im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 BetrAVG – nicht auf die individuellen Verhältnisse des einzelnen Arbeitnehmers ankommt, sondern eine generalisierende Berechnung vorgenommen wird. Dies liegt innerhalb des von § 6 BetrAVG eingeräumten Spielraums.
2. Auch für die Beschäftigungszeit vom 18. Mai 1990 bis einschließlich 31. Dezember 2001 sehen Abschnitt V Nr. 3 VO 1975 und die Übergangsregelung des Abschnitts XVII VO 2002 unterschiedliche Altersgrenzen für Männer und Frauen vor. Die darin enthaltene unmittelbare Diskriminierung der Männer kann nur dadurch behoben werden, dass der Kläger für den auf diese Beschäftigungszeit entfallenden Rententeil wie eine Frau behandelt wird. Dies hat die Beklagte berücksichtigt.
Für die ab dem 18. Mai 1990 zurückgelegten Beschäftigungszeiten besteht europarechtlich kein Vertrauensschutz. Für diese Beschäftigungszeiten entfaltet Art. 141 EGV (= Art. 119 EG-Vertrag aF) unmittelbare Wirkung.
Der Grundsatz der Entgeltgleichheit zählt zu den Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft und begründet für den Arbeitnehmer Rechte, die er vor den nationalen Gerichten durchsetzen kann. Solange die diskriminierenden Regelungen bestehen und eine Gleichbehandlung nicht hergestellt ist, verpflichtet das Gebot des Art. 141 EGV (= Art. 119 EG-Vertrag aF) dazu, “den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vergünstigungen … (zu gewähren), wie sie den Angehörigen der bevorzugten Gruppe zustehen” (EuGH 28. September 1994 – C-200/91 – [Coloroll] Rn. 32, EuGHE I 1994, 4389). Die Beklagte hat nach diesen Grundsätzen für den Zeitraum 18. Mai 1990 bis einschließlich 31. Dezember 2001 eine Betriebsrente von 89,88 Euro errechnet. Dieser Betrag ist nicht zu niedrig. Die Beklagte legt zwar beim Nenner (Divisor) die bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres erreichte Betriebszugehörigkeit zugrunde, während sie beim Zähler (Dividenden) auch die über das 60. Lebensjahr hinausgehende tatsächliche Betriebszugehörigkeit berücksichtigt. Diese zugunsten des Klägers sich auswirkende Unstimmigkeit kompensiert in vollem Umfang eine zu Lasten des Klägers gehende Ungereimtheit. Diese besteht darin, dass nicht die Altersrente zugrunde gelegt wird, die durch Weiterarbeit über das 60. Lebensjahr hinaus erworben wurde, sondern nur die “theoretische monatliche Altersrente im Alter 60”.
3. Für die Zeit ab 1. Januar 2002 hat die VO 2002 eine einheitliche Altersgrenze für Männer und Frauen eingeführt, wobei auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgestellt wird. Ob die Neuregelung bei einer Gesamtbetrachtung einer Inhaltskontrolle standhält und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachtet worden ist, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Selbst wenn die Einführung einer einheitlichen Altersgrenze von 65 Jahren durch die VO 2002 unwirksam wäre und der Kläger weiterhin wie eine Frau zu behandeln wäre, würde dies zu keiner über den anerkannten Betrag hinausgehenden Erhöhung der Betriebsrente führen. Dem Kläger steht allenfalls eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 167,04 Euro (durch die Beschäftigungszeit bis einschließlich 17. Mai 1990 erdienter Betriebsrententeil) + 89,88 Euro (durch die Beschäftigungszeit vom 18. Mai 1990 bis einschließlich 31. Dezember 2001 erdienter Betriebsrententeil) + 7,67 Euro (ungekürzter jährlicher Höchstbetrag, durch die Beschäftigungszeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 erdienter Betriebsrententeil) = 264,59 Euro zu. Die Beklagte zahlt dem Kläger eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 263,47 Euro brutto und hat eine Verpflichtung zur Zahlung weiterer 2,00 Euro brutto anerkannt. Dies ergibt insgesamt 265,47 Euro brutto.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Reinecke, Schlewing, Bialojahn, H. Frehse
RiBAG Kremhelmer ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert.
Reinecke
Fundstellen
Haufe-Index 2076325 |
FA 2009, 55 |
NZA 2008, 1417 |
AP, 0 |
EzA-SD 2008, 4 |
EzA |
ArbRB 2009, 10 |
SJ 2009, 38 |