Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgung nach Ersatzkassentarifverträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Ergänzungstarifvertrag Nr 14 zum Ersatzkassentarifvertrag wandelte mit Wirkung vom 31. Dezember 1979 bestimmte Zusatzversicherungen bei der VBL in beitragsfreie Versicherungen um. Angestellte, die sich daraufhin die Zusatzversicherungsbeiträge von der VBL erstatten ließen, verloren damit im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber ihre tarifliche Gesamtversorgungsanwartschaft. Dies und die entsprechende Klarstellung im Ergänzungstarifvertrag Nr 16 zum EKT vom 22. April 1980 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
2. Arbeitnehmer, denen die Zusatzversicherungsbeiträge antragsgemäß erstattet wurden, können auch nicht verlangen, wie neu eingestellte Arbeitnehmer behandelt zu werden.
Normenkette
GG Art. 20; BGB § 242; ZPO § 561; BetrAVG §§ 1, 18
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 20.05.1983; Aktenzeichen 10 Sa 4/83) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 29.10.1982; Aktenzeichen 6 Ca 702/81) |
Tatbestand
Der im Jahre 1934 geborene Kläger ist seit dem 1. April 1951 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach den Ersatzkassentarifverträgen. In diesen sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorgesehen. Das Versorgungssystem derjenigen Angestellten, die vor dem 1. Januar 1977 eingestellt wurden, ist dreistufig aufgebaut. Es setzt sich zusammen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, einer Zusatzversicherung bei der VBL und einem betrieblichen Ruhegeld der Ersatzkasse. Für Angestellte, die vor dem 1. Januar 1967 eingestellt wurden, bestand die Möglichkeit, statt der Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Zusatzversicherung bei der VBL zu beantragen. Eine so begründete Versicherung wurde mit Einführung der VBL-Satzung vom 1. Januar 1967 als freiwillige Weiterversicherung nach § 86 Abs. 4 Satz 1 VBL-Satzung fortgeführt. Da aufgrund der freiwilligen Weiterversicherung nur Versicherungsrenten gezahlt werden, dient das betriebliche Ruhegehalt der Ersatzkassen dazu, die Versorgung der Arbeitnehmer zu einer beamtenähnlichen Gesamtversorgung aufzustocken. Die Gesamtversorgung richtet sich nach der versorgungsfähigen Zeit und dem versorgungsfähigen Entgelt; sie steigt wie bei Beamten bis zu einem Höchstsatz von 75 v.H. der Aktivenbezüge.
Im Jahre 1979 kamen bei den Tarifvertragsparteien Bedenken auf, ob die Versorgungsaufwendungen für die Arbeitnehmer weiter pauschal besteuert werden können. Aus diesem Grunde wurde die Versorgung auf eine neue Grundlage gestellt. Nach dem Ergänzungstarifvertrag Nr. 14 zum EKT vom 11. Juni 1979 erhielt Abschnitt A Nr. 1 Ziff. 1 der Anlage 7 a zum EKT folgende Fassung:
"Für den Angestellten, dessen Beschäftigungs-
verhältnis bei einer Kasse vor dem 1. Januar
1967 begann und dessen Zusatzversicherung als
freiwillige Weiterversicherung bei der VBL
nach § 86 Abs. 4 der vom 1. Januar 1967 an
geltenden Satzung durchgeführt wird, endet
die freiwillige Weiterversicherung mit dem
31. Dezember 1979; die Versicherung wird als
beitragsfreie Versicherung nach § 34 VBL-
Satzung weitergeführt."
Der Versorgungsanspruch wurde in Abschnitt C Nr. 5 Ziff. 1 der Anlage 7 a zum EKT geregelt:
"Der Angestellte, dessen Zusatzversicherung bis
zu den in Abschnitt A Nr. 1 genannten Terminen
als Höherversicherung in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung oder als freiwillige Weiterver-
sicherung bei der VBL durchgeführt wurde, hat
Anspruch auf eine Gesamtversorgung gegen die
Kasse, wenn er die Wartezeit nach Nr. 6 erfüllt
hat, Rente aus der gesetzlichen Rentenversiche-
rung zugebilligt wird, der Versorgungsfall nach
Nr. 7 eingetreten ist und das Beschäftigungsver-
hältnis bis zu dessen Eintritt bestanden hat."
Zu diesem Zeitpunkt hatte Abschnitt C Nr. 6 Ziff. 3 der Anlage 7 a zum EKT folgenden Wortlaut:
"Soweit ein Angestellter sich Renten- oder Zu-
satzversicherungsbeiträge erstatten läßt,
wird der Zeitraum, für den Beiträge erstat-
tet wurden, nicht als Beschäftigungszeit an-
gerechnet."
Unter dem Datum vom 29. Januar 1980 meldete die Beklagte den Kläger zur beitragsfreien Versicherung bei der VBL. In § 34 der VBL-Satzung in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. August 1977 (BAnz. Nr. 152) ist vorgesehen, daß eine beitragsfreie Versicherung entsteht und die Möglichkeit zur Beitragserstattung erwächst. Unter dem Datum vom 3. März 1980 beantragte der Kläger bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder die Erstattung der Beiträge. Am 24. März 1980 wiederholte er seinen Antrag mit dem Hinweis, daß die Satzung der VBL die Möglichkeit der Beitragserstattung eröffnet habe. Am 31. März 1980 lehnte die VBL diesen Antrag ab.
Bereits unter dem Datum vom 22. April 1980 vereinbarten die Tarifvertragsparteien rückwirkend zum 1. Januar 1980 den Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 zum EKT. In diesem Tarifvertrag wurde der Abschnitt A Nr. 1 Ziff. 1 der Anlage 7 a zum EKT um einen Absatz 2 ergänzt:
"Läßt sich ein Angestellter nach dem 31. De-
zember 1979 Beiträge zur freiwilligen Wei-
terversicherung erstatten, erlischt jegli-
che Zusage auf eine Gesamtversorgung, und
es kann auch durch eine weitere Beschäfti-
gungszeit kein neuer Anspruch auf eine Ge-
samtversorgung erworben werden."
In Abschnitt C wurde Nr. 6 Ziff. 3 neu gefaßt:
"Soweit ein Angestellter sich Renten oder Zu-
satzversicherungsbeiträge vor dem 1. Januar
1980 hat erstatten lassen, wird der Zeitraum,
für den Beiträge erstattet wurden, nicht als
Beschäftigungszeit angerechnet."
Unter dem Datum vom 20. Mai 1980 widersprach der Kläger dem Bescheid der VBL vom 31. März 1980 und stellte die Anrufung des vorgesehenen Schiedsgerichts in Aussicht. Mit Anträgen vom 22. Juli 1980 und 28. August 1980 wiederholte er seinen Antrag auf Beitragserstattung. Am 1. Oktober 1980 erteilte die VBL eine Auskunft über eine Erstattungssumme von 30.926,56 DM bis zum 31. Dezember 1978 und fragte an, ob das Beitragserstattungsverfahren durchgeführt werden sollte. Der Kläger bejahte dies. Darauf zahlte die VBL Ende des Jahres 1980 die Beiträge, die noch für das Jahr 1979 ergänzt wurden, an den Kläger aus.
Mit Beschluß des Verwaltungsrats der VBL vom 16. September 1981 wurde deren Satzung mit Wirkung vom 1. Januar 1980 dahin geändert, daß die beitragsfreie Versicherung endet, wenn der beitragsfrei Versicherte einen Antrag auf Beitragserstattung stellt, der zum Erlöschen der Rechte aus allen Versicherungszeiten führt (§ 60 Abs. 3 Satz 4 VBL-Satzung). Zugleich wurde der Erstattungsanspruch für solche beitragsfrei Versicherte beseitigt, deren Arbeitsverhältnis noch nicht geendet hat.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß er mit dem Verlangen der Beitragserstattung von einem satzungsgemäß verbrieften Recht Gebrauch gemacht habe, und deshalb keine Versorgungsnachteile hinnehmen müsse. Soweit der Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 rückwirkend zum 1. Januar 1980 den Gesamtversorgungsanspruch in Fällen der Beitragserstattung ausschließe, sei diese Regelung wegen Eingriffs in bereits erwachsene Rechte nichtig. Zumindest könne er verlangen, solchen Angestellten gleichgestellt zu werden, die nach dem 1. Januar 1980 in die Dienste der Beklagten getreten seien und einen neuen Anspruch auf eine Gesamtversorgung erwerben könnten.
Der Kläger hat im Berufungsrechtszug zuletzt beantragt
1. festzustellen, daß dem Kläger bei Ein-
tritt des in Nr. 7 der Anlage 7 a (Al-
ters- und Hinterbliebenenversorgung)
zum EKT geregelten Versorgungsfalles
gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zah-
lung eines betrieblichen Altersruhegel-
des zusteht, dessen Höhe so zu bemessen
ist, daß es zusammen mit der Rente des
Klägers aus der Angestelltenversiche-
rung sowie einer fiktiven, auf der Bei-
tragsleistung zur VBL bis zum 31. De-
zember 1979 beruhenden Zusatzversorgung
einen Betrag in Höhe von 75 % des letz-
ten Bruttogehalts des Klägers ausmacht;
hilfsweise,
2. festzustellen, daß die Beklagte ihn bei
Eintritt in den Ruhestand nach erfüll-
ter Wartezeit unter Anrechnung seiner
Rente aus der gesetzlichen Rentenversi-
cherung ein nach den Nrn. 9 und 10 der
Anlage 7 a zum EKT zu berechnendes Ge-
samtruhegeld schuldet, dem als Warte-
und Beschäftigungszeit die Zeit vom 1.
Januar 1980 bis zum Eintritt des Versor-
gungsfalles zugrunde liegt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, bereits aus dem Ergänzungstarifvertrag Nr. 14 vom 11. Juni 1979 habe sich ergeben, daß mit der Erstattung der Beiträge zur VBL der Gesamtversorgungsanspruch erlösche. Der Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 vom 22. April 1980 enthalte insoweit lediglich eine Klarstellung. Im übrigen sei der Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 auch nicht unwirksam, soweit Versorgungsrechte des Klägers betroffen würden. Dessen Antrag auf Beitragserstattung sei nach Abschluß des Ergänzungstarifvertrags Nr. 16 gestellt und erledigt worden. Der Kläger habe eine Tariflücke ausgenutzt und wolle zweimal kassieren, nämlich einmal die Beitragserstattung und zum anderen die entsprechenden Versorgungsleistungen. Insbesondere in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer vor Eintritt eines Versorgungsfalles mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausscheide, zeige sich, daß die Ansicht des Klägers zu unvertretbaren Ergebnissen führe. Sie würde nämlich nach Beitragserstattungen gezwungen, durch Nachversicherungen gem. § 18 BetrAVG die Beiträge zur Altersversorgung doppelt aufzubringen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger verlangt mit seinem Hauptantrag die Feststellung, daß ihm nach entsprechender Dienstzeit bei Eintritt eines Versorgungsfalles 75 v.H. seines Gehalts als Ruhegeld zustehen, worauf seine gesetzliche Sozialversicherungsrente und eine fiktive Rente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder angerechnet werden sollen; die fiktive Zusatzrente sei so zu errechnen, als ob eine Beitragserstattung nicht stattgefunden hätte. Mit seinem Hilfsantrag will er dagegen so gestellt werden, als ob er am 1. Januar 1980 neu eingestellt worden wäre und eine neue Versorgungsanwartschaft aufbauen könnte. Beide Begehren des Klägers sind nicht gerechtfertigt.
I. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Gesamtversorgung verloren.
1. Nach den Ersatzkassentarifverträgen erlischt der Anspruch auf Gesamtversorgung, wenn sich Arbeitnehmer freiwillige Beiträge zur VBL erstatten lassen.
a) Der Kläger hat richtig erkannt, daß sich seine Altersversorgung vor Inkrafttreten des Ergänzungstarifvertrages Nr. 14 zum EKT zusammensetzte aus der Grundversorgung der gesetzlichen Sozialversicherungsrente, einer Rente aufgrund freiwilliger Weiterversicherung in der VBL (§ 86 Abs. 4 VBL-Satzung) und einer Betriebsrente, die die Versorgungslücke zwischen einer beamtenähnlichen Versorgung und der Grund- und Zusatzversorgung ausfüllte.
b) Durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 14 zum EKT wurde dieses Versorgungssystem im Jahre 1979 in doppelter Weise geändert.
(1) Abschnitt A Nr. 1 Ziff. 1 EKT Nr. 14 ermöglichte es der Beklagten, ihre Versorgungsverpflichtung gegenüber dem Kläger zu ändern. Sie konnte dessen freiwillige Weiterversicherung bei der VBL zum 31. Dezember 1979 in eine beitragslose Versicherung umwandeln. Hiervon hat sie mit ihrem Antrag vom 29. Januar 1980 bei der VBL Gebrauch gemacht. Dies hatte zwei Auswirkungen. Die von der Beklagten abzudeckende Gesamtversorgungslücke mußte sich im Laufe der Zeit erhöhen, da die freiwillige Weiterversicherung nicht zu steigenden Renten führt. Andererseits erlangte der Kläger nach dem damaligen Satzungsrecht der VBL die rechtliche Möglichkeit, sich die Beiträge erstatten zu lassen, die bereits für seine freiwillige Weiterversicherung an die VBL geleistet worden waren. Hiervon hat der Kläger Gebrauch gemacht. Damit erlosch sein Anspruch aus der Zusatzversicherung.
(2) Mit der Beitragserstattung entfiel zugleich die vom Kläger bis dahin erdiente Versorgungsanwartschaft. Nach Abschnitt C Nr. 5 Ziff. 1 des EKT Nr. 14 hat ein Angestellter, dessen Zusatzversicherung nach Abschnitt A Nr. 1 der Anlage 7 a zum EKT als freiwillige Weiterversicherung bei der VBL durchgeführt wurde, Anspruch auf eine Gesamtversorgung gegen die Ersatzkasse, wenn er die Wartezeit nach Nr. 6 erfüllt hat, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt wurde, der Versorgungsfall nach Nr. 7 eingetreten ist und das Beschäftigungsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt bestanden hat. Diesen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch konnte der Kläger zunächst nicht mehr genügen. Nach Abschnitt C Nr. 6 Ziff. 3 der Anlage 7 a zum EKT werden einem Angestellten Beschäftigungszeiten nicht angerechnet, für die er sich Renten- oder Zusatzversicherungsbeiträge zur VBL hat erstatten lassen. Damit erloschen infolge der Durchführung des Erstattungsverfahrens bei der VBL nicht nur der Versicherungsanspruch gegen die VBL, sondern auch der Zusatzrentenanspruch gegen die Beklagte, da der Kläger nicht mehr über anrechenbare Dienstzeiten verfüge. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob bereits nach Abschnitt C Nr. 5 Ziff. 1 EKT Nr. 14 für den Erwerb des Versorgungsanspruchs die beitragslose Versicherung bei der VBL bis zum Eintritt des Versorgungsfalles fortbestehen muß. Darauf haben die Beklagte und die DAG in Rundschreiben zutreffend hingewiesen.
c) Durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 zum EKT vom 22. April 1980 wurde ein Gesamtversorgungsanspruch sowie dessen erneute Entstehung rückwirkend zum 1. Januar 1980 ausgeschlossen, soweit sich ein Angestellter Beiträge erstatten läßt. Gegenüber der Rechtslage nach dem Ergänzungstarifvertrag Nr. 14 zum EKT führte diese Regelung zwei Veränderungen herbei. Nach Abschnitt A Nr. 1 Ziff. 1 Abs. 2 EKT Nr. 16 wurde für alle Angestellten, die sich nach dem 31. Dezember 1979 Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung haben erstatten lassen, eine Gesamtversorgung für die Vergangenheit und für die Zukunft ausgeschlossen. Nach dem Ergänzungstarifvertrag Nr. 14 zum EKT war zumindest zweifelhaft, ob auch künftige Zuwachsraten der Betriebsrente entfallen sollten und ob ein neuer Gesamtversorgungsanspruch entstehen konnte. Dies wurde durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 zum EKT eindeutig verneint. Andererseits wurde das Verbot der Anrechnung von Vordienstzeiten auf Erstattungsfälle in der Zeit vor dem 31. Dezember 1979 begrenzt. Aber dies bringt für den Kläger keine Verbesserung, weil in seinem Fall die Beiträge erst Ende 1980 erstattet wurden.
2. Die Ergänzungstarifverträge Nr. 14 und Nr. 16 zum EKT verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
a) Keiner der beiden Tarifverträge hat rückwirkend Rechtspositionen vernichtet.
Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet solche Gesetze, die den Kläger rückwirkend belasten (BVerfGE 30, 367, 386). Eine Ausnahme von dem Rückwirkungsverbot besteht aber dann, wenn es darum geht, ein unklar gefaßtes Gesetz zu verdeutlichen oder nichtiges Recht durch gültiges zu ersetzen (BVerfGE 13, 261, 272; 18, 429, 439; 19, 187, 195, 197; 30, 367, 388; zu allem Maunz/Dürig, GG, Stand September 1980, Art. 20 Erl. VII Rz 67). Da die Tarifvertragsparteien Rechtsnormen setzen, gelten entsprechende Grundsätze auch für sie (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl. 1977, Einl. Rz 224, § 4 Rz 139 mit weiterem Nachweis).
Mit dem Ergänzungstarifvertrag Nr. 14 zum EKT wurde erstmals erst die Möglichkeit zur Beitragserstattung geschaffen und gleichzeitig die Nichtanrechnung der dadurch beitragslos werdenden Beschäftigungszeiten angeordnet. Damit scheidet eine rückwirkende Belastung für den Kläger aus. Der Ergänzungstarifvertrag Nr. 16 zum EKT hat sich allerdings rückwirkende Kraft beigemessen. Ob dies aber zur Unwirksamkeit seiner Regelungen für solche Fallgestaltungen führt, in denen der Erstattungsantrag bereits vor dem Tarifabschluß am 22. April 1980 gestellt worden war, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Immerhin hat der Kläger selbst darauf hingewiesen, daß die tariflich geschaffene Erstattungsmöglichkeit offenbar unbeabsichtigt gewesen sei. Vor allem aber hat er seine Anträge bei der VBL, die zur Beitragserstattung geführt haben, erst nach Abschluß des Ergänzungstarifvertrages Nr. 16 zum EKT gestellt. Zumindest solche Fälle konnten tariflich geregelt werden, ohne daß dadurch das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verletzt worden wäre.
b) Die Rechtsnorm der Ergänzungstarifverträge Nr. 14 und 16 zum EKT, die den Ausschluß der Gesamtversorgung bei Erstattungsfällen bewirken, sind auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet (Maunz/Dürig, aa0, Art. 20 Erl. VII Rz 72 mit weiterem Nachweis). Er dient der Inhaltskontrolle staatlichen Rechts und gebietet, daß die ergriffenen Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Rechtssetzungsziel stehen. Die Maßnahmen müssen zur Erreichung des Regelungsziels geeignet und erforderlich sein und in einem vernünftigen Verhältnis zu diesem stehen (BVerfGE 28, 264, 280; 41, 251, 264). Bei Übertragung dieser Bewertungsmaßstäbe auf die Rechtsetzung in Tarifverträgen sind die Regelungen der Ergänzungstarifverträge Nr. 14 und 16 zum EKT nicht zu beanstanden. Das Tarif- und Versorgungssystem der Ersatzkassen ist darauf abgestellt, den Angestellten bei Eintritt eines Versorgungsfalles eine beamtenähnliche Versorgung zu vermitteln, die sich aus Ansprüchen in verschiedenen Durchführungsformen zusammensetzen soll. Wenn die Tarifvertragsparteien im Rahmen dieses Regelungsziels den Bestand der Gesamtversorgung von dem Fortbestand der einzelnen Versorgungsansprüche abhängig machen, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sondern liegt in der Regelungsautonomie der Tarifvertragsparteien.
II. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Beklagte ihm ermöglicht, nach der Erstattung der freiwilligen Beiträge zur VBL einen neuen Gesamtversorgungsanspruch zu erwerben, ihn also wie Arbeitnehmer zu behandeln, die neu eingestellt werden.
Der Erwerb der Versorgungsansprüche für Arbeitnehmer, die nach dem 1. Januar 1977 neu eingestellt werden, richtet sich nach dem Versorgungstarifvertrag der Ersatzkassen (Anlage 7 zum EKT). Insoweit wird die Versorgung durch eine Pflichtversicherung bei der VBL gewährleistet, so daß von vornherein eine dreistufige Gesamtversorgung ausscheidet. Außerdem schließt Abschnitt A Nr. 1 Ziff. 1 der Anlage 7 a zum EKT in der Fassung des Ergänzungstarifvertrags Nr. 16 den erneuten Erwerb einer Gesamtversorgung ausdrücklich aus.
Dem Kläger muß auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung mit neu eingestellten Arbeitnehmern der Erwerb eines neuen Versorgungsanspruches ermöglicht werden. Neu eingestellte Arbeitnehmer erwerben bereits nach einer Wartezeit von fünf Jahren einen Versorgungsanspruch in Höhe von 35 % der ruhegeldfähigen Bezüge. Diese günstige Steigerungsrate erhalten Arbeitnehmer nur einmal am Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses im Interesse einer soliden Grundsicherung. Auch der Kläger war zunächst in dieser Weise abgesichert. Würde er jetzt wieder wie ein neu eintretender Arbeitnehmer behandelt, müßte die Beklagte erneut das Risiko tragen, für kurzfristige Beschäftigung hohe Ruhegeldleistungen zu schulden. Das widerspricht dem Leistungsplan des Versorgungstarifvertrages.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Engel Gnade
Fundstellen
Haufe-Index 438549 |
RdA 1986, 267 |
AP § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen (LT1-2), Nr 13 |