Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Lina Warnke
Rz. 95
Mit den Spezialvorschriften zu Sammelbewertungsverfahren in § 240 Abs. 3, 4 HGB sowie § 256 HGB (§ 240 Rz 50 ff., § 256 Rz 17 ff.), der Bildung von Bewertungseinheiten nach § 254 HGB (§ 254 Rz 1 ff.) sowie dem Verrechnungsgebot von VG, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschl. der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, mit diesen Schulden gem. § 246 Abs. 2 HGB (§ 246 Rz 104 ff.) kennt das HGB explizite "Abweichungen" vom Einzelbewertungsgrundsatz, wobei es sich nicht um Ausnahmen im eigentlichen Sinne handelt, da die Grundsätze nur beim Nichtbestehen von Spezialvorschriften zum Tragen kommen (Rz 17 ff. und Rz 155 ff.).
Rz. 96
In Konsequenz der seit Einführung des BilRUG gebotenen engeren Auslegung des Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung (dazu detailliert Rz 155 ff.) kommt eine Anwendung des § 252 Abs. 2 HGB nur in Betracht, wenn eine Beibehaltung der Bewertungsgrundsätze der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unt entgegenstehen würde oder mit Blick auf den Grundsatz der Wesentlichkeit und/oder jenen der Wirtschaftlichkeit auf eine Beibehaltung dieser verzichtet werden kann und daraus zumindest keine Verschlechterung der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage resultiert.
Ausnahmen i. S. d. § 252 Abs. 2 HGB, d. h. in begründeten Einzelfällen, kommen entsprechend in Betracht, sofern der Einzelbewertung ein unvertretbarer Zeit- und Kostenaufwand gegenübersteht (oder diese sogar unmöglich ist) und damit keine Verschlechterung der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verbunden ist.
Derartige Fälle liegen etwa bei folgenden Sachverhalten vor:
- Garantierückstellungen
- Urlaubsrückstellungen
- Abschläge auf beschädigtes Vorratsvermögen
- Pauschalwertberichtigungen
Pensionsrückstellungen
Die Grenze ist aber erreicht, wenn die Pauschalisierung nicht auf "allgemeingültigen Maßstäben" beruht. Die angewendeten Maßstäbe dürfen – so zumindest explizit bzgl. der Auslegung des Kriteriums der bestimmten Zeit bei passiven RAP – nicht auf einer Gestaltungsentscheidung des Bilanzierenden beruhen, die geändert werden könnte und nicht kontrollierbare Schätzungen darstellen.