Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Lieferung von Filmen bei sog. ,,echter Auftragsproduktion"
Leitsatz (NV)
Ist wesentlicher Gegenstand eines Filmherstellungsvertrags die Einräumung der Urheberrechte am Film durch den Produzenten an den Auftraggeber, handelt es sich nicht um Lieferung des Films als Gegenstand an den Auftraggeber (§ 1 Abs. 1 BerlinFG), sondern um Überlassung zur Auswertung (§ 1 Abs. 5 BerlinFG).
Die Eigenschaft des Produzenten als Filmhersteller ist im Hinblick auf den ihm obliegenden Erwerb der Nutzungs- und Leistungsschutzrechte (i. S. des UrhG) von den bei der Filmherstellung Mitwirkenden nicht zu bezweifeln (sog. echte Auftragsproduktion), auch wenn aufgrund vertraglich vorgesehener Einwirkungsmöglichkeiten des Auftraggebers die für den Filmhersteller wesentliche Tätigkeit auf organisatorischem, wirtschaftlichem, finanziellem, technischem und künstlerischem Gebiet eingeschränkt war.
Normenkette
BerlinFG § 1 Abs. 1, 5; UrhG § 94; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine in Berlin (West) ansässige GmbH, deren Unternehmensgegenstand Herstellung von Lehr- und Dokumentarfilmen sowie von Synchronfassungen ist.
In den Jahren 1976 bis 1978 nahm die Antragstellerin die Umsatzsteuerkürzung nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 7 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG - (in der bis 31. Dezember 1978 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 19. Dezember 1975, BGBl I 1975, 3157, BStBl I 1976, 2) in Anspruch, wobei sie Herstellung und Überlassung der Filme an westdeutsche Auftraggeber als Lieferungen qualifizierte; für das Jahr 1979 machte sie für diese Umsätze die Umsatzsteuerkürzung nach § 1 Abs. 5 BerlinFG (in der ab 1. Januar 1979 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 20. April 1979, BGBl I 1979, 477, BStBl I 1979, 218) geltend.
Nach einer Betriebsprüfung hat der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die von der Antragstellerin in Anspruch genommenen Kürzungen nach dem BerlinFG für folgende Umsätze versagt:
1. Film X
Die Antragstellerin hatte (nach bisher übereinstimmendem Sachvortrag der Beteiligten) in den Streitjahren 1976 bis 1979 einen längeren, mehrteiligen Film für den als gemeinnützig anerkannten eingetragenen Verein A hergestellt.
Nach einem Schreiben des Vertreters der Antragstellerin vom 14. März 1984 an das Finanzgericht (FG) wurde der Film von 1977 bis 1980 produziert; der Gesamtfilm als einheitliche Leistung wurde erst im Jahr 1979 fertiggestellt.
Entgegen der Beurteilung durch die Antragstellerin ging das FA davon aus, bei den Leistungen zur Filmherstellung fehle es an den Leistungen an einen westdeutschen Unternehmer (§ 3 BerlinFG), weil es sich bei dem Verein A um einen gemeinnützigen Verein handle, der die von der Antragstellerin erhaltenen Leistungen im nichtunternehmerischen Bereich verwende und insoweit als Endverbraucher anzusehen sei.
2. Lehrfilme
Bezüglich der von der Antragstellerin in den Streitjahren 1976 bis 1979 selbst hergestellten Lehrfilme vertrat das FA die Auffassung, es handle sich um keine Lieferungen von Filmen nach § 1 Abs. 1 BerlinFG, sondern um die Übertragung der Leistungsschutzrechte an den Filmen i. S. des § 1 Abs. 5 BerlinFG. Begünstigt seien diese Vorgänge jedoch erst seit dem 1. Januar 1979, weil erst die seit diesem Zeitpunkt geltende Fassung des § 1 Abs. 5 BerlinFG den Kürzungsanspruch nicht mehr davon abhängig mache, daß der Film in einer bestimmten Form (Kino oder Fernsehen) ausgewertet werde. Da die von der Antragstellerin hergestellten Lehrfilme nicht zur Kino- oder Fernsehauswertung bestimmt gewesen seien, könne die Kürzung für die vor dem 1. Januar 1979 ausgelieferten Filme nicht gewährt werden.
3. Synchronfassungen
Im Jahr 1977 hat die Antragstellerin im Auftrag eines westdeutschen Unternehmers für zwei englischsprachige Filme die synchronisierten deutschen Filmfassungen erstellen lassen und dafür insgesamt . . . DM berechnet. Das FA prüfte entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch diesen Vorgang nach § 1 Abs. 5 BerlinFG; es verneinte jedoch einen Anspruch auf die Vergünstigung, weil die Antragstellerin die Synchronisation nicht selbst vorgenommen habe, was bis Ablauf des Jahres 1978 ebenfalls Voraussetzung des Kürzungsanspruchs nach § 1 Abs. 5 BerlinFG gewesen sei.
Für die dargestellten Umsätze ergab sich folgende abweichende Behandlung . . .
Gegen die geänderten Bescheide hat die Antragstellerin Einsprüche eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Nach Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das FA beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide in Höhe von . . . DM beim FG. Der Verein A erklärte auf Anfragen der Antragstellerin und des FA mit Schreiben vom 30. November 1983 und vom 26. Januar 1984, der Film X werde nur in seinem nichtunternehmerischen Bereich eingesetzt; er habe weder einen Vorsteuerabzug noch Kürzungen nach dem BerlinFG in Anspruch genommen.
Die Antragstellerin trug vor, die sofortige Vollziehung der Steuerfestsetzung bedeute auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigte Härte. Das FG hat den Antrag abgelehnt und ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verneint.
Mit der - vom FG zugelassenen - Beschwerde gegen den Beschluß trägt die Antragstellerin im wesentlichen vor:
1. Für den Film X habe sie die Umsatzsteuervergünstigung nach § 1 Abs. 1 BerlinFG beantragt; denn nach den Vereinbarungen mit dem Verein A sei maßgeblicher Gegenstand ihrer Tätigkeit die Lieferung des Films, nicht aber eine sonstige Leistung durch Übertragung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) gewesen. Die vom FG geprüfte Präferenzvorschrift des § 1 Abs. 5 BerlinFG für die Überlassung von Filmen zur Auswertung sei nicht einschlägig. Hersteller des Films nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Februar 1976 V R 92/74 (BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515) sei eindeutig der auftraggebende Verein A. Auch die Ausführungen des FG zu § 3 BerlinFG seien nicht geeignet, ernstliche Zweifel i. S. des § 69 FGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide zu verneinen. Im Hinblick auf die Beweisführungsregeln zum Nachweis der Voraussetzung des § 3 BerlinFG sei nach den bisherigen Ermittlungen absolut ungeklärt, ob der Verein den Film in seinem nichtunternehmerischen oder in seinem unternehmerischen Bereich eingesetzt habe. Es fehle insoweit an einer eigenständigen Ermittlung und Prüfung durch das FA am Sitz des Vereins, worum das hier als Beschwerdegegner auftretende FA zutreffend ersucht habe; das Sitz-FA habe nur eine schriftliche Auskunft des Vereins weitergegeben.
2. Lehrfilme
Nach Eigenart und Zielsetzung der - an Schüler gerichteten - Lehrfilme sei deren Urheber und Inhaber der Urheberrechte jeweils der Auftraggeber gewesen. Eine eigenständige wirtschaftliche Verwertung durch die Antragstellerin gegen Entgelt scheide aus, weil freie Filmtheaterunternehmer kein Interesse an solchen nicht zugkräftigen Filmen hätten. Habe der Auftraggeber bereits die Verfilmungsrechte, nehme er auf die Gestaltung des Films (z. B. durch Gestellung einer Oberleitung) entscheidenden Einfluß; die Parteien sähen in der Ablieferung des einwandfreien Negativs das wesentliche Vertragsmerkmal (BFH-Urteil vom 7. November 1968 V 46/65, BFHE 94, 416, BStBl II 1969, 211). Ein Produzent, der nur noch formalrechtlich in eigenem Namen und für eigene Rechnung tätig werde, während der Auftraggeber aufgrund seiner Einflußnahme auf die Gestaltung des Films Hersteller und Urheber im urheberrechtlichen Sinn werde, sei mit dem Produzenten einer unechten Auftragsproduktion gleichzusetzen (Urteil des FG Hamburg vom 8. März 1974 VI 130/73, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1974, 397, 398).
3. Herstellung von Synchronfassungen
Nach Auffassung der Antragstellerin liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt dieser Vorgänge in der Herstellung und Lieferung eines ordnungsgemäß hergestellten, technisch einwandfreien Mischbandes, nicht dagegen in der Übertragung möglicher Leistungsschutzrechte aus § 85 UrhG. Derartige Rechtsübertragungen seien weder im Verhältnis zu der von ihr mit der technischen Durchführung beauftragten Firma in Berlin noch im Verhältnis zum Auftraggeber von entscheidender Bedeutung gewesen. Der Auftraggeber habe - als Urheber des englischsprachigen Originalfilms - auch die Drehbücher der deutschsprachigen Synchronisation geliefert; der Auftraggeber sei insoweit auch als Urheber des neu entstandenen Tonwerks anzusehen. Die Tätigkeit der von ihr - der Antragstellerin - beauftragten Ausführungsfirma habe sich darauf beschränkt, nach den Anweisungen der Drehbücher eine technisch einwandfreie Tonfassung der Filme herzustellen. Für irgendwelche eigenschöpferischen Leistungen sei kein Raum geblieben. Die Präferenz des § 1 Abs. 1 BerlinFG habe sie zu Recht in Anspruch genommen.
4. Unbillige Härte
Die Antragstellerin stützt ihr Aussetzungsbegehren überdies weiterhin auf den Vortrag, durch die vollständige Zahlung der bestrittenen Umsatzsteuernachforderungen entstünden ihr Nachteile, die über die eigentliche Zahlung hinausgingen und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären und wegen drohender Überschuldung ihre wirtschaftliche Existenz gefährden würden. Die dem FG vorliegende Bilanz zum 31. Dezenmber 1982, die auch den derzeitigen Verhältnissen entspreche, gestatte nicht die Zahlung der Nachforderungen in voller Höhe. Dem stehe auch nicht etwa vorhandene kurzfristige Liquidität gegenüber. Ohne Kapitalerhöhung würde die Nachzahlung dieser Größenordnung zur Überschuldung - also einem Konkursgrund - führen. Es sei wenig hilfreich, wenn das FG sie, die Antragstellerin, auf einen Stundungsantrag mit Teilzahlungsvorschlägen verweise und ihr zumute, die lt. vorliegender Bilanz langfristig in den Passivpositionen zu II bis III gebundene Liquidität zu entziehen und damit die Überschuldung zu riskieren.
Unter Vorlage des Jahresabschlusses 1983 ergänzt die Antragstellerin ihre Darstellung dahingehend, daß selbst bei Nichtberücksichtigung der Pensionsrückstellung für ihren Geschäftsführer und Gesellschafter praktisch keine kurzfristige Liquidität vorhanden sei. Den kurzfristig liquidierbaren Beträgen von . . . DM stünden kurzfristig fällige Beträge von . . . DM gegenüber. Nicht kurzfristig liquidierbar sei das kurzfristige Darlehen an die Z-GmbH, da sonst diese Gesellschaft konkursreif würde. Zudem würde Herr Z als Gesellschafter der Antragstellerin und der Z-GmbH durch Fälligstellung dieses Darlehens seine Treuepflicht als Gesellschafter verletzen.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1979 in voller Höhe der Nachforderungsbeträge wie folgt auszusetzen . . .
Zusätzlich wird beantragt, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren für notwendig zu erklären. Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Begründung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung mit unbilliger Härte macht das FA geltend, die in der Bilanz 1982 der Antragstellerin passivierte Pensionszusage zugunsten ihres Gesellschafters und Geschäftsführers sei aufschiebend bedingt und handeltsrechtlich nicht passivierungspflichtig. Die sofortige Vollziehung der Steuerbescheide würde allenfalls diesen Pensionsanspruch ,,gefährden". Der Antragstellerin sei überdies bereits mit Übersendung des Betriebsprüfungsberichts am 4. August 1982 die abweichende Rechtsauffassung und drohende Nachforderung des FA bekannt gewesen. Sie habe genügend Zeit gehabt, entsprechend Rücklagen zu bilden. Dazu sei sie auch in der Lage gewesen, wie die Darlehensgewährung von . . . DM im Jahr 1983 an die Z-GmbH (ausweislich des nunmehr vorliegenden Jahresabschlusses 1983) zeige. Die behauptete Illiquidität und damit eine unbillige Härte i.S. des § 69 Abs. 2 FGO sei somit zu verneinen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO) bestehen, soweit das FA im Rahmen der Herstellung des Films X für den Verein A bereits in den Jahren 1976 bis 1978 Umsätze (Lieferungen und sonstige Leistungen) mit Entgelten von . . . DM (Umsatzsteuer 11 v. H.), . . . DM (Umsatzsteuer 11 v. H.) und . . . DM (Umsatzsteuer 12 v. H.) angesetzt hat. Im übrigen ist die Beschwerde gegen den Beschluß des FG unbegründet.
1. Film X
Nach dem Sachverhalt, wie er aufgrund des unstreitigen Vorbringens der Beteiligten und anderer präsenter Unterlagen im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, sollte ein Film in mehreren Teilen erstellt werden, der als einheitliches Werk konzipiert war und zunächst im Mai 1978 in sog. Null-Kopie vorliegen sollte, wobei sich die Fertigstellung und die Erstellung der Kopie in den Lauf des Jahres 1979 verschoben. Für das vorliegende Verfahren ist somit davon auszugehen, daß von der Antragstellerin eine einheitliche Leistung ausgeführt und erst im Jahr 1979 erbracht wurde. Für die Ausführung des Auftrags in gesonderten Teilleistungen ergibt der bisherige Sachvortrag keine Anhaltspunkte. Der Umstand, daß mit dem Fortgang der Dreharbeiten Abschlagsrechnungen erteilt und bezahlt wurden, rechtfertigt nicht die Annahme von Teilleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967), wie sie offenbar für die Jahre 1976 bis 1978 (und 1979) der Besteuerung zugrunde liegt. Die der Antragstellerin in Auftrag gegebene Leistung war danach erst im Jahr 1979 erbracht, wobei es offenbleiben kann, ob die Antragstellerin nach dem Gehalt der Vereinbarungen lediglich eine Lieferung des fertigen Filmstreifens (§ 1 Abs. 1 BerlinFG) oder durch Überlassung eines Films an einen westdeutschen Unternehmer zur Auswertung (§ 1 Abs. 5 BerlinFG) eine sonstige Leistung durch Übertragung von Leistungsschutzrechten nach § 94 UrhG ausgeführt hat. Der Leistungszeitpunkt ist für beide Fälle identisch; beide Möglichkeiten setzen die Fertigstellung des Films voraus. Die Umsatzsteuer auf die (einheitliche) Leistung der Antragstellerin entstand demnach erst nach Fertigstellung des Films im Jahr 1979. Die Versagung der beantragten Berlin-Präferenz für das Jahr 1979 bezüglich des Films X ist nach Auffassung des Senats nicht ernstlich zweifelhaft. Auch für die Steuerfestsetzung 1979 kann offenbleiben, ob § 1 Abs. 1 oder § 1 Abs. 5 BerlinFG maßgebliche Rechtsgrundlage für einen Kürzungsanspruch ist. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Kürzung aufgrund der Vorschrift des § 3 BerlinFG versagt. Nach dieser Vorschrift werden Kürzungen nach den §§ 1 und 2 BerlinFG nur gewährt, wenn der Berliner Unternehmer die Lieferungen und sonstigen Leistungen im Rahmen seines Unternehmens und für das Unternehmen des westdeutschen Unternehmers ausgeführt hat. Der Senat hält es für nicht ernstlich zweifelhaft i. S. des § 69 Abs. 2 FGO, daß die Antragstellerin die Herstellung und Überlassung des Films X nicht für das Unternehmen des Vereins A ausgeführt hat. Ob eine Leistung ,,für das Unternehmen" des Leistungsempfängers ausgeführt wurde, richtet sich, wie der Senat zum vergleichbaren Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 entschieden hat (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1985 V R 25/78, BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216, mit Nachweisen) danach, ob sie vom Leistungsempfänger für Zwecke seines Unternehmens in Anspruch genommen wird. Darüber entscheidet grundsätzlich der Unternehmer; er trifft die für die Umsatzsteuer maßgebende Zuordnung zum unternehmerischen oder nichtunernehmerischen Tätigkeitsbereich. Allerdings muß der Leistungsbezug in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des empfangenden Unternehmers stehen. Der Verein A als Empfänger des Films hat auf Anfrage mehrfach erklärt, er werde den Film nicht in seinem unternehmerischen Bereich einsetzen. Eine Verwendung des Films hat nach dem bisherigen Sachvortrag offenbar noch nicht stattgefunden. Die behauptete beabsichtigte Verwendung im nichtunternehmerischen Bereich ist nach den objektiv erkennbaren Abgrenzungen des unternehmerischen und nichtunternehmerischen Bereichs des Vereins nicht ausgeschlossen, sondern sogar naheliegend. Eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts mit anschließenden Folgerungen aus der Feststellungslast ist nicht Aufgabe des summarischen Verfahrens wegen vorläufigen Rechtsschutzes, sondern Aufgabe des noch nicht durchgeführten Einspruchsverfahrens und eines ggf. durchzuführenden Hauptsacheverfahrens.
2. Lehrfilme
Der Senat teilt die Auffassung des FG, Gegenstand der Verträge zur Herstellung von Lehrfilmen durch die Antragstellerin sei nicht die Lieferung des fertigen Filmstreifens an den Auftraggeber, sondern die Rechtseinräumung nach dem UrhG, die mit der Überlassung des Filmstreifens verbunden ist. Die insoweit von der Antragstellerin erbrachten sonstigen Leistungen können nicht zu Umsatzsteuerkürzungen nach § 1 Abs. 1 BerlinFG führen; Anspruchsgrundlage für eine Kürzung kann nur § 1 Abs. 5 BerlinFG sein. Zutreffend hat das FG die Kürzung für die Jahre 1976 bis 1978 versagt, weil es an der vorgeschriebenen Auswertungsart gefehlt hat, die nach der bis Ende des Jahres 1978 geltenden Fassung der Vorschrift erforderlich war.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß wesentlicher Charakter der Leistungen der Antragstellerin in diesen Fällen die Rechtseinräumung war, weil sich darin der eigentliche wirtschaftliche Wert verkörperte, hinter dem der Eigentumswechsel am Werk- oder Vervielfältigungsstück zurücktritt. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des Senats zur Verwertung von Filmwerken nach den Regelungen des UrhG (vgl. BFH-Urteile in BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 - Filmherstellung in Auftragsproduktion -; vom 25. November 1976 V R 71/72, BFHE 120, 568, BStBl II 1977, 270 - Überlassung von Offsetfilmen zum Druck von Reklamematerial -; vom 29. November 1984 V R 96/84, BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271 - Vermietung von Videokassetten -, und vom 14. Juni 1985 V R 11/78, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH / NV - 1985, 58 - Informations- oder Werbefilme -). Aus den dem FG vorgelegten Filmherstellungs-Verträgen der Antragstellerin mit dem maßgeblichen Auftraggeber für die Lehrfilme ergibt sich, daß von sog. ,,echten Auftragsproduktionen" auszugehen ist (vgl. dazu v. Hartlieb, Handbuch des Films-, Fernseh- und Videorechts, 2. Aufl., 1984, 60. Kapitel Rdnr. 2 f., Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz, Kommentar, 1970, § 94 Anm. 2; Fromm / Nordemann, Urheberrecht, Kommentar, 5. Aufl., 1983, § 94 Bem. 6). Die Antragstellerin wurde als selbständiger Hersteller mit Gesamtverantwortung gegenüber dem Auftraggeber (§ 3 der Verträge) beauftragt. Es war Sache der Antragstellerin, im Rahmen der Filmherstellung die Nutzungs- und Leistungsschutzrechte an dem Filmwerk von den Mitwirkenden zu erwerben und solche Rechte, ebenso wie eigene Urheber- oder Leistungsschutzrechte am Film, dem Auftraggeber zu übertragen (§ 8 der Verträge). Aufgrund der vertraglich vorgesehenen Einwirkungsmöglichkeiten des Auftraggebers mag zwar die für den Filmhersteller wesentliche Tätigkeit auf organisatorischem, wirtschaftlichem, finanziellem, technischem und künstlerischem Gebiet eingeschränkt gewesen sein; die Herstellereigenschaft der Antragstellerin ist jedoch gerade im Hinblick auf den ihr überlassenen Erwerb der Nutzungs- und Leistungsschutzrechte der Mitwirkenden bei der Filmherstellung nicht ernstlich zu bezweifeln. Die Antragstellerin erhielt damit die originären Leistungsschutzrechte an den Filmwerken nach § 94 UrhG (vgl. v. Hartlieb, a.a.O.). Anhaltspunkte für eine sog. ,,unechte Auftragsproduktion" (vgl. v. Hartlieb, a.a.O., Rdnr. 6) fehlen. Nach den Vertragswerken ist nicht das gesamte Risiko der Filmherstellung beim Auftraggeber verblieben; die Antragstellerin sollte Nutzungs- und Leistungsschutzrechte an dem Filmwerk nicht im Auftrag und für Rechnung des Auftraggebers erwerben, womit dieser unmittelbar alle Rechte an dem Filmwerk erhalten hätte.
3. Synchronfassungen
Die Auffassung von FG und FA, Gegenstand des Auftrags an die Antragstellerin zur Herstellung synchronisierter deutscher Filmfassungen sei eine sonstige Leistung (Übertragung von Leistungsschutzrechten der Hersteller von Tonträgern gemäß § 85 UrhG) ist nicht zu beanstanden. Nach der bis zum Jahr 1978 geltenden Fassung des BerlinFG war für die im Jahr 1977 erbrachte Synchronisationsleistung die Umsatzsteuerkürzung nach § 1 Abs. 5 BerlinFG nicht möglich, weil die Antragstellerin die Synchronfassung nicht selbst hergestellt hat.
4. Eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in vollem Umfang der Nachforderungen wegen unbilliger Härte hält der Senat für nicht geboten. Nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO kommt die Aussetzung ebenfalls in Betracht, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine solche Härte läge nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538) vor, wenn der Antragstellerin wirtschaftliche Nachteile drohten, die über die eigentliche Zahlung hinausgingen und die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre. Unter Berufung auf die am 28. September 1984 erstellte Bilanz zum 31. Dezember 1983 macht die Antragstellerin geltend, die Fälligstellung der bestrittenen Umsatzsteuerforderung von . . . DM hätte ihre Zahlungsunfähigkeit und damit die Konkursreife zur Folge, weil ausweislich dieser Bilanz keine kurzfristige Liquidität vorhanden sei. Der Senat teilt zum einen die Zweifel, die das FA an der wirtschaftlichen Aussagekraft der von der Antragstellerin hervorgehobenen Bilanzdaten vorgetragen hat, insbesondere mit dem Hinweis, daß die Antragstellerin noch im Jahr 1983 in Kenntnis der vom FA beabsichtigten Steuerfestsetzung Darlehen an ihren Gesellschafter in Höhe von . . . DM und an eine Gesellschaft, deren Anteile teilweise von ihrem Gesellschafter gehalten werden, in Höhe von . . . DM gewährt hat. Ebenso bestehen die Bedenken gegen die Berufung der Antragstellerin auf die Pensionsrückstellung zugunsten ihres Gesellschafters. Hinzu kommt insbesondere nach Auffassung des Senats, daß die Antragstellerin keinerlei substantiierten Vortrag zu der jeden Steuerpflichtigen treffenden Obliegenheit erbracht hat, bei Bedarf zur Tilgung von Steuerschulden Kredit in Anspruch zu nehmen. Soweit die Antragstellerin nicht Kreditmöglichkeiten ausgeschöpft haben sollte, müßte an der Fälligstellung der Steuern schon im öffentlichen Interesse festgehalten werden. Aufgrund dieser Erwägungen fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Einzelumstände, die eine nicht durch öffentliches Interesse gebotene Unbilligkeit belegen. Der Senat braucht diese Frage überdies nicht abschließend zu entscheiden, weil die Vollziehung der angefochtenen Bescheide anteilig aus anderen Gründen ausgesetzt wird, so daß insoweit Härten durch die Zahlung des gesamten Nachforderungsbetrags, wie sie die Antragstellerin geltend macht - und deren Vorliegen unterstellt - gemildert würden.
5. Berechnung der Aussetzungsbeträge
Auf die in den Umsatzsteuerfestsetzungen 1976 bis 1978 erfaßten Herstellungsleistungen für den Film X, gegen deren Ansatz in diesen Jahren nach Ansicht des Senats ernstliche Zweifel bestehen, entfallen bei Anwendung der Steuersätze von 11 v. H. in den Jahren 1976 und 1977, und von 12 v. H. im Jahr 1978 folgende Umsatzsteuerbeträge . . .
Für die Steuerbescheide 1977 und 1978 kommt die Aussetzung der Vollziehung nur bis zur beantragten Höhe in Betracht. Hinsichtlich des Bescheids 1978 ist von einem vollziehbaren Verwaltungsakt - der die Aussetzung zuläßt - auch auszugehen, soweit er die vorher vorläufig festgesetzte negative Steuerschuld von ./. 857 DM aufhebt (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239).
Auszusetzen sind demnach . . .
Im übrigen ist der Antrag unbegründet.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
7. Dem Antrag der Antragstellerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren für notwendig zu erklären, kann nicht entsprochen werden. Das Antragsverfahren vor dem FA über die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ist kein Vorverfahren i. S. des § 44 und 139 Abs. 3 Satz 3 FGO zum Aussetzungsverfahren vor dem FG (§ 69 FGO). Daran ändert auch die Vorschrift des Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl I, 446) nichts, derzufolge ein Antrag an das Gericht auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO nur zulässig ist, wenn die Finanzbehörde einen Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das Aussetzungsverfahren vor dem FG ist kein Rechtsmittelverfahren über die Aussetzungsentscheidung des FA zur Prüfung von deren Rechtmäßigkeit.
Fundstellen