Leitsatz (amtlich)
Die Versäumung eines Beweistermins durch einen ordnungsmäßig geladenen Zeugen ist nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe genügend entschuldigt. Das Vorbringen des Zeugen, er habe den Terminstag mit einem anderen Tag verwechselt, ein guter Bekannter sei gestorben, es sei offenbar geworden, daß sein Vater an einer ernsthaften Krankheit leide, der Sohn habe das Abitur gemacht, reicht zur Entschuldigung nicht aus.
Normenkette
FGO § 82; ZPO §§ 380-381
Tatbestand
Der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG hatte am 20. Mai 1977 die Vernehmung des Beschwerdeführers - eines Steuerberaters - als Zeugen über die Behandlung eines Darlehens, das der Kläger eines anhängigen Rechtsstreits erhalten hatte, angeordnet. Die Vernehmung sollte in der auf den 15. Juni 1977, 14.30 Uhr, angesetzten mündlichen Verhandlung des FG erfolgen. Die Ladung wurde dem Beschwerdeführer ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23. Mai 1977 in seinem Büro zugestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 1977 war der Beschwerdeführer nicht erschienen. Der Vorsitzende stellte fest, daß der Beschwerdeführer ordnungsmäßig geladen sei und eine Entschuldigung nicht vorliege. Es erging Gerichtsbeschluß über die Verlegung des Termins; außerdem wurde der Beschwerdeführer in ein Ordnungsgeld von 500 DM und in die Tragung der durch sein Ausbleiben verursachten Kosten verurteilt.
Gegen die Verurteilung in Ordnungsgeld und in die Tragung der Kosten wegen seines Ausbleibens erhob der Beschwerdeführer Beschwerde mit dem Antrag, das Ordnungsgeld zu erlassen und von einer Kostenfestsetzung Abstand zu nehmen. Er habe den Termin durch ein Versehen aus folgenden Gründen versäumt: Am 13. Juni 1977 sei sein erst 47 Jahre alter Bekannter beerdigt worden; der Hausarzt seines Vaters habe ihm mitgeteilt, daß der Vater an einer ernsthaften Krankheit leide; sein Sohn habe das Abitur abgelegt. Alle diese Dinge hätten ihn persönlich und gesundheitlich sehr belastet, so daß er am 16. Juni 1977 festgestellt habe, den Termin versäumt zu haben. Er sei der Annahme gewesen, daß der Termin auf den 16. Juni 1977 anberaumt worden sei. Er habe daraufhin sofort beim FG angerufen und den Sachverhalt mitgeteilt.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 82 FGO sind im finanzgerichtlichen Verfahren, soweit sich aus den §§ 83 bis 89 FGO nichts Abweichendes ergibt, näher angeführte Bestimmungen der ZPO über die Beweisaufnahme sinngemäß anzuwenden. Nach dem ebenfalls anzuwendenden § 380 Abs. 1 ZPO (i. d. F. des Art. 98 Nr. 5 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch - EGStGB - vom 2. März 1974, BGBl I, 469, in Kraft seit 1. Januar 1975) werden, ohne daß es eines Antrages bedarf, einem ordnungsmäßig geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.
Der Beschwerdeführer ist ordnungsmäßig geladen worden. Dem Vorsitzenden oblag nach § 155 FGO i. V. m. § 216 Abs. 2 ZPO die Terminsbestimmung. Zur Vorbereitung dieses Termins konnte der Vorsitzende Zeugen zur mündlichen Verhandlung laden (§ 79 FGO i. V. m. § 272 b Abs. 2 Nr. 4 ZPO a. F., ab 1. Juli 1977 § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Zwischen Zustellung der Ladung und dem Termin zur Zeugenvernehmung lag eine Frist von etwa drei Wochen. Dem Beschwerdeführer ist somit eine angemessene Zeit zur Vorbereitung gelassen worden. Der Vorsitzende konnte den Beschwerdeführer ohne Rücksicht darauf laden, ob ihm als Steuerberater etwa ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 84 Abs. 1 FGO i. V. m. § 102 Abs. 1 Nr. 3 b AO 1977 zusteht oder schon damals - im Zeitpunkt der Anordnung der Ladung - eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht vorlag (§ 102 Abs. 3 AO 1977). Die Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechts ist ausschließlich Sache des Zeugen. Nach dem ebenfalls anzuwendenden § 386 ZPO hat ein das Zeugnis verweigernder Zeuge die Weigerung entweder vor dem Termin - schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle - oder mündlich im Termin zu erklären. Nur wenn er vor dem Termin schriftlich oder zu Protokoll seine - nach dem Gesetz zulässige - Weigerung erklärt und glaubhaft gemacht hat, ist er nicht verpflichtet, im Termin zu erscheinen (§ 386 Abs. 3 ZPO). Der Beschwerdeführer war demnach auf die ordnungsmäßige Ladung hin verpflichtet, in dem angesetzten Termin zu erscheinen.
Der Beschwerdeführer ist durch die in der Beschwerdeschrift vorgebrachten Gründe nicht genügend entschuldigt (§ 82 FGO i. V. m. § 381 ZPO). Eine genügende Entschuldigung liegt nur bei Umständen vor, die das Verhalten des Zeugen nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Beispiele sind eigene Erkrankung, Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, schwere Erkrankung oder Tod nächster Angehöriger, Nichtbeantwortung eines Verlegungsgesuchs durch das Gericht, wenn nach den Umständen eine Antwort erwartet werden konnte. Es müssen demnach schwerwiegende Gründe für das Ausbleiben vorliegen. Dagegen stellt ein Irrtum über den Terminstag ebenso wie das Vergessen des Termins keine genügende Entschuldigung dar, es sei denn, irgendein wichtiges Ereignis sei die Ursache hierfür gewesen. Eine Pflichtwidrigkeit ist angenommen worden, wenn sich der Zeuge den auf der Ladung angegebenen Termin nicht hinreichend genau eingeprägt und aus diesem Grund den Termin versäumt hat (Beschluß des Oberlandesgerichts München vom 12. November 1956 1 W 1548/56, Neue Juristische Wochenschrift 1957 S. 306).
Etwas Vergleichbares liegt im Falle des Beschwerdeführers vor. Er hat sich den Termin zu seiner Vernehmung nicht genügend eingeprägt, so daß er das Datum vom 15. mit dem vom 16. Juni 1977 verwechseln konnte. Die in der Beschwerdeschrift angegebenen Umstände mögen zum Vergessen oder zum Verwechseln des Terminstags mit einem anderen Tag beigetragen haben. Sie sind aber nicht so schwerwiegend, um das Verhalten des Beschwerdeführers als genügend entschuldigt oder als nicht pflichtwidrig anzusehen. Im übrigen pflegen sich Angehörige steuerberatender Berufe wichtige Termine zu notieren. Daß der Beschwerdeführer den Termin nicht aus den Augen verloren hatte, ergibt sich auch aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 1977, in der festgehalten ist, daß der Vorsitzende in einem Ferngespräch am 6. Juni 1977 den Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß er zum festgesetzten Termin erscheinen müsse.
Nach Art. 6 EGStGB vom 2. März 1974 beträgt das Ordnungsgeld mindestens 5 DM, höchstens 1 000 DM. Der erkennende Senat hat keine Veranlassung, das vom FG auf 500 DM festgesetzte Ordnungsgeld zu ermäßigen. Das verbietet sich im Hinblick auf die Bedeutsamkeit seiner zu machenden Aussage in dem anhängigen Prozeß, in welchem es darum geht, ob der Kläger ein betrieblich veranlaßtes Darlehen von 200 000 DM aufgenommen hatte.
Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG für den Fall, daß das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, noch keine Ordnungshaft festgesetzt hat. Die Umwandlung des Ordnungsgeldes in Ordnungshaft kann nach Art. 8 EGStGB noch nachträglich erfolgen. Es ist auch nicht möglich, den Beschwerdeführer von der Tragung der Kosten zu befreien. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, daß die Prozeßbeteiligten und ihre Prozeßvertreter die nutzlos aufgewendeten Kosten zwecks Teilnahme an der Vernehmung des Beschwerdeführers selbst tragen müßten.
Fundstellen
Haufe-Index 72097 |
BStBl II 1977, 842 |