Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge des Unterlassens der Anordnung der Verfahrensruhe; Gehörsrüge hinsichtlich des Übergehens eines Schriftsatzes
Leitsatz (NV)
- Gemäß § 251 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 155 FGO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, "wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus anderen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist". Die Ausführungen der Kläger in ihrer Beschwerdebegründung lassen nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Sie haben nicht vorgetragen, dass außer ihnen auch das FA das Ruhen des Verfahrens beantragt habe bzw. mit einem solchen Ruhen einverstanden sei.
- Da der im Streitfall zu erwägende Gehörsverstoß nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft, sondern allein darin gesehen werden kann, dass das FG die Äußerungen des Klägervertreters im Schriftsatz vom … bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, wäre für eine schlüssige Gehörsrüge nach ständiger Rechtsprechung des BFH die substanttierte Darlegung erforderlich gewesen, dass bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, §§ 155, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3; ZPO § 251 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt.
1. Verstoß gegen § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozeßordnung (ZPO)
Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend machen, das Finanzgericht (FG) habe unter den gegebenen Umständen das Ruhen des Verfahrens anordnen müssen, haben sie keine ausreichenden Tatsachen angeführt, die ―im Falle ihres Vorliegens― das FG zu einer entsprechenden prozessualen Maßnahme veranlassen mussten.
Gemäß § 251 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 155 FGO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, "wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus anderen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist".
Die Ausführungen der Kläger in ihrer Beschwerdebegründung lassen nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Sie haben nicht vorgetragen, dass außer ihnen auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) das Ruhen des Verfahrens beantrage bzw. mit einem solchen Ruhen einverstanden sei. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob die fehlende Zustimmung des FA bei deren missbräuchlicher Verweigerung durch das FG ersetzt werden könnte (ablehnend: Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. Februar 1989 IV B 39/87, BFH/NV 1990, 375; offen lassend: BFH-Urteil vom 8. Juni 1990 III R 41/90, BFHE 161, 1, BStBl II 1990, 944, 946, unter 1. b der Gründe; BFH-Beschluss vom 25. Januar 1994 VIII B 103/93, BFH/NV 1994, 726, unter 2. b der Gründe). Denn die Kläger haben auch keine Tatsachen vorgetragen, bei deren Vorliegen eine fehlende Zustimmung des FA zum Ruhen des Verfahrens als rechtsmissbräuchlich gewertet werden müsste.
2. Verstoß gegen Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―, § 96 Abs. 2 FGO)
Die Kläger vermochten auch keine ausreichenden Tatsachen vorzutragen, bei deren Vorliegen das FG den Klägern das Recht auf Gehör versagt hätte.
Der Schriftsatz vom 21. Juni 1999, mit welchem der Klägervertreter die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beantragte, erreichte das FG erst am 24. Juni 1999 und damit nach Verkündung des klageabweisenden Urteils am 23. Juni 1999.
Der Senat kann offen lassen, ob die Gehörsrüge schon deshalb keinen Erfolg haben könnte, weil das FG infolge des zu späten Eingangs dieses Schriftsatzes schon objektiv außer Stande war, dessen Inhalt vor der Verkündung des Urteils zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 11. August 1987 VII B 165/86, BFH/NV 1988, 310, und BFH-Urteil vom 4. Juli 1989 IX R 192/85, BFH/NV 1990, 229; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 10 b, m.w.N.).
Ebenso mag auf sich beruhen, ob der Klägervertreter einen Gehörsverstoß schon deswegen nicht mit Erfolg rügen kann, weil er ―infolge etwaiger verspäteter Absendung des Schriftsatzes vom 21. Juni 1999, wegen Wahl des konventionellen Postweges statt eines Fax und/oder im Hinblick auf seine Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 1999 trotz ordnungsgemäßer Ladung― nicht alles seinerseits Erforderliche getan ―d.h. nicht alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft― hatte, um sich rechtzeitig rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 13, m.w.N.).
Da der im Streitfall zu erwägende Gehörsverstoß nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft, sondern allein darin gesehen werden kann, dass das FG die Äußerungen des Klägervertreters im Schriftsatz vom 21. Juni 1999 bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigte (berücksichtigen konnte), wäre für eine schlüssige Gehörsrüge nach ständiger Rechtsprechung des BFH die substantiierte Darlegung erforderlich gewesen, dass bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. April 1995 II B 7/95, BFH/NV 1995, 914; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 14, m.w.N.).
Daran fehlt es im Streitfall. Die Kläger hätten hierzu ausführen müssen, dass und warum ihre Klage entgegen der Ansicht des FG nicht durch Ablauf der gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO durch den Berichterstatter des FG gesetzten Frist mit ausschließender Wirkung (irreparabel) unzulässig geworden sei und dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Verfahrensruhe durch das FG gemäß § 251 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO trotz offenkundig fehlenden Antrages des FA vorgelegen hätten.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen