Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB und AdV
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids, wenn gegen das die Klage abweisende Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist.
2. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde (grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Verfahrensfehler).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen aufgrund eines Konkursantrags am 27. Februar 1991 die Sequestration und am 28. März 1991 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) nahm den Kläger wegen angemeldeter, aber nicht abgeführter Lohnsteuer und darauf entfallender Säumniszuschläge als Haftungsschuldner in Anspruch. Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Kläger habe den Haftungstatbestand nach §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO 1977) erfüllt und hafte somit für die nicht abgeführte Lohnsteuer des Monats September 1990, November 1990 und Januar 1991 sowie für die Säumniszuschläge, die bis zum Datum des Konkursantrags (20. Februar 1991) entstanden waren.
Der Einwand des Klägers, die Lohnsteuer sei nicht in der angemeldeten Höhe oder nicht in den den Anmeldungen zugrunde gelegten Zeiträumen entstanden, sei unerheblich. Die von der GmbH abgegebenen Lohnsteueranmeldungen stünden Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO 1977). Da der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH in der Lage gewesen wäre, die gegen ihren Inhalt erhobenen Einwendungen durch Rechtsbehelfseinlegung geltend zu machen, müsse er die Unanfechtbarkeit der Anmeldungen auch sich selbst gegenüber gelten lassen (§ 166 AO 1977). Zwar könne nach der Rechtsprechung des Senats eine Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ermessensfehlerhaft sein, wenn dieser bereits vor dem Ergehen der Einspruchsentscheidung Einwendungen gegen die Richtigkeit der für die Gesellschaft abgegebenen Steueranmeldungen erhoben habe und diese zu diesem Zeitpunkt noch nach § 164 Abs. 2 AO 1977 hätten geändert werden können. Im Streitfall sei der gegen den Haftungsbescheid eingelegte Einspruch jedoch nicht begründet worden, so daß für das FA keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, daß die Lohnsteueranmeldungen unzutreffend sein könnten. Dies gelte um so mehr, als die im April 1991 durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung nicht zu einer Minderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe und der Vorbehalt der Nachprüfung durch Bescheid vom 24. April 1991 aufgehoben worden sei.
Der Kläger hat gegen das Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und mangelnde Sachaufklärung gestützt wird. Im vorliegenden Verfahren beantragte er unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde, die Vollziehung des Haftungsbescheids auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids ist unbegründet.
1. Der Bundesfinanzhof (BFH) ist nach Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zuständig (§ 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --; BFH-Beschluß vom 12. August 1991 III S 7/91, BFH/NV 1992, 124).
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, richtet sich bei Bescheiden, deretwegen ein Rechtsstreit in der Revisionsinstanz anhängig ist, nach revisionsrechtlichen Grundsätzen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit können in einem solchen Fall nur dann bestehen, wenn auch unter Beachtung der nur noch beschränkten Prüfungsmöglichkeit des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist (BFH- Beschluß vom 4. Dezember 1987 V S 9/85, BStBl II 1988, 702, 705).
Dazu ist bei einer anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde zunächst zu prüfen, ob gemäß § 115 FGO mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen jedenfalls dann nicht, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat und demnach die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht Gegenstand eines Hauptverfahrens beim BFH werden kann. Entsprechendes gilt für die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1991 IX S 1/91, BFH/NV 1992, 259, 260, m. w. N.).
Im Streitfall konnte die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde aus den nachstehenden Gründen keinen Erfolg haben, so daß auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids abzulehnen war.
2. Die vom Kläger vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision gegen das angefochtene Urteil des FG.
a) Soweit sich der Kläger auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinsichtlich der (teilweise sinngemäß formulierten) Fragen beruft, ob
(1) § 166 AO 1977 auch Anwendung findet, wenn (a) der Geschäftsführer (Vertreter) nicht während der Gesamtdauer der Einspruchsfrist zur Anfechtung der Steuerfestsetzung in der Lage war, (b) es sich um eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 168 i. V. m. § 164 -- hier insbesondere Abs. 2 Satz 2 (Antrag auf Änderung) -- AO 1977 handelt,
(2) ob die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers als Haftenden nicht stets und grundsätzlich eines materiell zutreffenden Steuerbescheids gegen die GmbH bedarf,
(3) ob sich das für die Bejahung der Pflichtverletzung des Geschäftsführers erforderliche Verschulden stets auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer beziehen muß oder ob nicht die begründete Erwartung, die zum Fälligkeitstermin nicht zahlbare Lohnsteuer zu einem späteren Termin zahlen zu können, das nach § 69 Satz 1 AO 1977 erforderliche Verschulden beseitigt,
fehlt es bereits an der als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen hinreichend substantiierten Darlegung abstrakter Rechtsfragen und ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn über eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, m. w. N.). Zur Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung sind deshalb substantiierte und konkrete Angaben darüber erforderlich, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann. Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen muß, in wieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschluß vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171, m. w. N.).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift nicht. Die vom Kläger angesprochenen Rechtsfragen, wie sie vorstehend -- zum Teil sinngemäß formuliert -- dargestellt worden sind, orientieren sich an den Besonderheiten des Streitfalles. In der Beschwerdeschrift wird im wesentlichen ausgeführt, aus welchen Gründen das FA zu den genannten Fragen bezogen auf den Streitfall fehlerhaft entschieden hat. Es fehlen aber Darlegungen dazu, inwieweit die Rechtsfragen im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sind und in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen sie -- etwa unter Angabe gegensätzlicher Rechtsauffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum -- umstritten sind. Für die ordnungsgemäße Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde reicht es aber nicht aus, daß die grundsätzliche Bedeutung der angeführten Rechtsfragen -- wie im Streitfall -- ohne jede Substantiierung lediglich behauptet wird. Das gilt auch insoweit, als sich der Kläger in tatsächlicher Hinsicht im Hinblick auf den Konkurs der von ihm vertretenen GmbH auf einen angeblich typischen Geschehensablauf beruft.
Im übrigen sind die angesprochenen Rechtsfragen aus den nachstehenden Gründen in einem hier durchzuführenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig bzw. nicht klärungsbedürftig:
Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, daß die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gemäß § 166 AO 1977 hinsichtlich der Lohnsteueranmeldung für Januar 1991 deshalb nicht eintreten konnte, weil er wegen der Anordnung der Sequestration am 27. Februar 1991 nicht während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist (hier bis 10. März 1991) zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt gewesen sei. Durch die dem Konkursverfahren vorausgegangene Anordnung der Sequestration wurde dem Kläger -- wie aus dem angefochtenen Urteil (S. 10 unten) hervorgeht -- nur die Verfügung über das Vermögen der GmbH untersagt. Sie verdrängte aber nicht dessen Geschäftsführungsbefugnisse im Hinblick auf die Anfechtung einer die GmbH betreffenden Steuerfestsetzung (vgl. auch § 106 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der Konkursordnung -- KO --; ferner: Kilger/Karsten Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl., § 106 Anm. 4). Die Rechtsfrage zu (1) a) ist somit nicht entscheidungserheblich.
Die Frage nach der Anwendbarkeit des § 166 AO 1977 in den Fällen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§§ 168, 164 AO 1977) ist nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 9, m. w. N.). Wie der Kläger selbst zutreffend ausgeführt hat, läßt die Drittwirkung der Unanfechtbarkeit (formelle Bestandskraft) nach § 166 AO 1977 bei einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung den Anspruch des Steuerpflichtigen und seines Vertreters auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 unberührt. Beide Vorschriften haben also einen voneinander unabhängigen Regelungs- und Anwendungsbereich. Wie sich aus der obigen Darstellung der Urteilsgründe ergibt, hat das FG die Änderungsmöglichkeit der Lohnsteueranmeldungen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 in seine rechtlichen Erwägungen miteinbezogen. Ob es insoweit die rechtlich zutreffenden Schlußfolgerungen gezogen hat, ist für die Frage der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage und die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung unerheblich.
Es entspricht ferner der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß es für die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers als Haftenden nicht des Ergehens eines -- materiell zutreffenden -- Steuerbescheids gegenüber der GmbH bedarf. Der Haftungsschuldner kann vielmehr -- abgesehen von den Beschränkungen gemäß § 166 AO 1977 -- uneingeschränkt Einwendungen gegen die Richtigkeit einer etwaigen Steuerfestsetzung und gegen die Höhe der gegen ihn festgesetzten Haftungsschuld geltend machen. Die insoweit aufgeworfene Rechtsfrage ist also -- unabhängig von ihrer zutreffenden Entscheidung im Streitfall durch das FG -- nicht klärungsbedürftig.
An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es auch hinsichtlich der Frage, ob sich das Verschulden auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer beziehen muß oder ob auch die begründete Erwartung, die Steuer zu einem späteren Termin entrichten zu können, das Verschulden ausschließt. Ihre Beantwortung ergibt sich wiederum zweifelsfrei aus dem Gesetz. Denn nach § 69 Satz 1 AO 1977 erfüllt (u. a.) die nicht rechtzeitige Zahlung den Haftungstatbestand. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Geschäftsführer, der zum Fälligkeitszeitpunkt keine Zahlung leistet, das Risiko einer später eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu tragen, auch wenn diese unerwartet eintritt (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1990 VII R 85/88, BFHE 163, 119, BStBl II 1991, 282).
b) Soweit die Zulassung der Revision auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützt wird, muß nicht nur die Divergenzentscheidung des BFH genau bezeichnet werden; darüber hinaus muß kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt. Nach übereinstimmender Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte muß deshalb der Beschwerdeführer dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet werden, daß eine Abweichung erkennbar wird (Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 63, m. w. N.). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist wiederum nicht erfüllt.
Der Kläger hat zwar zahlreiche Entscheidungen des BFH, von denen das FG-Urteil abweichen soll, unter Angabe von Datum, Aktenzeichen und Fundstelle genau bezeichnet. Er hat auch teilweise die abstrakten Rechtssätze benannt, die der BFH-Entscheidung zugrunde liegen. Es fehlt aber jeweils an einer Gegenüberstellung der abstrakten Rechtssätze aus den BFH-Entscheidungen mit solchen des angefochtenen FG-Urteils, aus denen die Abweichung der Vorentscheidung von der BFH-Rechtsprechung in bestimmten Rechtsfragen erkennbar wird. Da der Kläger divergierende abstrakte Rechtssätze des FG-Urteils nicht angegeben hat, ergibt sich aus seinem Vorbringen lediglich, daß das FG die angegebenen BFH-Entscheidungen und die darin enthaltenen Rechtssätze nicht beachtet hat. Ein derartiger Rechtsfehler oder Rechtsirrtum des FG reicht aber zur Bezeichnung der Divergenz nicht aus.
Im übrigen liegt auch die behauptete Divergenz von der BFH-Rechtsprechung nicht vor:
Wenn das FG unter Nichtbeachtung der BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1965 VI 13/64 S (BFHE 82, 678, BStBl III 1965, 491, 492) und vom 10. Juni 1970 III R 128/67 (BFHE 99, 348, BStBl II 1970, 665) zu Unrecht nicht berücksichtigt haben sollte, daß die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für die Lohnsteueranmeldungen durch Bescheid vom 24. April 1991 wegen der vorangegangenen Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH am 28. März 1991 nicht wirksam erfolgt ist, so war dies -- entgegen der Auffassung des Klägers -- für sein Urteil nicht entscheidungserheblich. Denn das FG hat die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung lediglich als Hilfsbegründung ( ... "Dies gilt um so mehr ... ") für die Unzulässigkeit von Einwendungen im Haftungsverfahren gegen die Höhe der angemeldeten Lohnsteuer angeführt. In erster Linie beruft sich das FG darauf, der Kläger müsse die Unanfechtbarkeit der Lohnsteueranmeldungen nach § 166 AO 1977 gegen sich gelten lassen. In der Hilfsbegründung verweist es zunächst darauf, daß auch die spätere Lohnsteueraußenprüfung nicht zu einer Minderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe. Diese Begründungen sind für das Urteil des FG zur Höhe der Haftungsschuld bereits tragend, so daß das Urteil nicht auf der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung als weitere Hilfsbegründung beruht.
Eine Abweichung von dem Senatsurteil vom 20. April 1993 VII R 67/92 (BFH/NV 1994, 142) -- keine Verpflichtung zur Kürzung der Löhne und abgesonderten Bereithaltung der darauf entfallenden Steuern bei unvorhergesehener Verschlechterung der Liquidität zwischen den Zeitpunkten der Lohnzahlung und der Lohnsteuerfälligkeit -- liegt deshalb nicht vor, weil der darin angesprochene Sachverhalt nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Streitfall nicht vorlag. Gegen eine unvorhergesehene Verschlechterung der Liquidität im vorstehenden Sinne spricht vielmehr nach den Ausführungen des FG schon, daß die krisenhafte Zuspitzung der Liquiditätssituation der GmbH nach der eigenen Darstellung des Klägers spätestens im November 1990 eingetreten ist, der Kläger jedoch auch für die Folgemonate noch Löhne gezahlt hat, obwohl ihm bekannt war, daß die für November 1990 angemeldete Lohnsteuer noch nicht beglichen war. Ein solches Verhalten stellt nach der Auffassung des FG eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar.
c) Da bei der Prüfung, ob der von der Beschwerde gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 76 Abs. 1 FGO) vorliegt, von dem materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen ist (Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 24 m. w. N.), kann auch ein die Zulassung der Revision begründender Verfahrensfehler nicht darin gesehen werden, daß das FG die nach dem 22. Januar 1991 erteilten Anweisungen des Klägers an den Buchhaltungsleiter W zur Tilgung der Lohnsteuerrückstände für unerheblich angesehen und den hierzu benannten Zeugen nicht gehört hat. Denn nach der Rechtsauffassung des FG kam es auf die nachträglichen Bemühungen des Klägers zur Tilgung der bereits fällig gewordenen Steuerrückstände nicht an, und hinsichtlich der Löhne für Januar 1991 hätte wegen der vom FG angenommenen Liquiditätsschwierigkeiten der GmbH bereits bei deren Auszahlung eine Kürzung zur Abführung der darauf entfallenden anteiligen Lohnsteuer vorgenommen werden müssen.
d) Ob im Hinblick auf die benannten BFH- Urteile vom 8. März 1984 I R 44/80 (BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415) und vom 26. Juli 1988 VII R 83/87 (BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859) -- wie der Kläger meint -- eine andere (einschränkende) Entscheidung zur Haftung für die Säumniszuschläge rechtlich geboten gewesen wäre, ist für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Bedeutung. Der Kläger hat auch hinsichtlich dieser Urteile die Divergenz -- wie oben aufgeführt -- nicht hinreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der GmbH erhobene Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung ist ebenfalls nicht in der gebotenen Form erfolgt. Sie läßt jedenfalls nicht erkennen, warum sich dem FG hierzu auch ohne besonderen Antrag eine Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) hätte aufdrängen müssen, der Kläger aber insoweit keine Beweisanträge gestellt hat (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228, m. w. N.).
3. Der Senat hat demgemäß mit Beschluß vom heutigen Tage die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen. Das Urteil des FG, soweit es die Klage abgewiesen hat, ist damit rechtskräftig geworden. Da der Haftungsbescheid somit in Bestandskraft erwachsen ist, kann seine Vollziehung nicht mehr ausgesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 421538 |
BFH/NV 1996, 915 |