Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in Revisionsbegründungsfrist
Leitsatz (NV)
Bei Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die Revisionsbegründung eingereicht wird. Die Anbringung eines Antrags auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist genügt nicht (BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264).
Normenkette
FGO § 56
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gegen die Umsatzsteuerbescheide 1984 ab. Das Urteil wurde den Klägern am 15. Oktober 1987 zugestellt.
Am 13. November 1987 legten die Kläger beim BFH (die vom FG zugelassene) Revision ein. Revisionsantrag und -begründung enthielt das Schreiben nicht.
Mit Schreiben der Geschäftsstelle des erkennenden Senats vom 14. Dezember 1987 wurde den Klägern mitgeteilt, die Streitsache liege dem Bundesfinanzhof (BFH) vor und werde unter dem angegebenen Aktenzeichen geführt.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 1987, am 28. Dezember 1987 zugestellt, wurden die Kläger darauf hingewiesen, daß die Frist zur Begründung der Revision am 16. Dezember 1987 abgelaufen sei, die Begründung aber nicht vorliege. Daraufhin ließen die Kläger durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom selben Tag vortragen: Fristgemäßes Einreichen der Revisionsbegründung sei (dem Bevollmächtigten) deshalb nicht möglich gewesen, weil das Aktenzeichen erst am 16. Dezember 1987 mitgeteilt worden sei.
Das FG habe mit Schreiben vom 17. November 1987 mitgeteilt, weitere Schriftsätze seien an den BFH einzureichen, von dem seien jedoch Aktenzeichen und damit auch die Zuständigkeit nicht bekannt gewesen. Daher werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und darüber hinaus Verlängerung für die Einreichung der Revisionsbegründung zum 16. Januar 1988 beantragt. Die Revisionsbegründung liege im Konzept vor, nach Beendigung der Betriebsferien könne diese in der zweiten Kalenderwoche 1988 geschrieben werden.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 1987 teilte die Geschäftsstelle des Senats den Klägern mit, die Frist zur Begründung der Revision werde vorbehaltlich der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung bis 16. Januar 1988 verlängert. Auf den BFH-Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 250/66 (BFHE 88, 75, BStBl III 1967, 291) werde hingewiesen.
Mit Schreiben vom 15. Januar 1988 (eingegangen am 18. Januar 1988 - Montag -) trug der Bevollmächtigte der Kläger unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 28. Dezember 1987 vor: Da ihm bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 16. Dezember 1987 ein Aktenzeichen und damit die Zuständigkeit beim BFH noch nicht mitgeteilt worden sei, sei es ihm nicht möglich gewesen, den Vorsitzenden des zuständigen Senats anzusprechen und infolge der Vorweihnachtszeit Fristverlängerung für die Revisionsbegründung zu beantragen. Er habe das ihm nach § 120 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zustehende Fristverlängerungsrecht aus tatsächlichen Gründen deshalb nicht in Anspruch nehmen können.
Im übrigen enthielt das Schreiben den Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben.Zusätzlich war in Ablichtung das von den Klägern bereits angesprochene Schreiben des FG vom 17. November 1987 beigelegt. Es teilte mit, daß die Streitakten des FG ohne Steuerakten dem BFH vorgelegt worden seien und daß weitere Schriftsätze künftig dorthin zu richten seien. Ferner war ausgeführt: ,,Gegen das Urteil des Finanzgerichts vom 22. 9. 1987, zugestellt am 15./19. 10. 1987, ist mit Schriftsatz vom 12. 11. 1987 ohne Begründung, eingegangen beim Finanzgericht am 13. 11. 1987, Revision eingelegt worden."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen mit dem Vortrag, eine Stellungnahme zur Revisionsbegründung sei nicht zweckdienlich, weil die Revision wegen Fristüberschreitung unzulässig sei. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, seien nicht vorgetragen.
Der Bevollmächtigte der Kläger erwiderte, es stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn auf diese Weise einem Bürger der Zugang zur Revisionsinstanz verwehrt werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, sie war nach § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
Die Kläger haben die Revision nicht innerhalb der mit Ablauf des 16. Dezember 1987 endenden Revisionsbegründungsfrist begründet (§ 120 Abs. 1 Satz 1, § 124 FGO).
Wirksame Fristverlängerung zur Begründung der Revision hatten die Kläger weder durch das FG noch durch den BFH erhalten. Die Fristverlängerung bis zum 16. Januar 1988 durch das Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 30. Dezember 1987 erfolgte ausdrücklich vorbehaltlich der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO scheidet aus. Wie der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85 (BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264) entschieden hat, kann bei Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die Revisionsbegründung eingereicht wird. Die Anbringung eines Antrags auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist genügt nicht; für einen derartigen Antrag kann Wiedereinsetzung nicht erlangt werden.
Nach § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Der Revisionsführer hat lediglich Gelegenheit, während des Laufs der Revisionsbegründungsfrist ihre Verlängerung zu beantragen; dieser Antrag ist nicht die vom Revisionsführer erwartete und von ihm versäumte Prozeßhandlung.
Selbst wenn man zugunsten des Bevollmächtigten der Kläger unterstellte, daß die Unkenntnis des Aktenzeichens, unter dem der Streitfall beim BFH geführt wurde, das Hindernis für die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist gewesen sei, so wäre dieses Hindernis am 16. Dezember 1987 mit der Bekanntgabe des Aktenzeichens weggefallen. Nach § 56 Abs. 2 FGO hätte der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden müssen. Eine danach bemessene Wiedereinsetzungsfrist wäre mit Ablauf des 30. Dezember 1987 beendet gewesen. Innerhalb dieser Frist hätte die Revisionsbegründung eingereicht werden müssen.
Darüber hinaus scheitert Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls daran, daß der Bevollmächtigte der Kläger bisher keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich die Voraussetzung des § 56 Abs. 1 FGO, er sei ohne Verschulden verhindert gewesen, für die Kläger die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, ergeben könnte. Die beiläufige Bemerkung im Schreiben vom 15. Januar 1988, er habe ,,infolge der Vorweihnachtszeit" um eine Fristverlängerung für die Begründung der Revision nachsuchen wollen, reicht jedenfalls nicht aus. Andere ,,anzuerkennende" Hinderungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Behauptung des Bevollmächtigten der Kläger, er sei infolge Unkenntnis des Aktenzeichens und des zuständigen Senats des BFH bis zum 16. Dezember 1987 an der Abgabe der Revisionsbegründung bzw. an einem Antrag zur Fristverlängerung gehindert gewesen, kann von einem Vertreter der steuerberatenden Berufe nicht hingenommen werden. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgehen wollte, daß, entsprechend der Auskunft des FG, der weitere Schriftverkehr mit dem BFH zu führen gewesen sei. Ein Schreiben an den BFH mit der Bezeichnung des Streitgegenstands und des finanzgerichtlichen Urteils hätte ausgereicht; die Zuordnung des Schreibens zum zuständigen Senat ist eine nur den BFH betreffende Organisationsfrage. Abgesehen davon kann nach dem Urteil des BFH vom 7. April 1987 IX R 140/84 (BFHE 150, 16, BStBl II 1987, 567) - also vor der hier maßgeblichen Zeit veröffentlicht - der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Revisionsbegründung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist auch beim FG gestellt werden.
Fundstellen