Leitsatz (amtlich)
Für die Erklärung des Gerichts, daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig ist, bleibt kein Raum mehr, wenn die Klage abgewiesen worden ist und die Kosten dem Kläger auferlegt worden sind, und zwar auch dann, wenn der Kläger im Vorverfahren zum Teil obgesiegt hat.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Auf den Einspruch der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) hatte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (HZA) in der Einspruchsentscheidung die Eingangsabgaben auf 31,90 DM ermäßigt und festgestellt, daß die Kosten der Bundeskasse zur Last fallen. Die Klage der Beschwerdeführerin wies das FG ab und erlegte der Beschwerdeführerin die Kosten auf. Den Antrag der Beschwerdeführerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, lehnte das FG mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin beim FG keinen Erfolg gehabt habe.
Mit der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, daß im Falle des § 139 Abs. 3 FGO die Erstattungsfähigkeit der Auslagen im Vorverfahren nicht nur dann bejaht werden könne, wenn die Klage, die dem Vorverfahren folge, zu einem weiteren Erfolg der Beschwerdeführerin führe. Es komme nur darauf an, ob die Kosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Als solche sei im Vorverfahren jede Maßnahme anzusehen, die nach Sachlage für geeignet gehalten werden dürfe, die Erledigung des Streitfalls auf außergerichtlichem Wege zu fördern. Formelles Erfordernis dafür, daß die Kosten des Vorverfahrens erstattet werden, sei die Fortführung des Verfahrens beim FG. Materiell komme es ausschließlich darauf an, ob der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen habe zugemutet werden können, das Vorverfahren allein zu betreiben (s. v. Wallis-List, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 52 zu § 139 FGO). Im Streitfall habe es sich um eine besonders komplizierte Materie gehandelt.
Entgegen der Vorentscheidung komme es lediglich darauf an, ob die Klage erhoben worden sei. Unerheblich sei, ob diese zu einem Erfolg führe oder nicht. Die Notwendigkeit der Zuziehung des Bevollmächtigten sei ausschließlich nach den Gesichtspunkten des Vorverfahrens zu prüfen, während die Aussichten der Klage völlig unerheblich seien. Denn beim Obsiegen im Klageverfahren hätte das HZA ohnehin die Kosten des Klageverfahrens tragen müssen, während sie im Streitfall zu Lasten der Beschwerdeführerin gingen. Nur wegen des geringen Sreitwerts sei es nicht zu einem Revisionsverfahren gekommen, bei dem die Beschwerdeführerin hätte obsiegen können.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Beschwerdegegenstand ist die Erklärung des FG, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig gewesen ist (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Wert dieses Beschwerdegegenstandes errechnet sich aus den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kosten, und zwar nicht nur aus dem Streitwert der Kostenentscheidung des FG, sondern aus dem gesamten Streitwert des Vorverfahrens. Diese Kosten übersteigen den Betrag von 50 DM. Die Beschwerde ist deshalb nach § 128 Abs. 3 FGO zulässig (s. Beschluß des BFH vom 8. August 1969 III B 17/69, BFHE 96, 388, BStBl II 1969, 661).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
Das FG hat den Antrag der Beschwerdeführerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, deshalb abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin beim FG nicht obgesiegt habe und der auf das teilweise Obsiegen der Beschwerdeführerin im Vorverfahren entfallende Teil der Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten nicht erstattungsfähig sei. Zwar sind diese Kosten im sog. isolierten Vorverfahren grundsätzlich nicht erstattungsfähig (s. Entscheidung des BVerfG vom 20. Juni 1973 I BvL 9/71 - 1 BvL 10/71, BB 1973, 1056). Wird aber der Streit um die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung durch Anfechtungsklage des Steuerpflichtigen vor dem FG fortgesetzt, so können die Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten für das Vorverfahren erstattungsfähig werden, wenn das Gericht nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO dessen Zuziehung für notwendig erklärt.
Die Festsetzung und Erstattung der Aufwendungen eines Bevollmächtigten im Vorverfahren richtet sich allein nach der Kostenentscheidung des FG in dem bei diesem anhängig gewordenen Verfahren. Zwar gehört die Erklärung des FG nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO selbst nicht zur Kostenentscheidung im Klageverfahren, sondern zum Kostenfestsetzungsverfahren. Sie ist aber sachlich eine Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Einzelaufwendungen der Beteiligten, da diese Aufwendungen durch den Ausspruch des FG kraft Gesetzes an Stelle der Festsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts als dem Grunde nach erstattungsfähig festgestellt werden (s. BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56). Die nach §§ 135 ff. FGO zu treffende gerichtliche Kostenentscheidung kann sich als Folge des beim FG anhängigen Rechtsstreits nur auf den gerichtlichen Streitgegenstand beziehen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 6. Juni 1973 II B 26/72, BFHE 109, 497, BStBl II 1973, 760). Unterliegt der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren und werden ihm die Kosten des Klageverfahrens auferlegt, so sind auch die Aufwendungen seines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht erstattungsfähig. Deshalb erübrigt es sich, auf den Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, einzugehen (s. BFH-Urteil vom 23. Februar 1967 III 334/63, BFHE 88, 294). Dies muß auch dann gelten, wenn der Kläger im außergerichtlichen Verfahren zum Teil obgesiegt hat. Wegen des vorstehend dargelegten engen Zusammenhangs zwischen der Kostenentscheidung und der Erklärung des FG nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO kann diese sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren gehörende Erklärung nicht über die gerichtliche Kostenentscheidung hinaus auch die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für den Teil des Vorverfahrens erfassen, der nicht in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist. Deshalb kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, die Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO könne in jedem Falle erfolgen, in dem ein außergerichtliches Verfahren in einem finanzgerichtlichen Verfahren weitergeführt worden ist.
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß der III. Senat im Beschluß vom 21. Mai 1971 III B 48/70 (BFHE 102, 454, BStBl II 1971, 714) entschieden hat, daß die Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht mit der Begründung abgelehnt werden könne, daß, soweit der Einspruch Erfolg gehabt habe, sich ein Klageverfahren nicht mehr habe anschließen können Abgesehen von der anders liegenden Fragestellung hatte der III. Senat in seinem Fall - anders als im vorliegenden Fall - die Einspruchsentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Zwar hatte er aus anderen Gründen dem Kläger die Kosten des Klageverfahrens auferlegt, aber die Erstattungsfähigkeit der aus der Vertretung des Klägers im Vorverfahren entstandenen Kosten anerkannt, soweit nach dem Inhalt der Einspruchsentscheidung das FA die Kosten des Vorverfahrens zu tragen hatte. Im Streitfall können aber die nach der Einspruchsentscheidung vom HZA zu tragenden Kosten deshalb nicht als erstattungsfähig anerkannt werden, weil die Beschwerdeführerin im Klageverfahren unterlegen ist und, wie auch der III. Senat in seiner Begründung sagt, das FG über die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Vorverfahrens nur soweit entscheiden kann, als es mit einer Klage befaßt worden ist. In diesem Sinne hat der erkennende Senat bereits in dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 19. Juni 1969 VII B 93/68 unter Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats vom 18. Juli 1967 GrS 8/66 (BFHE 90, 156, BStBl II 1968, 59) und auf den Beschluß des FG Düsseldorf VI 110/67 EK - EFG 1968, 77 - (Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Anm. 8 Abs. 10 zu § 139 FGO; Kaiser, Die Kostenentscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren in DB 1966, 1106) entschieden (s. auch Entscheidung des Hessischen FG vom 20. März 1972 B II 62/71, EFG 1972, 297, rechtskräftig).
Nach allem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1974, 249 |
BFHE 1974, 297 |