Entscheidungsstichwort (Thema)
Liebhaberei; rügeloses Einlassen in der mündlichen Verhandlung; fehlende Protokollberichtigung; Berücksichtigung geltend gemachter Steuerberatungskosten
Leitsatz (NV)
1. Eine Liebhaberei liegt nicht vor, wenn ein geringerer Verlust dadurch entsteht, dass das FA geltend gemachte Betriebsausgaben eines Rechtsanwaltes zu Recht nicht anerkennt.
2. Bei einer verlustbringenden Tätigkeit eines Rechtsanwaltes kann die Gewinnerzielungsabsicht verneint werden, wenn aus weiteren Anzeichen die Feststellung möglich ist, dass die Tätigkeit nur aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt wird.
3. Ein etwaiges Rügerecht wegen einer vom FG unterlassenen Ortsbesichtigung oder Aktenbeiziehung geht durch ein rügeloses Einlassen der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretenen Kläger verloren.
4. Mangels einer Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG ist der BFH an das Protokoll gebunden. Grundsätzlich kann nur das FG oder der Protokollführer sein Protokoll ändern.
5. Als Sonderausgaben oder Werbungskosten geltend gemachte Steuerberaterkosten sind auch ohne Antrag bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen. Unterlässt dies das FG, ist sein Urteil insoweit nicht mit Gründen versehen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG §§ 2, 9-10, 18
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 23.10.2002; Aktenzeichen 13 K 3722/00 E) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten war vor dem Finanzgericht (FG) streitig, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Tätigkeit der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zu Recht als Liebhaberei behandelt hat. Das FG, das der Klage zum Teil stattgab, nahm an, soweit die Klägerin für fremde Mandanten sowie die Fa. X tätig geworden sei, habe sie mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt; im Übrigen aber sei ein Teil der geltend gemachten Aufwendungen nicht betrieblich, sondern privat veranlasst, insbesondere durch die umfangreiche Tätigkeit für die eigenen steuerlichen Belange.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Entscheidungsgründe
Die dagegen erhobene Beschwerde ist begründet.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend machen, das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, haben sie einen Zulassungsgrund nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ordnungsgemäß dargelegt. Selbst wenn man dies zu Gunsten der Kläger annähme, weicht das angefochtene Urteil weder von dem Urteil des BFH vom 22. April 1998 XI R 10/97 (BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663) noch von dem Senatsurteil vom 31. Mai 2001 IV R 81/99 (BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276) ab.
Ausdrücklich hat der XI. Senat in seinem Urteil in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663 ausgeführt, dass die Vorinstanz dem damaligen Kläger lediglich subjektiv eine schlechte Betriebsführung bescheinigt, nicht aber die Eignung des Betriebs, Gewinne zu erzielen, in Zweifel gezogen habe. Davon ist auch das hier angefochtene Urteil ausgegangen. Es hat jedoch darüber hinaus geltend gemachte Ausgaben --in Übereinstimmung mit den Ausführungen des XI. Senats im Urteil in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663-- als nicht betrieblich veranlasst vom Abzug ausgenommen. Wie der XI. Senat dies im zitierten Urteil unter II. 2. b) am Ende herausarbeitet, ist dies grundsätzlich möglich.
Ferner weicht das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht der Kläger nicht von dem Senatsurteil in BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276 ab. Nach ihm spricht bei einer freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater ein Anscheinsbeweis für das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht, der allerdings durch die Feststellung einer privaten Veranlassung widerlegt sein kann. Im Streitfall ist das angefochtene Urteil --unabhängig davon-- zu der Feststellung gelangt, dass ein Teil der geltend gemachten Betriebsausgaben nicht durch betriebliche, sondern durch private Gründe veranlasst war. Das beruht darauf, dass Aufwendungen für die private Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abzugsfähig sind mit der Folge, dass in diesem Fall der für den Betriebsausgabenabzug erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Aufwendungen einerseits und dem Betrieb andererseits fehlt (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. z.B. das Senatsurteil vom 22. November 1979 IV R 88/76, BFHE 129, 269, BStBl II 1980, 152). Insoweit ist das FG in dem angefochtenen Urteil gerade nicht davon ausgegangen, im Streitfall liege eine "Liebhaberei" vor. Deshalb geht auch der Vorwurf ins Leere, das FG habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer seit dem Jahr 1964 ausgeübten Rechtsanwaltstätigkeit tatsächlich einen Totalüberschuss erzielt habe.
Aus diesen Gründen ist mithin eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO nicht erforderlich.
2. Ebenfalls kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, zumal der XI. Senat des BFH in dem von den Beteiligten zitierten Beschluss vom 28. November 2002 XI B 12-14/00 (BFH/NV 2003, 491) nochmals ausdrücklich betont hat, dass auch bei einer verlustbringenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts die Gewinnerzielungsabsicht verneint werden kann, wenn aus weiteren Anzeichen die Feststellung möglich ist, dass die Tätigkeit nur aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt wird. Unter diesen Umständen kann dahin stehen, ob die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache etwa schon nicht ordnungsgemäß dargelegt ist, weil sich nach den Ausführungen der Kläger die Bedeutung ihrer Sache in der Entscheidung dieses konkreten Einzelfalls erschöpft (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 491).
3. Hinsichtlich der von den Klägern gerügten Verfahrensfehler macht das FA zu Recht darauf aufmerksam, dass die Kläger das Fehlen der etwa vom FG bis zur mündlichen Verhandlung noch nicht geleisteten Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) vor dem FG nicht gerügt haben. Da es sich bei der Anordnung einer Ortsbesichtigung und der Heranziehung weiterer Akten oder Unterlagen um die Beachtung von Verfahrensvorschriften handelt, auf deren Einhaltung die Prozessbeteiligten verzichten können (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. aus der neueren Rechtsprechung den Senatsbeschluss vom 24. November 2003 IV B 124/01, BFH/NV 2004, 519, sowie den BFH-Beschluss vom 14. Januar 2002 IX B 115/01, BFH/NV 2002, 667), haben die fachkundig vertretenen Kläger insoweit ein etwaiges Rügerecht durch ihr rügeloses Einlassen in der mündlichen Verhandlung verloren. Mangels einer Berichtigung des Protokolls ist der BFH auch an dieses gebunden (§ 94 FGO i.V.m. § 164 f. ZPO), weil eine Protokollberichtigung grundsätzlich nur durch das Instanzgericht oder den Protokollführer vorgenommen werden kann (Senatsbeschluss vom 17. August 1999 IV B 22/99, BFH/NV 2000, 211). Im Übrigen hat das FG auf die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen im Tatbestand Bezug genommen.
4. Letztlich kann dies aber, wie auch die Frage, warum das FG die Anträge auf Protokollberichtigung sowie auch auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) nicht beschieden hat oder ihnen sogar hätte stattgeben müssen, offen bleiben. Denn das angefochtene Urteil beruht jedenfalls deshalb auf einem Verfahrensfehler, weil das FG den Klageantrag nicht vollständig beschieden hat. Die Kläger hatten nämlich u.a. mit Schriftsatz vom 15. Juni 2000 hilfsweise beantragt, die geltend gemachten Aufwendungen als Steuerberatungskosten bei den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG) oder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Diesem Begehren hat das FG jedoch nicht Rechnung getragen, obwohl es die Aufwendungen für die genutzten Räume, die Absetzung für Abnutzung (AfA) betreffend Garage, Schreibsystem, Schränke, Büroeinrichtung und Geräte als privat, und zwar durch die Tätigkeit der Klägerin in eigenen steuerlichen Angelegenheiten veranlasst ansah. Es konnte die Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben (Steuerberatungskosten) oder Werbungskosten aber lediglich hinsichtlich der Aufwendungen für die geltend gemachten Fachbücher und Zeitschriften offen lassen, weil es diese tatsächlich in vollem Umfang den Betriebsausgaben bei der anwaltlichen Tätigkeit zugeordnet hat. Dass die Kläger die hilfsweise Anerkennung der Raumkosten sowie der AfA etc. als Sonderausgaben oder Werbungskosten ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht mehr ausdrücklich als Ziel ihrer Klage genannt haben, ist unerheblich. Denn auch geltend gemachte Steuerberatungskosten oder Werbungskosten sind ohne Antrag bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen. Das hat das FG unterlassen und damit ein selbständig vorgebrachtes Angriffsmittel gegen den festgesetzten Steueranspruch übergangen bzw. nicht darüber entschieden. Das Urteil ist insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO; vgl. BFH-Beschluss vom 2. Oktober 2001 IX R 25/99, BFH/NV 2002, 363). Dieser absolute Revisionsgrund stellt als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens zugleich einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar (Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 119 Rz. 3).
5. Im Übrigen weicht das FG rückblickend von dem Senatsurteil vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03 (BFHE 203, 373) ab, weil der PKW mit der vom FG geschätzten betrieblichen Nutzung von 10 % Betriebsvermögen sein konnte.
6. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 1252315 |
BFH/NV 2005, 44 |