Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung der Steuerberaterkammer
Leitsatz (NV)
Zu dem gerichtlichen Verfahren über die endgültige Bestellung eines bisher vorläufig bestellten Steuerbevollmächtigten ist die zuständige Steuerberaterkammer nicht notwendig beizuladen.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3; StBerG § 40a
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist vorläufig bestellte Steuerbevollmächtigte gemäß § 40 a des Steuerbe ratungsgesetzes (StBerG). In dem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren begehrt sie, die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) zu verpflichten, sie endgültig als Steuerbevollmächtigte zu bestellen. Das FG hat durch den angefochtenen Beschluß die Steuerberaterkammer X zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 3 der Finanz gerichtsordnung (FGO) notwendig beige laden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beiladungsbeschluß ist begründet.
Die Beiladung ist notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs. 3 FGO). Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere also in Fällen, in denen das, was einen Prozeßbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muß (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343; Beschluß des Senats vom 29. Januar 1980 VII B 34/79, BFHE 129, 536, BStBl II 1980, 303; Senatsurteil vom 19. April 1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472, BStBl II 1988, 789). Ein solches Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit ist im Streitfall nicht erkennbar.
Zwar hat der Senat im Hinblick auf die -- auch vom FG als Beiladungsgrund angeführte -- Zwangsmitgliedschaft der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften in der für sie zuständigen Steuerberaterkammer (§§ 73, 74 StBerG) entschieden, daß die Steuerberaterkammer zu den Verfahren wegen Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft (BFHE 129, 536, BStBl II 1980, 303) sowie wegen Rücknahme oder Widerruf der Bestellung als Steuerberater (Steuerbevollmächtigter) gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist, da durch diese gerichtlichen Entscheidungen die Mitgliedschaft in der Kammer unmittelbar begründet oder beendet wird (Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 1992 VII B 189/91, BFH/NV 1992, 843; vom 19. Juli 1994 VII B 56/94, BFH/NV 1995, 343; vom 16. Januar 1996 VII B 225/94, BFH/NV 1996, 647). Im Streitfall kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Entscheidung über die von der Klägerin erhobene Klage auch notwendig und unmittelbar die Rechte der zuständigen Steuerberaterkammer in der Weise (mit-)gestaltet, daß ihre Beiladung zu dem Klageverfahren notwendig wäre.
Die Klägerin ist auch als vorläufig bestellte Steuerbevollmächtigte (§ 40 a StBerG) Mitglied der beigeladenen Steuerberaterkammer. Diese Mitgliedschaft bleibt unabhängig von dem Ausgang des anhängigen Rechtsstreits über ihre endgültige Bestellung jedenfalls bis zum Erlöschen der vorläufigen Bestellung vm 31. Dezember 1997 (§ 40 a Abs. 1 Satz 6 StBerG) bestehen, so daß nicht ersichtlich ist, daß die Entscheidung im Klageverfahren -- Abweisung oder Stattgabe des Verpflichtungsantrags auf endgültige Bestellung -- auf die Rechte der Steuerberaterkammer aufgrund der Zwangsmitgliedschaft der Klägerin eine gegenwärtige und unmittelbare Gestaltungswirkung ausübt. Zwar hätte eine stattgebende Entscheidung des FG für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 1997 mittelbar auch Auswirkungen auf die Rechte der Steuerberaterkammer, da damit feststünde, daß die Mitgliedschaft der Klägerin in der Kammer über den gesetzlichen Zeitpunkt des Erlöschens der vorläufigen Bestellung (§ 40 a Abs. 1 Satz 6 StBerG) hinaus fortdauern würde. Darin liegt aber -- jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt -- keine unmittelbare Gestaltungswirkung des Urteils im Hinblick auf die Mitgliedschaft der Klägerin in der Steuerberaterkammer. Darüber hinaus ist es unsicher, ob eine stattgebende Entscheidung des FG nach dem Zeitpunkt des Erlöschens der vorläufigen Bestellung der Klägerin, bis zu dem ihre Zwangsmitgliedschaft in der Kammer ohnehin andauert, noch von Bedeutung wäre. Denn die Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer könnte bis zum 31. Dezember 1997 auch aus sonstigen Gründen enden (z. B. wegen Rücknahme oder Widerrufs der Bestellung) oder wegen der von der Klägerin beim zuständigen Finanzministerium ebenfalls beantragten endgültigen Bestellung als Steuerberaterin auf Dauer bestätigt werden.
Da somit nicht ersichtlich ist, daß die ausstehende Entscheidung des FG notwen digerweise und unmittelbar Rechte der Steuerberaterkammer gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, war die notwendige Beiladung der Kammer zu dem Klageverfahren gemäß § 60 Abs. 3 FGO nicht gerechtfertigt und folglich aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da die Entscheidung über die Beiladung in einem unselbständigen Zwischenverfahren ergeht (§ 143 Abs. 1 FGO); die Kosten dieses Nebenverfahrens bilden eine Einheit mit den Kosten des Klageverfahrens (BFH-Beschluß vom 4. August 1988 VIII B 82/87, BFH/NV 1989, 249; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 143 Rz. 2).
Fundstellen
Haufe-Index 422029 |
BFH/NV 1997, 304 |