Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde: Statthaftigkeit, Entscheidung trotz Unterbrechung des Verfahrens, Wegfall der Postulationsfähigkeit
Leitsatz (NV)
1. Nach der Einführung des § 321a ZPO und der Anhörungsrüge in § 133a FGO ist eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft (Hinweis auf Senatsbeschluss vom 14. März 2007 IV S 13/06, BFH/NV 2007, 1041).
2. Ein Rechtsmittel kann noch während der Unterbrechung des Verfahrens als unzulässig verworfen werden, wenn das Ereignis, das die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zur Folge hat ‐ hier: der Wegfall der Postulationsfähigkeit-, bereits vor der Unterbrechung des Verfahrens eingetreten ist.
Normenkette
FGO §§ 62a, 155, 132, 133a; ZPO §§ 244, 249, 321a
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Beschluss vom 10.07.2006; Aktenzeichen 8 S 24/05, 8 S 27/05, 8 S 28/05, 8 S 29/05) |
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) beantragte beim Finanzgericht (FG) für die Durchführung der Klageverfahren betreffend die Einkommensteuer 1999 bis 2003 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Das FG lehnte die Anträge mangels hinreichender Erfolgsaussichten mit Beschluss vom 10. Juli 2006 8 S 24/05, 8 S 27/05, 8 S 28/05 und 8 S 29/05 ab.
Entgegen der Rechtsmittelbelehrung, dass gegen den Beschluss kein Rechtsmittel gegeben sei, focht der Antragsteller ihn mit Schriftsatz vom 29. Juli 2006, eingegangen beim FG am 31. Juli 2006, an. Das Rechtsmittel bezeichnete er als Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO), als Gegenvorstellung sowie als Beschwerde sui generis. Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung wies das FG mit Beschlüssen vom 30. November 2006 8 S 24/05, 8 S 27/05, 8 S 28/05 und 8 S 29/05 zurück. Die Beschwerde leitete es an den Bundesfinanzhof (BFH) weiter.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
1. Das als außerordentliche Beschwerde auszulegende Rechtsmittel des Antragstellers ist nicht statthaft.
Nach Einfügen des § 321a in die Zivilprozessordnung (ZPO) durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I 2001, 1887) und nach Schaffung der Anhörungsrüge durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (AnhRüG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) ist eine außerordentliche Beschwerde an den BFH nicht mehr statthaft. Soweit der erkennende Senat den Anwendungsbereich für die außerordentliche Beschwerde zunächst in eng umgrenzten Ausnahmefällen weiterhin für zulässig erachtet hatte (Senatsbeschluss vom 8. September 2005 IV B 42/05, BFHE 210, 225, BStBl II 2005, 838), hat er diese Rechtsauffassung unter Hinweis auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 2007 1 BvR 2803/06 (noch nicht veröffentlicht) und die Rechtsprechung anderer Senate des BFH aufgegeben (Senatsbeschluss vom 14. März 2007 IV S 13/06 (PKH), BFH/NV 2007, 1041).
2. Der Senat sieht sich an einer Entscheidung nicht dadurch gehindert, dass dem Antragsteller, der sich in dem vorliegenden Verfahren selbst vertreten hat, mit Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. Dezember 2006 die Rechtsanwaltszulassung entzogen worden ist. Zwar führt der Wegfall der Vertretungsberechtigung und damit der Postulationsfähigkeit des Anwalts eines Beteiligten im Verfahren vor dem BFH grundsätzlich zur Unterbrechung des Verfahrens (§§ 62a, 155 FGO i.V.m. § 244 ZPO). Dies gilt gleichermaßen für einen Rechtsanwalt, der sich in eigener Sache selbst vertritt (vgl. Oberlandesgericht --OLG-- Karlsruhe, Beschluss vom 14. Dezember 1994 11 W 173/94, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1995, 626). Die Wirkung der Unterbrechung (vgl. § 249 ZPO) tritt jedoch dann nicht ein, wenn das Ereignis, das die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zur Folge hat, bereits vor der Unterbrechung des Verfahrens eingetreten ist und daher bereits zu diesem Zeitpunkt zur Verwerfung des Rechtsmittels hätte führen können und müssen. Die Sachlage ist vergleichbar der in § 249 Abs. 3 ZPO geregelten Sachlage, dass nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechungen die Verkündung der auf Grund der Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht hindern. Es ist daher in entsprechender Anwendung der Regelung in § 249 Abs. 3 ZPO gerechtfertigt, ein bereits vor der Unterbrechung des Verfahrens unzulässig gewesenes oder gewordenes Rechtsmittel noch während der Unterbrechung des Verfahrens zu verwerfen (vgl. BGH-Beschluss vom 16. Januar 1959 I ZR 33/58, Neue Juristische Wochenschrift 1959, 532; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Oktober 2000 21 U 25/00, Monatsschrift für Deutsches Recht 2001, 470).
Vorliegend stand die Unzulässigkeit der Beschwerde bereits mit deren Eingang beim FG am 31. Juli 2006 fest. Die durch die spätere Entziehung der Anwaltszulassung eingetretene Unterbrechung steht daher der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1807420 |
BFH/NV 2007, 2118 |