Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine verfahrensrechtliche Korrespondenz von wiederkehrendem Bezug und dauernder Last
Leitsatz (NV)
1. Wer vertraglich geschuldete Geld- oder Sachleistungen erbringt, kann allein aus der (gegebenenfalls unzutreffenden) steuerrechtlichen Behandlung dieser Leistungen als wiederkehrende Bezüge beim anderen Vertragspartner (Leistungsempfänger) keinen Anspruch darauf herleiten, dass die damit verbundenen Aufwendungen bei ihm selbst als Sonderausgaben in Gestalt einer dauernden Last erfasst werden.
2. Die mangelnde oder fehlerhafte Auslegung von Verträgen im Rahmen der Urteilsfindung ist grundsätzlich kein verfahrensrechtlicher, sondern ein materieller Fehler, der ‐ ungeachtet seiner Überprüfbarkeit im Rahmen einer bereits zugelassenen Revision ‐ als solcher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.
3. Die Pflicht zur vollständigen und einwandfreien Berücksichtigung des Prozessstoffes erfordert es nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 22 Nr. 1 S. 1; BGBEG Art. 96; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 28.02.2006; Aktenzeichen 15 K 10001/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Gründe für die beantragte Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht schlüssig dargelegt; die Beschwerdebegründung entspricht daher nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind lediglich Verstöße des Finanzgerichts (FG) gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. August 2006 I B 95/05, BFH/NV 2006, 2121; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 76). Ihre ordnungsgemäße Darlegung erfordert, dass diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden, gegebenenfalls auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf ihm beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297; vom 19. Januar 2005 II B 27/04, BFH/NV 2005, 913; vom 21. November 2001 III B 66/01, BFH/NV 2002, 517). Dem werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht.
a) Mit seiner Rüge, das FG habe den zwischen ihm und seinen Eltern am 17. März 1998 notariell abgeschlossenen Vertrag über die Begründung und Übertragung von Wohnungseigentum und über die Verpflichtung zur Zahlung einer dauernden Last überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zutreffend ausgelegt, hat der Kläger bereits im Ansatz keinen Verfahrensmangel dargelegt. Denn die mangelnde oder fehlerhafte Auslegung von Verträgen im Rahmen der Urteilsfindung ist grundsätzlich kein verfahrensrechtlicher, sondern ein materieller Fehler, der als solcher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Juli 2005 II S 5/05, BFH/NV 2005, 2215; vom 29. Januar 2004 IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger angeführten Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Februar 1960 V ZR 39/58 (BGHZ 32, 60, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1960, 959) und des BFH vom 23. Januar 2003 IV R 75/00 (BFHE 201, 278, BStBl II 2003, 467) und vom 28. Januar 1986 IX R 12/80 (BFHE 146, 68, BStBl II 1986, 348). Die in ihnen enthaltenen Rechtssätze zur Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Vertragsauslegung im Rahmen der --bereits zugelassenen-- Revision sagen nichts über die Voraussetzungen aus, unter denen die Revision auf die Beschwerde des unterlegenen Beteiligten vom Revisionsgericht erst zuzulassen ist.
Schließlich trifft auch in der Sache die Behauptung des Klägers nicht zu, das FG habe die Auslegung des notariellen Vertrages zu Unrecht unterlassen, weil es fälschlicherweise davon ausgegangen sei, eine Auslegung sei "aufgrund des eindeutigen Wortlautes" des Vertrages nicht erforderlich. Eine entsprechende Feststellung findet sich in dem angegriffenen Urteil nicht.
b) Soweit dem Vortrag des Klägers die --allerdings nicht ausdrücklich erhobene-- Rüge zu entnehmen ist, das FG habe seiner Entscheidung nicht den gesamten Inhalt der Akten zugrunde gelegt, indem es im Rahmen der Auslegung des genannten Vertrages den Inhalt der vom Kläger vorgelegten privatschriftlichen Vereinbarung vom 15. November 1997 unberücksichtigt gelassen habe, ist Folgendes zu bemerken:
Zwar verpflichtet § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das FG dazu, den gesamten Prozessstoff vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. September 1999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673; vom 13. März 1996 II R 28/94, BFH/NV 1996, 628, 629, m.w.N.). Deshalb kann ein Verfahrensmangel vorliegen, wenn das FG bei seiner Überzeugungsbildung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unbeachtet lässt oder bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgeht. Jedoch fordert das Gesetz nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern (vgl. zuletzt z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. September 2006 IX B 199/05, BFH/NV 2007, 75; vom 25. Juli 2006 IV B 116/04, BFH/NV 2006, 2270). Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (BFH-Entscheidungen vom 19. Februar 2002 IX B 130/01, BFH/NV 2002, 802; vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, m.w.N.). Für den Streitfall kommt noch hinzu, dass im Tatbestand des angegriffenen Urteils auf die mit der Klagebegründung übergebene Vereinbarung ausdrücklich und unter Angabe der genauen Fundstelle in den Gerichtsakten hingewiesen wird. Im Ergebnis beschränkt sich die Beschwerde lediglich darauf, den Akteninhalt anders zu werten, als das FG es getan hat. Das genügt zur Begründung eines Verfahrensfehlers nicht.
c) Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH unter anderem auch Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise zu welchem Beweisthema es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. zuletzt z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74; vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70).
Zu keinem dieser Punkte enthält die Beschwerdebegründung substantiierte Angaben. Inwieweit sich in der Frage der Auslegung des Vertrages (mithin in einer Rechtsfrage) für das FG gerade eine Zeugenvernehmung seiner Mutter und des beurkundenden Notars als erforderlich hätte erweisen müssen, obwohl der Kläger selbst sie nicht beantragt hatte, und inwieweit in deren Folge eine andere Entscheidung des Rechtsstreits möglich gewesen wäre, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.
Die Behauptung, das FG wäre auf diesem Wege zu einer Anwendung des § 12 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGBAG ND) vom 4. März 1971 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl ND-- 1971, 73) und damit zu dem begehrten Sonderausgabenabzug der Renovierungskosten gelangt, ist im Übrigen --in Anbetracht des Wortlauts dieser Norm-- eher fernliegend. Deren allein einschlägiger Abs. 1 lautet:
"Ist dem Gläubiger eine Wohnung zu gewähren, so hat der Schuldner sie ihm in einem Zustand zu übergeben, der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet ist, und sie in diesem Zustand zu erhalten."
Die Vorschrift trifft daher --im Rahmen von Altenteilsverträgen (§ 5 BGBAG ND i.V.m. Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch --EGBGB--)-- nähere Bestimmungen zur Gewährung eines Wohnungsrechts an den übergebenden Altenteiler. Dergleichen liegt im Streitfall ersichtlich nicht vor, denn die Eltern des Klägers (die nach Ansicht des Klägers die Stellung von Altenteilern haben sollten) haben auch nach Aufteilung ihres Gebäudes in zwei Eigentumswohnungen und nach Übergabe einer der beiden Wohnungen an den Kläger weiterhin die andere, in ihrem alleinigen Eigentum verbleibende Eigentumswohnung bewohnt. Ihnen eine Wohnung zu gewähren, war der Kläger nicht verpflichtet.
d) Unschlüssig ist auch die Rüge des Klägers, das FG habe durch das unterlassene Beiziehen der Steuerakten seiner Mutter seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Das FG war in Erfüllung dieses Anspruchs zwar grundsätzlich verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Aktenbeiziehung zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen; es durfte andererseits aber auch solches Vorbringen außer Betracht lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert war (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10, m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH). Im Streitfall kam es auf den mit dem Antrag bezweckten Nachweis des Umstands, dass die streitigen Renovierungsaufwendungen bei der Mutter des Klägers mit ihrem vollen Wert als sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes besteuert worden sind, offenkundig nicht an. Denn aus der (gegebenenfalls fehlerhaften) steuerrechtlichen Behandlung der Leistungen beim anderen Vertragspartner können nach ständiger Rechtsprechung keine Rechte hergeleitet werden (vgl. BFH-Urteile vom 31. August 1994 X R 44/93, BFHE 176, 19, 27, BStBl II 1996, 676, 679 f.; vom 27. April 1977 I R 12/74, BFHE 122, 275, 279, BStBl II 1977, 603, 605; Fischer in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 22 Rn 19).
2. Die daneben geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist gleichfalls nicht hinreichend dargelegt.
Dazu hätte der Kläger nach ständiger Rechtsprechung des BFH zunächst eine Rechtsfrage benennen sowie darstellen müssen, dass diese Frage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2006 I B 17/06, BFH/NV 2007, 52; vom 19. Januar 2004 X B 144/03, BFH/NV 2004, 532; vom 14. August 2003 I B 27/03, BFH/NV 2004, 63). Der Hinweis, dass die Steuerfestsetzung "widersprüchlich" und "im Sinne der Gleichbehandlung falsch" sei, reicht dafür nicht aus. Soweit der Kläger eine höchstrichterliche Entscheidung zum "Korrespondenzprinzip" begehrt, lassen seine Ausführungen weder eine konkrete Rechtsfrage erkennen, noch wird deutlich, inwieweit der Kläger in dieser Hinsicht --trotz der dazu bereits ergangenen BFH-Urteile in BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676 und in BFHE 122, 275, BStBl II 1977, 603-- noch weiteren Klärungsbedarf sieht.
3. Im Übrigen setzt die steuerrechtliche Anerkennung von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats voraus, dass im Übergabevertrag als dessen wesentlicher Inhalt der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung vereinbart wird (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 1992 X R 165/90, BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020, und vom 25. August 1999 X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21, m.w.N. der Rechtsprechung; zur Übernahme von (Schönheits-)Reparaturen auch Urteile vom 16. Juli 1985 IX R 1/79, BFH/NV 1985, 77, unter 1.b; vom 24. November 1993 X R 123/90, BFH/NV 1994, 704, und vom 15. März 2000 X R 50/98, BFH/NV 2000, 1089; Senatsbeschlüsse vom 1. April 1998 X B 198/97, BFH/NV 1998, 1467; vom 13. Dezember 2000 X B 81/00, BFH/NV 2001, 600).
Fundstellen
Haufe-Index 1692576 |
BFH/NV 2007, 718 |