Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH: Rückforderung von Kindergeld in sog. Weiterleitungsfällen; Leistung durch Scheck
Leitsatz (NV)
- Wird das Kindergeld per Scheck geleistet und reicht der Empfänger den Scheck an einen vorrangig Kindergeldberechtigten weiter, der den Scheck einlöst, so richtet sich ein Rückforderungsanspruch der Familienkasse grundsätzlich gegen den ursprünglichen Empfänger.
- Zur Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Rückforderung von Kindergeld in einem sog. Weiterleitungsfall.
Normenkette
FGO § 142; EStG § 64 Abs. 2 S. 1; AO 1977 § 37 Abs. 2; BGB § 364 Abs. 2
Tatbestand
Der verheiratete Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) bezog für seine drei minderjährigen Kinder von Januar bis Juni 1997 Kindergeld. Dieses wurde ihm jeweils per Scheck übermittelt. Im Juni 1997 teilte die Ehefrau des Antragstellers dem Arbeitsamt -Familienkasse- mit, dass sie seit Januar 1997 von dem Antragsteller getrennt lebe, und beantragte ihrerseits Kindergeld für die in ihrem Haushalt lebenden Kinder. Daraufhin hob die Familienkasse gegenüber dem Antragsteller die Kindergeldfestsetzung für die Zeit von Januar bis Juni 1997 auf (die Eheleute hätten sich bereits im Dezember 1996 getrennt) und forderte das gezahlte Kindergeld zurück.
Hiergegen erhob der Antragsteller Klage mit der Begründung, er habe die ihm übersandten Kindergeldschecks an seine Ehefrau weitergeleitet. Zugleich beantragte er, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) lehnte diesen Antrag wegen fehlender Erfolgsaussicht der Klage ab.
Mit seiner Beschwerde bringt der Antragsteller vor, die Familienkasse habe keine Zahlung an ihn vorgenommen, so dass ein Rückforderungsanspruch nicht bestehe. Die Hingabe eines Schecks sei eine Leistung erfüllungshalber. Er habe die ihm übergebenen Schecks ohne Einlösung an seine Ehefrau weitergeleitet.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, ihm unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses PKH für das Klageverfahren zu gewähren und einen seiner Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der Ansicht des FG besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht für das Klageverfahren (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―).
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der Antragsteller hinsichtlich der Monate Januar bis Juni 1997 keinen Anspruch auf Kindergeld hat. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Eltern trennen und das Kind anschließend nur bei einem der Berechtigten im Haushalt lebt. Haben sich die für die Zahlung des Kindergeldes maßgeblichen Verhältnisse durch einen Haushaltswechsel des Kindes geändert, so ist die ―nicht mehr der materiellen Rechtslage entsprechende― Festsetzung des Kindergeldes vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse an aufzuheben (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231).
2. Die Rückforderung des streitigen Kindergeldbetrages von dem Antragsteller begegnet dagegen Bedenken.
a) Allerdings hat die Familienkasse nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) grundsätzlich einen Rückforderungsanspruch gegen den Antragsteller, weil aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes an ihn weggefallen ist. Der Auffassung, ein Rückforderungsanspruch sei deshalb nicht entstanden, weil der Antragsteller durch die von ihm ohne Einlösung weitergereichten Schecks keine Zahlung erhalten habe, kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, dass die Hingabe eines Schecks zwecks Begleichung einer Verbindlichkeit (hier: der Zahlungspflicht aufgrund der ursprünglichen Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Antragsteller) mangels anderer Absprachen lediglich erfüllungshalber i.S. von § 364 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erfolgt. Dies besagt, dass der Gläubiger bei Weiterbestehen der bisherigen Forderung eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit erhält. Die Leistung i.S. von § 362 Abs. 1 BGB ist daher erst bewirkt, wenn der Scheck eingelöst, d.h. der bezogenen Bank vorgelegt und der Scheckbetrag entweder bar ausgezahlt oder dem Konto des Empfängers gutgeschrieben wird (vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl. § 364 Rz. 8; Olzen in Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., Vorbem. zu §§ 362 ff. Rz. 20, 23). Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn ―wie im Streitfall― der Gläubiger seinerseits den Scheck weitergibt, um damit eine eigene Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten zu erfüllen, und erst der Dritte den Scheck einlöst. Denn mit der Weitergabe des Schecks nimmt der Gläubiger die an ihn erbrachte Leistung endgültig in Anspruch, d.h. die Zahlung an ihn ist bewirkt.
b) Gleichwohl besteht bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der gegen den Rückforderungsbescheid gerichteten Klage. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung i.S. des § 114 ZPO kann bereits dann zu bejahen sein, wenn es sich in der Hauptsache um schwierige Fragen handelt, über die im PKH-Verfahren noch keine abschließende Beurteilung möglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 29. April 1981 IV S 4/77, BFHE 133, 253, BStBl II 1981, 580). Um eine solche Frage geht es im Streitfall insofern, als es für die Entscheidung darauf ankommt, in welchem Verfahren der Antragsteller den Einwand geltend machen kann, er habe die Kindergeldzahlungen an den vorrangig Berechtigten weitergeleitet. Diese Frage, die das Verhältnis der auf Treu und Glauben gestützten Einwendungen gegen einen Rückforderungsbescheid zu dem von der Verwaltung geregelten Billigkeitsverfahren in sog. Weiterleitungsfällen betrifft (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschn. des Einkommensteuergesetzes ―DA-FamEStG― 64.4 Abs. 4 bis 8), ist in der Rechtsprechung des BFH noch nicht geklärt (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Mai 1999 VI B 364/98, BFH/NV 1999, 1592; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 7. September 1999 9 K 6413/97, Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 2).
3. Hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers hat das FG (von seinem Standpunkt aus zu Recht) weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch rechtliche Erwägungen angestellt. Der Senat hält es dafür für sachgerecht, die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird dem FG übertragen (vgl. BFH-Beschluss vom 18. März 1999 VI B 203/98, BFH/NV 1999, 1209).
Fundstellen
Haufe-Index 426268 |
BFH/NV 2000, 1192 |