Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Akteninhalts durch FG
Leitsatz (NV)
Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass das FG auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.01.2008; Aktenzeichen 6 K 1107/08) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhobenen Verfahrensrügen liegen nicht vor.
1.a) Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, insbesondere wenn das Gericht bei seiner Entscheidung von einem Sachverhalt ausgeht, welcher dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten widerspricht, oder wenn das Gericht eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. die Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80). Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 96 FGO nicht gebietet, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Es ist vielmehr im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch den Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (BFH-Beschluss vom 27. September 1999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673).
b) Im Streitfall trägt die Klägerin vor, das FG habe bei seiner Überzeugungsbildung nicht berücksichtigt, dass nach übereinstimmender Auffassung der Klägerin und des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) zumindest ein Betrag in Höhe von 123 774 DM verblieben sei, der nicht zur allgemeinen Lebenshaltung verwendet worden sei und damit für die Bezahlung der in Auftrag gegebenen Bauleistungen zur Verfügung gestanden habe. Stattdessen habe es "mangels anderer Anhaltspunkte" die Höhe des gezahlten Betrags "auf ca. 60 % der in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge", somit auf 90 000 DM geschätzt. Dabei habe es sich auf die vom FA ermittelten höheren Rechnungsbeträge bei den Eingangsrechnungen im Vergleich zu den entsprechenden Ausgangsrechnungen gestützt.
Ein möglicher Verfahrensfehler lässt sich diesem Sachvortrag nicht entnehmen. Zum einen ist die möglicherweise fehlerhafte Auslegung von Schriftsätzen --die Klägerin entnimmt dem Schriftsatz des FA vom 4. April 2007, auch dieses gehe davon aus, dass ein Betrag in Höhe von 123 774 DM für die Bezahlung der Betriebsausgaben zur Verfügung gestanden habe-- bzw. die unzutreffende Einschätzung von Geschehensabläufen grundsätzlich kein verfahrensrechtlicher, sondern ein materieller Fehler, der als solcher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (BFH-Beschluss vom 13. Juli 2005 II S 5/05, BFH/NV 2005, 2215). Vor allem aber hat das FA im Schriftsatz vom 4. April 2007 nicht die Auffassung vertreten, ein Betrag in Höhe von 123 774 DM sei zur Bezahlung der Bauleistungen verwendet worden. Vielmehr hat es ausgeführt, die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgelisteten Barabhebungen seien kein Nachweis dafür, dass der Ehemann der Klägerin tatsächlich Bargeldbeträge an den Subunternehmer L ausgehändigt habe. So sei beispielsweise eine Barabhebung in Höhe von 25 000 DM nachweislich auf das Sparbuch des Ehemanns der Klägerin einbezahlt worden. Weitere Betriebsausgaben seien somit nicht zu berücksichtigen. Im Anschluss an diese Ausführungen berechnet das FA dann, dass die Klägerin den als Betriebsausgaben geltend gemachten Betrag in Höhe von 174 366,11 DM schon deshalb nicht an die Fa. L bezahlt haben konnte, weil maximal ein Betrag von 123 774 DM zur Verfügung gestanden habe.
2. Auch die weitere Rüge der Klägerin, das FG hätte den Sachverhalt durch Zeugenvernehmung weiter aufklären müssen, führt nicht zur Zulassung der Revision.
a) Die Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Ermittlungsmaßnahme oder Beweiserhebung aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Ermittlungsmaßnahme oder Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Außerdem muss vorgetragen werden, dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2007 IV B 130, 131/06, BFH/NV 2008, 233; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69, 70, jeweils m.w.N.).
b) Im Streitfall hat die Klägerin weder dargelegt noch ist aus dem Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung ersichtlich, dass sie eine Beweiserhebung beantragt bzw. die Nichterhebung der angebotenen Beweise gerügt hat. Der Einwand der Klägerin in der Beschwerdebegründung, sie habe ein Beweisangebot nicht für erforderlich gehalten, weil ihr die Frage bis zum Ende der mündlichen Verhandlung nicht entscheidungserheblich erschien, in welcher konkreten Höhe Zahlungen an die Fa. L geleistet worden seien, geht fehl. Die Abziehbarkeit der von der Klägerin behaupteten Zahlungen an die Fa. L als Betriebsausgaben war Gegenstand des Einspruchs- und Klageverfahrens. Vor allem auch im Hinblick auf den Vergleichsvorschlag des FG musste die Klägerin, die auch im finanzgerichtlichen Verfahren durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, damit rechnen, dass das FG --anders als das FA-- zwar dem Grunde nach einen Betriebsausgabenabzug anerkennen wird, die Höhe der von der Klägerin behaupteten Barzahlungen jedoch als nicht in vollem Umfang nachgewiesen ansieht.
3. Insgesamt erschöpfen sich die Einwände der Klägerin --nach Art einer Revisionsbegründung-- in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum die vom FG vorgenommene rechtliche Beurteilung und tatsächliche Würdigung des Streitfalles unrichtig sei. Hinweise gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler) sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch unbeachtlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2000 XI B 128/99, BFH/NV 2001, 800).
Fundstellen