Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme eines ruhenden Verfahrens - Ermessensspielraum des Gerichts
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 251 S. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit seiner beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage gegen die Nacherhebung von Zoll durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―), nachdem die zuständige Behörde der Tschechischen Republik mitgeteilt hatte, dass die von ihm vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 zu Unrecht ausgestellt worden seien.
Der Kläger beantragte beim FG, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, weil er in Tschechien ein Verfahren führe, dessen Ergebnis abzuwarten sei. Das HZA stimmte dem Antrag des Klägers zu. Das FG ordnete daraufhin mit Beschluss vom 1. Oktober 2001 das Ruhen des Verfahrens an.
Der Berichterstatter des Senats des FG bat den Kläger mit Schreiben vom 29. Oktober 2002, den Gegenstand und Stand des Verfahrens in Tschechien sowie das Aktenzeichen des Gerichts mitzuteilen, bei dem dieses anhängig sei. Ferner sollte der Kläger erläutern, welcher Zusammenhang mit dem Verfahren beim FG bestehe. Hierauf teilte der Kläger mit, er sei zwischenzeitlich einer Vereinigung in der Tschechischen Republik beigetreten, die seine Interessen vertrete. Derzeit seien Verfahren gegen die tschechischen Behörden anhängig. Des Weiteren würden Klagen in der Bundesrepublik Deutschland vorbereitet.
Das FG erklärte mit Beschluss vom 17. Februar 2003 das Ruhen des Verfahrens für beendet, weil keine Gründe erkennbar seien, die das weitere Ruhen des Verfahrens als zweckmäßig erscheinen ließen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er trägt vor, das HZA habe dem Ruhen des Verfahrens zugestimmt, weil die Abgaben entrichtet worden seien. In den in der Tschechischen Republik anhängigen Klageverfahren könne geklärt werden, warum die zu Unrecht ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen von den tschechischen Behörden widerrufen worden seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat das FG das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn die Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Verwendung des Wortes "zweckmäßig" im Gesetzestext bedeutet, dass das FG einen Ermessensspielraum bei seiner Entscheidung hat. Die Entscheidung, von Amts wegen das Ruhen des Verfahrens für beendet zu erklären und das Verfahren wieder aufzunehmen, ist daher ebenfalls eine Ermessensentscheidung, die das Gericht jederzeit erlassen kann, wenn es ihm zweckmäßig erscheint (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 1995 IV B 69/94, BFH/NV 1995, 802). Da übereinstimmende Anträge der Beteiligten nach § 251 Satz 1 ZPO nur eine Voraussetzung für die Entscheidung sind, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, steht dies allein einer Wiederaufnahme des Verfahrens durch das FG nicht entgegen.
Danach hat das FG in dem angefochtenen Beschluss das ihm zustehende Ermessen nicht überschritten, wenn es zur Begründung
darauf verwiesen hat, dass keine Gründe erkennbar seien, die das weitere Ruhen des Verfahrens als zweckmäßig erscheinen ließen. Der Kläger hat nicht dargelegt, welchen entscheidungserheblichen Einfluss die von ihm benannten Verfahren in der Tschechischen Republik auf das beim FG anhängige Verfahren haben sollen. Soweit er geltend macht, in diesen Verfahren könne geklärt werden, warum die "zu Unrecht" ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen von den tschechischen Behörden widerrufen worden sind, ist dies für die Entscheidung des FG über die von ihm erhobene Klage unerheblich. Es ist geklärt, dass der Widerruf einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 durch die zuständige Behörde des Ausfuhrstaates gegenüber dem Einführer keiner Begründung bedarf (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 17. Juli 1997 Rs. C-97/95 ―Pascoal & Filhos―, EuGHE 1997, I-4209, 4252 Rdnr. 34).
Fundstellen