Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungsrüge; Verlust des Rügerechts
Leitsatz (NV)
Zur Frage eines -- ausnahmsweise eintretenden -- Rügeverzichts bei einem nicht fachkundig vertretenen Beteiligten nach durchgeführter Beweisaufnahme und ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage durch das Finanzgericht.
Normenkette
ZPO § 295; FGO § 115 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Rüge des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) genügt nicht den formellen Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Kläger rügt, im finanzgerichtlichen Verfahren sei mehrfach unter Beweis gestellt worden, daß die Beigeladene im Streitjahr nicht nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern zusätzliche Einkünfte erzielt habe, mithin die Unterhaltspflicht der Beigeladenen gegenüber der Tochter höher gewesen sei. Das Finanzgericht (FG) habe auch entsprechende Auskünfte nicht eingeholt. Diese Einlassung genügt den Erfordernissen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO schon deshalb nicht, weil die genauen Fundstellen (Schriftsätze mit Datum, Seitenzahl, Terminprotokolle), in denen die angebotenen Beweismittel (und die Beweisthemen) angeblich angeführt sind, nicht bezeichnet worden sind (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. November 1997 X B 46/97, BFH/NV 1998, 602, und vom 18. Oktober 1995 V B 50/95, BFH/NV 1996, 333).
Soweit der Kläger rügt, das FG habe eine diesbezügliche Beweisaufnahme unterlassen, genügt die Beschwerdeschrift den gesetzlichen Erfordernissen gleichfalls nicht. Auch insoweit wurde die Rüge nicht in zulässiger Form erhoben.
Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozeßbeteiligten verzichten können und auch tatsächlich verzichtet haben (§155 FGO i.V.m. §295 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Der Kläger hätte darlegen müssen, daß er beim FG die Nichterhebung des Beweises gerügt habe oder aus welchen Gründen die unterlassene -- weitere -- Beweiserhebung nicht habe rechtzeitig gerügt werden können. An derartigen Darlegungen fehlt es in der Beschwerdeschrift völlig.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß eine rechtzeitige Rüge des vermeintlichen Verfahrensfehlers jedenfalls dann erforderlich ist, wenn der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren durch eine fachkundige Person vertreten wird (BFH-Beschluß vom 16. Februar 1998 VIII B 46/97, BFH/NV 1998, 875, m.w.N.). Tritt der Beteiligte hingegen -- wie im Streitfall -- ohne Rechtsbeistand auf, kann ihm die Unkenntnis solcher Verfahrensverstöße in der Regel nicht zugerechnet werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 38).
Aufgrund der vom FG durchgeführten Beweisaufnahme sowie der mündlichen Verhandlung mit Erörterung der Sach- und Rechtslage, die überdies zu einer Rücknahme der Klage wegen Einkommensteuer 1990 führte, konnte dem Kläger schlechterdings nicht verschlossen geblieben sein, daß das FG keine weitere Beweiserhebung durchführen werde. Angesichts der im Streitfall vorliegenden Gesamtumstände durfte sich der Kläger nicht -- wie geschehen -- jeglicher Ausführungen zur Frage des Rügeverzichts enthalten.
Im übrigen fehlen Darlegungen zu der Frage, weshalb sich dem FG nach Lage der Akten eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.
Der Kläger hat auch nicht schlüssig dargelegt, inwiefern die Entscheidung des FG ohne den gerügten Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Der bloße Hinweis darauf, die Unterhaltspflicht der Beigeladenen habe mindestens 400 DM betragen und sei durch deren Zuschüsse jedenfalls nicht zu 75 v.H. erfüllt worden, genügt allein nicht.
Im übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer weiteren Begründung abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 154094 |
BFH/NV 1999, 326 |