Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinnützigkeit - Jugendverband - politischer Verein
Leitsatz (NV)
Ein Jugendverband ist ein politischer Verein i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 7 KStG 1977, wenn sich aus dem Vereinszweck und der Geschäftsführung eine alleinige oder doch andere Zwecke weit überwiegende politische Zielsetzung ergibt.
Normenkette
KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nrn. 7, 9; AO 1977 § 52 Abs. 2 Nr. 2, § 60 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist ein Jugendverband. Seine ab Februar 1977 gültige Satzung bestimmte unter anderem:
,,II. Aufgaben und Zweck
(Der Verband) will die Idee des Sozialismus an junge Menschen herantragen und zu sozialistischer Tätigkeit erziehen. Diese Arbeit kann sich in den vielfältigen Formen und Gruppen vollziehen. Näheres darüber bestimmen die Grundsatzerklärung und ein Aktionsprogramm.
IX. Gemeinnützigkeit
Unser Verband verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke, besonders durch die Förderung der Jugendpflege . . ."
In der Grundsatzerklärung legte er seine Ziele unter anderem wie folgt fest:
,,Ziel der Arbeit . . . ist die Durchsetzung der sozialistischen Gesellschaftsform in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West . . . Zur Verwirklichung (seiner) Vorstellung vom demokratischen Sozialismus sucht (der Verband) die Zusammenarbeit mit der . . .-Partei. (Er) ist auch bereit, mit anderen gesellschaftlichen Kräften zur Erreichung (seiner) Ziele zusammenzuarbeiten."
Der Beklagte und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -) versagte dem Kläger für die Jahre 1977 bis 1979 (Streitjahre) die Anerkennung als spendenbegünstigter gemeinnütziger Verein. Er vertrat die Ansicht, der Kläger sei nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) von der Körperschaftsteuer befreit, da er ein politischer Verein sei. Der deshalb erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Nichtzulassungsbeschwerde des FA wird auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt und wie folgt begründet:
Streitig sei die Rechtsfrage, ob Jugendverbände, die in erster Linie politische Zwecke verfolgen und nur in zweiter Linie die Jugendhilfe i. S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), politische Vereine i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 7 KStG 1977 seien. Diese Frage sei für alle Jugendgruppen von Bedeutung, die politischen Parteien nahestehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die Rechtsfrage bisher noch nicht geklärt. Die vom FG zitierten BFH-Urteile beträfen Körperschaften, die nach ihrer Satzung die Umwelt schützen bzw. den Frieden fördern wollten und deren Ziele somit zwangsläufig auch politische Fragen berührten. Im Bereich der Jugendarbeit sei eine politische Zielsetzung dagegen nicht zwangsläufig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die streitige Rechtsfrage ist bereits geklärt. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. August 1984 I R 203/81 (BFHE 142, 51, 62, BStBl II 1984, 844, 850) ausgeführt, daß ein Verein dann ein politischer Verein i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 7 KStG 1977 ist, wenn sich aus dem Vereinszweck und der Geschäftsführung eine alleinige oder doch andere Zwecke weit überwiegende politische Zielsetzung und deren Verwirklichung ergeben (Nr. 6 der Entscheidungsgründe am Ende). Dieser Auffassung hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (s. Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 24. September 1987 IV A 5 - S 0062 - 38/87, BStBl I 1987, 664, 671, 674). Sie entspricht auch der vom FA im Streitfall vertretenen Ansicht.
Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) scheidet aus.
Das FG hat seiner Entscheidung keinen Rechtssatz zugrunde gelegt, der von den Rechtsausführungen im Urteil in BFHE 142, 51, BStBl II 1984 abweicht. Vielmehr ist das FG von den Rechtsausführungen in diesem von ihm zitierten Urteil ausgegangen. Es hat zwar verkannt, daß der Kläger primär politische Ziele verfolgt und daß die Jugendarbeit nur das Mittel ist, um diese politischen Ziele zu erreichen. Abschnitt II der Satzung und die ihn konkretisierende Grundsatzerklärung nennen den Zweck des Verbands. Er ist auf ein politisches Ziel - die Durchsetzung der sozialistischen Gesellschaftsordnung - gerichtet. Abschnitt IX der Satzung legt demgegenüber nur fest, daß dieser Zweck durch die Förderung der Jugendpflege verwirklicht werden soll. Dieser dem FG bei der Rechtsanwendung im Streitfall unterlaufene Fehler ist aber keine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 115 Anm. 17, m. w. N.).
Das FG-Urteil weicht auch nicht von der Entscheidung des erkennenden Senats vom 19. April 1989 I R 3/88 (BFHE 156, 381, BStBl II 1989, 595) ab. Nach dieser Entscheidung genügt eine bloße Bezugnahme der Satzung auf andere Regelungen oder Satzungen Dritter nicht den Anforderungen des § 60 Abs. 1 AO 1977. Die der Konkretisierung der Aufgaben und des Zwecks des Klägers dienende Verweisung in Abschnitt II Satz 4 der Satzung auf die Grundsatzerklärung und ein Aktionsprogramm ist keine derartige - schädliche - Bezugnahme. Denn bei politischen Vereinen ist zu berücksichtigen, daß die Satzung in der Regel nur die allgemeine politische Zielsetzung und nicht die jeweils aktuellen politischen Ziele und Aufgaben bestimmen kann. Eine Bezugnahme der Satzung auf Grundsatzerklärungen oder Programme dient der Anpassung an veränderte politische Verhältnisse ohne Änderung der Satzung. Auch ohne Heranziehung der Grundsatzerklärung und des Aktionsprogramms läßt sich im Streitfall aufgrund der Sätze 1 und 2 des Abschnitts II der Satzung prüfen und feststellen, ob der Kläger nach seiner Satzung einen gemeinnützigen Zweck verfolgt.
Fundstellen